... von wegen Brieföffner
Panisch laufe ich durch die weitverzweigten steinernen Gänge des Erebors. Meine Schritte hallen unnatürliche laut von den Wänden wider und verlieren sich dennoch klanglos in der Einsamkeit und bedrückenden Stille. Mumifizierte Zwerge, verbrannte Alltagsgegenstände, staubige Möbel, Schutt und Geröll behindern meinen Weg und die Tränen der Furcht verschleiern meinen Blick.
Als ich furchtsam zurückblickend um eine Ecke haste, stoße ich mit Thorin zusammen. Der Aufprall auf seine geharnischte harte Brust ist so überraschend und heftig, dass ich im ersten Moment nach Atem ringen muss und fast das Gleichgewicht verliere. Aber sofort umgreift er meine Taille, bewahrt mich mit einer unglaublichen Mühelosigkeit vor dem Sturz und zieht mich in eine sichernde Umarmung. „Ich habe befürchtet, ich hätte dich für immer verloren", flüstert er und die ausgestandene Besorgnis schwingt noch immer in seiner zitternden Stimme mit. Einen Moment des Leichtsinns lang genieße ich die Herrlichkeit, Vertrautheit und Intimität seiner Liebkosung, erhole mich augenblicklich in ihr von der Panik und Angst, nur um festzustellen, dass sich diese nur auf ihn konzentriert hatte und in seiner atmenden Nähe verfliegt. Nahezu widerwillig löse ich mich von ihm und seine Augen sind so wundervoll blau und grün zugleich ... aber innerhalb eines Wimpernschlages verwandeln sie sich ... in eine schwarze, unheilvolle, von Verlangen und Unruhe gezeichnete Dunkelheit. „Hast du den Arkenstein?"; fragt er mich plötzlich mit selbst für ihn ungewohnt knurrender Stimme und ich weiche erschrocken und durcheinander einen Schritt von ihm zurück.
Langsam höre ich ein Grollen hinter uns in der Finsternis aufwallen und die Luft wird drückend warm. Ich umfasse besorgt eindringlich seine Hand und will ihn in die entgegengesetzte Richtung ziehen, aber er entreißt sie mir grob. „Hast du den Arkenstein gefunden?", will er erneut dröhnend von mir wissen, ungeachtet der Gefahr, die auf uns zukommt. „Thorin ... der Drache ... wir müssen hier raus", versuche ich ihn ruhig zur Vernunft zu bringen und gehe beschwichtigend auf ihn zu. In diesem Moment erhebt er Orcrist und bedroht mich damit. Sprachlos und erschüttert starre ich erst das glänzende Schwert und dann ihn an, erste Tränen der Enttäuschung treten dabei in meine Augen. Mit Schrecken stelle ich fest, dass sein beunruhigendes lichtloses Antlitz nicht von der Düsterheit des Ganges kommt. Es scheint, als sei er innerhalb weniger Augenblicke zu einem Anderen geworden, weit jenseits von dem Zwerg, den ich schätze. „Thorin ... was tust du?", frage ich ihn mit gebrochener Flüsterstimme und wie als würden meine bestürzten Worte sein kostbares Ich endlich erreichen, senkt er seinen Blick und schließ gequält die Augen. Erst als er sie wieder öffnet und mich ansieht, strahlen sie wieder genauso grünblau ... so wie ich sie kenne und liebe.
Über die Tatsache, dass er mich bedroht, selber erstaunt zu sein, starrt er ungläubig auf Orcrist, dessen Spitze noch immer in meine Richtung zeigt. Er schüttelt seinen Kopf, so als wolle er die habgierigen Dämonen, die erneut versuchen die Macht über ihn zu erlangen, aus diesem Vertreiben und lässt das Schwert sinken. Ich gehe nach kurzer Unentschlossenheit behutsam auf ihn zu und nehme sein Gesicht zwischen meine Hände. Liebevoll flüstere ich seinen Namen und lasse meine Daumen über die erstaunlich weichen Barthaare fahren, die unter meiner Berührung leise rascheln. Er starrt mich an und in seinen Augen kann ich die unendlich vielen tiefen Gefühle für mich erkennen ... ganz leicht blitzen sie auf und geben mir einen kurzen Einblick in seine bisher von Trauer und Verzweiflung gezeichnete Seele.
Das Grollen hinter uns wird noch lauter und bedrohlicher und als wir uns umblicken, schält sich bereits die Gestalt von Smaug aus dem Schatten. Seine Wut auf uns scheint die Luft zu erfüllen, so schwer und kaum zum Atmen reichend, wie sie augenblicklich wird. Mit stürmenden Schritten, gefletschten Zähnen und unheilbringend leuchtender Brust kommt er auf uns zu. Thorin, endlich wieder vollkommen zur Besinnung gekommen, ergreift meine Hand und zieht mich hinter sich her die stillen Gänge entlang und als wir beinahe wieder an der Schatzkammer angekommen sind, treffen wir auf unsere Gefährten. Balin schließt mich in seine Arme und auch alle anderen scheinen froh und erleichtert darüber zu sein, Thorin und mich unverwundet wiederzusehen. „Wir müssen weg von hier!", befiehlt unser Anführer allerdings sofort und scheucht uns einen schmalen Durchgang hindurch.
Wir stürmen durch die endlos erscheinenden, in absoluter Finsteres liegenden Gänge Erebors. Steinerne Treppen, reich verzierte Statuen, geländerlose Übergänge, glitzernde Metalladern und riesenhafte Säulen zeichnen unseren Weg. Aber auch wenn es unmöglich ist die gewaltige Größe und Schönheit dieses Ortes vollends zu erfassen, so kommt er mir jetzt schon prächtiger vor als alles, was ich bisher sehen durfte. Die Herrlichkeit des geheimen Ganges war wie erwartet nur ein fader Vorgeschmack auf das Königreich unter dem Berge. Jeder Schritt hallt unnatürlich Laut von den Wänden wider und kleine Steinchen, die von den Brücken fallen wenn wir darüber gehen, poltern ins bodenlose Nichts hinab.
„Was machen wir jetzt?", fragt Bofur aufgeregt, als wir uns schützend in eine Nische drängen und das erste Mal seit Beginn unserer Reise, erkenne ich so etwas wie Angst in seiner sonst immer fröhlichen Stimme. „Wir gehen in die westliche Wachkammer, dort ist ein Ausgang", schlägt Thorin nach kurzer Überlegung vor. Aber Balin erwidert, dass diese zu hoch liegt, um ungesehen dorthin zu gelangen. Allerdings wehrt Thorin seinen Einwand kämpferisch und mit ungebrochener Tonlage, die keine weiteren Zweifel an seinem Vorschlag zulässt, ab.
So leise wie es Zwergen in ihren schweren Stiefeln und beladen mit den unzähligen klirrenden Waffen nur irgendwie möglich ist, eilen wir weiter, bis wir schließlich die Wachkammer erreichen. Aber auch hier empfängt uns nur grenzenlose Zerstörung und bekümmernder Tod ... Der Ausgang, von dem Thorin glaubte, dass er noch existiert, ist mit riesigen Felsbrocken verschüttet und davor, zusammengekauert und im Moment ihres Todes mumifiziert, liegen Zwerge. Männer, Frauen, Kinder ... mit schreckensgeweiteten Augen und sich bis zuletzt gegenseitig mit ihren Leibern schützend. Ich lege die Hände bewahrend vor den Mund, um nicht leidvoll aufzuschluchzen. Thorins Lippen beben und er schluckt hart, ebenfalls von diesem elenden Anblick schockiert. Selbst ihm war das Ausmaß der Zerstörung und des Sterbens bis zu diesem Zeitpunkt nicht vollends bewusst und die Bestürzung über den Tod seines Volkes, das in den vielen Jahren des Exils in Vergessenheit geraten war oder verdrängt wurde, lodert erneut auf und zeichnet seine Gesichtszüge.
„Die letzten unserer Sippe ... sie müssen hierhergekommen sein, weil sie noch Hoffnung hatten ... dort wo es keine mehr gab", sagt Balin mit resignierender Stimme und berührt ehrfürchtig die Mumie eines kleinen Säuglings, der noch immer behütet in den Armen seiner Mutter liegt. Der Anblick des unschuldigen kleinen Wesens, das augenblicklich beginnt zu Staub zu zerfallen ... sich auflöst, als hätte es nie existiert ... ist zu viel für mich, sodass ich mich mit blutenden Herzen und schwer atmend mit den Tränen kämpfend, die in diesem Wahnsinn nichts zu suchen haben, abwenden muss. Die verzweifelten Schreie und das herzzerreißende Wehklagen der Zwerge, die hier gestorben sind ... jeglicher Zuversicht auf Rettung beraubt und im Angesicht des Todes ... hallen in meinen Ohren wider.
„Wir könnten probieren die Minen zu erreichen ... dann bleiben uns vielleicht noch ein paar Tage", versucht Dwalin vorzuschlagen und ich höre, dass er ebenfalls um Fassung ringt ... eine schauerliche Gemütsregung des sonst so starken und unerschrockenen Kriegers, die mich erneut vor Kummer aufwimmern lässt. „Nein ... so werde ich nicht sterben." Thorins ungewöhnlich feste Stimme in dieser Situation durchschneidet die Luft und seine Stiefel verursachen knackende Geräusche, als er in die Mitte der Kammer tritt. „Niederknieend ... kapitulierend ... verzweifelt um Atem ringend ... dem Tod nichts mehr entgegenbringend, außer meiner Verzweiflung." Ich drehe mich wieder um, im gleichen Moment, in dem er es auch tut. Unsere Blicke treffen sich und ich kann den ungebrochenen Kampfgeist in seinen Augen aufblitzen sehen. Sofort fasse ich neuen Mut aus seinen heldenmütigen Worten und furchtlosen Auftreten, genauso wie unsere Kammeraden.
„Wir gehen zu den Minen ... aber nicht um uns dort zu verkriechen und auf den Tod zu warten", seine Stimme ist kräftig, selbstbewusst und unerschrocken, mehr als sie es jemals zuvor war. „Wir werden ihn dort in eine Falle locken und dieses Untier ein für alle Mal besiegen!" Balin tritt auf ihn zu. „Thorin, sei doch vernünftig ... das wird uns nicht gelingen ... zu setzt unser aller Leben aufs Spiel", erwidert er ruhig, um seinen Herrscher zur Einsicht zu bringen. „Wir teilen uns auf ... Da er mich will, wird er nur mir folgen ... die ‚Nataju mesêm' - Mine liegt unweit von hier ... sie ist tief und eng genug. Ich locke ihn dort hin und ihr anderen versucht ihn irgendwie zu Fall zu bringen." Thorins feste Überzeugung, dass wir den Drachen wirklich mit seinem Plan niederwerfen können, springt mit jedem seiner Wörter wie ein Funkenregen auf die Umstehenden über. Aus den Gesichtern der Zwerge um mich herum spricht ihre neu entflammte Entschlossenheit und innere Kraft. „Und wenn es dennoch in einem Flammenmeer enden soll, dann ertrinken wir gemeinsam in seinen Fluten ... Seite an Seite, wie es Helden aus Durins Volk gebührt!" Seine donnernde und von Sicherheit und Glaube durchdrungene Stimme dringt direkt in unsere Herzen, entfacht dort einen Feuersturm, der heißer und brennender ist, als das Drachenfeuer es jemals sein könnte. Voller Zuversicht heben die Zwerge ihre Waffen und zollen ihrem König lautstark die unangefochtene Anerkennung.
Thorin läuft mit ernstem Ausdruck in den Augen, entschlossenen Schritten und emporragender Körperhaltung an ihnen vorbei ... ein König, wie er so nur aus den heldenhaftesten Sagen entspringen könnte ... eine Lichtgestalt im Dunkel der Verzweiflung. Erst auf meiner Höhe kommt er kurz zum Stehen und sein Blick ist tiefgründig und so ungewohnt erfüllt mit widersprüchlichen Gefühlen ... liebende und zweifelnde ... leidende und aufgeschlossene. „Bil, du kommst mit Balin und mir. Ich will dich in meiner Nähe wissen!", befiehlt er mir schließlich mit standhafter Stimme, die keine Widerworte zulässt und innerlich bin ich froh, dass ich die vermutlich letzten Minuten meines Lebens zusammen mit ihm verbringen kann.
Bedächtig schleichen wir durch die dunklen Gänge, immer auf der Hut vor dem Drachen, der hinter jeder Wegkreuzung auf uns warten könnte. Und plötzlich kommt er von einem steinernen Querbalken heruntergekrochen ... so leise, dass wir ihn erst im letzten Moment entdecken. Mit einem tiefen Grollen in seinem Hals und böse funkelnden Augen baut er sich in seiner vollen erschreckenden Größe vor uns auf. „Flieht, wenn ihr wollt ... aber es gibt kein Entkommen für euch!", droht er uns grimmig und holt bereits tief Luft, sodass seine Brust beginnt feurig zu glühen. Thorin ergreift meine Hand und zieht mich im letzten Moment hinter eine steinerne Säule, die gewaltig und fest neben uns aufragt. Er drückt mich mit aller Kraft gegen das kalte Gestein, die Arme trügerisch schützend neben mir abgestützt und die Stirn stärkend an meine gelegt. Das unbeschreiblich sengend-heiße Feuer des Drachen lodert um uns herum und einzig der dagegen immune Stein, hält sie davon ab unsere Körper gnadenlos zu verbrennen. Ich blicke in Thorins Augen, in dem verzweifelten Wunsch darin Hoffnung und Kraft zu finden, damit ich nicht ob dieser Situation gänzlich den Verstand verliere und so wie ich es fest erwartet habe, gelingt es ihnen mit Leichtigkeit.
„Hier entlang, schnell!", ruft Balin uns aufgeregt zu, als das Feuer erlischt und verschwindet in einem Durchgang. Wir laufen auf ihn zu, aber sofort vernehmen wir erneut das tiefe Grollen des Untiers den Gang hinaufwallen und sehen seine gelb-glühenden Augen und die rot-emporlodernde Flammenbrust die Dunkelheit durchbrechen. „Geh mit Balin!", brüllt mir Thorin entgegen und hastet bereits auf einen Abgrund, einige Meter vor ihm, zu. Ich schreie verzweifelt und ängstlich darüber was er vorhat seinen Namen und werde gerade noch rechtzeitig von Balin in den Schutz des Durchgangs gezogen ... aber ich wehre mich ungeachtet wissender Vernunft mit all meiner Kraft gegen seine beschützende Umklammerung, denn die Besorgnis ist übermächtig und alles verschleiernd. Smaug windet sich unglaublich schnell den Gang entlang und stößt dabei immer wieder seinen Feueratem aus.
Balin drücken mich an die steinerne Wand, als er an uns vorbeiläuft und kaum, dass sein massiger Körper außer Sichtweite ist, reiße ich mich von ihm los. Die Angst um Thorin lässt mich die vor dem Drachen völlig vergessen. Wie ein Wurm schlängelt er sich den Abgrund hinunter, sodass ich nur noch kurz seinen keulenbesetzen Schwanz sehen kann. Mit von Verängstigung völlig eingenommenen Geist, lasse ich mich an der Klippe nieder und starre in den bodenlos erscheinenden Abgrund. Thorin hat sich an einer Seilwinde hinuntergelassen und der Drache ist ihm wie gehofft gefolgt. Wie bei einer Eidechse kleben seine Füße an den Wänden. „Bil, Vorsicht!", höre ich plötzlich Oris Stimme über mir und als ich auf die etwas höher liegende andere Seite des Abgrundes schaue, sehe ich ihn, Dwalin und Kili, wie sie gerade mit langen Stangen riesige Felsbrocken bearbeiten.
Das Seil, an dem Thorin hängt, hat derweil seine gesamte Länge ausgereizt, sodass er heftig stockend zum Halten kommt. Smaug ist fast bei ihm angelangt und sogar von hier oben, kann ich die Hitze seiner erneut auflodernden Flammen fühlen. Ich bemerke Balin neben mir, wir er einen Mechanismus betätigt, der die Winde in die entgegengesetzte Richtung in Gang setzt. Unglaublich schnell rast Thorin wieder nach oben und kann nur knapp der Feuersbrunst entkommen, die Smaug gerade auf ihn schleudern wollte. Der Drache dreht erstaunlich biegsam und pfeilschnell seinen massigen Körper in dem engen Felsspalt herum und schnappt mit seinen Zähnen nach Thorin ... zum Glück verfehlt er ihn um Haaresbreite. In diesem Moment lösen Dwalin und die anderen die Felsbrocken, die krachend die Klippe herunter poltern. Thorin sieht sie kommen, schwingt sich dicht an die Wand heran, sodass sie nur knapp an ihm vorbei rasen und Smaug mit voller Härte und völlig unvorbereitet treffen.
Er verliert den Halt an den Wänden und stürzt mit einem ohrenbetäubenden Schmerzenslaut nach unten, aber nicht ohne einen letzten, alles vernichtenden Feuerstrahl auszuspeien. In letzter Sekunde kann Thorin ihm entkommen, indem er sich auf den Vorsprung rettet, auf dem ich bereits auf ihn warte. Und ungeachtet der brennenden Hitze, die von den lodernden Flammen um uns herum verursacht wird, schlinge ich meine Arme um ihn und bin seinem Schöpfer so unendlich dankbar, dass er noch am Leben ist. „Ich habe befürchtet, ich hätte dich für immer verloren", wimmere ich unbewusst die gleichen Worte, die er noch vor wenigen Stunden zu mir sagte. Seine Umarmung wird fester, fast schon sehnsüchtig und mit dem Wunsch versehen, meine Besorgnis durch den engen Kontakt noch ein klein wenig mehr zu beruhigen. „Du wirst mich nie verlieren", verspricht er mir flüsternd und ich kann sein Herz bei dem so bedeutungsvollen Gelöbnis schnell und ungestüm schlagen spüren, so als ob es mir das gleiche beteuern möchte wie seine liebevolle Stimme.
Überraschend löst er sich danach allerdings sofort von mir und umfasst meine Oberarme. „Es ist noch nicht vorbei!", sagt er mit ernster Miene und er hat recht. „Schnell, in die Minen, die Steine werden ihn nicht ewig aufhalten können!", schreit er seinen Männern zu, die sich nach und nach einfinden und ist bereits auf den Weg, eine lange gewundene Treppe hinunter zu hasten.
Als wir am Abgrund der Schlucht ankommen, hat sich Smaug bereits fast vollständig von den Gesteinsbrocken befreit. Wütend schlägt er um sich und windet sich auf dem Boden. Die schweren spitzen Steine haben zumindest an seinem Rücken erste tiefe Wunden hinterlassen. Sein dunkelrotes Blut klebt an den wie bei einem Netz aus Sternen glitzernden Wänden und durch seine hastigen Bewegungen, schleudert er es auf uns. Es brennt wie Feuer auf der Haut, sodass ich verzweifelt versuche es mit den Ärmeln von meinem Gesicht zu entfernen.
„Verfluchtes Zwergenpack!", dröhnt seine dunkle Stimme durch die Mine und lässt die Wände erzittern ... Juwelen und kleine Steine lösen sich wie von selbst aus ihnen und die Gold- und Silberadern beginnen zu leuchten. Thorin entdeckt einen Karren mit verschiedenen Pulverfässern. „Balin, gelingt dir noch eine Stichflamme!?", schreit er so laut wie möglich gegen das Brüllen des Drachen an. Der Angesprochene nickt schnell und tritt auf den Karren zu. Behände nimmt er verschiedene Stoffe aus den Fässern und füllt sie nacheinander in kleine bereitstehende Kugeln um. „Bil, Fili, Kili ... folgt mir!", schreit der Kriegerkönig uns an und läuft auf den Drachen zu. Die Brüder zücken unverzüglich ihre Schwerter und ich tue es ihnen gleich. Ohne Fragen zu stellen, folgen die jungen, unerschrockenen Zwerge mit großer Tapferkeit ihrem Onkel ... während ich erst einmal kurz den kläglich verbliebenden Rest Mut, den ich noch besitze, zusammenkramen muss.
Im Schutz eines Seitenganges schleichen wir uns an dem immer noch um sich schlagenden Drachen vorbei, sodass wir bald darauf vor ihm stehen. Seine Augen glühen boshaft und blind vor Wut reißt er die letzten Steine von seinem Rücken. „Hinter dir, verdammter Wurm!", schreit Thorin in an und augenblicklich ist der vernichtende Blick des Drachen auf uns gerichtet. „Ein klägliches Exemplar deiner Rasse ist aus dir geworden ... leicht zu überlisten, träge und fett ... es wird ein Leichtes sein dich Schande zu besiegen!" Ich schaue Thorin verängstigt an und frage mich, warum er ihn zusätzlich noch reizt. Ist der Drache nicht schon wütend genug?! Laut stapfend setzt sich Smaug in Bewegung und wir beginnen zu rennen, bis wir unter einem breiten Überhang hindurchkommen. Dicht dahinter bleiben wir stehen ... Smaug kriecht auf uns zu und kurz bevor er uns erreicht, bleibt er stecken. In seiner blinden Wut hat er nicht bemerkt, dass der Durchgang zu schmal für seinen massigen Körper ist. Er windet sich hin und her, kommt aber weder vor noch zurück. „Bil, geh nach dort oben und wenn ich es dir sage, trennst du die Kette durch", befiehlt mir Thorin durch das ohrenbetäubende Gebrüll des Drachen hindurch und zeigt auf einen kleinen Vorsprung, der unterhalb eines Felsdurchbruches liegt. Ich nickte hastig und hetze sofort die steile Treppe hinauf. Aus der dunklen Öffnung spannt sich eine eiserne Kette durch die gesamte Mine, verzweigt sich in verschiedene Richtungen und transportiert damit gewaltige, stählerne, Loren, die teilweise noch immer mit Diamanten, Gold und Silber gefüllt sind, zu den unterschiedlichen Abbaustätten.
Smaug reißt seinen gewaltigen Kopf nach oben und bringt dadurch das Gestein bereits teilweise zum Bersten. Von hier oben kann ich sehen, wie Balin und die zurückgebliebenen Zwerge, die kleinen Kugeln auf die Rückseite des Drachen schleudern und diesen mit den daraus hervorkommenden Explosionen zusätzlich verletzen. Es sind nur kleine Wunden, schwächen Smaug aber dennoch. Derweil gehen Thorin und seine Neffen mit gezogenen Schwertern und entschlossenen Blicken auf den Drachen zu. Sie wollen ihn wirklich töten ...
Ich atme heftig gegen die Angst an und plötzlich fällt mir ein, wie sie es schaffen könnten. „Thorin ... an seinem Hals ist eine verwundbare Stelle ... dort wo sein Feuer sitzt!", schreie ich nach unten und Thorin schaut kurz zu mir hinauf, damit ich weiß, dass er mich gehört hat ... aber in diesem Moment sprengt Smaug den Felsen. Krachend fallen die hochgeschleuderten Brocken auf den Steinboden und nur mit viel Glück, treffen sie niemanden. „Jetzt!", brüllt Thorin zu mir hinauf. Ich hole aus und schlage mit all meiner Kraft die Kette mit Stich entzwei ... von wegen Brieföffner.
Surrend verlieren die Ketten ihre Spannung und fallen zusammen mit den Loren polternd auf den Drachen hinab. Sofort verwickelt er sich mit seinen Flügeln, Füßen und dem Kopf darin und wird durch das Gewicht nach unten gezogen. Laut brüllt Smaug seinen Zorn über diese erneute Bewegungslosigkeit durch die Hallen, während die Fesseln bereits tiefe Furchen in die Membrane seiner Schwingen schneiden. Thorin, Fili und Kili gehen derweil ruhig auf ihn zu, bereit den letzten, alles entscheidenden Schlag auszuführen. Unterdessen haste ich die Treppen wieder hinab und kann gerade noch sehen, wie Smaug mit seinem Schwanz ausholt und Thorin trifft. Von dem, trotz des geringen Spielraums, heftigen Schlag wird er zur Seite geschleudert, prallt hart an der steinernen Wand auf und bleibt bewusstlos liegen.
Wir schreien gleichzeitig verzweifelt auf, werden aber von Smaug abgehalten zu ihm zu gelangen, indem er seinen Schwanz zwischen uns schlängelt. „Habt ihr tatsächlich geglaubt, ihr könntet mich mit diesem armseligen Plan besiegen!", beginnt der Drache mit grollender Stimme. „Mich den Übermächtigen! Ihr dummen einfältigen Maden, niemand kann mich töten!" Wir begeben uns in Angriffsposition und wenig später, kommen uns auch Dwalin und Gloin zu Hilfe. Zu fünft haben wir vielleicht eine geringe Chance gegen den Drachen. „Glaubst du, du könntest mich täuschen, Diebin?! Ich sehe es an eurer Kleidung und den Waffen und Schildern mit dem allzu bekannten Wappen ... die Seestädter haben euch geholfen. Vielleicht wird es Zeit, dass ich diesen elendigen Menschenpack einen Besuch abstatte, mich an ihrem Fleisch labe und meine Macht demonstriere ... auf dass sie nie wieder in Vergessenheit gerät!", versucht der Drache mich unverzüglich zu verunsichern und schickt sich an, mit den Schwingen zu schlagen, um abzuheben, obwohl er das gar nicht richtig kann. Gedankenlose Panik ergreift augenblicklich mein Sein. Er darf ihnen Nichts tun ... den heuchlerischen Adligen und dem Bürgermeister vielleicht ... aber nicht Bard ... nicht den einfachen Bürgern, die mich so ehrlich herzlich bei sich aufgenommen haben. „Nein, sie können nichts dafür ... warte", stoße ich ungehalten aus und Smaug hält sofort inne. Ich merke nicht, dass er mich erneut, versucht zu täuschen ... Zeit schinden möchte, um sich zu erholen. „Dir liegt also etwas an ihnen, nicht wahr!", vermutet Smaug richtig und lächelt verächtlich. „Gut, dann sieh zu, wie sie sterben!" Abermals probiert er mit seinen Schwingen zu schlagen und die Ketten um ihn herum ächzend verdächtig.
„Warte, du einfältiger Wurm ... es ist noch nicht vorbei ... ich hole mir zurück, was mein ist!", hören wir plötzlich Thorins donnernde Stimme, der sich von dem Aufprall erholt hat und ruhig vor uns tritt. „Du wirst mir gar nichts nehmen, nichtswürdiger Zwerg!", beginnt Smaug und lässt die Höhle unter seiner Androhung erzittern. „Ich habe eure Krieger einst niedergestreckt ... ich habe die Völker in Angst und Schrecken versetzt ... ICH bin König unter dem Berge und du nur ein gefallender Prinz ... Mitglied einer längst verblassten Linie ... unwürdig und ohnmächtig." Der Drache reckt selbstgefällig seinen Kopf nach oben und reißt erneut an den Ketten, sodass diese bedenklich stöhnen und sich bereits die ersten Glieder auseinanderbiegen. „Unsere Entschlossenheit, Macht und Stärke wird dich besiegen ... wir bekommen unsere Rache an dir!" Thorins Stimme ist unglaublich fest und zeugt von so bemerkenswert viel Furchtlosigkeit und Kampfgeist ... ein wahrhaftiger König, der für sein Volk und seine Zukunft alles tun würde. Und erneut sehe ich das Heldenbild meiner Geschichte vor mir ... und die Vision der schrecklichen Folgen, die diese Situation haben könnte. Aber ehe ich mich dieser wirklich bewusst werden könnte, stürmt Thorin mit erhobenem Schwert und einschüchternden Kampfschrei auf Smaug zu, der im nächsten Moment mit einem letzten kraftvollen Ruck die eisernen Ketten zersprengt. „Rache ... ich zeige euch, was Rache ist!", stößt er brüllenden aus und schlägt mit seinen teilweise zerfetzten Flügeln. Langsam hebt er ab und nachdem er sich zusätzlich mit seinen kraftvollen Hinterbeinen vom Boden abgestoßen hat, schraubt er sich in die Höhe.
Wir können ihn nur angespannt hinterherschauen, noch immer wie versteinert in Angriffsposition verharrend. Krachend hören wir, wie der Drache durch die Hallen wütet und schließlich mit viel Getöse durch das Haupttor stößt. Schnell atmend versuche ich meine Angst, über das nun folgende unter Kontrolle zu bringen. Was haben wir nur getan?
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Nataju mesêm - Sternbild am Osthimmel von Mittelerde, bedeutet in Khuzdûl „Netz von Juwelen", ist in unserer Welt mit dem Sternbild der Plejaden gleichzusetzen, Minen haben immer Namen, und im Erebor habe ich mir ausgedacht, wurden diese nach Sternen und Sternenbilder benannt.
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