Leben

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POV Thorin

Ich sehe mit Bestürzung die offensichtlichen, nicht durch Stoff verdeckten Wunden an ihren Körpern und das erlebte Grauen und die ausgestandene Sorge in den Gesichtern meiner treuen Gefährten. Die, die mir von Anbeginn der Reise bis zur Vollendung des uns gesetzten Auftrages loyal und ehrlich zur Seite standen und sich jetzt erneut um mich versammelt haben. Noch immer ergeben, noch immer pflichtgetreu, noch immer gutgesinnt ... egal wie viel Schmerz und Leid ich ihnen brachte.

Meine Schwestersöhne scheinen froh und beruhigt, im Benehmen noch immer die spitzbübischen, ungezogenen Jungzwerge ... jedoch, ihre Augen verraten das, was wirklich in ihnen vorgeht. Balin ist weise wie eh und je, vielleicht sogar noch etwas Scharfsinniger und Wissender. Dwalin hat in seinem Leben schon so viele Schlachten und Tote gesehen, dass zumindest äußerlich sichtbar keine der neu dazugekommenen tiefe Narben hinterlassen hat. Der kleine Ori hat diesen gewissen gehetzt wirkenden Blick, die alle nach dem erstmaligen Beiwohnen eines Blutbades haben und ich bin froh, dass er sich zusammen mit Oin mehr um die Verletzten kümmerte, als selber in den Kampf verwickelt zu werden.

Und meine Bil ... mein kleiner Hobbit ... meine Liebe ... sie sitzt neben mir auf dem Rand des Bettes, hält meine Hand umklammert, als wollte sie mich niemals wieder loslassen, und vermeidet dennoch mich anzusehen, so als ob sie etwas vor mir verbergen möchte. Warum sie dies versucht bei dem nur allzu auffälligen Verband an ihrem Arm, über den sie immer wieder den hochrutschenden Saum des Ärmels zieht, ist mir bewusst ... aber was bei Mahal soll ich nicht in ihren Augen sehen?!

Oin beendet schließlich den Krankenbesuch ... oh wie ich dieses Wort hasse ... und scheucht die Zwerge aus meinem Gemach. Auch Bil schickt sich an sich zu erheben, aber ich halte sie an der Hand zurück und in dem flüchtigen Moment der Unbeherrschtheit, in dem sie mich irritiert und leidvoll verzerrt mit trüben Blick ansieht, erkenne ich darin den Grund für ihr Versteckspiel. Es ist dieser herzzerreißende Schmerz und die namenlose Verbitterung und damit verbundene Erinnerung an Schrecken, die jeder Beschreibung spotten ... das ich alles nur allzu gut kenne. Ich habe es schon so oft sehen müssen. In den Angesichtern von tapferen und als verwegen geltenden Kriegern ... nach Schlachten und Überfällen ... Visualisierung des Erlebten noch über Jahre hinaus und es bricht mir das Herz, dass es sie gebrochen hat.

„Bitte bleib", wispere ich, unfähig die einstige Stärke in der Stimme bereits wieder aufleben zu lassen. „Nein, Thorin ... du benötigst Ruhe", erwidert Bil allerdings kopfschüttelnd, aber es ist nicht der wahre Grund ihrer Abwehr. Tiefschwarze Schatten unter den Augen zeugen von den vielen schlaflosen Nächten an meinem Krankenbett und den Albträumen, die unweigerlich kommen, wenn man letztendlich besiegt von Erschöpfung und Kräfteverfall dennoch die Augen schließt. Nach der Schlacht von Azanulbizar habe ich die gesehenen Grauen jede Nacht von Neuem erlebt ... nach Jahrzehnten oft noch immer ... aber seitdem Bil an meiner Seite schläft, sind sie auf wundersame Weise verschwunden und ich habe regelrecht Angst davor, dass sie zu mir zurückkehren und sich mit anderen vermischen ... dass sie ähnliche Schreckensbilder verfolgen und quälen und sie diese alleine erleiden will.

„Nur in deiner Gegenwart, kann ich diesen Frieden finden", beichte ich ihr schließlich und sie gibt letzten Endes tief-seufzend nach. Unsicher streift sie das trauerfarbene Kleid ab und der weiße Stoff der sich darunter befindlichen Chemise kann nur dürftig verbergen, was die Schlacht sonst noch anrichtete. Rote Striemen von unzureichend verheilten Narben ... dicke Verbände um Wunden, die noch nicht vollständig auskuriert sind ... blaugrüne Flecken so groß wie meine Hand ... Schürfwunden, die bei der noch existierenden Ausdehnung riesig gewesen sein müssen ... bei Mahal, ich kann mir niemals verzeihen, dass ich ihr jemals erlaubt habe an dem Kampf teilzunehmen und sie dermaßen in Gefahr brachte.

„Es ist bereits so gut wie alles nachwirkungsfrei verheilt", versichert sie mir schnell, als sie den anscheinend geschockt wirkenden Blick bemerkt. „Was sonst noch ... was versucht ihr darüber hinaus vor mir zu verheimlichen?", stoße ich die heiß-brennende Frage aus und fahre mir kaschierend über die bereits tränenden Augen. „Wie geht es den anderen wirklich?" Sie senkt schuldbeladen den Kopf, schluckt schwer und ich bereite mich darauf vor endlich das ganze verheerende Ausmaß zu erfahren.

„Bofurs Hut ist zerrissen, aber ich konnte ihn wieder flicken, er sieht besser aus als zuvor ... Gloins geliebte Streitaxt zersplitterte an dem Dickschädel eines Warges ... Bombur beschwert sich, dass es nicht genug zu essen gibt und Bifur hat im Kampf das Stückchen Axt in seinem Kopf verloren und seitdem ... wusstest du, dass er der gemeinen Sprache mächtig ist und wunderbare Geschichten erzählen kann ..." Die Worte sprudeln in den unerträglichen Versuch den blendenden Schein, dass alles gut ist, zu wahren aus ihr heraus und das deutlich gefälschte hohe Lachen ist eine Beleidigung in meinen Ohren.

„Bil!", ermahne ich sie deshalb streng und sie zuckt ertappt zusammen. Unruhig tritt sie von einem Fuß auf den anderen und senkt den Kopf, damit ich das langsam auftauchende, verräterische Glitzern nicht sehen kann. Ich ziehe sie schließlich in meine Arme, um ihr zu vermitteln, dass sie mir alles offenbaren kann und soll, dass sie mich nicht mit Lügen schützen muss. Bil schmiegt sich vertrauensvoll an meine Brust, der Atem flach und aufgeregt, jeglicher Anflug von gespieltem Witz vergangen. „Sag es mir...", flüstere ich in die Weichheit ihrer Haare, drücke sie noch fester und dann beginnt sie die schützende Mauer zusammenbrechen lassend zu schluchzen.

„Ori hat eine tiefe Wunde im rechten Arm davongetragen, als einige Orks das Lazarett angriffen, wir bangten lange darum, ob er jemals wieder schreiben kann. Nori hat zwei Finger der rechten Hand verloren ... Dori beinahe ein Bein. Oin kann die unschuldigen Seelen nicht mehr zählen, die unter seinen machtlosen Händen starben und fortwährend sterben. Dwalin zieht sich noch mürrischer als sonst zurück und gab sich selbstquälerisch die Schuld an deiner Verletzung ... wir haben ihn kaum gesehen, seitdem du in die Dunkelheit fielst. Balin versucht unter der lähmenden Trauer diplomatisch zu sein und Dinge zu regeln, die getan werden müssen. Kili hat jede Nacht schreckliche Albträume, von denen er schreiend erwacht und Fili zerbricht beinahe unter der alleingetragenen Last als unerfahrener Thronfolger, da ich ihn oft erschöpft von Schwermut nicht unterstützen kann", beichtet sie mir endlich unter heißen Tränen und unterbrochen von Wehklagen.

Die Schuldigkeit, die sich mit jeder Schilderung des Kummers mehr und immer mehr in meinem Inneren aufbaut, ist gigantisch ... belastender noch als die Gewaltigkeit der unter dem Einfluss der Drachenkrankheit verübten Schandtaten. „Ich verfluche mich, dass ich nicht bei euch war", flüstere ich in ihre weichen, wohlduftenden Haare, aber sie schüttelt nur ihren Kopf und das Schluchzen ist herzzerreißend. „Jetzt bist du es ... und jetzt wird alles gut ... dein Leben, mein Leben ... das Leben von uns allen", weint sie und es ist das dieses Mal ehrlich-gelöste Lachen, das in den Tränen mitschwimmt, dass die Schwere ein wenig mindert.

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Wie wunderschön sie ist und oh wie sehr ich sie doch liebe ...

Kein Edelstein, kein Schmuckstück, keine Blume, ja selbst das Lichtspiel der Varda das ich einmal mit Kili und Fili über den Evendim Bergen sah, ist so auserlesen und makellos wie sie.

Anders als noch vor wenigen Stunden, als ich Bil schlafend neben mir betrachtete, sind ihre Gesichtszüge jetzt ruhig und entspannt. Sie hat die zarten Finger mit dem derben Stoff meines Hemdes verwoben, so als ob sie befürchtet, ich würde entschwinden, während sie schläft. Kein Albtraum scheint ihre Ruhe zu stören und der Schein des langsam verglimmenden Feuers im Kamin lässt die Haare wie Bronze leuchten. Sie zieht die Nase kraus und den Mund zu einem kleinen Lächeln. Was für ein wundervoller, friedlicher Anblick ...

Oh wie sehr ich sie doch liebe und wie glücklich ich mich schätzen kann, sie an meiner Seite zu wissen.

Ich beuge mich hinunter, blende das Schmerzen der Wunden aus, als sich die noch immer strapazierten Muskeln unter ihnen anspannen und hauche einen Kuss auf ihre Lippen. Sie verziehen sich unter der Liebkosung zu einem weiteren Lächeln und dann murmelt Bil gedämpft meinen Namen, ihn auf einem Strom von so traumhaft viel aufrichtiger Liebe mitfließen lassend, dass mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Die Hände vergraben sich noch fester in den Stoff und als sie denn Kuss löst und die Nase an meinen Hals schmiegt, glaube ich mich vor lauter glühendem Glück in flüssiges Gold zu verwandeln. Ich ziehe ihren Körper noch näher an mich heran, spüre die Wärme und Geborgenheit, die einem nur das Wesen schenken kann, dass man wahrhaftig liebt und zusammen mit ihrem Duft ist es die selige Erfüllung aller Sinne und Wünsche.

Wir verweilen lange in dieser Position, denn keine Pflichterfüllung vermag es uns zu hetzen, da wir uns selbst von ihnen entbunden haben. „Thorin ... darf ich dich etwas fragen?", flüstert sie plötzlich in die feuerknisternde Stille hinein und ich brumme nur leise als Zustimmung, missachtend, dass sie diese Einsilbigkeit nicht mag. „Gandalf erzählte mir von dir und meiner Mutter ... wie sehr du sie liebtest und dass allein das Heiratsversprechen mit meinem Vater dich davon abhielt um ihre Hand zu werben." Ich versteife mich unter den nervös an den Bändern meines Hemdes nestelnden Fingern. Verdammter Zauberer ... kann er denn nicht einmal seinen verräterischen Mund halten. „Sag mir ... bin ich nur eine Wiedergutmachung für sie", bittet sie mich schließlich, und allein der aufsteigende Funke dieses Gedankens finde ich lächerlich absurd.

„Warum denkst du so etwas?", frage ich konsterniert und sie sieht von unten zu mir hinauf, die himmelblauen Augen zum Teil unter braunen Locken verborgen und tränenschwimmend. „Zweifelst du an meiner Liebe zu dir?" Sie schüttelt erschrocken wirkend den Kopf und führt eine Hand an meine Wange, „nein ... um Erus Willen nein ... aber ... ich höre seitdem ich ein Tween war, wie ähnlich ich ihr doch bin ... vom Erscheinen, vom Charakter, von den Fähigkeiten ... und die Frage, ob diese Liebe nur aus diesem Grund entstand, kam plötzlich in meinen Kopf." Ich umschließe ihre Finger, führe sie zu meinem Mund und hauche einen Kuss auf die empfindlichen Kuppen, versuche so viel wahrhaftiges Gefühl in die Liebkosung zu legen wie ich nur mächtig bin.

„Ja du bist ihr ähnlich ... deine Augen, dein Lächeln ... es erinnert mich so viel von dir an sie ... und ja, ich empfand mehr als mir zustand für Belladonna", beginne ich flüsternd und schlucke schwer, als ihr so lange nicht mehr ausgesprochener Name auf den Lippen und das stetige Andenken in der Seele brennt. „Aber seitdem ich dich begehre, weiß ich, dass das keine wirkliche Liebe war, sondern nur ein Hauch von etwas, dass man vielleicht so nennen könnte, denn ich habe sie zu schnell aufgegeben. Beim ersten Hindernis habe ich mich zurückgezogen und niemals wirklich um sie gekämpft ... noch nicht einmal geringfügig."

Ich richte mich auf und beuge mich über Bil, versuche sie mit der Liebe zu ihr die beständig aus meinen Körper strömt einzuspinnen. „Ich sah, dass sie unglücklich war, gefangen in einer lieblosen Ehe ... aber ich unternahm nichts dagegen ... erfand ständig Lügen um mir einzureden, dass sie dennoch ein erfülltes Leben führte." Zärtlich verteile ich kleine Küsse auf Nase, Wangen und Mund, schmecke das Salz der fließenden Tränen und versuche es verzweifelt zu verbannen.

Vertrauen spendend lege ich meine Stirn an ihre,unbändig hoffend, dass meine einfühlsamen, ehrlichen Worte und die inniglicheBerührung sie überzeugen können. „Aber glaub mir, ich schwöre bei allem, wasmir heilig und wertvoll ist ... ich liebe dich ... aufrichtig und unvergleichlich.Denn du bist die Sonne, die mir nach langer Zeit gefangen in Dunkelheit entgegenscheint und meine Seele wärmt ... du bist der Edelstein, der meine Welt vollendetund zu einer unvergleichlichen Kostbarkeit werden lässt ... du bist dasWichtigste in meinem Leben, der Grund hier zu sein und die reinste Verkörperungder Liebe, denn noch nie zuvor habe ich diese so makellos und einflussreichempfunden ... Darum warst und wirst du niemals ein Ersatz für irgendetwas sein ...sondern immer nur die Erhabene über allen anderen Gefühlen, die ich jemals fürein anderes Wesen gespürt habe und jemals spüren werde. Du bist meine Liebe ...mein Leben ... meine Alles."

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