Nebel des Verborgenen

Viele Tage lang bleibt mir nichts Anderes übrig, als im Schatten zu wandeln und heimlich wie eine Ratte zu leben. Ich traue mich kaum zu schlafen, denn selbst wenn ich mich in eine ruhige, einsame Ecke zurückziehe, befürchte ich immer entdeckt zu werden. Einzig ein paar Mal kann ich die Gelegenheit abpassen und mich durch die kurz geöffnete Zellentür von Thorin schleichen, wenn die Wachen ihm das Essen bringen. Nur in seiner Nähe falle ich so dicht an ihn gedrängt, wie ich es mir ohne bemerkt zu werden erlauben kann, in einen traumlosen und ohnmachtsgleichen Schlaf, auch wenn seine Wärme und die so geliebte Geborgenheit es nicht schafft, den wabernden Nebel der Unsichtbarkeit bis zu meinem Dasein zu durchdringen.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Retrospektive Thorin

Bella und ich verbringen die nächsten Tage mit Lachen und Freude, immer bereichert mit dem berauschenden Gefühl zu lieben und geliebt zu werden. Wir kehren gerade von einem Spaziergang durch die sommerlich-grünen Auenlandschaften zurück, als ich vor den Toren der Tukberge einen berittenen zwergischen Boten erkennen kann und sofort verfinstert sich meine Stimmung.

„Mein Herr Thorin, ich möchte Ihnen eine wichtige Nachricht überbringen", unterrichtet mich der Abgesandte und überreicht mir augenblicklich einen verschlossenen Umschlag. Noch ehe ich ihn gänzlich in den Händen halte, erkenne ich die filigrane Handschrift meiner Schwester darauf und meine Laune wird augenblicklich noch eine Nuance dunkler. Bella bemerkt sofort das umschlagen meines Gemütszustandes und tritt näher an mich heran, als ich den Brief widerwillig auseinanderfalte. „Ist etwas passiert?", fragt sie mich, als sich meine Augenbrauen ob des gelesenen Inhalts ärgerlich zusammenführen. „Meine Schwester bittet mich zurückzukommen, da einige Entscheidungen meine Anwesenheit erfordern", unterrichte ich sie brummig und zerknülle das Stück Papier. Bella sieht mich an ... das Gesicht zu einer Mischung aus Schock und Betrübnis verzogen. „Heißt das, dass du abreisen musst?", fragt sie aufgewühlt klingend, aber anstatt ihr, gebe ich dem Boten die traurige Antwort. „Reitet zurück und richtet der Herrin Dís aus, dass ich in den nächsten Tagen zurückkomme." Der Zwerg verbeugt sich den Befehl annehmend vor mir und sitzt sofort wieder auf.

Er ist kaum hinter den seichten Hügeln verschwunden, setze ich mich aufgebracht in Richtung meiner Gemächer in Gang. Bella läuft hinter mir, sichtlich bemüht mit mir Schritt zu halten. „Thorin warte ... du willst einfach so gehen?!", schreit sie mir hinterher und ihre Stimme bricht bereits vor Trauer. „Ich will nicht ... ich muss", gebe ich ihr bestimmt als Antwort. „Aber du hast gesagt, dass deine Schwester jegliche Entscheidung auch ohne dich treffen kann", wirft sie mir vor und hält mich unerwartet energisch zurück. „Diese nicht ... ihre Verfügungsmacht als Prinzessin ist auch eingeschränkt." Ich blicke auf unsere miteinander verbundenen Hände und der Größenunterschied zwischen ihnen, ist auch nach den vielen Malen noch immer sonderbar anzusehen.

„Du wirst nicht wieder zu mir zurückkommen ...", flüstert sie plötzlich und richtet augenblicklich meine erstaunte Aufmerksamkeit auf sich. „Warum sagst du so etwas?", hauche ich fassungslos aus und kann die Tränen in ihren Augen sehen. „Wenn du erst einmal wieder Zuhause bist, wirst du mich vergessen", mutmaßt sie und das erste Nass benetzt ihre Wange. Ich ziehe Bella in eine abgelegene Nische des Ganges und lege meine Arme um sie ... mit einer so unbeschreiblichen Liebe, die ich mit aller Macht nur aufbringen kann. „Ich werde zurückkommen ... das verspreche ich dir, Ghivashel", gelobe ich und verschließe ihre Lippen mit meinen. „Vielleicht wäre es besser, wenn du es nicht tust ...", erwidert sie mit brechender Stimme, als wir uns wieder voneinander trennen und ihre Augen werden noch trauriger.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

So vergehen die Tage und der Herbst beginnt sich immer deutlicher dem Ende zuzuneigen. Essen gibt es zum Glück in diesen Hallen genug, sodass ich oft etwas aus den gut gefüllten Vorratskammern oder von einem Teller stehlen kann. Heimlich und auf Zehenspitzen gehend, nehme ich jeden Anlass wahr, die Elben auszuspionieren, sodass ich bald jeden Winkel von Thranduils Hallen kenne. Ebenso die Wachzeiten, in welchem Rhythmus sich die Aufpasser ablösen und wer von ihnen die Schlüssel zu den Verliesen mit sich trägt. Aber selbst wenn ich diese einmal ergattern könnte, wie soll ich nur dreizehn lärmende Zwerge und mich aus diesen Hallen hinausbringen?! Das Tor ist verwunschen, sodass es sich nur auf Geheiß des Elbenkönigs, seines Sohnes oder seiner engsten Getreuen öffnet und schließt. Sogar wenn ich es irgendwie möglich machen könnte, die Zwerge mit mir in den durch den Ring verursachten Nebel zu ziehen, so wäre dies die größte Hürde. Tagelang zermartere ich mir den Kopf, aber einen rettenden Einfall habe ich nicht, bis ich auf einen meiner Streifzüge durch die Hallen etwas sehr Interessantes entdecke ...

Wie schon so oft, folge ich einer der Elbinnen, die als Hofdamen direkt Thranduil unterstellt sind, in die unterste Ebene der Hallen. Hier wird der größte Teil der Lebensmittel gelagert, unter anderem auch gewaltige Weinfässer. Durch belauschte Gespräche, konnte ich bereits herausfinden, dass diese, wie auch alle anderen Güter, die die Elben nicht selber herstellen oder erjagen können, regelmäßig von der Stadt auf dem See geliefert werden. Aber heute sehe und höre ich zum ersten Mal, wie die leeren Fässer, in denen diese transportiert werden, auch wieder dorthin zurückgelangen. Eine der Kellerräume besitzt eine in den Boden eingelassene hölzerne Falltür, auf der diese von Zeit zu Zeit aufgestapelt und dann in den darunter gelegenen Bach fallen gelassen werden. Die reißende Strömung trägt sie dann bis zur Seestadt.

Die Elbenfrau spricht mit einem der Diener und verschwindet plötzlich wie ein kleines Mädchen kichernd mit ihm in einen abgelegenen Teil des Kellers. Ich nehme die Gelegenheit war und betrachte die aufgestapelten Fässer eingehend. Lange überlege ich und schätze die Größe der Öffnungen ab, komme aber schließlich zu dem Ergebnis, dass selbst Bombur in eines hineinpassen könnte. Mein Herz beginnt aufgeregt zu schlagen, als ein Plan immer mehr Gestalt in meinen Kopf annimmt.

Wir sind bereits über einen halben Monat Gefangene der Elben, da lässt Thranduil Thorin wie schon so oft zu sich bringen, um ihn erneut nach der Annahme seines Angebotes zu fragen. Stur wie es ein Zwerg nur sein kann, hat er dieses bis jetzt allerdings immer abgelehnt, ungeachtet der quälenden Stunden im Kerker, die er und meine Freunde verbringen müssen. Aber dieses Mal schlagen die Wachen nicht den Weg zum Thronsaal ein, sondern begeben sich mit dem erneut in schweren Fesseln gebannten Thorin zu den Privatgemächern des Elbenherrschers. Ich folge ihnen unauffällig und augenblicklich überkommt mich ein ungutes Gefühl einer schlimmen Befürchtung, als sich die schweren und reich verzierten Flügeltüren donnernd hinter uns schließen.

Nachdem Thranduil seinen Wachen befohlen hat Thorin die Fesseln abzunehmen und zu gehen, umkreist er ihn ... abschätzend und mit einer für mich nicht deutbaren und sonderbar anzusehenden Mischung aus Verachtung und Respekt in seinem Porzellanpuppengesicht. Ich habe mich derweil an einen der Pfeiler angelehnt, weit genug weg, damit sie mich nicht auch durch den Nebel der Unsichtbarkeit bemerken könnten, aber dennoch so nah an Thorin, dass ich zumindest das Gefühl habe, ihn zu unterstützen. „Nun, habt Ihr Euch mein Angebot noch einmal durch den störrischen Kopf gehen lassen, nach den vielen weiteren Tagen in der Beengtheit und Trostlosigkeit Eurer Zelle?", fragt Thranduil arrogant klingend und bleibt letztendlich direkt vor dem Zwerg stehen.

Thorin starrt weiterhin bewegungslos in den Raum hinein, fixiert einen imaginären Punkt an der Wand ihm gegenüber und lässt noch nicht einmal die Ahnung einer Gefühlsregung aus seinem Gesicht sprechen. Der Elbenherrscher verzieht seine Lippen zu einem abfälligen Lächeln. „Anscheinend nicht ... aber Ihr werdet es noch ... spätestens, wenn Ihr Euch klar darüber werdet, dass das Leben eines Zwerges im Gegensatz zu meinem nur begrenzt ist." Er dreht sich um und schreitet auf einen pompösen Sessel zu, in dem er sich selbstgefällig niederlässt. „Wollt Ihr wirklich Euer Dasein und das Eurer Gefolgsleute ... Eurer Neffen, Thorin ... so sinnlos vergeuden ... sind sie Euch nicht mehr wert?" Der Angesprochene hebt verblüfft über den Vorwurf den Kopf und ich kann in seinen Augen erkennen, dass ihm langsam klar wird, dass dieser berechtigt ist. Annehmend schnaubt Thorin aus, die erste Reaktion, die er Thranduil seit der ersten Begegnung schenkt und selbst dieser, scheint darüber erstaunt zu sein, so überrascht wie er ihn ansieht.

„Nun, dann werde ich Euch noch ein wenig der immer noch nötigen Bedenkzeit geben ...", sagt er, im nächsten Moment wieder beherrscht und ohne Emotionen, als Thorin dennoch nicht weiter darauf eingeht. Elegant erhebt er sich und schreitet auf ihn zu. „Aber vorher, möchte ich Euch anbieten ein Bad zu nehmen ... die Überreste der Begegnung mit den Spinnen ist Euer nicht würdig." Seine Worte verdeutlichend reißt er mit spitzen Fingern und leicht angeekelten Gesichtsausdruck eines der Gespinstfäden aus Thorins Haaren, als er an ihm vorbeigeht. Er zieht an einer mit goldenen Fransen behangenen Schnur und im nächsten Augenblick treten einige seiner Hofdamen ein und füllen heißes Wasser aus den mitgebrachten Kannen in eine hinter einem Vorhang verborgenen Wanne. „Ich werde Euch anstandshalber alleine lassen ... Ihr habt eine Stunde", sagt Thranduil mit ungewohnt wohlwollender Stimme, als seine Dienerinnen gegangen sind und im nächsten Moment ist er ebenfalls durch die schweren Flügeltüren getreten.

Ich sehe zu Thorin, der noch immer starr und ausdruckslos an der gleichen Stelle steht und die Schattenspiele der aufsteigenden Nebelschwaden des heißen Wassers auf dem halbdurchsichtigen Schleier beobachtet. Einzig seine Hände, die an den Seiten herabhängen, ballen sich immer wieder zu Fäusten um sich dann erneut zu lockern. Eine Geste, die mir verdeutlicht, wie sehr er mit sich ringt, Thranduils Angebot anzunehmen. „Komm schon ... das Wasser ist heiß und kräftigend und wird deinen Körper Gutes tun!", flüstere ich anspornend, in der Hoffnung, dass er meine Worte hört ... und auch wieder nicht. Und dann, ganz plötzlich, schnaubt er resignierend aus und läuft zu Tür. Ich befürchte schon, dass er unvernünftigerweise vor hat zu fliehen und löse mich bereits besorgt von der Säule, aber er stellt nur die Lehne des danebenstehenden Stuhls unter die Klinge. Ich schüttle den Kopf, fassungslos darüber, wie verdammt misstrauisch er ist, und entspanne mich wieder.

Thorin schiebt den Stoff des Vorhangs zur Seite und betrachtet das Wasser, das noch immer heiße Dampfschwanden aussendet und leichte Wellen in der Wanne schlägt. Erneut lässt er die Luft geräuschvoll aus seinen Lungen entweichen und beginnt dann unerwartet sich des Mantels zu entledigen. Ich beiße mir verlegen auf die Unterlippe, als immer mehr der schützenden und so viel verbergenden Lagen Stoff, Leder und Metall seinen Körper verlassen und unachtsam auf dem Boden landen. Der Anblick, der sich mir bietet ist beispiellos fesselnd ... Muskeln, die jeglicher Definition von Stärke spotten ... ein Körperbau, perfekt definiert von harter Arbeit und glorreichem Kampf ... Haut, im Kerzenlicht golden schimmernd und verziert mit bronzenen Linien und weißen Narben ... Haare, dicht und schwarz, sich leicht kräuselnd von seinem Hals abwärts schlängelnd und sich am Bauch zu einem dünnen Streif ausdünnend. Es bildet sich ein Kloß in meinem Hals, der so riesig ist, dass ich fast an ihm ersticke und erst als er sich anschickt die Kordel seiner als letztes Kleidungsstück verbleibenden Hose zu lockern, werde ich mir bewusst, was ich hier gerade tue. Über mich selber erschrocken und bis zu den Ohrenspitzen heiß errötend, drehe ich mich augenblicklich um. Mein Atem geht schwer und stoßweiße vor Beschämung und Erregung und ich lege die Hand vor den Mund, damit er ihn nicht hört.

Erst als das leise Plätschern von Wasser und ein anschließendes mehr als zufrieden klingendes Brummen zu vernehmen ist, wage ich es mich wieder umzudrehen und sofort verzieht sich mein Mund zu einem seligen Lächeln. Ich sehe nicht mehr als seine durch das Wasser noch dunkler wirkenden Haare über den Rand der Wanne lugen und senke überlegend meinen Kopf. Lange ringe ich mit mir ... gehe immer wieder einen Schritt nach vorne und dann zurück ... aber irgendwann stehe ich dennoch direkt vor ihm und von nahem ist sein Körper noch viel beeindruckender ... zumindest der Teil, den man oberhalb der mit Wachholderzweigen bedeckten Wasseroberfläche sehen kann. Ich knisple verschämt an meinen Fingern herum, als ich sein so ungewohnt ruhiges und entspanntes Gesicht betrachte. Noch nie konnte ich ihn so ungezwungen und lange beobachten, denn wann waren wir die letzten Monate schon einmal allein und nicht von todbringenden Gefahren ... oder schlimmer noch: von feixenden oder grollenden Zwergen und einem uns argwöhnisch beobachtenden Zauberer ... umgeben, sodass ich es mir ohne schlechtes Gewissen erlauben konnte. Thorins Augen sind ausruhend geschlossen und funkelnde Wassertropfen, die sich in den Haaren verfangen haben, verschönen sein Antlitz.

„Ich weiß, dass du hier bist, Bil", holt mich seine brummende Stimme unerwartet aus meiner Faszination und ich zucke ertappt zusammen. Erneut frage ich mich, wie bei Ilúvatars Schöpfung er mich selbst durch den Nebel der Unsichtbarkeit hindurch wahrnehmen kann. Ich sehe mich um, auf der Suche nach einem Versteck, in dem ich mich unbeobachtet des Ringes entledigen könnte, denn ich habe Angst, dass mich danach erneut das verhasste Unwohlsein überrollt und mich verrät. Leise schleiche ich schließlich hinter eine der breiten Säule und streife das goldene Kleinod von meinem Finger und genauso, wie ich es befürchtet habe, schwappt augenblicklich eine Welle der Übelkeit und der negativen Empfindungen über mich hinweg und zwingt mich in die Knie. Verzweifelt versuche ich keinen Laut von mir zu geben, als ich haltsuchend die Hände an dem kalten Stein abstütze und meine Stirn daranlege. Die mit erfrischenden Wachholderduft und warmen Wasserdampf angereicherte Luft strömt mit jedem tiefen Atemzug wohltuend in meine Lungen und kann somit zumindest langsam das Unwohlsein vertreiben.

Als ich wieder halbwegs klar denken kann, trete ich immer noch leicht erschöpft wankend hinter der Säule hervor und erneut an Thorins Seite. Und als ob er jetzt gänzlich meine Anwesenheit spüren kann, öffnet er die Augen und unvermittelt bildet sich dieses wunderbare Lächeln auf seinen Lippen. Ich senke sofort ausweichend meinen Blick, denn die Situation in der wir uns befinden, ist mehr als unmoralisch ... das weiß sowohl er als auch ich. „Es muss dir nicht unangenehm sein hier zu stehen", versichert er mir jedoch und hebt eine Hand aus dem Wasser, um mich dennoch nach unten zu ziehen, sodass ich auf dem Boden hocke und ihm direkt in die so wundervollen eisblauen Augen sehen kann ... und nur dahin. „Wie bist du hier hineingelangt?", will er sofort von mir wissen, aber ich zucke ausweichend mit den Schultern und lege meine Arme und darauf das Kinn auf den Wannenrand ab. „Ich bin ein Hobbit und wie Gandalf schon sagte: Hobbits können sehr leise sein." Thorin lächelt erneut, ein Ausdruck, den ich die letzten Tage und Wochen eigentlich nie sehen konnte, ob der Gefangenschaft und Hoffnungslosigkeit und deshalb umso unersetzbarer.

„Ich habe einen Fluchtweg für uns gefunden", offenbare ich ihm schließlich und er sieht mich überrascht an. „Er ist zwar ungewöhnlich, gefährlich, kompliziert und nass ... vor allen Dingen nass ... aber die einzige Möglichkeit, die ich bis jetzt entdeckt habe um hier heraus zu kommen", erzähle ich aufgeregt und erläutere ihm meinen Plan. „Das könnte funktionieren", bewertet Thorin ihn schließlich als akzeptiert und ich lächle erleichtert. „Aber wie willst du an die Schüssel für die Zellen gelangen?" Ich wiege meinen Kopf auf den Schultern. „Das allerdings muss ich mir noch einfallen lassen ... der Kerkermeister ist immer wachsam und legt sie nie ab, noch nicht einmal im Schlaf." Thorin verzieht sein Gesicht argwöhnisch. „Woher weißt du das alles?", fragt er mich skeptisch klingend, aber ich weiche seinem Blick aus. Ich kann mir noch immer nicht erklären, warum ich ihm nicht einfach von dem Ring und seiner Macht erzähle ... ich muss doch nichts von ihm befürchten ... aber dennoch ist es ein Geheimnis, dass ich lieber für mich behalten möchte.

„Na gut ... behüte dein Mysterium, es wäre nicht das Erste, dass du mir bereitest", resigniert er und streicht mir unerwartet eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die seine Sicht darauf behindert hat. Seine Finger fahren dabei über meine Schläfe ... nass und warm ... und so unglaublich zärtlich. „Du siehst übermüdet und erschöpft aus ...", flüstert er plötzlich und ich sehe ihn mit trüben Blick an. „Ich schlafe recht wenig in der letzten Zeit", gebe ich flüsternd zu und er betrachtet mich sorgenvoll. „Möchtest du zu mir in die Wanne steigen?", erkundigt er sich schließlich und ich sehe ihn unvermittelt mit fassungslos geweiteten Augen an. „... ich meine ... das Wasser ist noch sehr warm und wirklich belebend ... und du ...", stottert er ob meiner geschockten Reaktion und sieht peinlich berührt und mit einem sich selbst tadelnden Schnauben auf die Wasseroberfläche. Angesichts dieser so ungewohnt herrlichen Gemütsregung fange ich allerdings an zu lachen ... gelöst und ungezwungen wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr. „Ja Thorin, das würde ich gerne...", sage ich schließlich und frage mich geradezu, woher ich die Kühnheit habe dieses mehr als unanständige Angebot anzunehmen.

„Aber du musst die Augen zumachen, bis ich im Wasser bin", befehle ich gespielt ernst und richte mich auf. Thorin tut sofort wie ihm geheißen, und auch er kann das amüsierte Schmunzeln nicht zurückhalten. Langsam entledige ich mich meiner aufgrund der Wanderschaft durch den Düsterwald und dem Kampf mit den Spinnen dreckigen und teilweise zerrissenen Kleidung, bis ich schließlich nur noch in meine fast knielange Bluse gehüllt zu ihm in das noch immer dampfende Wasser steige. Und wie er vorausgesagt hat, umspült mich sofort die kräftigende Wirkung und ich fühle mich erholter und gestärkter. Ich sitze ihm gegenüber und nachdem er langsam die Augen geöffnet hat, prunkt erneut dieses so wundervolle und lange vermisste Lächeln auf seinen Lippen.

„Mên asukhab ibnumul, Ghivashel", sagt er plötzlich etwas in Khuzdûl und ich zucke daraufhin überrascht zusammen. Sofort mustert er mich interessiert. „Ghivashel ... das war der Spitzname meiner Mutter für mich ... aber ich wusste nicht, dass es Khuzdûl ist", offenbare ich immer noch erstaunt und vergesse ganz mich zu fragen, was die anderen Wörter besagen könnten. „Ich habe sie immer so genannt ...", erklärt er mir nach einigem Zögern und senkt fast verlegen seinen Blick. „Was bedeutet er denn?", frage ich nach und im nächsten Moment fällt mir ein, dass die Zwerge niemals jemandem aus einem anderen Volk die Details ihrer Sprache darlegen werden. Dementsprechend verhalten ist auch Thorins Reaktion. Nachdenklich fährt er sich mit der Hand über das erhitze Gesicht und ich will mein Ersuchen bereits zurückziehen, als er mir unerwartet doch antwortet. „Wir sprechen einem besonderen Geschöpf damit unsere Anerkennung und Wertschätzung aus", flüstert er zurückhaltend und der Ausdruck, der ungestüm in seinen Augen aufblitzt, raubt mir dabei fast den Verstand ... so herzlich ... so zugetan ... so gefühlvoll ... wie ich ihn noch nie im Angesicht eines anderen Wesens gesehen habe. Ich überlege kurz, ob ich den nächsten Schritt wirklich machen möchte, kann und darf ... aber dann rutsche ich langsam auf ihn zu, sein verwundertes und fragendes Mienenspiel ignorierend.

Die Wanne ist riesig und bietet mir genügend Spielraum, damit ich mich umdrehen, zwischen seinen Beinen platzieren und nach einigem Zögern mit dem Rücken vertrauensvoll an die so unglaublich wohldefinierte Brust schmiegen kann. Er erschaudert heftig aufgrund der so ungewohnt unverhüllten Nähe, aber nach kurzer Bedenkzeit, legt er seine Arme um mich und zieht meinen Körper noch berührender an sich heran. Ich spüre harte, leicht zuckende Muskeln ... schnellen, zittrigen Atem ... aufgeregten, kräftigen Herzschlag ... warme, haltende Hände und unverzüglich scheint das Wasser um uns herum noch dampfender zu werden ... ja fast zu kochen und hüllt unsere Gestalten in einen wabernden und die Außenwelt ausschließenden Nebel der Verborgenheit.

Aber ungeachtet dessen wandert ein wohliger Schauer mein Rückgrat entlang, als er seine Lippen auf meine entblößte Schulter platziert ... zaghaft und würden seine Barthaare nicht etwas piksen, es wäre kaum wahrnehmbar. „Was tust du?", flüstere ich ... aber keineswegs vorwurfsvoll. „Du riechst wie eine Blumenwiese im Frühling ... nach Mohn und Narzissen und saftigem Gras und frühlingsregennasser Erde", haucht er und sein warmer Atem wallt über mich. Ungestüm entsteht eine unglaublich kribbelnde Hitze in meinem Inneren ... pulsierend fließt sie durch mich hindurch und verbreitet sich mit jedem aufgeregten Herzschlag bis in die kleinsten Äderchen meines Körpers. Unter der gewaltigen Wirkung dieser noch immer so ungewohnten Empfindung beginne ich zu erzittern und schließe berauscht die Augen, als die kleinen Schmuckperlen seiner Zöpfe zusätzlich über das bereits überreizte kleine Stück enthüllter Haut wandern. „Frierst du?", raunt er sorgenvoll klingend und ich bin zu nichts Weiterem außer einem verneinenden Kopfschütteln fähig, als er seine Fingerspitzen über meine wasserbedeckten Arme gleiten lässt. „Ich bin nur ... ich habe ...", stottere ich, unfähig zu beschreiben, was ich empfinde ... denn verstehen, kann ich es ja selbst nicht. Seine Hände platzieren sich erneut auf meinem stoffbedeckten Bauch und drücken mich noch näher an ihn heran.

Ich ziehe die wasserdampfangereicherte Luft zischend in meine Lungen und als ich mein Gesicht leicht zu ihm drehe und unbewusst meine Unterlippe durch die Zähne hindurchgleiten lasse, steigt ein Knurren aus seiner Kehle empor ... so sehr von schamlosen Verlangen und erschreckender Leidenschaft geprägt ... dass es mich erneut erbeben lässt ... vor Erregung und Unruhe und Angst vor dem, in was sich die Situation so plötzlich und unkontrolliert entwickelt. Jeder Muskel meines Körpers scheint angespannt zu sein und eine Empfindung tobt durch ihn, so ungestüm und alles mit sich reißend wie ein Orkan. Und als sich dieses intensive Gefühl wie ein Wirbelsturm zwischen meinen Beinen sammelt, dringt, ohne dass ich es kontrollieren oder unterdrücken kann, ein leises Stöhnen aus meinem Mund, von dessen Intensität und Bedeutsamkeit ich augenblicklich selber erschrocken bin.

Thorin krallt seine Finger in den durchnässten Stoff und ... auch wenn ich es nicht für möglich gehalten habe ... die Nähe unsere Körper zueinander wird noch dichter und seine Erregung ist bereits allzu deutlich spürbar. Hart und verlangend drückt sie sich gegen mich und unvermittelt überkommt mich die Furchtsamkeit und Besorgnis vor diesem unkontrollierten Auflodern der stürmischen Leidenschaft und der Folgen, die diese heraufbeschwören könnte. „Thorin ... wir sollten ... nicht", bringt mein umnebeltes letztes bisschen vernunftbegabtes Denken stockend hervor, auch wenn sich jede Faser meines glühenden Daseins dagegen wehrt. Und als würden meine Worte wie eine Peitsche sein Gewissen erwecken, lockert er augenblicklich seinen Griff und entfernt die Lippen von mir. „Bei Mahal ... verzeih mir bitte die Anmaßung und den Verlust meiner Kontrolle", stößt er erschrocken klingend aus und schneller, als ich seine Selbstgeißelung abwehren kann, steht er auf und klettert aus der Wanne. Und obwohl ich vor wenigen Sekunden noch Angst vor dieser intensiven Nähe hatte, vermisse ich unvermittelt seine Wärme und Berührungen und verberge durcheinander und zutiefst erschrocken über diese so unkontrollierten und widersprüchlichen Gefühle in meinem Innern das Gesicht zwischen den Händen ...

An einem der darauffolgenden Abende feiert das Volk der Waldelben das Herbstfest. Ein Ereignis, das von fröhlichen Gesang und süßen Wein dominiert wird und für mich ein weiterer Glücksfall ist. Auch der Hauptmann der Wache und der Kellermeister, können sich diesen Freuden nicht entziehen und beschließen spät abends, sich in einem separaten Kellerraum ebenfalls dem guten und starken Wein Dorwinions hinzugeben. Es bedarf schon einer ordentlichen Portion Alkohol um einen Elben betrunken zu machen, aber nach jeweils zehn Gläsern, werden auch ihre Köpfe schwer wie der starke Wein und sinken auf das Holz des dunklen Eichentisches hinab und das ist die lang herbeiersehnte Gelegenheit für mich ...

Auf Zehenspitzen und so leise wie noch nie in meinem Leben, schleiche ich an sie heran und ziehe vorsichtig den schweren Schlüsselbund aus der Tasche des Hauptmannes. Eine Aktion, die einem wahren Meisterdieb ebenbürtig ist, denn sie geben dabei keinen einzigen klirrenden Laut von sich. Schnell und dennoch weiterhin unhörbar, husche ich mit meiner Beute zu den Verliesen zurück. Auf meinem Rückweg mache ich einen Umweg zu den Kammern, in der die Elben die Waffen verstaut haben, die sie den Zwergen abgenommen haben. Leise nehme ich Orcrist mit zu mir in den verhüllenden Nebel und auch Kilis Bogen und Filis Schwert, denn ich weiß, dass dies die einzigen Andenken an ihren Vater sind und ihnen mehr bedeuten als ihr Leben.

Als ich beinahe an den Zellen angekommen bin, halte ich erschrocken inne. Die Elbin mit den langen, roten Haaren, sitzt auf den Stufen vor Kilis Zelle und spricht leise mit ihm. „Ich habe einmal das Lichtspiel der Varda gesehen", höre ich seine verträumt klingende Stimme und verstecke mich hinter einer Felsenecke. Ich will sie eigentlich nicht belauschen, aber noch nie habe ich den jüngsten der Zwerge so einfühlsam mit jemandem reden hören. „Mein Bruder und ich begleiteten damals unseren Onkel auf einer Erkundungstour zu den Evendim Bergen. Wir machten an den nördlichen Ufern des Abenrotsees rast und ich übernahm die erste Wache. Und gegen Mitternacht brach plötzlich dieses unglaubliche Lichtspiel zwischen den dunklen Wolken hindurch. In unglaublich vielen Rot- und Violettönen ... glühend und pulsierend und changierend ... floss es fast wie entflammtes Wasser über den Himmel und erhellte die Umgebung. Es war so unglaublich und wunderschön ... faszinierender noch, als das Lichtspiel eines Edelsteins ..." Vorsichtig spähe ich hinter dem Felsen hervor. Kilis Augen leuchten regelrecht wie das Licht von dem er spricht und auch im Antlitz der Elbin, kann ich ihre Begeisterung über seine Schilderung erkennen. Aber da ist noch etwas anderes ... eine Gefühlsregung in ihren Blicken füreinander, die ich nur zu gut kenne.

„Ich muss jetzt leider gehen ...", sagt die Elbin plötzlich knapp, als sie sich anscheinend diesen Umstand bewusst wird und hat sich bereits zum Gehen abgewandt, als Kili sie noch einmal anspricht und ihr etwas durch die Gitterstäbe reicht. „Hier, ich möchte ihn Euch schenken", sagt er leise und legt ihr einen kleinen schwarzen, im Schein der Fackeln glänzenden Gegenstand in die Hand. Sie schaut verträumt darauf und geht dann ohne ein weiteres Wort zu Legolas hinauf.

Nachdem sie verschwunden ist, warte ich dennoch einen Augenblick und lausche in die Stille, bevor ich mich das erste Mal seit vielen Tagen traue, den Ring von meinem Finger zu streifen. Augenblicklich wird mir erneut schwindelig, als sich der Nebel um mich herum lichtet ... aber dieses Mal so heftig, dass ich mich haltsuchend und schwer um Atem ringend an der Wand abstützen muss. Die Taubheit, die meinen Körper einnimmt, ist so massiv, dass ich ermattet zu Boden sinke. Es kostet mich all meine wenig verbliebene Kraft, nicht ohnmächtig zu werden. Bei Ilúvatar, was ist nur auf einmal los mit mir?! Mit geschlossenen Augen lehne ich meine Stirn an den kühlen Stein, als mich eine Welle der Übelkeit überrollt. Es fühlt sich so an, als ob jegliches positive Gefühl mein Dasein verlassen hat und durch Angst, Hoffnungslosigkeit und Kummer ersetzt wurde, die so mächtig scheinen, als ob ich sie niemals wieder überwinden könnte. Verzweifelt ziehe ich die frische Luft in meine Lungen und versuche an etwas besonders Schönes zu denken ... das Auenland ... Beutelsend ... die Bibliothek von Bruchtal ... Beorns Garten ... Thorins Lächeln ... Und tatsächlich ... ganz langsam verschwinden die schrecklichen Empfindungen dadurch und auch die Übelkeit, Taubheit und das Augenflimmern werden weniger, bis der Anfall schließlich nach wenigen Minuten halbwegs vorüber ist. Völlig entkräftet ziehe ich mich wieder nach oben und taumle noch leicht benommen auf die Zellen zu, während ich den verwünschten Ring in meine Jackentasche gleiten lasse.

Als Thorin mich erblickt, kommt er mit leuchtenden Augen zur Kerkertür. „Bil ... Mahal hab Dank, du bist wieder hier", sagt er aufgeregt und streckt seine Hand nach meiner Wange aus. Ich halte lächelnd den Schlüsselbund nach oben und augenblicklich springt mein Lachen auf ihn über. „Wie bist du an ihn gekommen?", fragt er begeistert und umarmt mich schlagartig, nachdem ich seine Tür aufgesperrt habe. Ich lass seine Berührung zu, auch wenn sie mich augenblicklich an die unkontrollierten Gefühle erinnert, die wir vor wenigen Tagen geteilt haben und ob des Zurückrufens, läuft mir erstaunlicherweise ein wohliger Schauer über den Rücken. „Tja, was halt eine richtige Meisterdiebin ist, die kann auch Schlüssel von Elben klauen ...", hauche ich Aufgrund dessen aus und versuche die Verwirrung aus meinem Dasein zu verbannen, als er mich noch näher zu sich heranzieht und erneut ein Kribbeln durch mich sendet. „... und auch noch einiges Anderes", füge ich andächtig hinzu und überreiche ihm, nachdem er mich wieder aus seiner Umarmung entlassen hat, Orcrist. Thorin nimmt das Schwert ehrfurchtsvoll an sich und drückt mich erneut dankbar. Allerdings löse ich mich nun schnell wieder von ihm und schließe nacheinander auch die Zellen der anderen Zwerge auf. „Ich weiß, wie ich euch hier herausbringen kann ... folgt mir", unterrichte ich sie aufgeregt und renne bereits den Weg zurück, der uns in die unteren Kellerhallen führt. Mein Herz setzt jedes Mal einen Moment aus, wenn die Zwerge ein lautes Geräusch verursachen, aber durch die Feier in den oberen Hallen, sind zum Glück nicht viele Elben unterwegs und wir können ihren immer wachsamen Augen in dunkle Ecken gepresst entgehen.

Als wir im Weinkeller angekommen sind, schlafen der Kellermeister und der Hauptmann noch immer tief und fest und schnarchend mit den Köpfen auf dem Tisch. Langsam schleiche ich an ihnen vorbei und winke den Zwergen, damit sie mir folgen. Thorin, der ja bereits in Kenntnis über meinen Plan ist, befiehlt seinem Gefolge sofort in die bereitstehenden Fässer zu klettern, als der erste Protest droht aufzukommen. „Vertraut mir, ich weiß genau, was ich tue", versichere ich ihnen noch einmal und sehe Thorin dankend an, als er zusätzlich bestärkend neben mich tritt.

Ich atme erleichtert aus, als alle Zwerge einzeln in eines der offenen Fässer kriechen. Als endlich jeder von ihnen einen Platz gefunden hat, gehe ich zu dem Hebel, der den Fallmechanismus auslöst. Unvermittelt öffnet sich die Lucke und die Fässer mit meinen Gefährten darin fallen mit lautem Platschen in das darunterliegende Wasser. Zufrieden mit mir und meinem funktionierenden Plan, trete ich an die Öffnung und schaue hinunter. Die Zwerge hingegen blicken zu mir hinauf und beginnen vor Begeisterung zu applaudieren. „Ich habe euch doch gesagt, dass ich genau weiß, was ich tue", sage ich leise und springe ihnen hinterher. Ebenfalls mit einem geräuschvollem Platsch, tauche ich unter Wasser. Prustend komme ich wenig später wieder an die Oberfläche des unsäglich kalten Nasses und werde sofort von Thorin in sein Fass gezogen. „Gut gemacht, Fräulein Beutlin", sagt er anerkennend und stößt sich an der Felswand ab, damit wir den anderen folgen können, die bereits stromabwärts treiben. In dem Fass ist zwar genug Platz für einen Zwerg ... aber für einen Zwerg und einen Hobbit, ist es ganz schön eng, sodass Thorin und ich ziemlich nahe beieinanderstehen müssen. Ich verschränke die Arme vor meine Brust, um unter den beobachtenden Augen der Anderen wenigsten einen kleinen, den Anstand wahrenden Abstand zwischen uns herzustellen, aber die Wärme, die er immer ausstrahlt, ist eine Wohltat für meinen erkalteten Körper.

Die strudelnde Strömung und die vielen kleinen und großen Wasserfälle flussabwärts schütteln uns ganz schön durch. Immer wieder drücken sie die Fässer unter Wasser und lassen sie wie Korken wieder nach oben schnellen. Nach wenigen Metern sind auch alle Zwerge bis auf die Knochen durchnässt. Erst als der Morgen bereits dämmert, vereinigt sich der schäumende Bach mit den ruhigen Gewässern des Waldflusses. Hier stehen die Bäume nicht mehr so bedrohlich dicht zusammengedrängt und bieten uns seit so vielen Monden endlich wieder einen ungehinderten Blick auf den Himmel, den sogar die Zwerge so sehr vermisst haben. Auf der ebenen Wasseroberfläche spiegelt sich das Licht der letzten Sterne und vermischt sich mit dem gelb-orangenen Farbenspiel des Sonnenaufganges, der einen herrlichen Herbsttag ankündigt. Ich habe die Sonne schon so lange nicht mehr zu Gesicht bekommen und genieße mit geschlossenen Augen ihre wohlige Wärme auf meiner durch die Nässe eiskalten Haut. Langsam treiben wir dahin, trotz alledem immer wachsam, ob uns die Elben bereits verfolgen. Als ich meine Augen wieder öffne, bemerke ich, dass mich Thorin anscheinend die ganze Zeit beobachtet hat. Sein Blick liegt sanft auf mir und seine Lippen umspielt ein liebevolles Lächeln. Ertappt senkt er sofort seinen Kopf, als ob es ihm peinlich ist, dass ich diesen vielsagenden Ausdruck sehen konnte.

Nach einiger Zeit, die Sonne steht bereits hoch am Himmel, entdecken wir vor uns eine breite, sacht abfallende Bucht liegen, die nach Osten hin mit einer vorspringenden Felskuppe abgedämmt wird. Die meisten der Fässer laufen hier auf Grund oder stoßen polternd an den Stein, sodass wir endlich unsere unbequemen Fluchtmittel verlassen können. Gänzlich durchdrungen von dem kalten Wasser, zitternd wir am ganzen Leib und sind völlig erschöpft, einige der Zwerge haben sogar blaue Lippen. Aber Thorin verbietet uns ein Feuer zu machen, um uns erst einmal aufzuwärmen. „Wir müssen weiter, wer weiß, ob unser Abhandenkommen und der Fluchtweg bereits von den Elben entdeckt wurde", stößt er ungehalten aus und zieht den bibbernden Kili bestimmend wieder auf die Beine. „Und wohin? Ich wüsste noch nicht einmal, wo wir hier sind", erwidert Dwalin. „Der Fluss mündet unweit von hier in den langen See, dort wo Esgaroth liegt. Dort könnten wir uns vielleicht mit Waffen, Proviant und einem etwas angenehmeren Fortbewegungsmittel versorgen", erklärt Balin wissend unsere Lage und drückt währenddessen das Wasser aus seinem langen weißen Bart. Ich schaue nachdenklich auf die immer noch in der Strömung treibenden Fässer. „Wir könnten doch die Fässer zu einem Floß vertäuen", schlage ich schließlich vor und drehe mich zu den anderen um, die ebenfalls alle zum Wasserlauf blicken.

Plötzlich sehe ich hinter uns einen großen Mann auf einem der Felsen stehen, die die Bucht vom Wald abtrennen. „Das würde ich an eurer Stelle lassen!", grollt seine grimmige Stimme über unsere Köpfe hinweg und reißt nun auch die Aufmerksamkeit der Zwerge an sich. Sofort schiebt sich Thorin schützend vor mich und befreit Orcrist aus seiner Scheide, aber auch Fili und ich ziehen unsere Schwerter, denn wir drei sind die Einzigen, die noch bewaffnet sind. „Und das noch viel mehr!", ergänzt der Hüne verärgert und so schnell, dass meine Augen ihm kaum folgen können, hat er seinen Bogen gespannt und zielt damit auf uns. „Verzeihung, aber Ihr seid wohl aus der Seestadt, wenn ich nicht irre...", versucht Balin ihn mit feinfühliger Stimme zu beruhigen und geht bedächtig einige Schritte vorwärts. Dabei hebt er beschwichtigend seine Arme und deutet uns, dass wir die Waffen wieder senken sollen. Thorin ist der Letzte, der seiner Ermahnung widerstrebend und mir einem verärgerten Brummen Folge leistet.

„Und Ihr? 13 Zwerge und ...", er sieht mich mit einem fragenden Blick an, „... was für ein Geschöpf auch immer Ihr seid? Was macht Ihr in dieser Gegend und wollt meine Fässer als Floß missbrauchen?!", sagt er nun schon etwas ruhiger und kommt langsam, aber noch immer mit gespannten Bogen, von dem Felsen herunter. Sein Gesicht ist genauso abgehärtet wie seine Stimme und wird von schwarzen strähnigen Haaren umrandet. „Wir sind Wanderer, die leider ein paar Schwierigkeiten bei der Durchquerung des Düsterwaldes hatten, durch den wir mussten, um unsere Verwandten in den Eisenbergen zu besuchen", erwidert Balin. „Wir benötigen deshalb dringend Hilfe aus Esgaroth. Etwas zu Essen, eine Unterkunft für die Nacht ... Proviant und Waffen für unsere gefährliche Weiterreise." Der Mann senkt seinen Bogen, „Schwierigkeiten mit unseren Handelspartnern den Waldelben wie mir scheint, wenn Ihr in ihren Fässern den Fluss heruntergekommen seid. Warum sollte ich Euch also helfen!?" Balin lächelt leicht. „Nun, verzeiht mir meine Direktheit, aber offensichtlich scheint der Verdienst eines Flößers noch nicht einmal auszureichen, um die Löcher in Eurem Mantel zu stopfen", bemerkt er vermittelnd und ich schätze ihn für sein intelligentes und besonnenes Verhandlungsgeschick in dieser Situation. Der Mann senkt befangen seinen Blick und Balin streckt ihm seine Hand entgegen. „Wenn Ihr uns nach Esgaroth bringt, bin ich mir sicher, dass wir uns auf eine gute Bezahlung einigen werden", schlägt er ihm einen Handel vor und letztendlich nimmt der Mann diesen mit einem Handschlag an.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top