Düstere Vorahnungen

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Mystifikation Bil

Ich öffne die Augen ...

Nichts ...

Dunkelheit umschließt mich wie schwerer, undurchdringlicher Winternebel. Ich sehe nichts als Schwärze, rieche nichts als feuchten Moder und spüre nichts als diese unendliche Leere, die sich unbarmherzig durch den tauben Körper frisst wie ein Parasit. „Wo bin ich?" Meine Stimme dröhnt unnatürlich durchdringend laut und dumpf von den angenommenen Wänden wider ... niemand antwortet. Verzweifelt versuche ich mit aller Kraft ein steifes Glied zu bewegen, aber es misslingt mir. Denn grausame Ketten legen sich plötzlich um mich, nehmen die Luft zum Atmen, ziehen mich hinunter in einen bodenlosen Abgrund des Schmerzes und der Qual, der sich ungeahnt unter meinen Füßen eröffnet. Ich wünschte, ich könnte schreien. Aber kaum, dass ich den Mund öffne, fließt der Nebel wie schwarzes Wasser in die Lungen und erstickt jeden Laut.

Ich falle ... endlos und versinkend in die Dunkelheit ... und dann beginnt etwas zu brennen wie Feuer auf der Haut. Als ich in Panik die vor Todesschrecken zusammengekniffenen Augen öffne, empfangen mich lodernde Flammenmeere die an dem Körper lecken und ihn gnadenlos zu verbrennen drohen. Tief und immer tiefer stürze ich in den unergründlichen Feuerabgrund hinein und dann ... nach unendlichen Momenten der Folter und des Schreckens ... erfolgt der Aufprall und jeder Hauch von Leben scheint aus mir gedrückt zu werden.

Bewegungsunfähig starre ich in den feuerroten Himmel über mir aus dem sich langsam eine Gestalt löst. Verderblich und nachtschwarz, gepanzert mit gezackten Rüstungsteilen und die langen Finger greifen gelüstend nach mir. Und dann schaffen es die herzzerreißenden Schmerzensschreie von Thorin und Fís aus der Finsternis zu mir zu dringen, durchzogen von Leid und Verzweiflung ... und ich kann ihnen bei allem Willen nicht helfen ...

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Meine Schreie dringen ungehindert durch das bereits in morgendämmriger Dunkelheit liegende Schlafgemach. „Bil ... bei Mahal ... was ist passiert?!" Thorins alarmierte Stimme reißt mich aus den Nachwirkungen der eben erträumten entsetzlichen Nachtmahr. Die Sicht wird klarer. Der Nebel lichtet sich. Flammen und Gestalt und Schmerz verschwinden allmählich und geben den Blick frei auf Vertrautes. Leben scheint dennoch nur stockend in den gefühllosen Körper zurückzukehren, denn die Glieder kribbeln und der Herzschlag setzt laut pochend wieder ein, pulsiert im schmerzenden Kopf und scheint meine Brust regelrecht zum Bersten zu bringen.

Thorins besorgtes Gesicht schwebt über mir und starke Hände umklammern meine Arme, hinter mich daran weiterhin mit ihnen um mich zu schlagen. „Es war nur ein Traum", beruhigt mich die sanft-brummende Stimme und gefühlvolle Finger streichen über das von fließenden Tränen nasse und brennende Gesicht, von denen ich noch nicht einmal spürte, dass ich sie vergoss. Ich schlinge schluchzend die Arme um den muskelbepackten Nacken und lasse mich von ihm in eine sitzende Position ziehen. „Aber er war so real", flüstere ich und bin über das klagende Brechen der Worte geschockt. „Wieder der Gleiche wie die letzten Nächte auch?", fragt mich Thorin und drückt den beharrlich zitternden Körper tröstend an seinen. Ich nicke bejahend, gedämpft durch weiche Haare und narbenübersäte Haut ... so warm, so wirklich.

„Aber dieses Mal war er anders", wimmere ich und sehe ihn an, um mich erneut zu vergewissern, dass er wirklich hier ist, lebendig, unverletzt, atmend und in Sicherheit, „ich habe Schreie gehört ... die von Fís und dir ... Todesschreie Thorin ... herzbrechend und überfüllt von so viel Schmerz und Qual, schrecklicher als ich sie jemals wahrnehmen musste." Thorin legt tröstend seine Stirn an meine, verbannt mit zärtlichen Fingern die Tränenspuren von den Wangen. „Wie gerne würde ich dir diese Träume nehmen, Ghivashel ... aber so bleibt mir nur dich zu beruhigen, dass sie nicht real sind. Fís und mir wird nichts passieren, das verspreche ich dir."

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Der Stimme des Zwerges, der uns sein Ersuchen bei der heutigen Audienz vorträgt, gelingt es nur beschwerlich und lediglich gedämpft in den dröhnenden Kopf vorzudringen. Den ganzen Tag bereits beschäftigt mich dieser verfluchte Traum. Ich kann ihn einfach nicht aus den Gedanken verbannen und die noch immer leise erinnerten bitteren Schreie legen sich auf das schmerzhaft schlagende Herz wie ein dunkler, alles erstickender Vorhang und lassen mich frösteln, obwohl mir warm ist.

Gedankenverloren und wie so oft in der letzten Zeit, gleitet meine Hand in die Tasche des Kleides, dorthin wo bisweilen das Einzige noch nicht seine endgültige Bestimmung erlangte Andenken an meine Reise ruht. Der unheimliche Ring wiegt seltsam schwer und brennt selbst für ihn fremdartig heiß und die Fingerspitzen, die über das makellose Gold gleiten, beginnen sofort zu kribbeln. Ungewöhnlich, sogar für ihn, deren mystische Kräfte mir noch immer schleierhaft sind. Und dann plötzlich, flammt erneut das Bild dieser schwarzen Gestalt vor dem inneren Auge auf und es fühlt sich an, als wäre mein Körper auf einmal losgelöst von allem weltlichen. Schwerelos in der Unendlichkeit des Grauens eines Orts der Verdammnis und der Dunkelheit. Und unvermittelt beschleicht mich die finstere Vorausahnung, dass etwas Schreckliches auf uns zukommt.

„Lasst mich durch, ich habe eine wichtige Botschaft für den König!", höre ich plötzlich aufgeregt Rufe durch die Halle schallen und die Nebelschleier meiner Vision zerfetzten wie Wolken im Wind. Ein junger Zwerg stürmt über die Brücke auf uns zu, in die grüne Rüstung der Späher gekleidet, die wir regelmäßig in alle Himmelsrichtungen aussenden um unsere Lande zu erkunden. Er atmet schwer und unruhig, ungewöhnlich für Zwerge, die selbst nach einem anstrengenden Marsch von mehreren Tagen noch immer wirken wie eben erst gestartet.

Er verbeugt sich tief, ungeachtet der wütenden Proteste des Ersuchenden, der anscheinend mit seinem Ansinnen noch nicht geendet hatte. „Majestät, verzeiht die Störung und das ich unangemeldet vor Euch trete, aber ich habe Nachricht aus Gundabad", offenbart er aufgeregt und ich erstarre. „Dann sprecht ... rasch", befiehlt Thorin und ich erkenne in der außergewöhnlich scharfen Stimme, dass auch er erheblich beunruhigt ist. Der junge Krieger zuckt furchtsam zusammen und verbeugt sich erneut. „Mein Bataillon kontrollierte so wie es unser Auftrag war die nördlichen Gebiete Rhovanions. Eines Nachts bemerkten wir ungewöhnliche Lichter in der Dunkelheit der Festung und bei einer Erkundung, mussten wir feststellen, dass sich ein Heer Orks in den Ruinen sammelt ... hunderte, wenn nicht sogar tausende, schwer bewaffnet und kampfbereit."

Der Thronsaal beginnt sich zu drehen und ich kralle haltsuchend die Finger in die Lehne des Sessels, damit ich nicht in den Strudel der plötzlichen Leere gezogen werde und das Bewusstsein verliere. „Bei Mahal ..." Kili neben mir stößt atemlos das aus, was wir alle denken. Beherrschung suchend sehen wir zu Thorin, und der König verweilt starr und stumm auf seinem Thron, der Blick inhaltsleer und unberührt. Keine Unruhe, keine Emotion zeigen, egal wie angsterregend die Situation auch ist ... nicht vor Untertanen, die sich auf die Stärke ihres Gebieters verlassen müssen. Das sind die mahnenden Worte, die er mir einst sagte, am Morgen vor der Schlacht, die er beinahe nicht überlebte.

„Die Audienz ist hiermit beendet", bestimmt Thorin ruhig und der ersuchende Zwerg erkennt die Ernsthaftigkeit der Lage und entfernt sich zusammen mit dem Soldaten schnell und leise. „Balin, schicke Nachricht nach Thal und in das Waldlandreich. Berichte, dass der Feind erneut erstarkt und unseren gemeinsam erkämpften Frieden bedroht. Dwalin, sammle deine und die Männer des ersten und zweiten Regiments, die Heerschau findet im Morgengrauen statt. Fili, Kili, geht und sagt Ori, er soll eine Verkündung an das Volk aufsetzten." Die Befehle sind knapp und eindeutig, sie lassen weder Zweifel noch Einsprüche an seiner Entscheidung zu.

Die Angesprochenen verbeugen sich dienstbar und begeben sich auf den Weg die Anweisungen zur Zufriedenheit Ihrer Majestät auszuführen. Erst als sich die Flügel der schweren Tür donnernd schließen, scheint wieder emotionales Leben in Thorin zurückzukehren. Laut schnaubend und plötzlich aschgrau sinkt er in seinem Thron zusammen und reibt sich über die schmerzenden Augen. „Fünfundzwanzig Jahre ... ein viertel Jahrhundert in Frieden ... warum genehmigte uns Mahal nicht mehr als diese viel zu kurze Zeit", schimpft er und die bittere Enttäuschung ist nur allzu leicht darin zu finden.

Ich begebe mich vor ihm auf die Knie. Zärtlich entferne ich die Finger von den Augen und der Blick, der mich empfängt, ist Wut, Kummer und Schwermut in nur einem winzigen Blinzeln zusammengetragen zu einem Berg aus Verzweiflung. „Mein strahlend-heller Stern der Hoffnung ... erleuchtest du mir auch dieses Mal den Weg des Sieges", flüstert er erstickt unter aufkommenden Tränen und schließt mich in die Arme.

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Die silbernen Linien auf der nicht mehr ganz makellosen Klinge von Stich glänzen im Kerzenlicht. Eine kleine Scharte im Metall blieb zurück, als ich Azog den Arm von den Schultern schlug, aber noch immer ist das elbische Schwert mehr als bereit für Kämpfe und Schlachten. Laut fauchend verdrängt die Schneide die Luft, als ich es rückartig nach vorne bewege, einem imaginären Feind entgegen. Anscheinend verlernt man den Umgang mit Waffen nicht so leicht wie gedacht.

„Nein ... dieses Mal nicht!", brummt die erzürnt-tiefe Stimme von Thorin hinter mir und ich fahre erschrocken herum, habe ich sein Hereinkommen doch nicht bemerkt. Seine Gesichtszüge sind verhärtet von Entschlossenheit und Missmut und die Augen verdeutlichen mir die Endgültigkeit des Befehls. Ich lasse Stich und den Blick sinken. „Es ist die Pflicht der Herrscher die Truppen in die Schlacht zu führen", bemerke ich ruhig aber dennoch aufmüpfig. Das Argument, dass damals bereits meine Entscheidung rechtfertigte an seiner Seite zu kämpfen.

Thorin tritt mit schweren, betont majestätisch-sicheren Schritten an mich heran und nimmt mir das Schwert demonstrativ aus den Händen. „Ich verlor dich bereits zu oft beinahe während eines Gefechts. Noch einmal werde ich mir nicht verzeihen können dich in Gefahr zu bringen. Du bleibst hier!" Seine Stimme ist fest, aber wenn ich eines in den zurückliegenden Jahren perfektioniert habe, dann ihm die Stirn zu bieten. „Ich bin die Königin und ...", beginne ich mit nun stolz erhobenen Haupt, aber er umfasst meine Schultern beinahe schon schmerzhaft. „Nein ... auch wenn du mir sonst bei allem ranggleich gestellt bist, in dieser Sache bin ich dein Herr und Gebieter und eine Missachtung meines Befehls gestatte ich nicht. Du ... bleibst ... hier!" Seine Augen durchdringen mich und meine Entschlossenheit, verwüsten sie gnadenlos und letztendlich beuge ich mich seinem starken Willen.

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Wenn es mich dereinst beeindruckte wie schnell und einschüchternd sich Zwerge bewaffnen können und wie verängstigen das unüberblickbare Auflaufen eines ganzen Heeres dieser kraftstrotzenden Krieger sein kann, die Menge an Kämpfern, die sich jetzt im Morgengrauen auf der Ebene versammelt haben, um gen Gundabad zu ziehen, ist imponierender als alles bislang Gesehene. Thorin, seine Schwesternsöhne und Heerführer reiten stämmige und ebenfalls wie sie stark gepanzerte Ponys und schwören mit donnernder Stimme die Soldaten auf den bevorstehenden Marsch und Kampf ein. Zwischen ihnen kann ich die Kämpfer aus unserer einstigen Gemeinschaft entdecken. Balin, Dori, Gloin und Nori ... trotz all der der dazwischen liegenden Jahre verwandelt in die faszinierenden und glänzenden Helden, wie sie mir einstmals bereits erschienen.

Allerdings, die Situation ist eine andere als damals. Sie ziehen zwar in eine Schlacht ... grausam, gnadenlos und blutig wird sie sein ... ohne Zweifel ... begleitet von Mandos, dem unnachgiebigen Todesengel ... aber sie ist nicht aussichtslos. Der Sieg ist uns gewiss, denn wir treffen den Feind unvorbereitet und mit einer unglaublichen Stärke, geboren aus der Verbundenheit der Völker, die erneut gemeinsam gegen sie kämpfen. Dieses Mal aber mächtig und organisiert und zahlenmäßig weit überlegen. Denn am Horizont sehe ich die unzähligen Speere der Menschen in den blassblauen Himmel aufragen wie Winterdickichte und auf den Weg nach Norden werden sie sich mit den elbischen Truppen vereinigen.

Dís und meine Tochter flankieren mich, bereit die heldenhaften Krieger die wir Sohn, Bruder, Gemahl und Vater nennen zu verabschieden. Sie reiten schließlich vor uns, nehmen dankend die Blumengaben der Bediensteten an und ich trage in meinem Inneren eine eigene Schlacht mit mir aus um nicht in Tränen auszubrechen. „Seid unerbittlich zu unseren Feinden und möge Mahal Euch zum glorreichen Sieg verhelfen!", wünsche ich dagegen mit kraftvoller Stimme und Thorin nickt mir wohlwollend zu. Keine Tränen ... keine Angst ... keine Schwäche zeigen ... seine erneute Anordnung am Morgen war eindeutig und duldet keine Missachtung.

Dennoch, als sie sich bereits abwenden wollen, halte ich ihn zurück. Unter den gefesselten Blicken der Anwesenden ziehe ich mir das bewusst angelegte königsblaue Band aus den Haaren und binde es um die Schnalle der reich verzierten Armschiene. „Sei vorsichtig, riskiere nichts und komme zu uns zurück", bitte ich ungehört für die Ohren der anderen. Thorin streicht mit den Fingerspitzen andächtig und wortlos über das Kleinod, wie schon einmal, als ich ihm eine identische Mitgabe für den Kampf überreichte. Eine Erinnerung an das was er trauernd zurücklassen würde, für was sich der Sieg weit über Ruhm und Ehre stehend lohnt.

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„Amad, ich reite mit Bilris zur Jagd", informiert mich meine Tochter nur vier Tage später beiläufig und stürmt bereits wieder bekleidet mit Reituniform und geschultertem, reichlich bestückten Köcher und Bogen aus Thorins Arbeitszimmer, in dem ich während seiner Abwesenheit die meiste Zeit des Tages verbringe. „Was ... nein ... Fís warte!", versuche ich sie sofort aufzuhalten, und zu meinem Erstaunen hält sie tatsächlich inne. „Du weißt doch, dass dein Vater verboten hat den Berg zu verlassen, solange uns nicht die Nachricht vom Ausgang der Schlacht erreichte", ermahne ich eindringlich und tadelnd und sofort wandelt sich ihr eben noch so fröhliches Hobbitgesicht in das eines störrischen Zwerges. „Aber ich habe mich doch bereits letzte Woche mit Iserith verabredet", protestiert sie trotzig. „Glaube mir, auch die Elben verlassen bis dahin ihre Hallen nicht, es ist einfach zu gefährlich! Höre einmal auf uns ... bitte", wende ich erneut ein und ihr missmutiges Schnauben und die abschließende laut zu donnernde Tür verdeutlichen mir, dass sie die Bedenken, wenn auch grantig wie es ein junger Zwerg nur sein kann, annahm.

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Die Ratssitzung später an diesem Tag ist zur Abwechslung einmal ereignislos. Gratulation, wenn ihr die mitschwingende Ironie aus meinen Worten herauslesen konntet. Dís und Gimli, der sehr zu seinem Bedauern erst nach dem Losmarsch der Truppen von einer Absendung in das Reich der Schwarzschmiede zurückkehrte, unterstützen mich in der Langeweile, als plötzlich die Tür aufgerissen wird und einer der Stallburschen hineingestürmt kommt. Die kalte Panik in seinen Augen, die mir recht wörtlich einen eisigen Schauer über den Rücken jagt, ist besorgniserregend.

„Majestät, verzeiht die unangemeldete Störung, aber die Pferde Ihrer Hoheit und ihrer Zofe kehrten eben reiterlos zum Berg zurück!"

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