Freudentage

So vergeht die Zeit ... aus Tage werden Wochen ... aus Wochen Monate ... aus Monaten Jahre ... und sie sind erfüllt von Frieden und Lachen, Singen und Freude.

Der einsame Berg wurde zur Heimat vieler Zwerge ... alte und junge und ihre frohen Stimmen schallen tagein tagaus durch die hohen Hallen, vermischen sich mit den Klängen der fallenden Hämmer, getriebenen Blasebälgen, geschäftigen Händlern und staunenden Reisenden. Der Erebor strahlt im nie da gewesenen Glanz und Reichtum und Macht übertreffen die jeder vergangenen Zeit. Thal und die Seestadt, wiedererbaut auf dem Fundament des Friedens und des Wohlstands des Berges, sind zu angesehenen Handelszentren Mittelerdes aufgestiegen und erfahren mit uns zusammen Jahre der Verbundenheit. Ganz Rhovanion blüht unter der Einigkeit seiner Völker auf ... zu einem Ort der Ergiebigkeit und Vollkommenheit ... des Gedeihens und Einklangs.

Fís entwickelt sich zu einem wunderhübschen und intelligenten Mädchen. Sie steht ihrem Vater in nichts nach ... weder in der Beherztheit, noch in der Sturheit. Letzteres sehr zum Leidwesen ihrer Lehrer, Gouvernanten und mir. Mehr als einmal mussten wir sie aus gefahrvollen Situationen erlösen, in der sie sich ungeachtet unserer Verbote hineingebracht hatte. Aber dennoch bereitet sie uns unermessliche Freude und erfüllt unsere Herzen mit namenlosen Stolz, wenn sie jeden mit ihrem bezaubernden Lächeln und dem scharfen Verstand fesselt ... egal ob einfachen Bürger, adligen Höfling oder hochgeborenen Abgesandten.

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Fünf Jahre sind nun bereits vergangen, seitdem ich die runde Eingangstür von Beutelsend hinter mir schloss und noch nie in meinem Leben war ich glücklicher. Thorin und ich lassen uns gerade die fast erledigten Arbeiten an den verbesserten Stallungen vorführen, als eine meiner Bediensteten an mich herantritt. Leise flüstert sie mir eine frohe Kunde ins Ohr. „Warum hast du mich nicht gleich gerufen", schelte ich aufgewühlt und mit sofort aufgeregt klopfenden Herzen. „Entschuldigt mich bitte!", unterbreche ich die Ausführungen des Baumeistes, als er und Thorin mich verwundert ansehen und rausche mit zusammengerafften Röcken davon, ohne überhaupt eine Antwort oder Genehmigung abzuwarten.

Als ich in dem Gesindetrakt ankomme und zielgerichtet auf eine der vielen Unterkünfte zustrebe, sehe ich bereits von weitem Ori und Dwalin vor der Tür verweilen. Die Unruhe und Erwartung ist dem Kleineren der beiden Zwerge deutlich anzumerken. Ungeduldig läuft er vor der Tür auf und ab, hält inne, horcht und nimmt dann seinen Weg wieder auf. Anscheinend hat Yrsa dieses Mal keinerlei Anwesenheit von Männern im Geburtszimmer gebilligt.

Als sie mich näherkommen sehen, verbeugen sie sich höflich, aber ich habe keine Zeit und noch weniger Nerven für steife, nicht angebrachte Formalitäten. „Wie lange schon?", frage ich ungeduldig und schließe Ori beruhigend in meine Arme. „Vier Stunden ... aber ich höre nichts und niemand sagt mir etwas ... Bil, ich habe Angst", seufzt er und ich kann diese Furcht durchaus nachvollziehen. „Mach dir keine Sorgen, wenn etwas wäre, wüsstest du unlängst davon", erwidere ich zuversichtlich und öffne bereits die Tür. „Ich werde dir so schnell es mir möglich ist Berichten."

Die Räumlichkeiten der Dienerschaft, die mich schummrig hell und wohlig warm empfangen, sind zweifellos sehr viel weniger prunkvoll und ausladender als die der Königsfamilie. Dennoch haben sich Ori und Breda ihr kleines privates Reich gemütlich eingerichtet. Schwere Gobelins zieren die Wände, dunkle Holzmöbel und reichlich gefüllte Bücherregale bestimmen neben einem kleinen Kamin, in dem ein Feuer lebhaft knistert, die Räume.

Als ich in das Schlafgemach trete, staunen die versammelten Damen überrascht und benötigen einige in Verwirrung gefangene Sekunden, um zu begreifen, wer unvorhergesehen in der Geburtsstube einer einfachen Zwergin eintrifft. Hastig und entschuldigend verbeugen sie sich tief. Ich nehme ihre Dienstbarkeit mit einem schnellen Kopfnicken zur Kenntnis und trete mit wild schlagenden Herzen an das Bett heran, in dem Breda schwer atmend und schweißüberströmt liegt und mit den schmerzhaften und starken Kontraktionen einer Zwergengeburt kämpft.

„Hallo Kindchen, ich bat dich doch mir sofort Bescheid geben zu lassen, wenn die Wehen einsetzen", ermahne ich sie sanft und streiche eine feuerrote, feuchte Haarsträhne zurück. „Ich wollte Euch nicht von Euren wichtigen Pflichten abhalten", keucht sie und bäumt sich im nächsten Moment lautlos unter einer bereits wirksamen Wehe auf. Ich schaue zu Yrsa, die mir mit einem warmen Lächeln zu verstehen gibt, dass alles soweit in Ordnung ist. „Keine königliche Obliegenheit könnte mich davon abhalten hier zu sein und dir beizustehen", besänftige ich sie liebevoll und platziere mich an dem Kopfteil des Bettes, um ihr die nötige Kraft und Unterstützung für die schwere Geburt zu geben.

Wenige Stunden später trete ich erschöpft aber glücklich wieder auf den Gang hinaus, in dem sich jetzt neben dem eben gewordenen Vater und Dwalin, auch die Neuonkel und Bofur versammelt haben. Ori sieht mich sofort fassungslos an und ich blicke lächelnd und erleichtert hinunter auf seinen bezaubernden Sohn, den ich im Arm halte ... und dann daneben auf seine ebenfalls wunderschöne Tochter.

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„Amad, warum fällt Schnee im Winter?", fragt mich meine sechsjährige Tochter während wir über die diamantglitzernde Ebene spazieren. Kleine Flocken fallen beständig vom Himmel, verfangen sich in den Stoffen und Pelzen unserer Mäntel und schmelzen nass und kalt in den danach ausgestreckten Händen. Die Kinder von Breda, Bilris und Oeri, zwei aufgeweckte und mit ihren nun drei Jahren wirklich abenteuerlustige Zwerglinge, toben derweil durch den Schnee. Fís bestreitet ... zum Glück ... momentan ihre wissbegierige Phase und trottet gemächlich an meiner Seite, den kleinen Stoffhasen noch immer als ständiger Begleiter in den Händen haltend.

„Nun, auch wenn der Schnee dir kalt vorkommt, er hat eine beständige Temperatur und wenn er auf dem Boden oder den Ästen der Bäume liegt, dann schützt er die Samen und ruhenden Blätter vor dem Frost, damit sie im Frühling erneut sprießen können", erkläre ich ihr und sie nickt verstehend. „Aber warum ist überhaupt Winter? Kann es denn nicht immer Sommer sein? Da ist es so schön warm und ich darf barfuß so wie du durch das Gras laufen und zusammen mit Kili und Fili im See baden?" Ich lache laut auf über diese neugierigen Fragen.

„Alle Jahreszeiten stehen unter dem Willen der Valar", beginne ich zu erzählen, während wir auf Thorin und Dwalin zuhalten, die, ganz in zivil gekleidet, mit großen Schaufeln Massen von Schnee vertreiben um den Weg nach Thal frei zu bekommen. Zu Trainingszwecken, wie sie mir heute Morgen weismachen wollten. Aber ich glaube, auch der große Herrscher über die Zwergenheit benötigt ab und an Abstand zu steifen Ratssitzungen und alltäglichen Pflichten die ihn innerhalb des Berges anöden. „Yavanna, die Herrin über alles was wächst und gedeiht auf Ardas fruchtbarer Erde, erkannte einst, dass ihre Schöpfungen, die in Sindarin Olvar genannt werden, ebenso dem Wandel der Zeit folgen müssen wie alles Leben. Deshalb erschuf sie zusammen mit Vána, der Herrin der Blumen und Vögel, den Herbst, in dem alles vergeht ... den Winter, in dem das Leben neue Kraft schöpfen kann ... den Frühling, in dem das frische Leben erblüht ... und den Sommer, in dem Früchte und Ernten und die kräftig-wärmende Sonne den Kinder Erus, Zwergen und Hobbits neue Stärke spenden." Fís denkt kurz über meine Worte nach. „I amar prestar aen, ve cuil a loa", sagt sie schließlich noch etwas holprig in Sindarin und ich nicke zustimmend und stolz.

„Außerdem, kann man auch im Winter durchaus seinen Spaß haben", erwidere ich letztendlich, bücke mich und forme einen großen Ball aus Schnee, denn ich Thorin beherzt an den breiten Rücken werfe. Sofort wirbelt er herum und sieht uns böse an. Fís neben mir, die kleine Verräterin, kann beim Anblick ihres erzürnten Vaters der über und über mit Schnee bedeckt ist nicht mehr an sich halten und lacht laut los.

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„Majestät, wisst Ihr zufällig wo Ihre Hoheit die Prinzessin ist?", fragt mich Balin hektisch und sichtlich verzweifelt wirkend, inmitten einer eher langweiligen Teegesellschaft, der ich als Königin beiwohnen muss und ich sie eigentlich währenddessen sicher und studierend bei ihm untergebracht meinte. „Fís, ich dachte, sie ist bei Euch!?", gebe ich ihm deshalb als erstaunte und leicht verärgerte Erwiderung und der alte Zwerg senkt beschämt den Blick, knetet nervös die Hände und augenblicklich bereue ich es ihn so angefahren zu haben. „Ja, eigentlich schon. Ich habe ihr einige Aufgaben übergeben und bin nur ganz kurz in die Bibliothek um ein Buch zu holen, aber als ich wiederkam, war sie verschwunden. Ich habe sie schon gesucht, aber selbst die Prinzen wissen nicht, wo sie ist."

Ich schnaube verzweifelt und wütend aus. „Ist denn etwas zwischen euch vorgefallen? Normalerweise nimmt sie ihre Studien doch sehr ernst", versuche ich dennoch beherrscht den Grund für ihr Verschwinden herauszufinden. Balin beißt sich zusätzlich zu seinen Gewissensbissen jetzt auch noch Selbstanklagen auf der Unterlippe herum. „Nein ... ja ... ich habe sie etwas zurechtgewiesen, da sie die eigentlich für nach der Stunde versprochene Geschichte gleich erbetteln wollte." Ich stütze den plötzlich schmerzenden Kopf in die Hände, sodass mich Dís und einige andere Damen sofort fragend ansehen. „Tausende Male verwünschte Starrköpfigkeit der Zwerge ...", brumme ich verstimmt, „... aber ich vermute, wo sie zu finden ist."

Wieder gefasst stehe ich auf und die Anwesenden verstummen in ihren Klatsch und Tratsch und Intrigen und tun es mir gleich. „Verzeiht die Damen, aber ich habe etwas Dringendes zu erledigen", informiere ich mit hoch erhobenem Haupt und rausche im nächsten Moment bereits davon. Aber nicht ohne Balin über die Schulter zu streichen, um ihn zu verdeutlichen, dass ich ihm nicht böse bin, ihn keinerlei Schuld trifft und er richtig gehandelt hat. Bisweilen ist meine kleine Prinzessin nämlich sehr aufmüpfig und bockig geworden. Selbst ihren Vater trotzt sie gelegentlich mit ihren gerade einmal acht Jahren.

Zielgerichtet halte ich auf die Gesindeküche zu und noch immer ist der lange Gang dorthin erfüllt mit so vielen wohligen Erinnerungen an eine lang vergangene Zeit. Ich höre beinahe das ausgelassene Lachen zweier junger Zwerge und einer noch jüngeren Hobbitfrau erschallen, die todesmutig einige Patisserie aus Bomburs unerbittlich verteidigten Bestand geklaut haben. Rieche die unendlich vielen Düfte durch die Luft wabern, knusprige Brötchen und süßer Schokoladenkuchen und mit herben Gewürzen veredelte Eintöpfe. Spüre die Wärme der Steinwände, die von Öfen erhitzen werden um die Speisen in kleinen darin eingelassenen Höhlen warm zu halten und erinnere mich, wie oft mich Thorin gegen diese drückte um mich leidenschaftlich zu küssen, bevor wir zu den anderen stießen.

Und auf genau eine dieser kleinen Aushöhlungen steure ich jetzt zu. Besonders macht sie, dass sie nah am Boden in das Gestein geschlagen wurde und anstatt viereckig rund ist. Wenn man die Bauart kennt, so wie ich, würde man beinahe denken, sie formt eine zu klein geratene Hobbithöhle nach. Ich habe kaum mein Ziel erreicht, als ich meinen Verdacht bereits bestätigt finde. Der Stoffzipfel eines blauen Kleidungsstückes ragt aus dem Eingang heraus und verrät, dass sich darin kein Essen befindet. Ich bleibe schweigend vor der Höhle stehen. „Geh weg!", höre ich Augenblicke später das verärgerte Brummen eines Kindes erschallen und muss trotz allem empfunden Ärger über die bockige Stimme lächeln.

Ich sehe mich prüfend um. Die Mittagszeit ist lange vorbei und die Stunde zur Vorbereitung des Abendessens noch nicht angebrochen, also wird uns vorerst niemand stören. Langsam lasse ich mich an der Wand hinabgleiten, sodass ich mit dem Rücken an diese gelehnt neben dem Höhleneingang sitze. „Möchtest du mir nicht sagen, warum du Balin in Angst versetzt hast? Er hat sich große Sorgen um dich gemacht, nachdem du plötzlich verschwunden warst." Das knurrende Geräusch eines kleinen Wargs schallt mir aus der Höhlenöffnung entgegen. „Er wollte mir keine Geschichte erzählen", lärmt sie trotzig und ich lächle. „Da habe ich etwas anderes gehört. Du weißt doch, dass er dir immer gerne nach deiner Lektion eine Geschichte erzählt. Nicht davor, nicht dazwischen, sondern immer danach ... als Belohnung für gute Leistung, und bislang hast du das immer akzeptiert. Warum also heute das Aufbegehren?" Der Warg wird grimmiger, da er weiß, dass ich recht habe. „Er hat das letzte Mal begonnen mir von eurer Reise zu berichten und ich wollte doch unbedingt wissen, wie es weitergeht, nachdem ihr in Bruchtal angekommen seid. Was auf Adads Karte steht ... wie die Elben dort sind ... ob die Wunder Imladris so bezaubernd wirken wie es in den Büchern steht ...", erzählt sie und plötzlich wird die Stimme weinerlich.

Ich schnaube verzagend aus, auch weil ich befürchte, dass Balin die Mär ein wenig zu sehr heroisieren wird, wie es die Art der Zwerge nun einmal ist. „Ach Kind, ich kann dich verstehen, aber deine Studien sind wichtiger als abenteuerliche Geschichten. Du willst doch einmal eine wissende Beraterin an Filis Seite werden, so wie es dein Schicksal vorbestimmt", ermahne ich sanft und zupfe neckend an dem herausragenden Stofffetzen. Erneut knurrt das Wargjunge bedrohlich. Seitdem wir ihr eröffneten, dass sie irgendwann einmal den zukünftigen König, ihren über alles geliebten Vetter, unterstützen soll und somit, wenn auch verdeckt, an den Angelegenheiten des Berges teilhaben wird, bestritt sie ihre Ausbildung mit beinahe beängstigenden Eifer. „Du bist die Prinzessin unter dem Berge, angesehen und pflichtschuldig trotz deines jungen Alters. Balin möchte dich nicht schelten. Er liebt dich wie sein eigenes Enkelkind, aber weiß nur zu gut, was die Aufgaben und Lasten eines königlichen Beraters sind und will dich bestmöglich auf diese vorbereiten." Meine Worte sind sanft aber dennoch ermahnend, denn ich kenne die grausame Last, die mit der Verantwortung einhergeht und wie unerbittlich sie dennoch verlangt wird.

Es raschelt neben mir und plötzlich kommt der dunkle Schopf meiner Tochter aus der Höhlenöffnung hervor. Schamhaft hat sie den Blick gesenkt und setzt sich neben mich. „Ist Balin sehr böse auf mich?", fragt sie kleinlaut und ich schließe sie in die beruhigende Umarmung einer liebenden Mutter. „Überhaupt nicht, er hat sich eher Sorgen und Selbstvorwürfe gemacht", erwidere ich sanft und streiche über die samtigen Locken. „Dann lass uns schnell zu ihm gehen, damit ich mich entschuldigen kann", sagt Fís und das gewohnte freudige Hüpfen ist zum Glück in die helle Stimme zurückgekehrt. „Das tun wir", entgegne ich mit einem Lächeln und ziehe sie mit mir nach oben, „aber vorher schauen wir noch einmal in der Küche vorbei, ich glaube, Bombur hat für morgen Erdbeertörtchen gebacken."

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I amar prestar aen, ve cuil a loa. - Die Welt ist im Wandel, wie Leben und Jahr. (Sindarin)

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