... und Liebesqual
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Retrospektive Thorin
Der Gang vor mir ist nachtschwarz und regungslos, nur das leise und aus vergangenen Tagen so vertraute Tröpfeln von Wasser hallt fast unnatürlich laut in der Dunkelheit nach. Der volle Mond steht noch immer in meinem Rücken und vermag es dennoch nur die ersten paar Schritte hinein zu beleuchten. Vor Anspannung höre ich das Adrenalin schnell durch meine Adern pulsieren, während ich angestrengt versuche jedwede Veränderung wahrzunehmen ... Was ist, wenn sie nicht zurückkommt ... wenn der Drache erwacht und sie mir nimmt? Könnte ich dann jemals wieder glücklich werden ... jemals wieder diesen Berg ohne schlechte Erinnerung, aber dafür voller Schuldgefühle und Beschämung betreten? Könnte ich überhaupt weiterleben, ohne um ihre Sicherheit zu wissen, auch wenn sie dann nicht mehr an meiner Seite steht?
Ich habe sie einfach bedenkenlos in ihr Unglück geschickt, mit gefühlskalten Worten fast genötigt sich den Drachen gegenüberzustellen, um mir den Arkenstein zu bringen ... nur damit sie mich letztendlich verlassen kann. Ich hasse mich dafür so dumm zu sein ... ich hätte sie aufhalten sollen, ihr sagen sollen wie viel sie mir bedeutet und dass mir meine Stellung, mein Ansehen, meine Verpflichtung egal sind ... Verdammt, selbst mein Geburtsrecht wäre mir gleichgültig und ich würde es aufgeben ... wenn sie mich nur lieben würde. Aber ich habe es nicht ... ich war zu gekränkt ob ihrer Zurückweisung und zu stolz es zuzugeben. Und nun irrt sie bereits seit Stunden in dieser Finsternis herum, ungeachtet der Gefahr, die dort lauert ... und dass nur für mich.
Ich merke nur wie durch einen schweren Schleier hindurch, wie sich Balin ruhig neben mich stellt. Er starrt minutenlang schweigend in die Dunkelheit, aber ich erahne, dass er genau weiß was ich denke und fühle und wie sehr ich mit mir hadere, dafür kennt er mich einfach schon zu lange und intensiv. „Deine Verbitterung ist ungewöhnlich unverhüllt zu sehen, Thorin", beginnt er schließlich gedämpft, sodass die anderen unsere Unterhaltung nicht hören können. „Warum gestehst du dir nicht endlich allumfassend ein, was du verspürst und wie sehr du sie brauchst!? Nicht nur ich kann es wahrnehmen und erkennen ... wir alle bemerken, dass euch mehr verbindet als bloße Freundschaft und damit einhergehende Vertrautheit ... deine Blicke verraten dich." Ich schließe unzufrieden die Augen ... verfluchtes Gefühl, ich bin fähig jedwede andere Empfindung zu verbergen, warum nur, nicht wenn es Liebe heißt?!
„Selbst wenn ... sie will diese Empfindung und Verbundenheit nicht ... das hat sie mir mehr als deutlich vermittelt. Sie erzittert davor an meiner Seite zu stehen, nur weil ich eine für sie gewaltig erscheinende Machtposition innehabe", erwidere ich schließlich murmelnd und muss mit mir kämpfen, damit meine Stimme nicht vor aufkommenden Schmerzen bricht, als ich mich an ihre erbarmungslose Ablehnung vor einigen Tagen erinnere. Balin wendet sich von der Dunkelheit des Berges ab und stattdessen mir zu, dem der momentan noch weniger Licht zu enthalten scheint. „Es ist nicht deine Autorität, vor der sie Angst hat und sie zurückschrecken lässt ... sondern die gewaltige Achtung und der Wille, dich ob ihrer Bewunderung nicht in ein Unglück zu stürzen. So sehr liebt sie dich ... du weißt es, Fili und Kili wissen es, ich erkenne es und bei Mahal, selbst Gloin und Oin sehen es."
Ich schließe erneut meine Augen, wissend, dass ich den sich darin materialisierenden Kampf, der in meinem Inneren stattfindet, anders nicht vor ihm verbergen kann. „Sie liebt mich nicht ... zumindest hat sie es mir nie auch nur andeutungsweise gesagt." Balin lacht leise und scharfsinnig, „Liebe ist nicht nur ein Wort, Thorin ... das müsstest du besser wissen als jeder von uns", sagt er bedeutungsvoll, aber ehe ich etwas darauf erwidern kann, erzittert der Stein unter unseren Füßen.
„Was war denn das?", fragt Kili befangen klingend. „Das mein Junge, war ein wütender Drache", antwortet Balin ungewöhnlich ruhig in Anbetracht seiner Aussage und ich schaue ihn angsterfüllt an. „Wenn der Drachen erwacht ist, hoffentlich hat er sie nicht ...", setzt Ori sorgenvoll an, wird aber sofort barsch von Dwalin unterbrochen, „Pssst, sei still, das darfst du noch nicht einmal denken!" Augenblicke später erreicht uns die erdrückende Drachenfeuerhitze, die durch den Gang nach draußen gedrückt wird und die Luft wird erfüllt von Schwefelatem und Verderben. Die Stimmen meiner Gefolgsleute brausen aufgeregt auf. Befürchtungen und Mutmaßungen und Ängste werden in einem verschlungenen Gewirr übereinandergeworfen ... aber ich nehme sie nur gedämpft wie durch einen undurchdringlichen Schleier wahr.
Eine Furcht beginnt von mir Besitz zu ergreifen ... so unermesslich und jeden Gedanken einnehmend, wie noch nie eine Sorge vorher. Sie umklammert mein Herz mit einem eisern-grausamen Griff und lässt es fast verstummen. Ich starre in die Dunkelheit vor mir, höre ein Grollen, das Bersten von Stein und Klirren von Münzen aufwallen und dann ganz langsam und verschwommen die Stimme meines ältesten Neffen durch den Nebel. „Thorin ... Thorin ... wir müssen ihr helfen ... hörst du mich?!" Ich blicke neben mich und Filis Gesicht schwebt nur Zentimeter von mir entfernt, befremdlich entstellt durch Unruhe und Angst. Und die Besorgnis in seinem Antlitz lässt mich endlich wieder zur Besinnung kommen. Ich schüttle meinen Kopf um die Betäubung in ihm zu vertreiben und ziehe entschieden Orcrist.
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Die Nacht ist kalt und dunkel, aber ungeachtet meiner Erschöpfung kann ich nicht schlafen. Gedankenversunken und der Verzweiflung immer mehr erliegend, starre ich in die beklemmende Finsternis und lausche meinem beunruhigten Herzschlag und den beständigen Bewegungen, die laut polternd durch die Wand aus dem Gemach neben mir dringen ... Thorins Schritte. Gehetzt und nervös hasten sie hin und her ... verdeutlichen die Unruhe der Goldkrankheit und den Wahn, den er immer mehr erliegt.
Ich lege die Hände über meine brennenden Augen, versuche zu begreifen, wie ein Schatz ... eine bloße Ansammlung von kalten Metall und ausdruckslosen Steinen ... einen so wundervollen Charakter nur dermaßen verderben kann ... wie er sogar machtvoller und erhabener als Liebe wird. Wie ist er fähig jemanden in einen völlig Fremden zu verwandeln, einen Schatten seiner selbst!? Leidenschaftlich wollen sich Tränen ihren Weg aus mir erkämpfen, obwohl ich in den letzten Tagen bereits so viel geweint habe, dass kein einziger Tropfen mehr in dem Reservoir aus flüssigem Schmerz sein dürfte. Er liebt mich ... oder hat es zumindest. Aber warum sehe ich diese Liebe nur noch so selten in seinen Augen? Waren die ganzen Gesten, Worte, Blicke, Taten umsonst? Ist sein Herz schon so verhärtet und gefühllos, dass es selbst diese Empfindungen und Erinnerungen verdrängt? Plötzlich höre ich das Klacken von Metall und schrecke auf. Es ist Thorins Tür gewesen, unverkennbar, denn nur allzu bekannte schwere stiefelbewährte Schritte entfernen sich hastig. Schnell stehe ich auf, werfe mir meinen Mantel über das weiße Unterkleid und laufe ihm ohne auch nur einen Gedanken an die Folgen zu verschwenden in der Dunkelheit der Gänge nach.
Als ich Thorin schließlich finde, ist er an einem Ort, an dem ich ihm am liebsten nicht hätte oder den es besser gar nicht geben dürfte ... in der Schatzkammer. Ungeachtet der Kälte, die seitdem der Drache fort ist beständig im Berg herrscht, trägt er nur eine lederne Hose und nicht mehr. Das Licht der immer brennenden Feuerschalen erhellt die verfluchte Ansammlung aus Metall und Stein um ihn herum, lässt seine Haut in ihrer Betörung noch mehr erglühen als sonst ... sie scheint aus reinem, flüssigen Gold zu bestehen ... auserlesen und gefährlich. Fast andächtig schleicht er über die gewaltigen Schatzberge und selbst von der Kanzel, auf der ich stehe, kann ich zitternd erkennen, dass seine Augen pechrabenschwarz und unheildrohend sind.
Aber ungeachtet der unzweifelhaft bestehenden Gefahr schreite ich langsam die sich in den Kostbarkeiten verlierende Treppe hinunter, ziehe den Mantel enger um meinen bebenden Körper und spreche ihn schließlich an. Die scharfen Kanten der Goldmünzen bohrend sich unangenehm in meine Fußsohlen und glitzernde Lawinen fließen von den Kuppeln herunter, als ich einen ersten Schritt auf die Anhäufungen setze. Und ich fühle mich augenblicklich einige Wochen zurückversetzt, als ich den Drachen gegenübertrat, der so lange in dieser schillernden Höhle lebte und zu einem fast bemitleidenswerten Geschöpf voller Habgier, Wut und Argwohn verkümmerte. Thorin dreht sich zu mir um ... gefahrdrohend ist sein Blick und beunruhigend seine Gesichtszüge ... noch nie hat er mich so betrachtete, selbst heute Morgen während seines hemmungslosen Wutausbruches nicht.
Das komplette Fehlen jeder sichtbaren Gemütsbewegung ist es, was mich ängstigt ... mein Herz innerhalb eines Wimpernschlages zu einer toten Hülle um Furcht, Mutlosigkeit und Entsetzen dahinsiechen lässt. Begierde, Zorn, Hass, Besessenheit, Wahnsinn ... all das kenne ich leider zur Genüge aus seinem Blick sprechend ... genauso wie Liebe, Achtung, Begeisterung, Stolz, Glück ... aber nicht diese Leere ... nicht dieses absolute Nichts ... nicht diese vollkommende Geistlosigkeit.
Er stürmt auf mich zu und ehe ich auch nur einen angstvollen Schritt zurückweichen kann, hält er mich schmerzhaft am Handgelenk fest. „Du bist gekommen um mich zu verhöhnen, nicht wahr?!" Seine Stimme ist donnernd und ebenso emotionslos wie seine Augen. Ich schüttle meinen Kopf, unfähig auch nur einen Ton durch meine wie zugeschnürte Kehle zu pressen, aber sein Griff wird noch fester und qualvoller, zwingt mich dazu gepeinigt zusammenzusacken. „Einst ein Thronfolger ohne Erbe und jetzt ein König ohne Macht ... wie belustigend muss das für euch alle sein", wirft er uns vor. Ein herausgequetschtes Wimmern entkommt mir dennoch und es misshandelt meine Brust, auf der die Last eines Drachen zu sitzen scheint. „Ich will dich nur von hier wegbringen, Thorin ... weg von dem Schatz, weg von diesem Ort ... Komm mit mir ... bitte", erkläre und flehe ich unter allergrößter Anstrengung und jedes Wort bedarf neuer Luft, die in meiner zusammengepressten Lunge keinen Platz hat.
Er stößt mich grob von sich weg ... mit seiner gesamten Stärke, die ungezügelt so unermesslich und grenzenlos ist und die meinen Körper kurz bewegungsunfähig macht, als ich stolpere und unsanft auf einen kleinen Haufen Goldmünzen zum Liegen komme. Sofort ist er über mir, drückt mich mit seinem immensen Gewicht nach unten und hält meine Handgelenke mühelos mit nur einer Hand über dem Kopf fest. Haut, Muskeln, Sehnen und Knochen protestieren bereits schmerzschreiend ... genauso wie mein von unfassbarer Furcht umklammertes Herz. Ich versuche mich zu wehren, mit aller Kraft, die ich unter dem Schock aufbieten kann ... bäume mich auf, reiße an seiner Umklammerung, drücke mich von seiner Hand weg, die lüstern über meinen kaum verdeckten Körper wandert, flehe und weine. Aber er drängt unberührt ein grob-unerbittliches Bein zwischen meine Schenkel und schiebt sich sofort dazwischen, und ich begreife, dass ich seiner unsäglichen Gewalt rein Garnichts entgegenzusetzen habe. Die Münzen bohren sich erbarmungslos in meinen Rücken, mein Brustkorb wird zusammengedrückt, Thorins herausgepresster, heißer Atem wallt über meine Haut, lärmt zusammen mit meinem Wimmern in den Ohren und sein ausdrucksloses Gesicht über mir verstärkt die aufkommende Panik vor dem was er vorhat.
Erregt und verwirrenderweise erregend ist sein kaum bedeckter sündhafter Leib so verrucht wie noch nie auf mir platziert, aber ich verbiete meinem Körper bestimmend seiner Handlung auch nur einen Funken Leidenschaft entgegenzubringen. Und kann dennoch nicht verhindern, dass meiner Kehle ein leises fesselloses Seufzen entkommt, als er sich gänzlich zwischen meine Beine drängt und die selbst durch das dicke Leder spürbare Erregung hart gegen mich drückt ... erhitzt, begehrend und schamlos.
Thorin beugt sich zu mir hinunter und fährt anstößig mit der Zunge über die empfindliche Haut meines Halses ... hinterlässt eine feuchte Spur, die in der Kälte brennt und prickelt. „Du gehörst mir ...", knurrt er und namenloser Schrecken breitet sich in meinem augenblicklich erzitternden Körper und Geist aus, unterdrückt gnadenlos alle anderen Empfindungen. ... Er kann nicht ... Er wird nicht ... Seine Hand gleitet die Innenseite meines Schenkels entlang, nimmt den Stoff des Unterkleides mit sich nach oben und Tränen bilden sich in meinen Augen, als ich begreife, dass er kann und wird ...
„Thorin ... bitte nicht", fleht meine Stimme, die nur noch ein Schatten ihrer selbst ist ... erstickt und gebrochen verhallt sie in der Weitläufigkeit der Halle. „Und ich besitze gänzlich, was mir gehört ...", führt er seine Warnung ungeachtet meines Einwandes fort und versenkt brennend die Zähne in der empfindlichen Stelle zwischen Hals und Schulter, lässt mich gequält vor Pein und Angst aufwimmern. Grob reißen lüsterne Finger an seidigen Stoff ... zerfetzen das Wenige, was die Haut noch von ihnen trennt ... hart greifen sie zu ... versenken die scharfkantigen Nägel in dem nachgiebigen Fleisch. Ich schließe meine Augen, versuche meine Seele zu verschanzen, mein Herz zu schützen, gefühl- und besinnungslos zu werden ... als ich wahrnehme, wie er zwischen uns greift und beunruhigend gemächlich die Schnürung seiner Hose öffnet. „Das willst du doch gar nicht ... nicht so ... Thorin ... das bist nicht du", versuche ich ihn verzweifelt ein letztes Mal zur Besinnung zu bringen ... und meine Worte zerfließen unter der Last der aufsteigenden Tränen.
Aber sein wahnsinniger Geist ... gänzlich eingenommen von Habgier und Schmerz und Kälte ... gefährlicher und erbarmungsloser noch als es Orks oder Riesenspinnen oder sogar ein Drache jemals sein könnten ... hört nicht auf mich. Und als er die Hand auf mich legt und einer seiner rauen Finger zwischen das bislang unberührte Fleisch dringt ... brutal, rücksichtslos und grausam ... schreie ich nach Hilfe ... mit einer so unglaublichen Kraft, das sich der Lärm augenblicklich in allen Gängen, Minen und Gemächern ausbreitet und meine Stimme sich überschlagen lässt.
Ich höre erst auf zu Flehen, als ich spüre, wie er plötzlich ruckartig von mir heruntergezogen wird, mich zwei Arme von hinten umklammern und zusätzlich eine schützende Distanz zwischen uns bringen. Es ist Kili, der mich in seine verteidigende Umarmung schließt, die bloße Haut notdürftig mit meinem Mantel verdeckt und ich beginne hemmungslos zu weinen, als ich begreife, dass es vorbei ist. Thorin wird von Dwalin, Gloin und Fili festgehalten, die selbst zu dritt Schwierigkeiten haben, seinen wütenden und um sich schlagenden Körper zu bändigen. Ich sehe durch den Schleier aus salzig-brennenden Nass in sein Gesicht, das nur noch einer abstrusen Fratze gleicht und für den Bruchteil einer Sekunde erkenne ich in ihm den Drachen und begreife, dass er es tatsächlich nicht war ...
Das betörende Gold um uns herum ... das Blendwerk des Reichtums und der Macht ... der Einfluss des Arkensteins, selbst wenn er verborgen in der Tasche meines Mantels ruht ... all das lässt ihn nicht mehr Herr über seine Gedanken und Handlungen sein ... lässt ihn zu einem anderen Wesen werden, weitentfernt, von dem das mich liebt und das ich liebe. Und ich verzeihe ihm augenblicklich ... so kaum nachvollziehbar es auch scheint angesichts seiner abscheulichen Tat.
„Bring sie hier weg ... schnell!", schreit Dwalin und erste Schweißtropfen bilden sich bereits auf seiner Stirn, denn Thorin wehrt sich noch immer mit seiner unglaublichen Kraft, die anscheinenden durch den Wahnsinn nur noch verstärkt wird. „Dai naihriri dê!", höre ich seine zischende und dem Drachen so ähnliche Stimme hinter uns herrufen, als Kili mich aus der Schatzkammer zieht und in eine trügerische Sicherheit bringt.
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Dai naihriri dê! – Sie gehört mir! (Khuzdûl)
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