... und dann kam das Verderben.

Warnung! Die nächsten Kapitel werden bezüglich Thorins Wahn ziemlich heftig. Der Thorin im Buch ist schlimm ... im Film war er, auch wegen der hervorragenden schauspielerischen Leistung von Richard Armitage, noch schlimmer ... meiner treibt es auf dem Höhepunkt des Wahnsinns, der in diesem Kapitel noch nicht einmal erreicht wird, auf die sprichwörtliche Spitze des Erebors.

Prügel, Beschimpfungen, Verleumdungen und sonstige Reaktionen bitte in die Reviews.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Sechs weitere Tage vergehen, ohne dass sich eine große Veränderung unserer bedrückenden Lage ergibt. Die Zwerge suchen immer noch fieberhaft grundlos nach dem Arkenstein und Thorins Stimmung wird mit jeder verstreichenden Stunde unzufriedener und launischer. Wie ich befürchtet hatte, hat der Anblick des Todes sein Herz erneut geschwächt und ich konnte diese Wunde nicht einmal annähernd heilen. Gefühlte Minuten am Tag scheint er noch bei strahlender Geisteskraft zu sein, ansonsten vergräbt er sich gewollt isoliert von alles und allem in dunkler Melancholie und unergründlichem Leid. Häufig finde ich ihn im ehemaligen Thronsaal stehen, den Blick starr und ausdruckslos auf seinen Herrschersitz gerichtete, in dessen Lehne der Arkenstein seinen glanzvollen, den Raum überstrahlenden Platz haben müsste. Oft stelle ich mich einfach nur stumm neben ihn, in dem verzweifelten Versuch, ihm Seelenstärke und Halt zu spenden ... oft fehlt mir dazu aber einfach die Fähigkeit.

Die Flüchtlinge in Thal haben uns noch nicht aufgesucht, aber ihr bitteres Wehklagen wird beständig vom Wind zum Berg hinübergetragen. Die Schreie der hungrigen und frierenden Säuglinge und Kinder sind die Schlimmsten, die ich in meinem Leben bis jetzt hören musste und mir die Wachzeiten auf dem Wall unerträglich machen. Eigennützig bevorzuge ich seit einiger Zeit dafür auch die späten Abendstunden, denn sobald sich das Licht des Tages über die Ebene legt, begraben die Seestädter die in der Nacht verstorbenen Seelen in der verbrannten Erde. Ein Anblick, der so unerträglich ist, dass ich ihn kaum beschreiben kann.

Trotzdem mein Herz vor Schmerzen lautstark aufschreit und sekündlich wieder und wieder in tausend kleine Scherben zu zerfallen scheint, halte ich mich sooft wie nur möglich in Thorins Nähe auf. Nicht einmal hat er auch nur eine Andeutung erkennen lassen, ob die Gefühle zu mir, die bei den wenigen klaren Momenten in seinen Augen aufblitzten, ehrlich sind oder nur aus der Situation heraus entstanden. Vielleicht kann er sich aber auch gar nicht mehr an diese erinnern ... mutmaßlich ist sein Verstand und Gefühlswesen schon so erhärtet und voller Verlangen nach dem Arkenstein, dass für etwas Anderes darin gar kein Platz mehr ist. Allerdings, sobald Balin ihn um eine Beratung bittet, weist er mir die Würde ... oder eher Bürde ... an seiner Seite zu, auch wenn ich mich neben seinen prachtvollen und mit Gold und Silber verzierten Thron stehend mehr als fehlplatziert fühle.

Um den Schein aufrecht zu erhalten, dass ich eigentlich ja noch einen Auftrag zu erfüllen habe, beteilige ich mich neben meinen Erkundungstouren auch öfters an der Suche im Hort. Gerade wate ich mit Bofur an meiner Seite durch die Fluten von Schätzen, als Thorins aufgebrachte Stimme über unsere Köpfe hinwegdonnert. „Wer ist nach Thal einmarschiert!?" Erschrocken schauen wir zu dem hoch gelegenen Vorsprung hinauf, auf dem er und Kili, der eigentlich am Tor Wache hat, stehen. Der junge Zwerg erwidert im ruhigen und für uns nicht vernehmbaren Ton etwas und im nächsten Augenblick fährt Thorin herum und stürmt aufgebracht davon. „Was ist passiert?", möchte Fili beunruhigt von seinem Bruder wissen. Der angesprochene lehnt sich über die Brüstung zu uns hinunter, das Gesicht befremdlich angespannt und sorgenvoll verzogen. „Ein Heer Elben aus dem Düsterwald ist in Thal eingerückt, mit Thranduil an ihrer Spitze."

Wenig später stehen wir alle auf der Verschanzung am Tor und betrachten mit wachsenden Unwohlsein, den nicht enden wollenden Einmarsch der Elben. Es sind so unfassbar viele schwer bewaffnete Krieger, deren Rüstungen und Speere unheilvoll in der Wintersonne glänzen. „Wir müssen uns bewaffnen", faucht Thorin mit beunruhigender Stimme und wendet sich dann uns zu. Der Ausdruck in seinen Augen spricht von seinem grenzenlosen Hass gegen die Elben und der Besessenheit diesen Berg nicht kampflos preiszugeben. „Wir werden Widerstand leisten und wenn es das Letzte ist, was wir tun!", fordert er mit fester Stimme, die keine Gegenwehr zulässt und niemand findet den Mut, zu opponieren.

Am nächsten Tag beobachte ich kummervoll mit um den Körper geschlungenen Armen, wie die Zwerge die Waffen- und Rüstungskammern durchforsten. In ihnen lagern so unglaublich viele Schwerter, Äxte, Bögen, Schilde und Rüstungen, dass man leicht ein ganzes Heer damit ausstatten könnte. Ich sehe die Sorgen und Ängste in den Augen meiner Freunde, aber keiner von ihnen findet die Beherztheit, Thorin auf die Unsinnigkeit und Gefahr seines Vorhabens hinzuweisen. Seine Forderung auf bedingungslosen Gehorsam in Esgaroth war eindeutig und hat seine Nachwirkungen hinterlassen.

Bedrückt wende ich mich schließlich ab und laufe durch die düsteren, stillen Gänge Erebors. Den immens schwer erscheinenden Arkenstein trage ich immer bei mir, aber in letzter Zeit habe ich öfters den Gedanken gehabt, ihn einfach in irgendeine tiefe Grube zu werfen ... dort, wo ihn hoffentlich nie jemand finden wird. Ich weiß nicht, ob es überhaupt etwas bringen würde, wenn ich ihm Thorin jetzt oder irgendwann später einmal gebe ... oder ob es etwas gebracht hätte, wenn er schon längst sein Eigen wäre. Vermutlich würden Smaugs Voraussagungen dann noch schneller eintreten und, auch wenn es momentan fast unmöglich erscheint, Thorins bestehenden Wahn nur noch verstärken.

Meine Hand gleitet in die Tasche des edlen Kleides und berühren ehrfurchtsvoll und haltsuchend die Kleinode darin ... die Eichel ... den Spielzeugdrachen ... den Ring ... Dinge, die mir um so viel wertvoller erscheinen als der Arkenstein. Ermattet stütze ich mich an eine graue bröckelnde Säule, einen plötzlich aufkommenden Schwindel abfangend ... die sorgenbegleitete Schlaflosigkeit der letzten Tage, die Unfähigkeit etwas zu mir zu nehmen, weil ein namenloser Kummer mir die Kehle zuschnürt, die Ängste und Bemühungen um Thorin und nicht zu letzt die Ungewissheit der Liebesqual ... all das erschöpft mich zusehends. In meinem ganzen Leben habe ich mich noch nie so elendig und machtlos gefühlt.

„Bil?", höre ich plötzlich eine murmelnde Stimme hinter mir und zucke erschrocken zusammen, als ich ihre Herkunft identifiziere. Schockiert und verunsichert blicke ich mich um und sehe Gloin. Sein roter Bart leuchtet in dem Schein der wenigen Fackeln und bei seinem Anblick, überkommt mich ein ungutes Gefühl, war er mir doch nie wohlgesonnen. „Bitte ... erschaudere nicht vor mir", versucht er mich zu beruhigen und kommt mit demonstrativ erhobenen Händen auf mich zu. „Ich wollte nur reden ...", sagt er versöhnlich und ich versuche verzweifelt meine Unruhe herunterzuwürgen. „... und mich bei dir entschuldigen." Seine letzten Worte, fast flüsternd ausgesprochen und dadurch kaum zu vernehmen, lassen mich überrascht aufblicken.

Er lehnt sich an die zerstörte Säule und ich erkenne an seinem unruhig hin und her wandernden Blick, der überall verweilt, nur nicht auf mir, dass er unsicher und beschämt ist. Er lässt schließlich brummend die Hände über die Augen fahren und erst jetzt fällt mir auf, wie erschöpft und abgeschlagen auch er erscheint und augenblicklich verspürt mein Herz Mitleid mit ihm, denn auch er hatte alle Hoffnungen für sich und seine kleine Familie in diese Unternehmung gesteckt. Wie wir alle ist er müde von der Reise und den Kämpfen, verzweifelt ob der Ungewissheit in eine weitere Schlacht ziehen zu müssen, entkräftet von Thorins Launen und der Suche nach diesem verfluchten Stein.

„Ich weiß, dass ich mit meinen rückwirkend betrachtet gedankenlos und ungerechtfertigt ausgesprochenen Äußerungen Kummer und Beklommenheit in dir ausgelöst habe", beginnt er schließlich und sieht mich schließlich doch eindringlich an, damit ich seinen nächsten Worten auch tatsächlich Glauben schenken kann. „Und es tut mir so entsetzlich leid, jedes einzelne Wort ... hätte ich von Anfang an gewusst, wie viel du ihm wirklich bedeutest und welches Unheil deine unbeeinflusste Neigung verhindern hätte können, deine Abstammung wäre mir egal gewesen." Er senkt erneut verlegen seinen Blick und ich weiß, dass seine Entschuldigung ehrlich ist, und alle Unruhe und Besorgnis verfliegen. Ich trete langsam auf ihn zu und lächle annehmend und beruhigend, als er mich wieder ansieht. „Du bist seiner würdig ... ein liebendes, ehrenhaftes Herz ist wichtiger als jeglicher Adelsstand ... das ist mir jetzt klar geworden", flüstert er leise seine Anerkennung. „Und nicht nur mir ... auch mein Bruder schämt sich ob seiner unbedachten Worte dir gegenüber ... Uns allen bist du stets und ständig eine gute Gefährtin und Thorin schätzt und achtet dich ... das alleine zählt." Tränen wollen sich vor Rührung bilden, aber ich verbanne sie mit einem kurzen Schniefen. „Ich danke dir für deine Entlastung und Wertschätzung, Gloin, aber ich befürchte, sie haben keinerlei heilende Wirkung mehr auf Thorin", entmutige ich ihn, aber lächle trotzdem dabei. „Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob ich jemals Einfluss auf ihn hatte ... ob ich ihm überhaupt etwas bedeute." Gloin sieht mich mitleidig an, schüttelt seinen Kopf und setzt bereits zu einer Erwiderung an, als grollend ein Königsbefehl durch die Hallen donnert und uns aus diesem Moment der Versöhnung reißt. „Zum Tor ... alle ... sofort!" Was bei Ilúvatars Schöpfung ist jetzt schon wieder für ein Unheil vorgefallen?

Als wir am versperrten Eingang ankommen, stehen die restlichen Zwerge bereits alle auf der Mauer und starren mit ernsten und besorgten Mienen auf die Ebene hinaus. Verhängnisvolles erahnend, begeben wir uns zu ihnen und augenblicklich stockt mein Atem, als ich ihren Blicken folge. Auf der kahlen Niederung hat sich das Elbenheer aufgebaut. Tausende von Kriegern, mit langen Bögen und ausgestreckten Speeren in der Hand und unbewegten Ausdrücken in ihren Gesichtern. Zwischen ihnen kann ich einen einzelnen Reiter ausmachen und als er schließlich seinen Schimmel anreibt und näherkommt, erkenne ich ihn ... es ist Bard. Mein Herz macht seltsamerweise einen freudigen Sprung, da ich nun weiß, dass er überlebt hat.

Er zügelt sein Pferd und kommt dicht vor dem Tor zum Stehen. „Seid gegrüßt, Thorin, Sohn von Thráin, König unter dem Berge. Es freut die Menschen aus der zerstörten Seestadt, dass Ihr und Eurer Gefolge noch am Leben seid", hallt seine von Unsicherheit begleitete Stimme an Thorin gewandt über die Ebene und zu uns hinauf. Nacheinander betrachtet er alle Zwerge, die auf der Mauer stehen und gebannt zu ihm herunterschauen. Als sein Blick schließlich auf mich fällt, nickt er mir leicht Ehre schenkend zu und ich erwidere diesen Gruß ebenso.

„Warum kommt Ihr in Kriegsrüstung und mit einem drohenden Heer an das Tor meines Königreiches?", lenkt Thorins gereizte Frage schließlich Bards Aufmerksamkeit wieder auf ihn. „Warum verbirgt sich der Herrscher des Erebors in seinen Hallen hinter hohen Wällen aus massiven Stein und steht ebenfalls mit seinen Mannen in voller Verteidigung?", kontert Bard ruhig. Thorins Miene verzieht sich zu einer fremdartig wirkenden Maskerade aus Verachtung und Entrüstung. „Vielleicht, weil ich erwarte, dass meine Hallen eingenommen und geplündert werden." Bards Pferd scharrt ungeduldig mit seinen Hufen und er dreht es einmal um die eigene Achse, damit es sich wieder beruhigt ... auch ihm bereitet die Spannung Unbehagen. „Mein Herr! Das ist mitnichten unser Begehren, allein um einer gütlichen Einigung willen, möchte ich Euch ersuchen." Bards Stimme klingt ehrerbietend und vollkommen achtbar. Thorin schließt kurz seine Augen, um zu überlegen, obwohl ich mich frage, warum er über diese Bitte erst nachsinnen muss. Balin beugt sich zu ihm hinüber, murmelt unverständliche aber umso eindringlicher klingende Empfehlungen an seinen Herrscher und schließlich nickt er zustimmend und wendet sich der Treppe zu. Schnell steige ich ihm hinterher, während Bard mit schwankenden Schritten auf den Wall zugeht, in dem in der unteren Hälfte ein Loch in der sonst massiven Wand prangt. Thorin stellt sich ehrerbietend und überheblich wirkend mit gestraffter Körperhaltung und auf den Rücken verschränkten Händen von der Innenseite davor, während ich auf den untersten Stufen der Treppe, und damit nur wenige Meter von ihm entfernt, stehen bleibe. Gespannt lausche ich ihren Worten, mit der Hoffnung, dass dieser Wahnsinn endlich ein doch noch gutes Ende nimmt.

„Ich höre..." knurrt der König unter dem Berge selbstbewusst. Bards Stimme hingegen klingt durch den steinernen Durchbruch nur gedämpft in das Innere des Berges vor. „Im Namen der durch den Drachen notleidend gewordenen Bürger der Seestadt ersuche ich Euch, Euer Wort zu halten. Einen Anteil am Schatz des Berges, damit sie ihr Leben neu aufbauen können." Eine durchaus berechtigte Forderung, denn genau das hat Thorin ihnen in der Seestadt zugesichert, aber unerwarteter Weise sieht Thorin das anders. „Ich werde mit niemandem verhandeln, solange ein Heer in Waffen vor meinem Tor steht." Meine Lippen beginnen unwillkürlich zu zittern und meine Augen weiten sich erschrocken ... kurz hoffe ich, mich verhört zu haben. „Ich möchte nicht mich Euch feilschen, Majestät, Nichts liegt mir ferner ... aber dieses Heer in Waffen wird den Berg angreifen, wenn wir uns nicht einig werden, das prophezeie ich Euch", gibt der Mensch eindringlich zu bedenken, aber der Zwergenherrscher lächelt nur abfällig. „Ihr sprecht gerne düstere Voraussagungen aus ... aber Eure Drohungen beeindrucken mich nicht. Der Berg ist gut geschützt und ein paar lumpige Elben können ihn nicht einnehmen. Kein Heer konnte das bis jetzt und solange ein Nachfahre Durins in hält, wird es auch nie so weit kommen", erwidert er unglaublich arrogant.

Sprachlos beobachte ich diese ganz und gar nicht in die von mit erhoffte Richtung gehende Diskussion. Das verzweifelte Schnauben über diese unglaubliche Dickköpfigkeit, die ich ebenfalls schon so oft verflucht habe, dringt von draußen an mein Ohr. „Und Euer Gewissen? Sagt es Euch nicht, dass unser Anliegen rechtens ist?", beginnt Bard ruhig, aber seine nächsten Worte sind dafür umso eindringlicher. „Mein Volk hat Euch geholfen! Und zum Dank brachtet Ihr ihnen nichts weiter als Verderben und Tod!" Erschrocken steige ich eine Stufe weiter nach unten, versuche Thorin mit meinen eindringlichen Blicken zum Einlenken zu bringen. Bei allen Valar, er muss wieder zur Vernunft kommen, sonst werden wir alle sterben!

Er sieht zwar kurz, durch die plötzliche Bewegung aufgeschreckt, zu mir herüber, aber ignoriert meine stumme Bitte sichtlich mit voller Absicht. „Wann haben die Menschen den Zwergen je geholfen, ohne reich belohnt werden zu wollen? Ihr seid genauso habgierig und egoistisch wie Eure Vorfahren", sagt er abfällig und schaut Bard wieder an. „Wir haben eine Abmachung!" Die Stimme des sonst so ruhigen Führsprechers der Menschen wird nun endgültig von Wut gepackt. Der Zwergenkönig, von dem ich bis dahin immer geglaubt habe, dass er sein Wort hält, egal was passiert, egal wie eingenommen er von Krankheit, Besitzgier und Wahnsinn ist, nimmt sich diesen Hinweis aber noch nicht einmal geringfügig zu Herzen. „Eine Abmachung!?", brüllt er boshaft. „Was konnten wir tun als unser Geburtsrecht gegen Decken, Unterkunft, Heilung und Essen zu tauschen? Das nennt Ihr einen gerechten Handel?! Sagt mir, Bard, Girions Erbe und Drachentöter ... warum sollte ich solche Regeln anerkennen?" Meine Augen füllen sich mit den ersten stummen und vor Verzweiflung, Wut, Enttäuschung und Trauer sprechenden Tränen.

Ich spüre, wie sich Fili und Kil neben mir platzieren und auch an ihren deutlich zitternden Körpern kann ich erkennen, dass das Verhalten ihres Onkels fremdartig und damit zutiefst beängstigend auf sie wirkt. „Weil Ihr uns Euer Wort gegeben habt! Bedeutet das denn gar nichts ... habt Ihr so wenig Ehre?" Anstatt zu antworten, lehnt sich Thorin von der Debatte erschöpft wirkend mit der Schulter an die Steinwand. Er sieht seine Neffen, mich und die ebenfalls hinter uns auf der Treppe stehenden Zwerge nachdrücklich an. Seine Augen flackern ... wechseln innerhalb von Sekunden zwischen unheilvollem nachtschwarz und gutartigen eisblau ... verdeutlichen den fortwährenden kräftezehrenden Kampf zwischen Thorin und dem Drachen in sich. Aber anstatt sich spätestens in diesem Moment darüber bewusst zu werden, dass er unser aller Lebens aufs Spiel setzt, wenn er einen so sinnlosen Streit unter dem Einfluss des Wahnsinns entfacht, schreit er mit fester Stimme, dass Bard verschwinden soll. Die ersten Tränen lösen sich aus meinen Augen und rinnen brennend meine Wangen hinab, als ich nur noch vernehme, wie Bard aufgebracht mit der flachen Hand gegen die Steine schlägt und dann fortreitet. Wenig später hören wir, wie das Elbenheer klirrend abzieht ... vorerst.

Langsam steige ich die letzten Stufen hinab. „Thorin ... was tust du ... bist du denn vollkommen wahnsinnig geworden?!", spreche ich mit gebrochener Stimme das aus, was wir alle bereits seit Tagen denken. „Du kannst doch nicht ernsthaft einen Krieg mit den Menschen und Elben führen wollen!?" Erst als ich dicht vor ihm stehe, sieht er mich direkt an und seine Augen sind endgültig so voller leerer Schwärze. Ich muss etwas tun ... dringend, sonst wird er uns alle ins Verderben stürzen ... nur wegen eines seelenlosen Edelsteins und Unmassen von unnützem Gold!

„Das geht dich nichts an!", knurrt er boshaft und beugt sich bedrohlich zu mir herunter, aber ich weiche trotzig keinen Zentimeter von ihm zurück. Entsetzt schüttle ich meinen Kopf. „Das geht mich nichts an?", echoe ich fassungslos seine Aussage. „Thorin ... das geht mich sehr wohl etwas an!" Ich balle meine Hände zornig über seine verabscheute Starrköpfigkeit zu Fäusten, sodass sich die Fingernägel schmerzhaft in das Fleisch meiner Handflächen bohren. „Du hast den Menschen DEIN Wort gegeben ... DU hast ihnen versprochen, die Seestadt wieder zu Ansehen kommen zu lassen ... mit den Reichtümern aus DIESEM Berg ... von denen du verdammt noch mal genug hast ..." Meine Stimme wird mit jedem Wort eindringlicher und die aus Zorn und Enttäuschung vergossenen leidenschaftlichen Tränen bahnen sich unablässig glühend ihren Weg über meine Haut. Fili tritt besorgt neben mich und legt beschwichtigend eine Hand auf meine Schulter, aber ich stoße sie abweisend von mir. Aufgebracht beuge ich mich nun ebenfalls zu ihm herüber. „Und ICH habe für dieses Versprechen gebürgt, Thorin ... ICH bin für DICH eingetreten ... für deine EHRLICHKEIT ... für deine EHRE ... für den RESPEKT, den du immer Anderen entgegengebracht hast!" Mein Atem geht stoßweise, völlig verzweifelt und wütend über ihn und mich, die diesen hassenswerten Niedergang hervorgebracht hat, sehe ich ihn an. „Und DU sagst MIR, dass es mich NICHTS angeht, wenn du dieses Versprechen einfach so mit Füßen trittst ... Wenn du das Leben von uns allen deswegen aufs Spiel setzt?!"

Er rückt beunruhigend noch näher an mich heran. Seine Haltung ... angespannt und bedrohlich ... von der Rage gegen meine Worte sprechend. Seine Augen ... von rasendem Zorn und gefährlicher Besessenheit gezeichnet ... funkeln mich zusammengezogen an. Sein Gesicht ... angewidert und grimmig ... zu einer abscheulichen Physiognomie der Drachenkrankheit in ihm geworden. „Deine Bürgschaft war selbstlos ... aber unbrauchbar ... genauso wie du es bist ... was gibt DIR also das RECHT so mit mir zu reden, Halbling?!", knurrt er beißend und die verächtlichen Worte reißen eine unvorstellbar tiefe und klaffende Wunde in mein Herz. „Der Drang, dich endlich wieder zur Vernunft bringen zu wollen, Thorin ... Du bist nicht mehr du selbst, seitdem du diesen VERFLUCHTEN Berg betreten hast!", donnere ich verbittert aus und nehme im nächsten Augenblick nur schemenhaft wahr, wie er seine Hand hebt und zum Schlag ausholt.

Aber ehe ich reagieren oder auch nur Denken kann, schiebt sich Fili zwischen uns und bekommt ungebremst die volle Wucht des Jähzorns seines Onkels ins Gesicht. Ein durchdringender Schmerzenslaut erfüllt die drückende und kaum zum Atmen reichende Luft, als er zur Seite geschleudert wird und regungslos auf dem harten Steinboden liegen bleibt. Sofort knien sich sein Bruder und ich besorgt zu ihm herunter und richten ihn vorsichtig auf. Aus seiner Nase und einem Mundwinkel rinnt Blut, seine Wange ist brennend gerötet, zudem übersäht mit großflächigen Striemen von Thorins schweren Ringen, die Lippe aufgesprungen und ebenfalls blutig ... in seinen Augen aber, erkenne ich einen noch größeren Schmerz, als jede irdische Wunde jemals verursachen könnte.

Zu tiefst fassungslos starren wir alle Thorin an ...erschüttert von dieser ungehaltenen und beängstigenden Reaktion. Und auch erscheint von seiner in unkontrollierter Leidenschaft ausgeübten Handlung erschrockenzu sein. Betroffen fixiert er erst seinen ältesten Neffen, der nun ebenfalls stummherzbewegende Tränen vergießt, dann mich und zuletzt sein Gefolge, die allesmit angesehen haben und geschlossen hinter uns stehen. Bestürzt betrachtet erdanach seine Hände und sein Gesicht kristallisiert zu einer beunruhigenden Maskeradeaus Besessenheit mit den Spuren von Betäubung und Zweifel. Aber anstatt sich zuentschuldigen ... sich bewusst zu werden, was er getan hat und wie vielkörperliches und seelisches Leid er über uns bringt ... dreht er sich einfach umund läuft mit schnellen und aufgebrachten Schritten davon.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top