Mesem

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Ratssitzungen ... wie ich sie hin und wieder zutiefst verabscheue. Sie dauern oft Stunden und wenn einige bestimmte Mitglieder auch nur Luft holen, um zum Sprechen anzusetzen, weiß jeder, dass es noch einige mehr werden als sowieso schon. Dennoch verweile ich verzweifelt bemüht beständige Müdigkeit, Belastung und Beschwerden zu ignorieren zwischen Thorin und Kili. Denn wie die Zwerginnen auch, will ich aufgelegte Pflichten und Arbeiten bis zuletzt ausführen. Beharrlich und ungehorsam habe ich Thorins teilweise schon ärgerliche Befehle ignoriert mich doch endlich dem müßigen Leben einer Hochschwangeren hinzugeben und Sitzungen, Audienzen und anderen Verpflichtungen fernzubleiben.


Wir gehen gerade die umfangreichen Unterlagen zur Planung einer neuen Schmiedewerkstatt durch, als ein plötzlich aufloderndes, unangenehmes Ziehen in meinem Unterleib mich stockend ausatmen lässt. Kili neben mir legt sofort fürsorglich seine Hand auf meine, die sich in dem krampfhaften Versuch das Unwohlsein zu verbannen unkontrolliert in die Lehne des Stuhles gegraben hat. „Ist alles in Ordnung?", fragt er mich besorgt und drückt leicht die verkrampften Finger. Aber der zerrende Schmerz ist sofort wieder vergangen, sodass ich ihn lediglich lächelnd ansehe, um seine Sorgen zu zerstreuen. Allerdings wiederholt sich dieses mehr als unangenehme Anspannen meiner Bauchmuskeln im Laufe des Vormittages und wird mit jedem Mal unerträglicher und länger.


Als der Schmerz auf einmal bis in den Rücken hinaufzieht, muss ich mich unwillentlich tief Luft holend im Stuhl aufrichten. „Bil, geht es dir nicht gut?", fragt mich Kili erneut flüsternd und als Thorin trotz der Heimlichkeit seinen beunruhigt klingenden Tonfall und danach meine angespannte Haltung wahrnimmt, stockt er in seinen Ausführungen. „Ist alles in Ordnung, meine Königin?", fragt er mich, äußerlich ruhig und beherrscht, aber in den Augen ist die Besorgnis ebenfalls nur allzu gut erkennbar. Ich nicke leicht, denn der größte Schmerz ist schon wieder vergangen. „Ja, mir geht es gut ... aber ich würde mich gerne zurückziehen, wenn Ihr es erlaubt ... ich benötige etwas Bewegung und frische Luft", sage ich und muss bereits aufpassen, dass die Stimme nicht vor Anspannung zittert. „Natürlich ... soll Prinz Kili Euch begleiten?", fragt Thorin augenblicklich bedrückt, aber ich schüttle bestimmend meinen Kopf und stehe unter größter Anstrengung und verzweifelt darum bemüht ein schmerzverzogenes Gesicht zu verstecken auf. Die versammelten Mitglieder tuen es mir gleich, um mir den gebührenden Respekt zu zollen. Mit einem wohlwollenden Kopfnicken zu ihnen und einem liebevollen Gleiten meiner Hand über Thorins Schulter, verabschiede ich mich.


Als die schwere Tür hinter mir geschlossen wird, kann ich die majestätische Haltung endlich vernachlässigen und lehne mich erschöpft gegen die wohltuend kalte steinerne Wand des Flures. Tief ziehe ich die Luft durch meine Nase ein und stoße sie durch den Mund wieder aus, so wie es mir die Hebamme gezeigt hat um die Wehenschmerzen zu lindern. Ich hoffe nur, dass es sich hierbei um die von ihr angekündigten Senkwehen handelt ... obwohl, nein lieber nicht, ich möchte mir nicht vorstellen, wie schlimm dann erst die Richtigen werden. Zwangsweise muss ich mich wiederaufrichten, als ich plötzlich Schritte heraneilen höre und nur kurze Zeit später, sehe ich Dwalin mit einigen seiner Männer um eine Ecke kommen.


Als er mich und die trotz aller Anstrengung gebeugte Haltung sieht, beschleunigt er sofort seine Schritte. „Majestät, ist alles in Ordnung?", fragt auch er mich besorgt klingend und versucht den bereits vor Anspannung zitternden Körper mit dem haltgebenden Umfassen des Armes zu stützen. Als mich eine erneute Welle des Schmerzes überrollt, verzieht sich mein Gesicht zu einer gepeinigten Maske, die ich versuche hinter seinen breiten Schultern vor den anderen zu verstecken. „Ich glaube nicht ... Dwalin ... bitte ... könntet Ihr mich zu meinen Gemächern bringen und nach der Hebamme schicken lassen?", bitte ich mit größter Mühsal und er nickt eifrig. „Geht und holt Yrsa, Gloins Gemahlin ... sofort!", befiehlt er im harschen Ton eines Befehlshabers seinen Soldaten, die sich daraufhin schnell und mit beinahe belustigend bleichen Gesichtern auf den Weg machen.


Kaum, dass sie außer Sichtweite sind, steigt ein erneuter Schmerz in mir auf, zieht sich wie ein Peitschenschlag über den Rücken und zwingt mich schließlich mit einem gequälten Wimmern in die Knie. Dwalin stützt meinen nachgebenden Körper und in seinem Gesicht kann ich namenlose Besorgnis und Angst erkennen. Plötzlich höre ich ein lautes Knacken, so als ob Eis bricht, und im nächsten Moment, wie warme Flüssigkeit die Beine hinab läuft. „Dwalin ... ich glaube, es ist soweit ... meine Fruchtblase ist gesprungen ...", informiere ich den Hauptmann, vor Schmerzen und Aufregung stockend und wimmernd und laut atmend. Der kräftige Zwerg überlegt nicht lange und hebt mich ungeachtet jeglicher Etikette auf die starken Arme, um mich schnellstmöglich in meine Gemächer zu bringen.


Als wir dort ankommen und er mich vorsichtig auf das Bett ablegt, sind Oin, Dís und Yrsa, sowie einige Bedienstete bereits anwesend. Geschäftiges Treiben herrscht in den Räumlichkeiten ... Wasserschüsseln, Tücher, Wechselkleidung, Nähzeug und Verbände für den Notfall werden herangeschafft und unter der Anweisung der Hebamme platziert. Schwer atmend bedanke ich mich bei Dwalin und drücke die beruhigende Hand von Dís auf meiner Schulter.


„Dwalin, bitte geht jetzt ...", sagt sie ruhig, als der bullige Zwerg sich wie eine Statue am Kopfende des Bettes platziert und keinerlei Anstalten macht den Raum zu verlassen. „Ich habe einst geschworen auf meine Königin aufzupassen, wenn Thorin nicht in der Nähe ist, also werde ich an ihrer Seite bleiben", erwidert Dwalin mit einer selbst für ihn ungewohnt steinernen Festigkeit in der Stimme und provoziert damit ein ebenfalls außerordentlich selten gesehenes wütendes Gesicht der Prinzessin. „Dwalin ... geh ... sofort!", befiehlt sie ungehalten und weist ihm die Tür, aber der Kommandant verschränkt demonstrativ seine Haltung stärkend die Arme vor der Brust. Wenn ich nicht gerade mit dem Wehenschmerz kämpfen würde, ich wäre angesichts der Ehrenhaftigkeit des Zwerges in Tränen ausgebrochen, aber im Moment hilft mir der Streit der beiden ebenbürtigen Starrköpfe nicht weiter.


Sanft lege ich deshalb eine Hand auf seinen Arm. „Bitte Dwalin ... ich bin mir sicher, dass Dís mich ebenfalls gut beschützt ...", setze ich unter größter Anstrengung an, muss aber einen Moment innehalten, damit ich eine erneute Wehe veratmen kann. Meine Finger krallen sich in den Ärmel des Waffenrocks und die scharfen Nägel gehen bestimmt hindurch, aber sein Gesicht überschattet noch nicht einmal ein blasser Hauch von Schmerz. „Geh und berichte Thorin, sag ihm aber, dass sein Erscheinen nicht notwendig ist, die Ratsversammlung ist wichtiger." Dem Befehl nachgebend senkt der schroffe, gutmütige Riese von einem Zwerg schließlich den Blick und wendet sich ab. Aber nicht ohne vorher einen warmen, liebevollen Händedruck auf meiner Schulter zu hinterlassen, der mir verdeutlicht, dass ich ihn nur zu rufen brauche, um seinen Beistand erneut zu erhalten, egal wer oder was ihn dann davon abhalten möchte.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

POV Thorin


Bil schwankt leicht, als sie den Raum verlässt. Verbissen die königliche Würde aufrecht zu erhalten nur außerhalb der Sicht der Ratsmitglieder den Rücken mit beiden Händen stützend. Und die Sorge um sie wird mit jedem Schritt belastender. Als sich die schwere Eichentür hinter ihr schließt, erreicht sie schließlich ein Level, dass mit keiner drückenden Beklemmung bisher zu vergleichen ist.


Es fällt mir von Minute zu Minute schwerer den Ausführungen des Rates weiterhin zu folgen und an den aufgeregten Hin und Her Bewegungen und wippenden Füßen meiner Schwestersöhne neben mir, erkenne ich ebenfalls ihre besorgte Unruhe. Schriften und gesprochene Worte verschwimmen immer mehr zu einem bedeutungslosen Gemenge und nur noch ein Gedanke setzt sich in dem dumpf-pochenden, sorgenüberfluteten Kopf fest. Hätte ich ihr doch nur ungeachtet der verflucht trotzigen Abwehr eine Begleitung aufgezwungen oder wäre sogar selbst mit ihr gegangen.


Und dann wird plötzlich die Tür aufgestoßen und Dwalin stürmt buchstäblich wie der Orkan nach dem er in Khuzdûl benannt ist in den Raum. Die sonst so regungslosen Gesichtszüge eines Kriegers der schon alles gesehen hat ramponiert von einem Durcheinander aus Beunruhigung, Freude und Aufregung, dass ich alles zusammen das letzte Mal sah, als er zu mir kam, um zu berichten, dass Dís mit Kili in den Wehen lag ... Moment ... in den Wehen lag ... bei Mahal. Er verbeugt sich entschuldigend-dienstbar und ich stehe aufgewühlt auf, plötzlich von der pulsierenden Gewissheit durchdrungen, was er mir sagen möchte, bevor er überhaupt zum Sprechen ansetzt. Und die sofort aufflammende Aufregung in meinem schnell schlagenden Herzen lässt die Brust ganz eng werden.


„Majestät, entschuldig vielmals mein unangemeldetes Erscheinen, aber es ist mir eine Freude, Euch die Nachricht zu überbringen, dass bei Ihrer Majestät die Wehen eingesetzt haben", berichtet er schließlich atemlos und ich bemerke doch tatsächlich wie sich ein selten gesehenes Lächeln entfaltet. Ein Murmeln bricht unter den Anwesenden los, verstärkt das erstickte Rauschen von Blut und Gefühlen in meinem Kopf und ich kämpfe verzweifelt darum überhaupt einen klaren Gedanken fassen zu können. Und dann glimmt die Besinnung auf wie ein Stern in dunkler Nacht und überstrahlt alles andere: Ich werde Vater!


Ich will bereits losstürmen, ihr zur Seite stehen, als mich die durchdringende, immer leicht kratzige Stimme von aufhält, Vorsitzender des Rates und der pflichtbewussteste und biederste von allen in diesem Raum, und leider neben mir und meinen Neffen auch der Mächtigste. „Ich kann Eure Aufregung über die bevorstehende Niederkunft verstehen, Majestät, aber dennoch warten noch immer wichtige Dinge auf Eure Entscheidung." Ich funkle ihn böse an. Wie kann gerade er, der weder Gemahlin noch Nachkommen hat, sich anmaßen zu wissen, was ich gerade verspüre und welche meiner Pflichten wichtiger ist. Aber dann sehe ich zu Balin und unter der Aufregung und Freude, die auch sein Gesicht deutlich ausdrückt, kann ich die Empfehlung erkennen hier zu bleiben. Schwer lasse ich mich deshalb auf den Stuhl zurückfallen. Verschränke die Missbilligung dennoch verdeutlichend die Hände ineinander und wenn Blicke lynchen könnten, jeder der das Wort ergreift und die Sitzung dadurch unnötig in die Länge zieht, würde in den nächsten Stunden einen schnellen und dennoch qualvollen Tod durch meine erleiden.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Es vergehen Stunden, belastend langsam, in denen ich mit den immer schlimmer werdenden Schmerzen kämpfen muss. Trotz aller Voraussicht und guten Wünschen, ist das Ungeborene sehr groß und auf Yrsas Ratschlag hin, laufe ich nach einem erholsamen Bad rastlos im Zimmer umher, um ihm den Weg auf diese Welt zu erleichtern. Ich stütze mich gerade eine Wehe veratment am Sims des Kamins ab, als die Tür aufgerissen wird und Thorin hereinstürmt ... eine komisch wirkende Mischung aus Besorgnis, Beängstigung und Vorfreude auf den sonst so majestätisch-beherrschten Gesichtszügen.


„Thorin, was tust du hier?", frage ich überrascht und lehne mich in seine vertraute Umarmung, in die er mich unvermittelt zieht. „Verzeih, dass ich jetzt erst zu dir komme, aber die Ratsmitglieder haben mich nicht eher weggelassen", versucht er sich hastig und aufgewühlt zu entschuldigen, aber ich schüttle nur meinen Kopf, gedämpft durch den samtigen Stoff seiner Tunika. „Ich hatte doch gebeten dir auszurichten, dass die Versammlung wichtiger ist...", atme ich erschöpft aus und muss wenige Augenblicke später die Finger haltsuchend und laut schnaubend in das weiche Hermelinfell seines Mantels vergraben, als mich erneut eine Wehe überrollt. Thorin hält mich derweil fest umklammert, seine Hände haltspendend und so wundervoll warm, aber auch leicht zitternd, als er die Schmerzen bemerkt, die ich bei allem Willen nicht mehr verbergen kann.


Als die Wehe verebbt ist, schaue ich auf und sehe geradewegs die quälende Hilflosigkeit in seinen Zügen. Der mächtige, würdevolle und tapfere Krieger und Herrscher ... unerschrocken und mutig im Angesicht von Orks und Riesenspinnen, Drachen und Wargen ... besiegt von dem Anblick seiner in den Wehen liegenden Gemahlin. „Was könnte wichtiger sein als du und unser Kind. Ich möchte dir zur Seite stehen", äußert er fest und dennoch unsicher und gibt mir einen gefühlvoll-bestätigenden Kuss auf die Stirn. Ich glaube, wenn er es könnte, er würde dem Schmerz mit gezogenem Schwert gegenübertreten um mich von ihm zu befreien.


„Thorin, bei allem Respekt, aber das geht nicht", mischt sich plötzlich Dís in unsere Unterhaltung ein. „Die Geburt findet nur in Anwesenheit von Frauen und einem Heiler statt ... es schickt sich nicht, dass der Mann anwesend ist." Ihre Stimme klingt eisern und überzeugend, aber Thorins Miene verfinstert sich ungeachtet dessen. „Ich werde hierbleiben!", stößt er vielmehr als Befehl aus und strafft demonstrativ die kurz unter Unruhe geschwächte achtungsgebietende Haltung. Aber seine Schwester steht ihm in der Starrsinnigkeit in nichts nach, was mich in der letzten Zeit schon mehr als einmal zur Verzweiflung gebracht hat. „Namad, lass es gut sein!", unterbreche ich Dís, bevor sie erneut zu einer Erwiderung ansetzen kann. „Ich möchte ihn dabei an meiner Seite haben, wenn er es denn unbedingt will. Wir haben gemeinsam Schlachten geschlagen, die jenseits deiner Vorstellungskraft liegen und wir werden das ebenfalls zusammen durchstehen." Meine Aussage ist mehr grimmige Anordnung als freundliche Bitte, unter einer erneut auf mich zurollenden Wehe und zwingt die Prinzessin schließlich zum Nachgeben.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

POV Thorin


Bils Körper zittert in meiner haltgebenden Umarmung und ich stelle mir vor wie ein Schwamm zu sein der Schmerz und Qual durstig aufsaugt, jeden Tropfen von ihr nimmt und sie davon befreit. Allem konnte ich mich bislang in meinem Leben widersetzen. Unerbittliche Feinde, grausame Trauer, aufzehrender Hunger, bitterliche Kälte und ungeheure Schmerzen ... aber Nichts liegt so außerhalb meiner kriegerischen Macht wie dieser Kampf. Minuten werden zu Stunden und ich merke regelrecht, wie sie immer schwächer wird, das Wimmern immer leiser und die Glieder immer nachgiebiger.


„Sie hat fast keine Kraft mehr, die Geburt dauert einfach schon zu lange und da die Fruchtblase bereits gesprungen ist, mache ich mir langsam auch um das Wohl des Kindes Gedanken", höre ich plötzlich Oin mit außerordentlich besorgtem Klang in der Stimme murmeln und die Hebamme nickt verstehend und wissend. „Die Wehen sind nicht ausreichend stark, es rutscht nicht tief genug in das kleine Becken hinein, so wie ich befürchtet habe. Wenn nicht bald ein Fortschritt zu verzeichnen ist, müssen wir eine Schnittgeburt vornehmen um wenigstens das Leben der Mutter zu retten."


Mein Herzschlag setzt aus ...

Gedanken werfen sich übereinander ...

Blut rauscht in den Ohren ...


Der Boden wirft sich auf und ich falle ...


Nein ... nein, nein, nein ... das kann nicht wirklich passieren.


Dieses Kind, es ist doch unsere herrlich-glückliche Zukunft und darf nicht sterben, ebenso wie Bil, mein strahlend-heller Stern der Hoffnung.


Ich muss etwas unternehmen ... dingend.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Die Wehen sind kräftezehrend, schlimmer noch, als ich sie mir jemals vorstellen konnte und trotz aller Heilpflanzen quälend schmerzhaft. Ich stehe noch immer, gelehnt an die starke Brust von Thorin, der meinen zitternden Körper stützt, die Arme um den sehnigen Nacken geschlungen und das Becken leicht hin und herwiegend um Erleichterung zu schaffen. Seine Nähe, Wärme und Vertrautheit spendet mir ungeheure Stärke und ich bin unendlich froh, dass er bei mir ist, auch wenn ich mit jeder verstreichenden Minute und jeder zehrenden Wehe merke, wie auch diese zusätzliche Kraft bald nicht mehr ausreichen droht.


Ab und an erlaube ich es mir das Bewusstsein entschwinden zu lassen, vertraue darauf, dass Thorin mich halten wird, solange ich gedanklich über blühende Wiesen und durch vogelstimmendurchdrungene Wälder laufe, um mich zu zerstreuen. Aber nur allzu oft in den letzten Stunden wandeln sich die Vorstellungen in Bilder des Grauens. Ich sehe Blut und Qual und schreckliche Dinge. Erinnerungen an Krieg und Tod und Monster glimmen auf, zerfressen erbarmungslos die märchenhafte Idylle der Phantasie. Gläserne Blicke, die mich durchbohren, abgerissene Glieder, zerfetzte Leiber, Flammenmeere die sich ausbreiten und daraus geboren ein Auge, lidlos und glühend und immer wachsam ...


„Weißt du noch, damals, an diesen einen Abend in der Seestadt, als wir den Weinkeller des Bürgermeisters entdeckten?", reißt mich Thorins Stimme plötzlich aus dem Albtraum, in dem Versuch mich von den Schmerzen abzulenken, und ich glaube, sich selber auch ein wenig. „Natürlich. Ich war so verdammt wütend auf euch alle ... vor allem auf dich. Ihr habt im betrunkenen Zustand die ganze Einrichtung auseinandergenommen." Thorin lacht brummig und das tiefe Vibrieren seines Burstkorbes entspannt die verkrampften Muskeln. „Du warst so benebelt, dass du keinen Meter mehr geradeaus gehen konntest und Dwalin und ich dich ins Bett bringen mussten, sonst wärst du die Treppe heruntergefallen." Er lacht erneut und legt die Stirn an meine, wiegt uns beide zur Beruhigung. „Allerdings, trotz deiner Wut bist du die ganze Nacht nicht von meiner Seite gewichen", sagt er leise, aber eine Wehe hindert mich daran ihm gleich zu antworten.


Langgezogen tönend versuche ich die Schmerzen zu mildern, während Thorin derweil leise die harmonische Melodie eines alten Wiegenliedes brummt. Ein gemeinsamer Wohlklang, den wir uns in den Stunden der Geburt angewöhnt haben und der jedes Mal wie schwerer Nebel durch die Gemächer wabert. Er hüllt uns in einen Kokon und für diesen Moment existieren nur wir Beide und unser Kind, auf das wir sehnsuchtsvoll hinarbeiten. „Du hast mich ja auch, kaum dass du lagst, in eine Umarmung gezogen und nicht mehr losgelassen ... es blieb mir also nichts anderes übrig", versuche ich zu scherzen, aber kaum, dass er zu einer Erwiderung ansetzen kann, überrollt mich erneut eine Wehe, in einem so geringen Abstand zu der Vorhergehenden und einer Intensität, wie noch keine Vergangene.


Die Hebamme tritt an uns heran und leg die Hand prüfend auf den harten Bauch. „Eine stark-treibende Wehe, Majestät ... es hat das Kind deutlich nach unten gebracht, Ihr habt es hoffentlich bald geschafft", bestärkt sie freundlich und lächelt mich warm an. Aber dennoch, erst nach einer weiteren halben Stunde des Kampfes, sagt mir Yrsa die erhofften Worte, die mir vermitteln, dass ich mein Kind gleich in den Armen halten kann. „Der Kopf ist bereits geboren, Majestät ... bei der nächsten Wehe, holt Ihr tief Luft und presst noch einmal nach unten", weist sie mich an.


Ich warte auf die Kontraktion ... aber sie kommt einfach nicht. Sekunden ziehen sich wie Melasse und ich wimmere und halte mich an der Wand aus Stein fest, die gerade jetzt unerschütterlich stark und fest steht wie der Berg ... ein Fels in der Brandung. „Thorin ...", stöhne ich schwach und lege die schweißnasse Stirn an seine Brust. „Ich bin hier, Ghivashel ... ich bin für dich da ... immer ...", flüstert er sanft gegen meine Schulter. „Ich verfluche dich dafür, dass du das verschuldet hast", wimmere ich und er lacht ... brummig und tief ... und dann spüre ich die Wehe endlich auf mich zurollen wie eine mächtige, glitzernde Welle, die neben dem Schmerz ein unbeschreibliches Glücksgefühl in sich birgt. Als sich die Muskeln ein weiteres Mal quälend zusammenziehen und mein Körper seine allerletzten Kräfte mobilisiert, spüre ich regelrecht, wie das kleine Wesen aus mir hinausgleitet.


Der erste gurgelnde Schrei meines Kindes ist eine Erlösung, begleitet von einer einzigartigen mit nichts vergleichbaren Hochstimmung und lässt mich letztendlich dennoch all meiner Energie beraubt erschöpft zusammenbrechen. Langsam und vorsichtig sinke ich zusammen mit Thorin auf den Boden. „Ihr habt einem wunderschönen und starken Mädchen das Leben geschenkt, Majestät", höre ich Yrsa wie durch einen Nebeldunst und begreife nur langsam. „Eine Tochter ... die Thronprinzessin des Erebors ...", flüstert Thorin überwältigt und kann das gerührte Brechen der Stimme ungeachtet der Anwesenheit der vielen Untergebenen nicht verstecken. Yrsa legt mir das kleine Bündel in die Arme und meine kleine Nathith schlägt die Augen auf und das noch getrübte Eiswasserblau sieht mich groß und rund an ... und jegliche Qual ist vergessen.


Ihre bereits langen Haare sind pechrabenschwarz, der Körper stark, aber dennoch feingliedrig, die Füße ein wenig größer, aber haarlos und auch ansonsten gleicht sie eher einem Hobbit, als einem Zwerg. Bis auf die kantigen Gesichtszüge und die markante Nase, die sie unverkennbar als Thorins Eigen kennzeichnet. Ich schaue zu meinem Gemahl auf, dankbar für haltende Arme und beruhigende Worte und der wahrhaftigen Liebe, mit der er mir dieses Kind schenkte. „Mizimelûh ...", flüstert er mit Tränen in den Augen und einem Ausdruck in seinem Gesicht, den ich noch nie sah und niemals wieder sehen werde und streicht dem kleinen Wesen eine noch feuchte lockige Haarsträhne aus dem Gesichtchen, bevor er mich mit einer unglaublichen Herzenswärme, Liebe und Verbundenheit küsst.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Eine Stunde später hat sich der Trubel in unseren Gemächern gelegt. Die Bediensteten, Yrsa und Oin haben die nun perfekte kleine Familie allein gelassen, jeder mit einem freudigen Lächeln auf den Lippen und den herzlichsten Glückwünschen. Unsere Tochter schläft erschöpft und bereits satt in meinen Armen, während ich auf dem Bett sitze. Versorgt, gebadet und erstaunlich energiegeladen. Thorin verabschiedet sich schließlich mit einem federleichten Kuss von seinem Kind und einem hingebungsvollen von mir und tritt vor die Tür, um den draußen bereits lange ungeduldig wartenden Zwergen die frohe Neuigkeit zu verkünden. Ihre begeisterten Jubelschreie und Glückwünsche dringen wenig später bis zu uns und lassen mich erleichtert lächeln. Es ist kein Junge ... Fili bleibt Thronerbe, so wie ich es mir gewünscht habe und meine kleine Prinzessin ist trotzdem bereits jetzt der ganze Stolz ihres Vaters, das habe ich in seinem Antlitz gesehen.


Liebevoll schaue ich mein Kind an, das im Schlaf leicht die Nase kräuselt und zufrieden schnaubende Laute von sich gibt. Mein Kind ... bei Mahal ... dieses kleine Wesen ist tatsächlich mein Kind ... entstanden aus wahrhaftiger Liebe ... perfekt und wunderschön ... und ich frage mich, wie ich mich nur gegen die Entstehung dieses Unbegreiflichen wehren konnte.


„Hoch lebe der König ... hoch lebe die Königin ... hoch lebe die Prinzessin!"


„Hörst du mein Kurdur ... sie feiern deine Geburt ...", flüstere ich leise und streiche ihr eine der so unermesslich weichen Haarsträhnen aus dem friedlichen Gesichtchen. Erst ein zaghaftes Klopfen nimmt meine Faszination von diesem klitzekleinen aber vollkommenen Geschöpf, das bis vor wenigen Stunden noch in mir gewachsen ist und mich geärgert hat.

Als ich aufschaue, entdecke ich meine Gefährten, begleitet von Thorin und Dís in der Tür zum Schlafgemach stehen. In ihren Gesichtern kann ich unbändige Freude ausmachen und als ich sie mit einem tonlosen Kopfnicken zu mir bitte, treten sie unsicher näher. „Bei Mahal ... sie ist so winzig ... ich habe noch nie etwas so Kleines gesehen", stößt Kili erstaunt aus, als ich das Tuch in dem sie eingewickelt ist ein wenig beiseite streiche und ihnen somit einen ungehinderten Blick auf ihre Prinzessin ermögliche. „Aber wunderschön ...", fügt Fili hinzu und seine Lippen werden von einem unglaublichen Lächeln umspielt.


Dwalin wendet sich ab, um die dennoch kurz zu sehenden gerührten Tränen zu vertuschen. Ori neben ihm weint hingegen offen vor Freude. Bombur balanciert eine dampfende Schüssel kräftigender Suppe in den vor Ergriffenheit zitternden Händen. Bofur setzt seine Mütze ab, blinzelt mehrmals, um die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen. Bifur umklammert Gefasstheit suchend ein kleines Häschen aus braunem Stoff, mit langen Schlappohren und roter Stupsnase. Gloin lächelt warm und mit der schwimmenden Erinnerung an seine Kinder in den Augen. Nori ringt die niemals stillen Finger, um die Rührung zu unterdrücken. Dori schlägt die Hände vor dem Mund zusammen, damit darunter ein trotzdem leise zu hörendes Schluchzen erstickt wird. Letztendlich tritt Balin zaghaft heran und der Ausdruck in den tränenglänzenden Augen des väterlichen Freundes, eine auserlesene Mischung aus Stolz, Begeisterung, Glückseligkeit und Wärme, lässt mein Herz für einen Moment innehalten, so bewegend ist er.


„Habt ihr bereits einen Namen?", möchte Dís wenig später wissen und nimmt mir meine Tochter ab, um sie zu versorgen. „Ich habe an Fís in der gemeinen Sprache und an Mesem in Khuzdûl gedacht", erwidert Thorin und setzt sich Bestätigung für seinen Vorschlag suchend an meine Seite. „Juwel ... ein wundervoller Name", flüstere ich ergriffen und mit Tränen in den Augen, angesichts der Bedeutung und Kostbarkeit, die er damit manifestieren möchte und drücke leicht seine Hand, die er mir liebevoll auf die Schulter legt. „Und er passt zu ihr ... ihre Augen strahlen wie makellose, blaue Saphire", fügt Fili hinzu, während er neben seiner Mutter steht, Fís voller Liebe betrachtet und zärtlich-vorsichtig einen der kleinen noch immer schrumpeligen Füßchen berührt.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Nathith – Tochter

Mizimelûh – Mein Edelstein der Edelsteine

Kurdur – Herz

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top