Lieben und geliebt werden

Nach einer für mich schlaflosen und schwermütigen Nacht, brechen wir am nächsten Morgen bereits bei Sonnenaufgang in Richtung Erebor auf. Alle Bewohner Esgaroths haben sich am Hafen versammelt und wollen uns mit einem prunkvollen Aufmarsch verabschieden. Wobei die einfachen Bürger fast nicht hinter den pompös und schillernd herausgeputzten Adligen und Kaufleuten zu sehen sind und zudem von schwerbewaffneten Wachen am Vordringen gehindert werden, obwohl ich mich gerne persönlich von einigen von ihnen verabschiedet hätte. Zu ehrlich, herzlich und wohlwollend wurde ich einfach von ihnen aufgenommen. Dennoch schafft es ein kleines Mädchen, kaum kleiner als ich, sich zwischen festgehaltenen Speerstöckern, weiten Röcken und edlen Beinkleidern hindurch zu schmuggeln und mir ein letztes Mal in die Arme zu springen.

„Bitte versprich mir, dass du vorsichtig sein wirst", fleht sie und sieht mich mit Tränen in den braunen Kulleraugen an. „Das werde ich und wenn wir den Erebor befreit haben, dann erlaubt Thorin euch bestimmt den Berg einmal anzusehen", gelobe ich und versuche so viel Sicherheit und Selbstglauben wie nur möglich in meine Stimme zu legen und zaubere ihr damit ein kleines Lächeln auf die Lippen. Unerwartet zieht sie plötzlich ein kleines Holzspielzeug aus ihrer Schürzentasche und reicht es mir. „Hier, das soll dir Glück bringen." Ich drehe den filigranen Drachen mit den weit aufgespannten Flügeln zwischen meinen Finger ... ehrfurchtsvoll und ergriffen bis in die aufrichtigste Tiefe meiner Seele, denn ich weiß, dass es ihr liebstes Spielzeug ist das sie besitzt ... und das ist nicht viel. Wie als wäre es der größte Schatz, den ich jemals gesehen hätte, drücke ich das Stück helles Eichenholz an meine Brust und kann nicht verhindern, dass sich Tränen in meinen Augen bilden.

Eine Kapelle spielt, als wir in das bereitgestellte Boot steigen, dass uns auf die andere Seite des Sees bringen soll. Von dort aus können wir den Weg zum Berg nehmen, den schon so viele Jahre lang niemand mehr betreten hat. Der Bürgermeister hält eine Rede, in der er uns noch einmal alles Gute und viel Erfolg wünscht und sich überschwänglich für unseren Aufenthalt in seiner Stadt bedankt ... verdammter Heuchler.

Ich setze mich absichtlich so weit von Thorin entfernt, wie es in dem kleinen Boot nur möglich ist. Seit dem Vorfall von gestern Abend kann ich nicht in seiner Nähe sein, ohne dass sich mein Innerstes qualvoll unter Schmerzen zusammenzieht. Ich würde ihm so gerne sagen, wie viel er mir bedeutet ... was für einen Sturm seine Berührungen in mir auslösen ... welche Geborgenheit ich verspüre, wenn ich in seinen Armen liege ... wie schnell mein Herz schlägt, wenn er mich anlächelt ... aber kein Gefühl der Welt gibt mir das Recht, einem König ... so erhaben und machtvoll wie er ... in dieser Weise zugetan zu sein ... Dafür lasse ich annehmend zu, dass Kili und Fili auffällig intensiv tröstenden Kontakt zu mir suchen, so als wüsten sie um den kräftezehrenden und bitterlichen Kampf, der in meinem Herzen stattfindet.

Auf dem Wasserweg, der uns auf die Weite des Sees hinausbringt, kommen wir unter einer Brücke hindurch. Bard steht dort mit seinen drei Kindern und blickt argwöhnisch zu uns hinunter. Ich kann seine dunklen Augen sehen, die das Misstrauen in den Erfolg unserer Unternehmung ausdrücken und ich bete zu Ilúvatar und allen Valar, dass er mit seiner Voraussagung nicht Recht behält.

Drei Tage und Nächte lang rudern wir über den Langen See und gegen die Strömung des Flusses Eilend an, der am Südhang des Berges entspringt. Erst als der Fluss eine leichte Biegung nach Westen einschlägt und seine Ufer flacher werden, legen wir an und der Berg baut sich bereits beunruhigend nahe vor uns auf. Die verwilderte und zerklüftete Landschaft um uns herum bietet kaum Schutz vor dem eisigen Wind, der seit einigen Tagen den Winter immer mehr ankündigt, und so entzünden wir ein Feuer, als die Nacht hereinbricht und wickeln die dicken Decken und Felle eng um unsere zitternden Körper.

Trotz der kriechenden Kälte hält es mich nach dem Abendessen nicht länger an den wärmespendenden Flammen. Langsam gehe ich auf eine kleine Anhöhe, unweit unseres Rastplatzes, von der aus ich den Berg in seiner vollen Größe vor mir sehen kann. Bedrohlich ragt sein Gipfel bis in die Wolken und die schneebedeckten Vorsprünge sehen aus wie die gefletschten, messerscharfen Zähne des Drachen. An seinem Fuß erstreckt sich eine öde Landschaft, auf der ich vereinzelt verbrannte Bäume und ganz am Ende, die Ruinen der Stadt Thal in der aufkommenden Dunkelheit ausmachen kann. „Du solltest dich nicht so weit von uns entfernen." Thorins unerwartet erklingende Stimme hinter mir lässt mich erschrocken zusammenzucken. Ich spüre die wohlige Wärme seines Körpers, der meinem im nächsten Moment bereits ganz nahe ist und erlaube mir für einen Moment die Sanftheit seiner Hände zu genießen, die er auf den zitternden Schultern platziert. „Bei Mahal, Bil ... rede wieder mit mir", sagt er flehend und seine Finger üben leichten Druck aus, um die inständig ausgesprochene Bitte zu unterstreichen. „Ich weiß, dass es ein großer Fehler war dich zu bedrängen ... aber ich will doch nur wissen, wie du zu mir stehst." Ich senke betrübt meinen Blick, sehe kurz auf den Holzdrachen in meinen unruhigen Händen, mit dem ich gedankenverloren gespielt habe und kneife dann die Augen zusammen, die bereits beginnen heimtückisch zu brennen.

„Das kann ich dir nicht sagen, Thorin ... nicht, weil ich es nicht weiß, sondern weil es dir Nichts bringen würde", beginne ich schließlich leise und mit stockender Stimme. „Wenn wir diesen Drachen wirklich vertreiben können, wirst du endlich deinen dir rechtmäßig zustehenden Platz als König unter dem Berge einnehmen ... und ich kehre nach Hause zurück, dort wo ich hingehöre. Du wirst das Leben führen, das dir gebührt ... und mich vergessen." Letztendlich stiehlt sich doch eine bittere Träne unter meinen fest geschlossenen Augenlidern hervor ... unglaublich stark von der Qual und dem Kampf sprechend, der in mir herrscht. „So ist das also ... ich hätte gedacht, dass wir dir mehr bedeuten ... dass ich dir mehr bedeute ..." Auch seine Stimme klingt verräterisch bebend, so wie ich sie noch nie vernehmen musste und es erschüttert mich zutiefst, ihn dermaßen aufgewühlt zu erleben ... aber es gibt keinen anderen Ausweg für uns, als ihn über meine wahren Gefühle anzulügen ... das wird mit in diesem Moment schmerzlich klar.

Glóin und Oin haben recht ... eine Verbindung zwischen uns, die über Freundschaft hinausgeht, wäre eine Schande für ihn und sein Geschlecht. Eine edle Zwergendame, von reinblütiger und achtbarer Abstammung, das ist die Auserwählte, die an seiner Seite stehen muss ... nicht ich. „Darum geht es nicht Thorin ... ich gehöre nicht hier her ... das hast du selbst einmal gesagt ... Ich bin nur ein einfacher Hobbit ... weit entfernt davon hochgestellt und dir auch nur andeutungsweise in irgendeiner Stärke ebenbürtig zu sein ... Wenn ich meinen Vertrag dir gegenüber erfüllt habe, werde ich mein Leben weiterführen ... und du deines ... unabhängig voneinander ... das ist das Beste für uns beide, glaub mir", mit jedem meiner Worte wird der Riss in meinem Herzen tiefer, bis es schließlich in tausende kleine, scharfkantige Scherben zerfällt, die sich unbarmherzig in meine Seele bohren.

Ich drehe mich langsam zu ihm um, aber als ich das verräterische Glitzern auch in seinen Augen sehe, wende ich schnell meinen Blick ab und atme mehrmals tief durch, in dem verzweifelten Versuch, das kleine bisschen Fassung zu wahren, dass ich noch besitze. Entschlossen es endlich zu beenden und diese unnötigen Gefühle für immer aus unserer für mich so bedeutungsvollen Freundschaft zu vertreiben, blicke ich ihn schließlich wieder beherrscht an. „Weißt du Thorin ... lieben und geliebt werden ... das sind zwei völlig unterschiedliche Gefühle ... egal wie wahrhaftig sie sind", sage ich mit fester Stimme und stürme im nächsten Atemzug an ihm vorbei. Ich spüre seinen gebrochenen Blick auf mir, aber wage es nicht, mich noch einmal umzudrehen, befürchte ich doch, dass meine im eiskalten Wind flatternde Entschlossenheit augenblicklich davongetragen werden könnte, wenn ich in seine so wundervollen eisblauen Augen sehe.

Die Nacht ist bitterlich kalt, aber trotz alledem kann sie die Kälte, die mein Herz gefangen hält, nicht annähernd übertreffen. Mein Atem bildet unablässig kleine wabernd aufsteigende Nebelschwaden in der Luft, die bereits verdächtig nach Schnee riecht. Wie gerne läge ich jetzt warm und behütet zusammen mit Thorin auf seinem Lager, vergraben unter dicken Fellen und schützenden Armen ... aber seine Nähe, werde ich wohl nie wieder spüren dürfen. Ich starre in das leise prasselnde Feuer vor mir, lausche dem Knacken der trockenen Holzscheide, beobachte das aufsteigende Funkenspiel und denke unwillkürlich an den glühenden Atem des Drachen, der mich schon bald erwarten könnte und mich vielleicht von diesem schmerzvollen Leid erlöst...

Schließlich breche ich das aussichtslose Unterfangen ab, doch noch in einen halbwegs erholsamen Schlaf zu finden und stehe resignierend ausschnaubend auf. Dwalin hält gerade Wache und lehnt an einen kahlen Felsen, mit Blick in Richtung Berg. „Darf ich mich zu dir setzen?", frage ich leise, als ich an seine Seite getreten bin und er klopf ohne ein Wort zu sagen, auffordern neben sich. Mit einem traurigen Seufzer lasse ich mich an dem Stein hinabgleiten und ziehe die Decke enger um meinen bereits abgekühlten Körper. „Kannst du nicht schlafen?" Seine tief-brummende Stimme klingt ungewöhnlich freundlich, aber ich schüttle dennoch beklommen meinen Kopf. „Wegen dem was dich erwarten könnte?", vermutet er und ich beiße auf meine Unterlippe, um die angstvollen Tränen zurückzuhalten. „Auch...", wispere ich und hoffe, dass er das Beben in meiner Stimme nicht hört. Dwalin schnaubt wissend aus, „Wegen Thorin ...?", vermutet er schließlich und ich senke lediglich bestätigend meinen Blick und vergrabe mich noch ein klein wenig mehr in den Schutz der Decke.

„Weißt du Bil ... Thorin hat in seinem bisherigen Leben so viel Trauer und Schmerz erlebt müssen ...", beginnt er schwermütig und bläst einen kleinen Kringel blauen Pfeifenrauch in die schwarze Dunkelheit hinaus. „Seine über alles geliebte Mutter und Großmutter sind damals in den Flammen des Drachen umgekommen. Sein Großvater, zu dem er immer bewundernd aufsah, wurde getötet und geschändet. Er musste mit ansehen, wie sein Bruder in der Schlacht um Moria fiel, sein Vater kehrte nie zurück und seine Schwester zerbrach fast am gewaltsamen Tod ihres Gemahls und stand kurz davor ihm aus freien Stücken zu folgen. Viele Jahre lang, war sein einziger Halt, Fili und Kili aufwachsen zu sehen, die er liebt und verehrt wie seine eigenen Söhne ... und die Hoffnung, eines Tages wieder nach Hause zurückkehren zu können."

Ich presse den Handrücken gegen meinen Mund, um das herzzerreisende Aufschluchzen zu unterdrücken, das ihn unbedingt verlassen möchte. Die ganze Tragik seines Leidens war mir nie in Gänze bewusst gewesen, denn nur andeutungsweise erzählten mir einige meiner Gefährten bisher von den Qualen, die Thorin erleben musste. Wie kann ein einziges Wesen nur so viel Unglück und Verlust ertragen, ohne daran elendig zugrunde zu gehen!? Wie können sein Herz und seine Seele dennoch so rein und verbunden zu denen sein, die er liebt, wenn er weiß wie es sich anfühlt, sie zu verlieren? Wie kann er überhaupt noch zulassen, dass jemand einen besonderen Platz in seinem Leben einnimmt?

„Aber seit einiger Zeit, ist da noch etwas Anderes ... etwas, das ihn wieder Freude am Leben verspüren lässt. Ich glaube bloß, dass er sich selbst noch nicht ganz klar darüber ist, was es ist, was es in ihm auslöst und wie sehr es ihm hilft, wieder der zu werden, der er einmal war." Dwalin sieht nachdrücklich zu mir herüber, aber ich wage es nicht ihn anzusehen ... zu groß ist die Scham und das Schuldgefühl darüber, dass anscheinend auch er um unsere Gefühle weiß. „Deshalb sehe ich ... sehen wir ... es mit großer Sorge, dass ihr euch im Moment voneinander entfernt. Ich weiß nicht, ob sein Herz einen weiteren Verlust verkraften kann." Ich spüre, dass seine Worte grenzenlos ehrlich sind und ein klein wenig spenden sie mir die Hoffnung, dass meine Gefühle nicht gänzlich falsch und schlecht für Thorin sind.

Aber dennoch ... eine Beziehung zwischen uns, die über Freundschaft hinaus geht ... jenseits von kameradschaftlicher Intimität und dienstbarer Verbundenheit ... ist nicht möglich ... egal wie sehr es ihm und mir schmerzt. Denn gerade, weil ich ihn liebe ... aufopferungsvoll und aus tiefstem Herzen ... muss ich ihn gehen lassen ... um seinetwillen.

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Retrospektive Thorin

Seitdem Tag meiner Abreise aus dem Auenland ist fast ein Jahr vergangen und keine einzige Stunde davon, habe ich mich nicht schmerzlich und voller Sehnsucht an meine geliebte Ghivashel erinnert, die ich zurücklassen musste. Ernstliche Pflichterfüllung und monotoner Alltagstrott und die Freude über meine Neffen haben mich versucht abzulenken. Aber spätestens, wenn mein Blick auf den Mondstein fiel, den sie mir geschenkt hatte und den ich seitdem an einer ledernen Schnur um ein Handgelenk trage, blitzte ihr Angesicht mit dem bezaubernden Lächeln und den himmelblauen Augen vor mir auf.

Es war ein langer Weg, voller Gefahren und Zweifel und ich musste ihn alleine gehen. Aber trotz aller Widrigkeit sehe ich erneut die Tukberge vor mir und mein Herz beginnt wild und aufgeregt zu schlagen, als ich meine Hand auf die Satteltasche lege, in der ich ein ganz besonderes Geschenk für sie mit mir trage.

Es ist erneut der Abend der Mittsommernacht und das Volk der Hobbits feiert ausgelassen das Ende des Frühlings und den Beginn des Sommers. Aber trotz der freudigen Stimmung sind augenblicklich alle Augen auf mich gerichtet, als ich die große Festwiese betrete. Hinter vorgehaltenen Händen beginnen die Anwesenden misstrauisch zu tuscheln und erst als Isegrim, seines Zeichens ältester Sohn des alten Tuks und somit zukünftiger Thain des Auenlandes, auf mich zukommt und freudig umarmt, lösen sich die angespannten Gesichter langsam.

„Thorin, alter Freund, du hast dich ja schon lange nicht mehr in unsere Lande verirrt. Wie ist es dir ergangen?", begrüßt er mich entgegenkommend und legt respektvoll eine Hand auf meine Schulter. Er ist mir in der Zeit meines Aufenthaltes in den Höhlen seines Vaters ein guter Freund geworden, denn er vereint Charakterzüge, die ich am meisten an Geschöpfen schätze. „Isegrim, es ehrt mich, dass du mich nicht vergessen hast. Es geht mir soweit gut, auch wenn die Staatsgeschäfte an meinen Nerven gezogen haben und ich wegen ihnen euch erst jetzt wieder besuchen kann", erwidere ich seinen Gruß. Er lächelt mich nachvollziehend an und es ist genauso herzlich, wie ich es in Erinnerung hatte.

„Komm, Vater wird sich freuen dich wiederzusehen", sagt er mit lachender Stimme, während er mich zu der Festtafel geleitet, an der seine Familie sitzt. „Und meine älteste Schwester erst recht", fügt er flüsternd hinzu und sieht mich vieldeutig an. Aber als Belladonna mich erblickt, erhalte ich nicht die Reaktion, die ihr Bruder und ich erwartet haben. Geschockt schlägt sie die Hände vor dem Mund zusammen und steht überhastet auf. Schnell und besorgt tausche ich einige Begrüßungsfloskeln mit ihrem Vater aus und Laufe ihr dann unter den bedeutungsvollen Blicken der Anderen hinterher.

Ich finde sie schließlich unter unseren Kirschbaum stehen, mit der Stirn an den Stamm gelehnt und schwer atmend. Leise, um sie nicht zu erschrecken, trete ich hinter sie und lege meine Hände auf ihre bebenden Schultern. „Du bist tatsächlich zurückgekehrt ...", flüstert sie fast tonlos und mit zitternder Stimme. „So wie ich es dir versprochen habe, Ghivashel", antworte ich und unvermittelt dreht sie sich um. „Warum?" Die Frage ist eigenartigerweise beunruhigt klingend gestellt und bereit mir Besorgnis. „Weil ich dir etwas geben möchte ...", sage ich dennoch und ziehe das Geschenk an sie aus meiner Tasche ... ein Haarreif aus Mithril, dem wertvollsten Metall Mittelerdes und verziert mit kleinen Schmuckkugeln aus Rosenspat, dem schönsten Gestein, das ich kenne. Ihre Augen weiten sich angesichts dieser bedeutsamen Kostbarkeit und erste Tränen beginnen sich zu bilden.

„Komm mit mir in die Ered Luin, steh von nun an bis in alle Ewigkeit an meiner Seite", bitte ich sie mit gefühlvoller und respekterbringender Stimme und trete näher auf sie zu. Sie blickt mich an ... die himmelblauen Augen voller Schmerz und Kummer. „Ich vermute, was dieses Geschenk von dir an mich bedeutet, Thorin und ich ... ich kann es nicht annehmen", gesteht sie mir und augenblicklich fließen die Tränen heiß und unkontrolliert über ihre Wangen. Aber ich erhalte nicht Gelegenheit sie nach den Gründen für die Ablehnung zu fragen, denn plötzlich höre ich eine grollende Stimme hinter uns aufbrausen.

„Bella, hier bist du ... dein Vater sucht bereits nach dir. Komm jetzt, wir gehen zu ihm zurück." Als ich mich umdrehe, steht dort ein Hobbitmann, auffallend edel herausgeputzt für das ungezwungene Fest und mit dem finstersten Gesicht, das ich jemals bei einem seines Volkes gesehen habe. „Warum redest du eigentlich mit diesem Zwerg ... das ist doch kein Umgang für dich", fügt er hinzu und tritt näher an uns heran. Augenblicklich schiebe ich mich schützend zwischen Bella und ihm. „Was erlaubt Ihr Euch eigentlich so mit ihr zu reden?!", knurre ich und lege die absichernde Haltung verdeutlichend meine Hand auf den Schaft des Schwertes. Aber Bella umschließt sofort meinen Arm mit ihren filigranen Fingern. „Es ist in Ordnung, Thorin ... das ist mein ... Verlobter", sagt sie flüsternd und ich sehe sie entgeistert an. „Dein Verlobter ...", echoe ich und unvermittelt zerfällt meine Welt in tausende spitze Scherben, die sich quälend langsam in mein Dasein bohren und mein Herz zerschneiden. Bella schiebt sich vor mich. „Ich komme gleich zurück ... würdest du uns bitte alleine lassen", sagt sie zu dem Hobbitmann und tatsächlich wendet sich dieser nach kurzem Zögern und einen letzten boshaften Blick ab und verschwindet in der Dunkelheit.

„Seit wann?", möchte ich unvermittelt und fast wütend von ihr wissen und sie senkt schuldbewusst ihren Kopf. „Bereits vor unserer Vereinigung ... genau genommen sind wir seit Kindstagen einander versprochen ... einer der Pläne meines Vaters, um Macht und Ansehen unserer Familie zu stärken", gibt sie zu und ich kann ihre entsetzliche Offenbarung nicht fassen. „Aber ich habe bis vor wenigen Monaten gehofft, ich kann ihn noch umstimmen ... kann selber darüber bestimmen, wen ich liebe und heirate ... aber dem war nicht so", führt sie fort und dreht sich zu mir um. „Wir werden übernächstes Jahr nach dem Erreichen meiner Volljährigkeit heiraten." In meinem Kopf beginnt es zu dröhnen ... ein schrecklicher, bitterer, dumpfer Schmerz und die Scherben, die mein Herz noch immer zerstückeln, verursachen Wunden, die so abgrundtief und klaffend sind, dass sie nie wieder verheilen werden, da bin ich mir sicher.

„Komm mit mir ... lass diese Welt aus Zwang und Ehrsucht hinter dir ... ich werde dich mit der Achtung und Zuneigung überschüttend, die dir zusteht", flehe und verspreche ich aber sie beginnt erneut zu weinen und vergräbt ihr tränennasses Gesicht unter den Händen. „Ich kann nicht ... Thorin bitte ... ich bin ein Hobbit und auch als die Tochter eines Herrschers, dir und deinem ehrenvollen Haus noch nicht einmal annäherungsweise ebenbürtig", wimmert sie erstickt und ich nehme ihre Hände zwischen meine um sie von ihrem Antlitz zu entfernen. Abgrundtief traurige Augen sehen mich unvermittelt an und ich kann den Schmerz über die ausgesprochenen Worte, sich darin materialisieren sehen. „Bitte, verlang das nicht von mir ... fordere nicht, dass ich mich gegen die Meinen stellen muss ... dass ich dir Schande bringe", erfleht sie unter Tränen und ich gebe nach ... auch wenn mein Leben nie mehr so sein wird, wie es einst war, denn Freude wird in ihm nicht mehr vorkommen.

Mein Pony reißt ungeduldig und ängstlich an den Zügeln, als Gandalf sein zischendes Feuerwerk emporsteigen lässt und unvermittelt erinnere ich mich an die Nacht vor einem Jahr, in der ich noch glücklich war. Bella steht mit ihrem Verlobten vor mir, mit vom Weinen geröteten Augen und meinem Geschenk in ihrer zitternden Hand, dass sie zumindest als Andenken annahm ... an eine Zeit, in der wir beide fühlen durften, was wahrhaftige Liebe bedeutet. Nach einem letzten bekümmerten Blick drehe ich mich um und verschwinde aus ihrem Leben ...

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Das Holz des Handlaufes knarzt unter dem Druck meiner Hände und ich bin mir sicher, dass sich bereits einige spitze Splitter in die Haut bohren, aber ich fühle den dadurch hervorgerufenen Schmerz nicht. Starr habe ich den Blick auf den vor mir liegenden im Mondschein glühenden Berg gerichtet, aber auch ihn nehme ich nicht wirklich wahr, denn meine Gedanken und Gefühle richten sich momentan nur auf eine Person ... ein Wesen so rein und unschuldig und ehrenhaft, wie noch niemand anderes, den ich jemals kennenlernen durfte. Und ich verdammter Idiot habe sie in die Flucht geschlagen mit meinem groben und aufdringlich direkten Verhalten.

Meine Augen beginnen zu brennen und ich lege eine Hand über sie, damit ich die Tränen, die versuchen hartnäckig hervorzubrechen, zurückdrängen kann. Aber augenblicklich erscheint ihr Gesicht in der einsetzenden Dunkelheit ... verzogen zu einem Gemisch aus Schmerz und Kummer und Furcht ... und die Qual in meinem Inneren, wird noch mächtiger. In den letzten Monaten verheilte und dadurch noch empfindliche Wunden brechen in meinem Herzen auf ... abgrundtief und klaffend wie sie schon einmal waren. Und wie gelähmt muss ich es zulassen, dass sich der Wundschmerz gnadenlos in meinem Inneren ausbreitet.

„Onkel, ist alles in Ordnung?", höre ich plötzlich die vertraute Stimme meines ältesten Neffen hinter mir und erschrocken entferne ich die verräterischen Hände. Ich atme tief ein, um die quälenden Gefühle und Gedanken zu vertreiben, um wieder stark, respektvoll, furcht- und gefühllos zu werden ... zu dem, was mein Gefolge von ihrem Herrscher erwartet. „Es ist nichts, Fili, geh wieder hinein", beruhige und befehle ich ihn, denn ich will allein sein mit meinen Vorwürfen und Gedankengängen. Aber stur wie es ein Erbe Durins nur sein kann, befolgt er meine Anordnung nicht, denn ich höre, wie die Schritte seiner schweren Stiefel langsam auf mich zukommen. „Bil ist gerade völlig aufgelöst an mir vorbei in ihr Gemach gestürmt", unterrichtet er mich und aufgrund seiner Schilderung muss ich bestürzt schwer schlucken. „Ist etwas zwischen euch passiert?", fragt mein Schwesternsohn besorgt und als er schließlich neben mich tritt, kann ich die Unruhe auch in seinem Gesicht erkennen. Ich sehe ihn nur kurz an, zu sehr befürchte ich, dass er die Trauer und Verzagtheit in meinen Zügen erfassen kann. „Es ist nichts vorgefallen", versichere ich ihm, aber meine Stimme klingt nicht einmal halb so überzeugend, wie ich es mir gewünscht habe.

Einen Moment steht Fili einfach nur neben mir und betrachtet den Berg am Horizont, bis er plötzlich ermutigt ausschnaubt. „Ich weiß, dass es mich eigentlich nichts anzugehen hat und es mir zudem keinesfalls zusteht dir einen Rat zu geben ... aber willst du ihr nicht langsam einmal offenbaren, was dein Geschenk zu bedeuten hat und warum du es ihr gegeben hast?", fragt er mich unvermittelt. Und augenblicklich wird mir bewusst, wie erwachsen er die letzten Monate geworden ist. Auch wenn er und sein Bruder sich manchmal noch benehmen wie Kinder, in ihrem Herzen und Gedanken sind sie herangereift ... zu Männern voller Mut und Entschlossenheit und Scharfsinn ... zu wahren Erben Durins und würdigen Nachfolgern unseres Hauses. Fili haben Harmonie und Familiensinn schon immer viel bedeutet, denn er musste mit seinen kindlichen Augen ungeschönt mit ansehen, wie seine Mutter am Tod ihres Mannes fast zugrunde ging. Deshalb wundert es mich auch nicht, dass er versucht etwas zu heilen, was womöglich für immer zerbrochen ist.

„Du hast Recht ... es hat dich nichts anzugehen und mir einen Vorschlag zu unterbreiten, steht dir ebenfalls nicht zu", erwidere ich dennoch brummig und drehe mich unvermittelt um. Aber als ich an der Tür ankomme, verweilt mein Blick an der Stelle, an der ich sie gerade eben bedrängt habe und ich kann die im herausfallenden Kerzenlicht glänzende Nässe der unendlichen Tränen noch immer auf dem Holzboden erkennen. Langsam drehe ich mich wieder zu ihm um. „Was hältst du von ihr?" Ich will es wissen ... muss die Sicherheit haben, dass sie hinter mir stehen, wenn ich beschließe weitere Schritte zu gehen ... wie aussichtslos sie auch sein werden. Fili sieht mich eindringlich an und dann bildet sich ein Lächeln auf seinen Lippen. „Sie ist eine wundervolle Person ... voller Mut, Stärke und Wissen ... aber sie kämpft mit sich und ihren Gefühlen und sieht nicht, was sie wirklich ist und verspürt", gibt er mir als Antwort. „Und dein Bruder und Balin ... was sehen sie in ihr?" Fili schnaubt aus. „Thorin, es ist unerheblich was wir über sie denken ...wir wissen, dass sie dich glücklich macht und das ist das Einzige, was wir uns für dich wünschen."

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