Heimkehrer
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
So vergehen die Tage und als die Abgesandten der zwergischen Königshäuser ihre Heimreise angetreten haben, wird es wieder ruhiger in den Hallen Erebors. Draußen befreit sich die Natur mit unbändigen Willen aus dem eisigen Griff des Winters und der Aufbau von Thal hat bereits begonnen und macht gute Fortschritte. Derweil sind auch meine wenigen persönlichen Sachen aus dem Auenland eingetroffen. Das Schreibpult, das mir einst Großvater fertigen ließ, als ich begann mich für elbische Literatur zu interessieren und kleine Geschichten zu schreiben. Die Aussteuertruhe meiner Mutter, gefüllt mit Büchern, Karten, Andenken, Kostbarkeiten in Form von gepressten Blättern, Steinen, Mineralien und alten Spielzeug. Thorins sentimentalen Gesichtsausdruck werde ich nie vergessen, während ich ihr Bild über den Kamin aufhängte und wir es anschließend gemeinsam erfüllt mit Erinnerungen und Dank betrachteten. Und die unendliche warme Anerkennung von Bard bleibt ewiglich in meinem Herzen, als ich ihm Säcke voller Getreidefrüchte und Saatkartoffeln überreichte. Die widerstandsfähigsten im ganzen Auenland und wie geschaffen für die weiten Ebenen rund um Thal.
Wie so oft in letzter Zeit, sitze ich in einer der gemütlichen Ecknischen im Lesesaal der Bibliothek und studiere eifrig ein Buch über die Gebräuche der Zwerge. Leise kann ich das vertraute Knarren der Tür wahrnehmen, und als ich wenig später aufsehe, entdecke ich Thorin, wie er gelassen an einem der Bücherregale lehnt und mich beobachtet. Ich betrachte ihn voller Liebe ... die locker vor der breiten Brust übereinandergelegten Arme, ein leicht belustigtes Lächeln auf den Lippen und scheinbar völlig mit sich im reinen ... aber dennoch so prächtig und stark wie es ein Herrscher nur sein kann.
„Wenn man dich dieser Tage findet, dann in der Bibliothek ...", sagt er schmunzelnd und stößt sich von dem dunklen Holz ab, als ich ihm wortlos andeute, sich neben mich zu setzen. „Es gibt ja auch noch eine Menge für mich zu lernen ... Gebräuche, Kultur, Sprache ... allein um eure ineinander verwobenen Sitten zu verstehen, werde ich noch einige Monate benötigen", entgegne ich ruhig und lehne mich an die starke Brust, als er seine Arme einnehmend-herzlich um mich schließt. Ich genieße das gleichmäßige, ruhige Heben und Senken, die wohlige Glut, die von ihm ausgeht und das starke Gefühl von absoluter Geborgenheit, dass man nur in der Umarmung dessen verspüren kann, denn man uneingeschränkt liebt.
Wir sitzen eine ganze Weile ruhig aneinander gelehnt, uns einfach nur schweigend umarmend, und lauschen dem Herzschlag des jeweils anderen ... ein seltener und umso kostbarerer Moment in der letzten Zeit ... als plötzlich ein Ruck durch Thorin fährt. „Bei Mahal, ich wollte dich doch eigentlich rufen, weil die ersten Zwerge aus den Ered Luin eingetroffen sind ...", stößt er erschrocken aus und sich mit der flachen Hand an die Stirn, als ihm sengend-heiß unter der erholsamen Entspannung einfällt, warum er eigentlich hier ist. „Schon ... du hast doch erst vor vier Monaten nach ihnen geschickt!", rufe ich erstaunt und richte mich auf. Normalerweise dauert die Reise von den Blauen Bergen bis hier her ein halbes Jahr und länger. Thorin lächelt leicht und küsst zärtlich meine Fingerspitzen. „Du kennst meine Schwester nicht ... wenn sie etwas unbedingt will, dann kann sie Berge versetzen, oder wie in diesem Fall, ganze Volksscharren." Ich lächle zurück und kraule durch den dichten Bart, bis er anfängt zu schnurren wie eine große Katze. „Ich kenne dich und deshalb kann ich es mir nur allzu gut vorstellen", versuche ich ihn zu necken, als wir beide zusammen aufstehen und ernte dafür einen gespielt strengen Klaps auf mein Hinterteil.
„Konnte Balin dir schon einige Gesten Iglishmek beibringen?", fragt mich Thorin beiläufig, als wir die hell erleuchteten Gänge zur Haupthalle entlangschreiten und ich nicke begeistert. „Ja, obwohl ich mich noch ein wenig schwer damit tue", gebe ich ehrlich zu und halte an, um ihn eine Kostprobe des erworbenen Wissens zu präsentieren. Etwas stockend bilde ich drei Gebärden in der eigentlich geheimen Gestensprache der Zwerge, die neben dem gesprochenen Khuzdûl, dem Agla, vor allem in den Schmiedehallen und Werkstätten verwendet wird, da man sich hier wegen der immensen Lautstärke mit Lauten nicht verständigen kann. Thorin beobachtet mich aufmerksam und als ich fertig bin, vollführt er ebenfalls vier Bewegungen und zaubert damit ein freudestrahlendes Lächeln hervor. Zu lieben und wieder geliebt zu werden ist ein wunderbares, die Seele wärmendes und einzigartiges Gefühl ...
Als wir danach die große Eingangshalle betreten, stockt mir augenblicklich der Atem. Ein geschäftiges Gewusel, wie ich es selbst in den Tagen des Wiederaufbaus noch nicht gesehen habe, erfüllt die gewaltige Halle. Zwerge, Lasttiere, Karren, Pferdewaagen, sorgsam verschnürte Besitztümer und schwere Bündel ... soweit ich blicken kann. Noch immer schwer bepackt mit ihrem Reisegepäck und offenen Mündern sehen sich die Neuankömmlinge in der Halle um, unfähig die überragenden Ausmaße und Reichtümer des Erebors zu begreifen.
Ich bemerke Ori, Nori und Dori, wie sie auf eine kleine Gruppe von in den Dienstgewändern des Königshauses gekleidete Männern und Frauen zulaufen und sie im Überschwang der Wiedersehensfreude umarmen. Bombur schließt eine im Vergleich zu seiner Leibesfülle eher zierliche Zwergin in die Arme, während sie von gefühlt zehn Zwerglingen in unterschiedlichen Größen umringt werden. Gloin wirft vor Freude laut lachend seinen ‚kleinen' Gimli in die Luft und selbst Oin, der danebensteht, kann ich die Rührung über diese unbändige Glückseligkeit seines Bruders ansehen. Bofur und Bifur weinen, als sie zwei alte Männer umarmen, bei denen ich vermute, dass die lange Reise äußerst anstrengend für sie war, so schwerfällig wie sie sich auf die knöchernen Wanderstäbe stützen. Aus einem der Seitengänge sehe ich Kili und Fili hervorstürmen und auf eine von Balin und Dwalin flankierte Zwergin zulaufen. Lachend und weinend zugleich, fallen sie ihr in die weit geöffneten Arme.
Ich bin von dieser unbeschreiblichen Freude, die diese Hallen innerhalb eines einzigen Wimpernschlages glitzernd erfüllt, so gerührt, dass auch mir Tränen in die Augen steigen. Familie und Freunde stehen bei den Zwergen über allem anderen, selbst über Gold und Edelsteine ... ich konnte es einst nicht glauben, aber es zu sehen, verbannt jegliche Zweifel über Oris Behauptung aus meinem Denken. Thorin nimmt meine Hand und wir wenden uns der Zwergin zu, die noch immer Kili und Fili in den Armen hält und vor lauter Freude von Weinkrämpfen erschüttert wird. Das ist also Dís, Schwester Thorins, Mutter von Fili und Kili, von der ich in den letzten Monaten bereits so viel gehört habe. Als sie uns bemerkt, mit tränennassem Gesicht aufschaut und ihren Bruder erkennt, dringt erneut ein unverhüllt-ergriffenes Schluchzen aus ihrem Mund.
Die Zwergin löst sich von ihren Söhnen, die sie eigentlich nicht mehr freigeben wollen, und kommt auf uns zu. Sie ist von einer besonderen Schönheit ... blondes, langes, kunstvoll geflochtenes Haar, das ebenfalls von den silbrig-grauen Zeugnissen eines schmerzlichen Lebens durchzogen ist ... blaue, freundliche Augen, die strahlen wie Opale ... ein weiches Gesicht, das so viel freundliche Güte ausstrahlt und geschmückt mit wenigen, aber umso kostbareren Geschmeiden. Sie sieht ihrem Bruder so unglaublich ähnlich, was mir noch mehr auffällt, als sie nur wenige Zentimeter vor ihm zum Stehen kommt. Dís schnieft kurz und kniet dann ehrfurchtsvoll nieder, schwerelos befreit von allen erdrückenden Sorgen und Ängsten, die sie so viele Monate um ihn und ihre Söhne erdulden musste. „Mein König ... ich bin Euch so dankbar, dass Ihr unsere Heimat zurückerobert habt ...", schluchzt sie ergriffen und unendlich viele Tränen fallen auf den Boden vor ihr. Thorin aber, sichtbar genauso von Glück und Freude über das Wiedersehen erobert, ignoriert Etikette und Herrschaftlichkeit, lässt sich ebenfalls auf die Knie sinken und schließt sie freudestrahlend in die Arme.
Ich presse meinen Handrücken gegen den Mund, um ein Schluchzen über diese ergreifende und von allen Zwängen befreite Szene zu unterdrücken. Aber es gelingt mir nur unzureichend, sodass ich die Aufmerksamkeit der beiden Zwerge auf mich lenke. Die Zwergin betrachtet mich sichtbar überrascht, während sie von ihrem Bruder wiederaufgerichtet wird. „Dís, darf ich dir Bil vorstellen, meine Gemahlin und damit Königin unter dem Berge", sagt Thorin achtungsvoll und ergreift nicht ohne Stolz in Stimme, Haltung und Blick meine Hand. Dís mustert mich mit erstaunt-fassungslos-großen Augen, sieht dann kurz zu ihrem Bruder und als ich leicht meinen Kopf senke, um ihr als Prinzessin des Erebors den gebührenden Respekt entgegenzubringen, knickst sie schließlich ergeben. „Es freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen, Majestät", sagt sie mit ehrfürchtig-zitternder Stimme. Ich trete auf sie zu und schieße sie ohne Umschweife ebenfalls in meine Arme. „Idmi! Abnâmul tada abdakhizu, amrâl namad", begrüße ich sie mit den Worten, die ich mir extra für unsere erste Begegnung eingeprägt habe und ich spüre förmlich die steife Verwunderung, dass ich Khuzdûl spreche.
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
„Du hättest mir auch schreiben können, dass du eine Auserwählte hast", schimpft Dís, als wir am Abend das erste Mal seit so langer Zeit wieder gemeinsam mit unseren Familien und Freunden essen können. Wir haben uns dafür ganz anspruchslos in die Gesindeküche zurückgezogen, denn auch wenn so ziemlich jeder der Zwerge in irgendeiner Weise miteinander verwandt oder verschwägert ist, so handelt es sich doch größtenteils um einfache Angehörige eines niederen Standes. Aber weder Thorin noch mir macht es etwas aus hier zu sitzen ... in der bedeutungsvollen Halle, in dereinst unser neues Leben im Erebor begann. „Ich wollte dir die Überraschung nicht verderben und zudem das verblüffte Gesicht sehen", neckt Thorin sie und ein erstaunlich schelmisches Grinsen ziert sein Gesicht. „Aha ... und hast du bekommen, was du wolltest?", fragt sie gespielt erbost und kneift ihn in die Seite. Ich beobachte die Auseinandersetzung der Geschwister neben mir amüsiert, denn irgendwie kommen sie mir vor wie Fili und Kili, wenn sie sich streiten und ich habe Thorin noch nie so befreit und fast schon kindisch wirkend erlebt.
Nach etlichen Stunden voller ausgelassener Freude, aufregenden Geschichten und gutem Essen ziehen für uns am späten Abend gemeinsam zurück. „Du hast Dís sehr beeindruckt und das mag schon etwas heißen ...", teilt mir Thorin unverhofft mit, als wir die langen Flure zu unserem Gemach entlanglaufen und ich lächle beschämt als Antwort. „Ehrlich gesagt, hatte ich vor unserem ersten Treffen gehörigen Respekt", gebe ich zu und werde genauer, als mich augenblicklich ein verwunderter Blick von der Seite streift. „Sie ist neben Kili und Fili deine ganze Familie und nichts würde mich mehr schmerzen, als wenn sie mich ablehnt ... mich als nicht würdig erachtet, um an der Seite ihres Bruders und Königs zu stehen." Meine Stimme zittert allein bei der Vorstellung der Missbilligung beunruhigt-ängstlich. „Vergiss nicht, dass du jetzt ebenfalls zu dieser Familie gehörst", entgegnet er liebevoll und in meiner Brust wird es ganz kribbelnd-wohlig-warm bei dieser Aussage.
„Ich bin so unsäglich stolz auf dich ..." Abrupt halte ich inne und sehe in perplex über diese noch nie ausgesprochenen Worte an. In seinen Augen konnte ich ihn dann und wann sehen ... aber diesen Stolz, den er für mich empfindet, unverhüllt zu hören, es ist fast zu viel für mein kleines Hobbitherz. Langsam hebt er eine Hand und streicht eine Strähne meines Haares aus dem Gesicht. „Du bist eine hervorragende, edle und intelligente Königin, die mich vollkommen ergänzt. Jedoch besonders ist zu würdigen, dass da du in rasender Geschwindigkeit so viel Neues erlernst und dich so gänzlich in unser, manchmal wirklich für andere Rassen schwer begreifliches, Leben einbringst." Ich schaue verschämt zu Boden, als ich merke, wie sich die glühende Verlegenheit über die Anerkennung bereits auf meinen Wangen abzeichnet, unfähig etwas zu erwidern. Aber Thorin schiebt einen Finger unter mein Kinn und zwingt mich dadurch ihn wieder anzuschauen. „Du siehst so bezaubernd aus, wenn du errötest ...", knurrt er mit dunkler Stimme und drängt mich bereits beim nächsten Wimpernschlag unerbittlich an die steinerne Wand hinter mir. Sein kraftvoller Körper drückt sich an mich, als er unsere Lippen leidenschaftlich miteinander verschließt. Fahrig gleiten erkundende Hände über meinen Körper und ein ungeduldiges Seufzen entfährt mir, als er eine feuchte Spur den Hals entlangzeichnet und ungestüm eine schamlose Hand an das Becken legt.
Aber plötzlich, hören wir gedämpfte Stimmen vom anderen Ende des Flurs auf uns zukommen und ehe ich reagieren kann, hat mich Thorin bereits in eine dunkle Nische gezogen. Im Schutz der Finsternis sehen wir zwei Gestalten näherkommen und als sie in den Schein einer Fackel treten, geben sie sich als Dís und Dwalin zu erkennen. Aber sie laufen nicht nur einfach nebeneinander her, so wie man es von einer Prinzessin und dem Befehlshaber der Leibgarde erwarten könnte ... nein ... immer wieder halten sie inne und tauschen verstohlene Küsse und bedeutungsvolle Worte aus. Ich beiße mir schmerzhaft auf die Unterlippe, um nicht irgendein Geräusch der Verwunderung oder schlimmer noch ... der Begeisterung ... zu verursachen, das uns verraten könnte. Erneut halten die beiden Liebenden an und Dwalin drängt Dís mit dem massigen Körper an die gleiche Stelle der Wand, an der Thorin und ich bis eben noch in der identischen Position verharrten. Und das Malträtieren meiner Zähne wird noch ein klein wenig beißender.
„Ich bringe ihn um ...", höre ich Thorin plötzlich neben mir leise knurren und kann gerade noch seine Hand festhalten, bevor er aus der Deckung stürmt. „Nein ... lass sie ...", versuche ich flüsternd seine Rachegelüste zu dämpfen und schiebe mich vor ihn. „Aber ... meine kleine Schwester ... Dwalin ... das geht doch nicht ...", japst er aufgebracht und ich muss angesichts der brüderlichen Besorgnis amüsiert lächeln. „Auch sie hat ein Anrecht auf Liebe ...", gebe ich ihm zu bedenken, ernte aber nur einen verärgerten Blick und ein, zumindest für den Moment, resignierendes Ausschnauben. Langsam lösen sich die beiden verliebten Zwerge wieder von der Wand und verschwinden zusammen Hand in Hand in eines der Gemächer. „Dann bringe ich ihn eben morgen um ... jetzt habe ich sowieso etwas Angenehmeres vor ...", knurrt Thorin noch immer erbost und zieht mich mit sich. Ich glaube, das wird eine sehr anstrengende Nacht für mich ...
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Idmi! Abnâmul tada abdakhizu, amrâl namad. - „Willkommen! Es freut mich auch Eure Bekanntschaft zu machen, liebe Schwester."
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top