Verantwortung
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„Adad, sieht dir nur dieses wunderschöne Kleid an, dass Amad mir genäht hat!", empfängt Fís ihren Vater beglückt, als dieser ihre Gemächer betritt und dreht sich demonstrativ im Kreis, sodass der silberdurchwirkte Rock mit den zarten Blumenstickereien glockenförmig aufbauscht. Ich betrachte beide voller Glück und Stolz, während sie danach in seine weit geöffneten Arme springt. „Es sieht bezaubernd aus, Ghivashith ... DU siehst bezaubernd aus", würdigt er ihre Erscheinung und wirbelt sie durch die Luft. „Ich bitte Mahal, dass er dir alles Erfreuliche was dir widerfahren kann zu deinem zehnten Geburtstag schenken soll. Mögen deine Wünsche und Träume in Erfüllung gehen und deine Augen allzeit strahlen wie Saphire", sagt er und gibt ihr einen liebvollen Kuss auf die Stirn. Fís lächelt glücklich und knickst vornehm dankend, nachdem er sie wieder abgesetzt hat. „Freilich habe ich ein weiteres Geschenk für dich. Ich hoffe, es gefällt dir."
Kaum, dass er ausgesprochen hat, tritt ein Diener heran und überreicht Fís mit einer tiefen Verbeugung einen länglichen Gegenstand eingehüllt in weiches Leder. „Es hat Tradition, dass der Vater seinem Kind zum zehnten Geburtstag das erste Schwert schenkt", erklärt Thorin andachtsvoll und ehe ich widersprechen kann, hat Fís das Bündel bereits freudestrahlend entgegengenommen und die ledernen Bänder gelöst. „Oh Adad, es ist einfach wundervoll ... sieh nur Amad, das Heft besteht aus einem Drachenzahn so wie bei Orcrist und die Klinge ist mit den gleichen Ornamenten verziert wie Stich", jauchzt sie aufgeregt und hält das erstaunlich filigran wirkende Schwert nach oben. Thorin ist ein wahrer Meister auch der Schmiedekunst, das muss ich trotz allem Unbehagen mein kleines Mädchen mit einer Waffe zu sehen zugeben. Es scheint wie geschaffen für sie. Eine perfekte Verlängerung ihres Armes und zudem sehr leicht, denn trotz der Zartheit der Trägerin zittert der Ort keinen Millimeter. „Ja, Mizimith, es ist auserlesen ...", flüstere ich ungewollt pessimistisch wirkend und sehe nur allzu deutlich in den sanften Augen, dass mein Missmut Thorin nicht entgeht.
„Aber bedenke, dass der Besitz eines Schwertes bedeutet, dass du auch verantwortungsbewusst damit umgehen musst. Die Macht ein Leben damit zu nehmen ist gefährlich und einflussreich. Fili und Dwalin werden dich trainieren, wenn sie dich bereit dafür wissen", mahnt er seine Tochter bestimmt und sie nickt annehmend. „Ich verstehe, 'Eddar. Wenn das dein Wunsch ist, werde ich ihn akzeptieren", sagt Fís respektvoll und knickst wohlerzogen. Ich sehe Thorin dankend an und er lächelt dieses geliebte warme Lächeln, das mein verzaubertes Herz auch nach all den gemeinsamen Jahren noch immer schneller schlagen lässt.
„Verzeiht Majestät, aber soeben traf ein erster Gast für Ihre Hoheit ein", reißt uns plötzlich ein weiterer Diener aus der familiären Situation. „Ein Gast, jetzt schon, dass Fest beginnt doch erst in einigen Stunden", bemerkt Thorin argwöhnisch wie es seine Art noch immer ist.
Als wir am Tor ankommen und den Besucher erkennen, misstraue ich meinen Augen, denn so viele Jahre habe ich ihn schon nicht mehr gesehen. „Gandalf!?", entkommt der überraschte und freudige und ungläubige Ruf den lachenden Lippen. Der graue Zauberer lächelt warm und verbeugt sich tief. „Ich grüße die Majestäten unter dem Berge und Ihre Hoheit, die Prinzessin Fís", sagt er ehrfurchtsvoll mit der gewohnten tiefen Stimme, deren sonorer Klang wohl nie altern wird. Ich bemühe mich redlich die hoheitsvolle Würde aufrecht zu erhalten, denn eigentlich will ich auf ihn zulaufen und ihn einfach nur freudig umarmen.
Als wir bei ihm ankommen und er sich wieder zu seiner vollen beeindruckenden Größe aufrichtet, bemerke ich die verunsicherte Hand von Fís meinen Rock umklammern und wie sie sich Deckung suchend hinter mir versteckt. Sie kennt die Menschen aus Thal und der Seestadt und Elben, die so hochgewachsen sind wie junge Bäume zur Genüge, aber keine Zauberer, die mit ihren spitzen Hüten und langen Bärten und Zauberkunststücken aus Erzählungen und Sagen wohl doch etwas einschüchternder sind. „Du brauchst keine Angst vor ihm zu haben, Mizimith. Das ist Gandalf, der graue Pilger, ein alter Freund deines Vaters und mir. Wir haben dir schon oft von ihm erzählt. In Khuzdûl heißt er allerdings Tharkûn", beruhige ich sie sanft und als der Zauberer sie warm anlächelt und auch noch einmal vor ihr respekterbringend seinen Blick senkt, fasst sie anscheinend zumindest ein wenig Vertrauen. „Verzeiht mir meine anfängliche Furcht, aber Ihr seid anders, als ich mir die Istaries vorgestellt habe, Meister Gandalf."
Gandalf lacht brummend und lang, ein äußerst selten von ihm in dieser Intensität vernommenes Geräusch. „Wie hast du dir den Zauberer erträumt, mein Kind?", fragt er und stützt sich interessiert abwartend auf seinen Stab. Fís sieht mich Mut suchend an, bevor sie befangen den Blick senkt und ihm antwortet. „Nun ... ich erfand in meinen Gedanken, dass ihr sehr viel unfreundlicher ausseht. Mit Hakennase und zerzausten Haar, und Blitz und Donner, der euch umgibt, und dass auf euren Schultern Krähen und Fledermäuse sitzen." Gandalf lacht erneut und beugt sich zu ihr hinunter. „Nun, da habe ich aber großes Glück, dass ich nicht deiner Phantasie entsprungen bin." Fís sieht ihn nun auch lachend an und das kindlich erfreute Gesicht von Gandalf ist herzerwärmend.
„Nachdem das geklärt ist, würde ich dir gerne dein Geschenk überreichen, das ich von einem ebenfalls alten Freund deiner Eltern mitgebracht habe", sagt Gandalf schließlich und winkt einen am Tor wartenden Zwerg heran, der eine wunderschön-gescheckte Ponystute führt, mit langer seidiger Mähne und blauen wachen Augen. „Beorn schenkt ihr eines seiner Pferde?", fragt Thorin ungläubig und Gandalf nickt bejahend. Fís hingegen ist starr und sprachlos vor Erstaunen und Ehrfurcht. Sie sah bereits Ponys und sogar feingliedrige und riesige Elbenpferde und ritt sogar auf ihnen, aber ich kann mich nur zu wohlig daran zurückerinnern, wie mich diese Geschöpfe einst bezauberten und in ihren Bann zogen.
Das Fest ist auf seinem Höhepunkt angelangt, als Gandalf schließlich auch sein Geburtstagsgeschenk für Fís offenbart. Die Gesellschaft hat sich auf den Wehrgang gedrängt und die Ebene vor den Toren ist ebenfalls überfüllt mit Wesen aller Rassen, während er sein berühmt-berüchtigtes Feuerwerk in den sternenklaren Himmel aufsteigen lässt. Funkenregen in bunt schillernden Farben. Sternenmeere aus Silber und Gold. Aufblühende Blumen und fliegende Drachen und wie Wasser fließende Ströme, die sich über den Horizont schlängeln.
Fís jauchzt und staunt und jubelt unablässig, während sie unruhig auf Filis Schultern sitzt, der sichtlich große Mühe damit hat, sie zu halten. Ich sehe zu Thorin neben mir und die Funken der Feuerreigen spiegeln sich in den glänzenden Augen wie Edelsteine in einem zugefrorenen See. „Ich liebe dich." Die Aussage ist nicht mehr als ein Hauch, als sie meinen Mund unüberlegt verlässt, aber er hörte sie dennoch. Langsam dreht er sich zu mir, streicht eine der Haarsträhnen aus dem Gesicht und küsst mich zärtlich mit der gleichen Liebe und Leidenschaft und Hingabe, die auch unserem ersten Kuss innewohnte.
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„Pass auf, Fís, du musst den Bogen ruhig halten. Kurz bevor und während du den Pfeil loslässt, hältst du den Atem an, dann wackelst du nicht einen Millimeter", erklärt Kili meiner Tochter geduldig, unterdessen er ihre Haltung leicht korrigiert. Fís hat ein erstaunliches Talent für den Schwertkampf, aber wirkliches Interesse und Naturbegabung zeigt sie für das Bogenschießen, was besonders Kili mit Stolz erfüllt. Sie trifft Ziele wie ein Elb, das auch an dem vererbten scharfen Sehen eines Hobbits liegen wird. Zischend zerschneidet der abgeschossene Pfeil die Luft, bevor er mit einem dumpfen Schlag tief in die Zielscheibe eindringt. „Sehr gut gemacht. Du musst die Schwachstellen deines Gegners innerhalb eines Wimpernschlages erkennen. Mit dem Bogen kannst du sie auf Distanz halten und analysieren und dann mit der Nahwaffe vorbereitet angreifen, wenn es denn noch nötig ist", unterrichtet er sie und gibt ihr einen weiteren Pfeil, der noch zielsicherer versenkt wir.
„Sie ist beachtenswert gut", höre ich plötzlich Thorins dunkle Stimme hinter mir brummen und der tief gehende väterliche Stolz darin ist unverkennbar. „Ich weiß dennoch nicht, warum sie in Friedenszeiten das Kämpfen lernen muss", zische ich zurück, denn die Ausbildung zur Kriegerin bereitete mir von Anfang an Unbehagen. Thorin lässt sich schwer neben mir im grünen Gras unter der Eiche nieder und zupft einige Halme, um sie zwischen den ringbewährten Fingern zu drehen. „Sie ist doch erst vierzehn, beinahe noch ein Kind." Er lacht leise über den schmollenden Gesichtsausdruck und streicht mit einer beruhigenden Hand über den Rücken. „Ein Alter, indem normalerweise Zwerge bereits seit vielen Jahren das Kampftraining absolvieren. Du vergisst, dass wir ab dreißig als kriegstauglich gelten, auch Frauen." Ich schnaube murrend aus, denn das ist keine Begründung warum verdammt noch einmal meine kleine Tochter den Umgang mit Waffen erlernen soll. „Schwerter und Bögen, Kriege und Schlachten, Feinde und deren gezielte Bekämpfung ... wir leben in ruhigen Zeiten, Thorin. Seit Jahren langweilen sich unsere Wachen an den Grenzen. Gundabad und Dol Guldur sind verlassen und die einzigen Gegner, die wir zu befürchten haben, sind Ränkeschmiede und Moralisten."
Thorin beugt sich zu mir hinüber und kaum, dass ich zu einer Abwehr fähig bin, drückt er mich mit der Materialisierung von Stärke an seinem Körper in das weiche Grün. „Ihr Hobbits seht stets das Gute, das liebe ich so an dir", sagt er ruhig und zeichnet sanft mit den Fingerspitzen die Konturen meines Gesichts nach. „Aber dennoch, in dieser Welt herrschen viele Gefahren. Sie sind nicht immer sichtbar, aber erstarken schnell und unerwartet. Niemand wünscht sich mehr als ich, dass unsere Tochter bis zu ihrem noch in weiter Ferne liegenden Tod nur Friedenszeiten erlebt und niemals einem Feind ins hässliche Angesicht blicken muss. Aber wenn doch, dann soll sie ihm vorbereitet und mutig gegenübertreten, so wie es einer Tochter Durins vorbestimmt ist."
Versöhnlich streichen seine Lippen über meine und ich verliere mich in dem zärtlichen Kuss ... bis plötzlich etwas über unsere Köpfe hinwegzischt und in der Rinde des Baumes stecken bleibt. Rückartig und erschrocken setzten wir uns auf. Kili und Fís blicken in unsere Richtung ... bereits feixend und sich nun beinahe nicht wieder beruhigend könnend, als sie unsere wohl überraschten Gesichter erblicken. „Könnt ihr euch nicht dafür in eure Privatgemächer zurückziehen?", bringt Kili schließlich zwischen zwei Lachern hervor und gibt Fís den Bogen wieder, mit dem er den Pfeil in unsere Richtung schoss.
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Ganz langsam ist aus meinem kleinen niedlichen Mädchen eine blühende hübsche Frau geworden. Anfangs merke ich es nicht wirklich, aber seitdem sie nicht nur geistig, sondern auch körperlich immer erwachsener wird und sich während öffentlichen Veranstaltungen umwerbende Jungzwerge wie Fliegen um sie scharren, erwische ich mich immer öfter dabei, wie ich sie mit schmerzlicher Wehmut betrachte. Ich habe Bredas Tochter Bilris bereits vor einigen Jahren als Zofe an ihre Seite gestellt und es entwickelte sich schnell eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden Mädchen. Man sieht sie eigentlich ständig zusammen und neben Kili und Fili ist sie ihre engste Vertraute.
Wir sind Ehrengäste bei den Feierlichkeiten anlässlich der Geburt des zweiten Thronfolgers Thals. Brand, der Sohn von Bain ist bereits sein viertes Kind nach drei Prinzessinnen. Freudige Veranschaulichung wie gut und sorglos die Zeiten sind. Zartrosa-schwerelose Kirschblüten umwehen Fís und Fili, während sie ausgelassen zwischen den vielen anderen Gästen tanzen und ich höre regelrecht das tief-grollende Gewittern der missbilligenden Blicke von Thorin, dass sie trotzig und ungeachtet meiner Gegensprache das dunkelblaue Kleid mit dem besonders tiefen Ausschnitt und den fast durchsichtigen Stoff gewählt hat. Mit ihren gerade einmal zwanzig Jahren ist sie starrköpfiger und aufmüpfiger als Thorin es jemals war.
„Ich glaube, ich sollte Fili einmal eindringlich ermahnen sie nicht so zu betrachten", brummt er schließlich und ich weiß genau, welche begehrenden Blicke er meint, denn auch mir vielen sie auf. Bisweilen nicht nur heute. „Als ob du in seinem Alter nicht auch jedem freizügigen Dekolleté und gerafftem Rock hinterher gesehen hast", besänftige ich besonnen und umfasse seine auf der Stuhllehne verweilende Hand. Ein langes Ausschnauben verdeutlicht mir, dass ich die richtige Vermutung unterstellt habe. „Dennoch, so langsam bereitet er mir Sorge. Die Affäre mit Sigrid ist nun schon einige Jahre beendet, allerdings interessiert er sich nicht für Zwerginnen, und es waren derer viele und geeignete, die seitdem um seine Gunst warben."
Ich senke betrübt den Blick, denn er spricht die Wahrheit und die brennende Furcht um das Weiterbestehen seines Geschlechts entflammt aus ihr, nicht nur bei ihm. „Kili begehrt noch immer diese Elbin, egal wie aussichtslos es ist und ich befürchte wirklich, dass er diese Schwärmerei niemals aufgeben wird." Ich seufze. Fürwahr, Kilis Herz ist erfüllt von dieser verbotenen Liebe, so sehr, dass darin keine andere außer der zu seiner Familie einen wohligen Platz finden kann.
„Und Fís ... in ihren momentanen flatterhaften Zustand fällt es mir schwer überhaupt daran zu denken sie eines Tages vermählen zu können, selbst wenn sie von dem Erreichen der Mündigkeit eines Hobbits noch einige Jahre entfernt ist." Mein Herz wird schwer bei den Gedanken, dass sie die Bürde tragen soll den nächsten Thronfolger nach Fili zu gebären. Bislang führte sie eine behütete Kindheit und Jugend, größtenteils befreit von der oft erdrückendenden Last der Verantwortung eines königlichen Erben, die Fili und Kili seit jeher tragen mussten. Sie ist doch noch immer mein kleines Mädchen, unschuldig und so empfindlich wie eine filigrane Rosenknospe. Und ich fürchte, der eiskalte Frost der Verantwortung wird sie gnadenlos zerstören.
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Mizimith – junges Juwel (Khuzdûl)
'Eddar – Oberster Vater (Khuzdûl)
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