Die Hand, die die meine umschließt
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Zwei Tage sind bereits seit meiner Rückkehr aus den Ewigen Hallen vergangen ... zwei verdammte, in unbeschreiblichem Elend verbrachte Tage in denen nichts geschah und ich die Hoffnung auf das Bestehen meiner schweren Prüfung bereits aufgab.
Ich verweile an der Küchenanrichte unserer Hobbithöhle, dessen spießig-gemütliche Heimeligkeit, die vollgestopften Speisekammern, die vielen Bücher, Kinkerlitzchen und behaglichen Sessel und das wohlig prasselnde Feuer im Kamin mittlerweile von mir beinahe als höhnisch empfunden werden. Wie soll es mir in dieser überfüllten und dennoch leeren Umgebung nur jemals gelingen glücklich zu werden!? Traurig gleitet der Blick nach draußen in den sonnendurchfluteten Garten vor dem runden Fenster. Blumen blühen farbenprächtig, Schmetterlinge und Bienen umwerben sie, ein leichter Wind rauscht durch die Blätter einer prächtigen Eiche ... und plötzlich bricht diese unvorstellbare Verzweiflung auf mich ein und begräbt die leidende Seele unter einem gewaltigen Erdrutsch aus Trostlosigkeit. Ich habe kläglich versagt ... niemals wieder werde ich ihn sehen ... Und ich verfluche diese geschenkte Unsterblichkeit in allen Sprachen, denen ich mächtig bin, denn so bleibt mir sogar verwehrt in den gleichen Hallen wie er zu verweilen. Bis in alle Ewigkeit an seiner Seite zu verweilen, so wie ich es ihm einst versprach.
Schmerzliche Tränen der Traurigkeit bahnen sich brennend ihren Weg nach draußen, hinterlassen dunkle Flecke auf dem Holz der Arbeitsfläche, auf die ich meine Hände gestützt habe um nicht niederzufallen unter der Last des Unglücks und der Einsamkeit. Wie durch einen Nebelschleier vernehme ich das kräftige Pochen einer anscheinend großen Faust an unsere Tür ... aber es interessiert mich nicht. Womöglich ist es wieder einmal Gandalf, der versucht mich aus der Trauer zu reißen, wie schon so oft seit dem gescheiterten Auftrag. Ich höre Frodo zur Tür eilen ... auch er vermochte es nicht mich mit seiner hier endlich wieder aufgelebten fröhlichen Art zurückzuholen, so sehr er es auch versuchte.
„Tante Bil ... du hast Besuch ... Wichtigen", vernehme ich nach einer Weile unerwartet seine Stimme ... und sie klingt eigenartig ... aufgeregt ... ja beinahe freudig ergriffen. Mit aller noch verbliebenen Willenskraft darum bemüht die so lange verinnerlichte Beherrschung wieder zu erlangen, streiche ich mir über die schmerzenden Augen und verbanne die klebrigen Tränenspuren von den unter ihnen brennenden Wangen. Wer kann es schon sein ... wie vermutet Gandalf ... oder Thranduil, der ebenfalls ab und an danach strebt die bleierne Melancholie zu vertreiben, obwohl gerade er wissen müsste, wie schwer sie wiegt. Langsam drehe ich mich um, aber als der schwimmende Blick auf die Gestalten trifft, die bereits wartend unter dem runden Türbogen verweilen und mich fassungslos betrachten, vergesse ich entsetzt zu atmen ... Balin ... Ori ... Breda ... Oin ... Oeri ... bei Mahal! Sie verbeugen sich dienstbar und tief vor mir. „Majestät, es ist uns eine unermessliche Freude, Euch wohlauf zu sehen", sagt Balin feierlich, aber dennoch höre ich das ergriffene Zittern, dass er bei aller Beherrschung nicht unterdrücken kann.
Ihr vertrauter Anblick und das Vernehmen seiner so lange schon nicht mehr gehörten väterlich-liebvollen Stimme lösen schließlich die Starre und sind gleichzeitig zu viel für Geist und Leib. Verzweifelt versuche ich das Nachgeben der zitternden und plötzlich gefühllosen Beine aufzuhalten, indem ich mich an der Anrichte abstütze, aber gleite dennoch geschwächt von Schwindel und dem dumpfen Rauschen in meinem Kopf zu Boden. Frodo ist sofort an meiner Seite. Stützt den unter heftigen Weinkrämpfen erzitternden Körper, während ich durch den erneuten Tränenschleier nur undeutlich wahrnehmen kann, dass Balin auf mich zukommt. Balin ... der geschätzte Freund, denn ich vor wenigen Tagen noch im Schatten seiner Gedanken sitzend in den Ewigen Hallen gesehen und um dessen schmerzlichen Verlust ich getrauert habe.
Er kniet sich vor mich, legt eine warme Hand an meine Wange und lächelt mich an. Und erst jetzt, bei dem so vertrauten Gebaren, dem Spüren seiner Wärme und dem Blick in die sanften, gutmütigen Augen die ich einst so schätzte, begreife ich vollumfänglich, dass er tatsächlich hier ist ... Körperlich, lebendig, wiedergekehrt aus den Hallen des Todes, die sonst nur Elbenseelen verlassen dürfen. Schluchzend vor Freude und Glück werfe ich mich in seine Arme und er hält den bebenden Körper fest, drückt ihn in Dankbarkeit und ebenfalls Glückseligkeit an sich.
„Balin ... wenn ihr hier seid ... wenn ihr aus den Hallen entlassen wurdet ... ist er ... ist ...?", formuliere ich stockend, unterbrochen von Jammern und Lachen die drängende Frage, die mein Herz bewegt und weswegen es so schnell schlägt, dass es beinahe aus der vor Aufregung engen Brust entfliehen möchte. „Seine Wiederkehr stand noch an, als wir von Mandos zurückgeschickt wurden. Der Herr der Seelen haderte noch mit sich, da das Leid der Drachenkrankheit noch immer in seinem Herz schwelte." Ein verzweifeltes Schluchzen entkommt mir, wissend, dass dieser verabscheute Parasit selbst unter dem Einfluss der Valar niemals Ruhe geben wird und somit eine Gefahr für Aman darstellt. Ich blicke mutlos auf, aber die Zuversicht, die in Balins Augen flammt entfacht ihn wieder.
Nun erst treten auch Oin, Ori und Breda und ihr Sohn an mich heran und umarmen mich alle gleichzeitig, die freudigen Tränen über das Wiedersehen nicht mehr zurückhalten könnend. Gandalf tiefe Stimme reißt uns unerwartet aus den Schluchzen und Lachen und Weinen und bejubelnden und dankenden Worten. Er steht in der Tür, abgestützt auf den ihn allzeit begleitenden Stab und betrachtet mit einem noch nie gesehenen Ausdruck der Freude in seinem Gesicht die sich ihm bietende Szenerie. „Wie ich sehe, durftest du deine wiedergekehrten Freunde bereits begrüßen. Sei stolz auf dich, deine Willenskraft und den Mut, die dies ermöglichten", sagt er anerkennend und ich nicke ihn das Lob annehmend zu. „Thorin?", frage ich schließlich ängstlich-unsicher flüsternd und der Zauberer deutet mir mit ihm zu kommen.
Er führt mich an ein kleines Waldstück, das an die Wiesen Nessas grenzt und weist mir einzig mit einer Handgeste dieses in die gezeigte Richtung zu betreten. Lange muss ich nicht wandern, bis ich auf eine Lichtung stoße. Die Sonne sendet flackernde Lichtspiele durch die Kronen der Bäume. Vögel singen melodische Lieder. Das Gras ist saftig grün und die unzähligen sich darauf befindlichen Blumen farbenprächtig. Und inmitten der Idylle steht eine Eiche ... hoch und mächtig ... die großen markanten Blätter bewegen sich im leichten Wind ... und das Bild dem dieser Anblick entspricht, rührt mich zu Tränen. Es ist die Lichtung inmitten des Hains im Auenland, auf dem ich nach meiner Rückkehr eine kleine Eichel pflanze, aus der eben dieser Baum erwuchs.
Langsam gehe ich auf ihn zu, streiche andächtig über die raue Rinde und erinnere mich freudestrahlend und trauertränenweinend an den Augenblick, als ich die unscheinbare Frucht während unserer Reise fand und welch besondere Empfindung mich dazu brachte sie einzustecken und so lange zu bewahren. „Ich hoffe, ich habe den Ort deiner Erinnerung gedanklich so nachgestaltet, wie er wirklich ist." Die tief-brummende Stimme die mich plötzlich aus dem Gedenken reißt, lässt mich erschrocken und überwältigt von den aufkommenden Gefühlen zusammenzucken. Ich schließe die zitternden Augenlider und atme schneller um mich zu fassen ... um nicht augenblicklich in die sich bereits mit Schwindel ankündigende Ohnmacht zu fallen.
Und als ich die Augen wieder öffne, mit aller Kraft ersticktes Blutrauschen und Herzrasen und schwankendes Dasein ignoriere, sehe ich ihn hinter dem dicken Baumstamm hervorkommen ... Thorin ... mein König ... mein Gemahl ... meine wahrhaftige Liebe ... Für immer verloren geglaubt und dennoch nun vor mir stehend ... so wirklich und prächtig und wunderschön wie ich ihn so viele einsame Jahre lang in meinem Herzen in Erinnerung hielt.
„Thorin ...", flüstere ich. Meine Stimme nicht mehr als eine Nuance abgesetzt von dem Geräusch des seichten Windes, der plötzlich aufkommt und die Blätter des Eichenbaumes zum Rascheln bringt. Er lächelt, dieses wundervolle sanftmütige Lächeln das ich so sehr an ihm Liebe, denn es gilt nur mir. Bedächtig hebt er die Hand, schmiegt sie an meine Wange und das Gefühl seiner wohligen Berührung beschwört schließlich die Tränen herauf. Zeugnis von aufkommender Freud und schwindenden Leid gleichermaßen. „Ghivashel ... meine Bil ... meine Königin", flüstert auch er und senkt die warmen Lippen auf meine ...
„Ich bin Zuhause ... bei dir ... für immer ..."
Und die Hand, die die Meine umschließt, ist die, die es sein sollte ...
::: HAPPY END :::
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