Träume II
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POV Kili
Musik und Tanz und helle, fröhliche Stimmen ... es scheint beinahe so, als würde der ganze Berg unter der beschwingten Hochstimmung vibrieren. So steif und förmlich die Zeremonie der Krönung war, so gelöst scheint die Feierlichkeit danach zu sein ... nicht untypisch für uns Zwerge. Selbst Thorin schert sich seit einiger Zeit nicht mehr um Etikette und gutes Benehmen ... was natürlich auch an den von den Elben mitgebrachten starken Wein liegen könnte, von dem er schon mehr als genug getrunken hat. Ausgelassen hatte er Bil auf seinen Schoß gezogen, das aufbrausende pikierte Schimpfen und die Abwehr gegen seinen starken Griff gekonnt ignorierend. Gab ihr unter dem Grölen und Prosten und langen Lebenswünschen unseres Volkes und dem der Menschen, und den erschütterten Mienen der Elben, einen ausgiebigen und innigen Kuss. Sie tat mir beinahe leid, denn die sofort aufsteigende feurige Schamesröte muss schmerzhaft gewesen sein. Aber nun sitzt sie gelassen wirkend halb auf ihm, halb an ihn gelehnt, umschlungen von einem besitzverdeutlichenden Arm und mit einer annähernd als unsittlich anzusehenden Hand auf ihrem Unterleib. Sie beobachtet das Treiben um uns herum mit einem leichten, freudigen Lächeln auf den rotweinblauen Lippen. Ich weiß nicht viel von Hobbits und ihren Bräuchen, aber dass ihre Feierlichkeiten nach offiziellen Teilen genauso verlaufen wie Zwergenfeste, nämlich ausufernd und ganz und gar nicht gesittet, hatte sie mir einmal in einer schwachen Minute zwischen Gefahren und Kämpfen gestanden, nur damit wir uns von diesen ablenken konnten.
Nachdenklich lasse ich den Blick durch die Halle schweifen. Lange Tischreihen an denen unsere Gäste Platz genommen haben nehmen nun den Übergang ein und auf dem breiten Podest an seinem Ende tanzen und lachen die freien Völker Mittelerdes ausgelassen und ungeordnet. Aber so sehr ich mich auch bemühe, ich kann das was ich suche nicht erblicken. Stattdessen nehme ich wahr, wie sich Bil zu Thorin herüberlehnt und ihm etwas ins Ohr flüstert. „Ich nicht Ghivashel ... aber Kili ist ein hervorragender Tänzer, er wird dich bestimmt gerne auffordern", höre ich ihn mit schwerer Zunge antworten und als mich daraufhin ganz zu ihnen umdrehe, treffen mich zwei erwartungsvolle Augenpaare. Ich lächle belustigt und verbeuge mich dann vor der zukünftigen Königin. „Majestät, es wäre mir eine Ehre, wenn Ihr mir diesen Tanz schenken würdet", sage ich respektvoll und augenblicklich legt sie ihre Hand in meine und springt kichernd von Thorins Schoß.
Es ist ein einfacher und ausgelassener Reihentanz, denn wir zusammen mit den Menschen und wenigen Elben aufführen und auch wenn ich sie schon einmal tanzen sah, bin ich von der Eleganz und Trittsicherheit, besonders in Anbetracht der großen Füße, beeindruckt und danke Mahal, dass meine Mutter mit aller Macht und Dickköpfigkeit darauf bestand uns auch darin unterrichten zu lassen. „Du suchst sie ... nicht wahr?", fragt mich Bil plötzlich leise und die wissende Äußerung lässt mich zusammenzucken. Sind meine Gefühle denn wirklich so unverkennbar deutlich wahrzunehmen? „Ich weiß nicht, wen du meinst", weiche ich hingegen mit fester Stimme aus, aber die durchschauenden Augen, die mich bei der anschließenden Drehung mustern, sind nur allzu nachdrücklich. „Ich habe sie vorhin mit dem Elbenprinzen hinausgehen sehen ... in Richtung Wall", unterrichte sie mich unbeeindruckt von der Abwehr und ich resigniere schließlich laut ausschnaubend vor ihrem Scharfsinn.
„Sie ist so unnahbar ... wie eine neblige Illusion oder flimmerndes Sternenlicht ... existent, aber dennoch jenseits alles Fassbaren", murmle ich traurig und erhalte sofort einen ermutigenden Blick als Tröstung. „So vieles was uns bisher begegnete ist unwirklich ... Steinriesen, Monsterspinnen, besiegbare Drachenflammen, Epiphanie ... Hoffnung selbst in der Resignation ... aber dennoch konnten wir sie sehen, erfassen und fühlen. Sogar Träume können wahr und Sterne erreicht werden, wenn man den Glauben daran nicht aufgibt", wendet sie ein und kann auch ihr mitgenommen-schweres Schlucken vor dieser Erkenntnis nicht verbergen, während sie bedeutungsvoll zu Thorin hinüberschaut, der sich gerade angeregt und beinahe freundschaftlich mit Thranduil unterhält. Die Musik endet und wir verbeugen uns voreinander. „Ich danke dir für diese Offenbarung", flüstere ich leise und kann das glückliche Lächeln auf meinem Rücken spüren, nachdem ich mich umgedreht habe und den Weg zum Wall einschlage.
Und tatsächlich, ich muss sie dort nicht lange suchen ... Aber was ich sehe, lässt mich erschaudern und bringt das Durinblut in Wallung. Tauriel steht mit diesem hochmütigen Elbenprinzchen, der uns damals gefangen nahm, auf dem Wehrgang und streitet sich sehr aufgebracht wirkend mit ihm. Sie sprechen Sindarin, sodass ich den Inhalt nicht erfassen kann, aber nach ihren unruhigen Gesten und den erhitzen Gesichtsausdrücken zu urteilen, muss es sich um ein äußerst ärgerliches Thema handeln. Sie will sich plötzlich mit aufkommenden Tränen in den Augen von ihm wegdrehen, aber Legolas hält sie unsanft an der Hand zurück und da wird es mir zu viel.
„Ich würde Euch raten, sie loszulassen", brumme ich verärgert und trete aus dem Schatten der Mauern, die Hand zusätzlich meine Anweisung verdeutlichend auf den Knauf des Schwertes abgelegt. Die beiden Elben starren mich sofort an. Das direkt ertönende, höhnische Schnauben des Prinzen bringt mich dazu noch etwas ausdrücklicher meinen Befehl zu untermalen, in dem ich die Finger langsam zum Schaft gleiten lasse und erst dann lässt er tatsächlich ihr Handgelenk los. „Ihr könnt froh sein, dass Ihr unter dem Schutz mächtiger und respektierter Verbündeter steht, sonst würde ich diese Frechheiten uns zu belauschen und mir auch noch zu drohen vergelten", knurrt er aufgebracht, aber die nur allzu deutlich daraus zu lesende Verletzung seiner Würde ist mir leidlich egal. „Und Ihr könnt froh sein, dass das Bündnis unserer beiden Völker noch nicht vertraglich geregelt ist, sonst würde ich die Rechtswidrigkeit auf unserem Land eine Frau zu bedrängen bestrafen, egal welche Stellung Ihr innehabt", entgegne ich mit fester Stimme und verdeutliche damit, dass er sich hier auf dem Herrschaftsgebiet meines Geschlechts befindet und unseren Regeln zu folgen hat.
Der finstere Blick, der daraufhin folgt, ist beinahe belustigend und erst als er sich abwendet und mit aufgebrachten Schritten den Wehrgang verlässt, entspanne ich mich wieder. Tauriel steht noch immer wie versteinert wirkend da und starrt mich an. „Ich hätte mich auch alleine verteidigen können!", grollt sie schließlich und dreht sich von mir weg, um ausweichend die dunkle Ebene zu fixieren. Lächelnd trete ich an sie heran. „Da bin ich mir sicher, aber so war es doch bedeutend einfacher. Lasst mir doch den Moment der Überlegenheit, dass ein Zwerg einen Elb in die Flucht geschlagen hat", sage ich und ihre Mundwinkel verziehen sich doch tatsächlich für einen kurzen Augenblick zu einem Lächeln ... aber dieser oh so flüchtige Moment reicht aus um die düstere Nacht um uns herum zu erhellen, als würden plötzlich Abermillionen Sterne am Firmament erleuchten.
Lange stehen wir schweigend nebeneinander, aber es ist keine unangenehme Stille. „Euren Runenstein ... ich besitze ihn noch", offenbart sie mir schließlich und sieht annähernd verschämt nach unten. Mein Herz macht einen Sprung, so hoch, dass ich es mit ihm beinahe über den Berg schaffen würde. „Ich habe ihn Euch geschenkt und es freut mich, dass er Euch anscheinend etwas bedeutet", antworte ich und bin ehrlich über die Unbeweglichkeit der Stimme unter der Gefühlserschütterung erstaunt. „Am Abend vor der Schlacht hatte ich einen Traum ...", beginnt sie und wirkt plötzlich schwermütig. „Ich fantasierte davon, dass ich ihn zurückgebe, damit er Euch in Eurem Grab begleitet ... und dieser niederschmetternde Moment, er war so greifbar und erschreckte mich zutiefst." Ich bemerke erstaunt das Schwimmen der Worte auf einen aufkommenden Strom Tränen und erst dann stiehlt sich ihre Bedeutung in mein Bewusstsein.
„Amrâlimê ...", hauche ich aus, ohne überhaupt nur einen einzigen, winzigen Moment über die Folgen nachzudenken, aber ich bereue dieses Geständnis nicht. Tauriel dreht sich zu mir um, die grün-braunen Augen, die mich schon immer an fallendes Herbstlaub erinnert haben, weit aufgerissen. „Ich weiß nicht, was das bedeutet", wispert sie erstickt und mit bebenden Lippen. „Ich denke schon ...", erwidere ich wagemutig und lasse noch übermütiger eine ihrer feurigen Haarsträhnen durch die Finger gleiten, und die Weichheit ist seidiger, als ich sie mir jemals vorgestellt habe, „... wenn nicht als Sprache, dann in Eurem Herzen."
Sie dreht sich von mir weg und starrt wieder in die Dunkelheit der Nacht. „Ein Elb und ein Zwerg ... welch Wahnwitz", murmelt Tauriel und verkrampft die Hände beinahe schmerzhaft um den goldverzierten Stein der Balustrade. „Ein Zwerg und ein Hobbit ist ebenso eine Tollkühnheit ... und es gibt Verbindungen mit Menschen aus Eurem Volk ... warum dann nicht dieses Unterfangen wagen", erwidere ich schon fast beleidigt und verziehe meinen Mund zu einem Schmollen, das selbst meine Mutter immer erweichte. Tauriel lacht leise, ein hoher Klang, der sogar dem Zwitschern der Nachtigall Konkurrenz macht. „Wir Grauelben nicht ... unsere Rasse vermischt sich nicht mit anderen." Jeder Anflug von Gelächter ist plötzlich verflogen und weicht einem traurigen Wispern. „Noch nicht einmal innerhalb unseres Volkes ist es erlaubt jeden zu lieben den man begehrt." Ihr Blick schweift in die Richtung, in der Legolas entschwunden ist und ich begreife, worum es in ihrem Streitgespräch ging.
„Dann gebt mir wenigsten einen Kuss ... nur einen einzigen, kurzen ... als Abgeltung für meinen Stein", schlage ich ihr übermütig vor und schwöre mir nie wieder diesen verdammten Wein auch nur zu probieren. „Eine kostbare Gegenleistung für einen einfachen Kiesel", entgegnet sie schnippisch, aber das aufgeregte Zittern in der Stimme ist nur allzu deutlich herauszuhören. „Oh sagt das nicht, er gehörte meiner Mutter und sie gab ihn mir, damit ich zu ihr zurückkomme. Wenn sie wüsste, dass ich ihn verschenkt habe, wäre mir der Kochlöffel sicher und wenn sie dann auch noch herausbekäme an wen, die Bestrafung möchte ich mir gar nicht erst ausdenken", erwidere ich genauso hochmütig und der verwunderte Blick über diese ungeahnte Bedeutung prägt sich wie ein Siegel in meine Seele, so wundervoll ist er.
„Dann sollte ich ihn Euch zurückgeben ...", beginnt Tauriel sofort, wird aber augenblicklich von mir unterbrochen. „Ich will nicht, dass Ihr ihn mir zurückgebt ... schenkt mir nur auch etwas dafür ..." Sie schnaubt hörbar nachdenklich aus, „nur einen Kuss?" Ich trete näher an sie heran, nah, zu nah um es noch als sittlich anzusehen und lasse erneut eine Strähne des seidigen Haares durch die Finger gleiten. „Nur einen Kuss ... und Ihr könnt den Stein behalten ... tut damit, was immer Ihr begehrt", flüstere ich und ehe ich auch noch weiter nachdenken kann darüber hinaus ergänzende Argumente zu finden, beugt sie sich zu mir hinunter.
Ihr Mund schmeckt süß ... nach rotem Wein und reifen Erdbeeren, ist so warm wie sonnenerhitztes Wasser und weicher als eine Daunenfeder. Der Kuss scheint ewiglich zu dauern ... jede verstreichende Sekunde eine kleine Unendlichkeit in der Finsternis der Nacht. Er ist unschuldig, nicht mehr als ein Hauchzartes aneinander entlangstreichen von Lippen, aber dennoch gewaltig und so wahnsinnig erregend, dass ich mich mit aller Kraft beherrschen muss keine Hand an sie zu legen. Und dann ist er vorbei und hinterlässt eine Sehnsucht in mir, die niemals wieder gestillt werden kann.
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Amrâlimê – Meine Liebe
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