Begegnung mit Nachspiel
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POV Fís
Die 'Arsadrân-Sonne scheint mir warm und hell ins Gesicht, während ich auf einem starken Ast meines Lieblingsbaumes kaure und den verträumten Blick über die Weite Rhovanions schweifen lasse. Die Wässer des Langen Sees und Flusses Eilend, der sich nach Osten aus meinem Blickfeld schlängelt, glitzern im Sonnenlicht und die silberumrandeten Blätter des Grünwaldes schimmern wie die Metalladern innerhalb des Berges. Das Nebelgebirge, dass sich gewaltig am Horizont erhebt, wird an diesem klaren Tag seinen Namen nicht gerecht, denn selbst die höchsten schneebedeckten Gipfel sind in weiter Ferne gut zu erkennen. Prächtige Schiffe mit bunten Segeln und starkem Bug liegen im Hafen von Esgaroth und eine kleine Handelskarawane mit ihren beladenen Wagen und kraftvollen Pferden quält sich die mit weißen Steinen befestigte Straße, die parallel zum Flusslauf verläuft, hinauf. Bunte Blumen säumen ihren Weg und die Kinder spielen Verstecken zwischen blühenden und reiche Ernte tragenden Bäumen und goldglänzenden Getreidefeldern.
„Solltest du nicht bei dem Empfang der Abgesandten der Feuerbärte anwesend sein, oh holde Prinzessin der Langbärte?", höre ich plötzlich eine vertraute Stimme und versuche durch das dichte Blätterdach hindurch einen Blick auf den sarkastischen Fragesteller zu erhaschen. „Und solltest du, oh mutiger Prinz unter dem Berge, nicht ebenfalls an der Seite deines Bruders stehen, bei genau diesem Empfang?", rüge ich zurück und Kili lächelt mich von unter herauf an.
Ordentlich lehnt er Bogen und Köcher neben meinen an dem Baumstamm und klettert behände die tiefansetzenden Äste hinauf, bis er schließlich neben mir sitzt. „Genauso wie du hatte ich heute keine Lust auf steife Audienzen und langweilige Bankette, bei denen mir bereits beim Gedanken daran beginnt der Kopf zu brummen." Ich lächle nachempfindend und zusammen betrachten wir die stattdessen viel ersehnenswertere, gemächlich einsetzende Abenddämmerung. Gespinstartige Cirrus-Wolken vergehen im lauen Wind, hinterlassen nur die Andeutung von Orange-Rot auf dem langsam immer dunkler werdenden Blau und einzig die Vögel durchbrechen mit ihren freudigen Sommerliedern die Stille.
„Armer Fili, so ganz alleine und ohne Unterstützung bei dieser Schinderei", flüstere ich nach längerer Zeit mehr zu mir selber und werde augenblicklich melancholisch, wenn ich mir sein schwermütiges Gesicht nur vorstelle. „Mach dir um Deinen Fili keine Sorgen, so wie ich gehört habe, soll die Prinzessin der Feuerbärte auch mit angereist und eine wahre Schönheit sein ... so wie alle Prinzessinnen", bemerkt er verschmitzt grinsen und ich stoße ihn erbost den Ellenbogen in die Rippen, sodass er beinahe das Gleichgewicht verliert und vom Ast purzelt. „Wage es dir ihn so vor jemand anderem zu nennen ... er ist nicht Mein", ermahne und dementiere ich erzürnt und vehement und kann dennoch nicht verhindern, dass mir die Schamesröte feurig-heiß in die Wangen schießt.
Fünfzehn Jahre sind seit der Entführung durch Azogs Gemahlin vergangen und seitdem wir danach diese eigentlich unschuldige und dennoch innige Nacht miteinander verbrachten, wandelte sich unsere Beziehung zueinander fühlbar. Tag für Tag, langsam aber stetig wie tröpfelndes Wasser, das im Laufe der Zeit seine Spuren selbst auf dem härtesten Granit hinterlässt, wurde sie tiefer und vertrauter.
Denn es blieb tatsächlich nicht bei dieser einen gemeinsam verbrachten Nacht. Mittlerweile sogar regelmäßig schleichen wir heimlich, wenn alle schlafen, in die Gemächer des jeweils anderen, schmiegen uns ohne Argwohn aneinander, erzählen, scherzen, träumen gemeinsam befreit von erinnertem Grauen. Allerdings, trotz der intimen Nähe, nie hat er es gewagt mich auch nur ansatzweise unsittlich zu berühren. Vielleicht weil er Angst hat dieses Besondere zwischen uns, dass noch immer keinen Namen trägt, durch unbedachte Handlungen zu zerstören. Oder höchstwahrscheinlich auch, weil es dem Gesetz widerspricht, unkeusche Taten mit einer noch nicht mündigen Frau auszuführen, denn diese Grenze überschreite ich nach Festlegung Adads erst nächstes Jahr mit dem Feiern meines 40ten Geburtstages. Aber dennoch, irgendetwas in meinem Herzen fordert ihn endlich Mein nennen zu können.
Ich schüttle den Kopf und damit die grüblerischen Gedanken ab. „Los, lass uns jagen gehen", schlage ich vor um mich zusätzlich von Fili und seinem begehrenswerten Bild abzulenken, das sich trotz aller Gegenwehr immer wieder in das Denken schleicht. „Ich habe vorhin auf der Wiese am Fuße des Berges Damwild äsen gesehen. In der Dämmerung sind sie unvorsichtig und eine leichte Beute für uns." Kili stimmt zum Glück der Zerstreuung zu und hilft mir dem Baum hinunter.
Kein Lüftchen weht. Gute Bedingungen um Jagderfolge verbuchen und sich seit langer Zeit endlich wieder einmal an Bomburs glücklichem Gesicht über einen fetten Rehbraten erfreuen zu können. Die Sehnen der Bögen knarzen, als wir sie spannen ... Eines der schönsten Geräusche, die ich mir vorstellen kann. „Erster Pfeil", flüstere ich um Kili zu verdeutlichen, dass ich als erstes schießen werde und er gegebenenfalls als Zweiter nachsetzen kann, wenn ich nicht treffe. Was selten der Fall ist, denn er war ein verdammt guter Lehrmeister.
Aber kurz bevor ich meinen Pfeil fliegen lassen will, frischt plötzlich der Wind in unserem Rücken auf. Die Rehe und der gewaltige Bock mit dem stattlichen Schaufelgeweih, auf den wir es abgesehen haben, blicken sofort alarmiert von unserem zu ihnen getragenen Geruch auf und keine Sekunde später, fliehen sie in Richtung eines kleinen Waldstücks und damit aus unserer Schussweite. „Ibzig zu!", fluche ich unanständig und lasse den Bogen frustriert sinken. Aber kaum, dass ich mich über den Misserfolg richtig ärgern kann, zerschneidet ein zischendes Geräusch die schwüle Luft und eine der letzten Ricken stürzt getroffen zu Boden, ehe sie den Schutz der Bäume erreicht.
Sofort frage ich Kili, ob er geschossen hat und als er verneint, ducken wir uns Schutz suchend hinter einen nahestehenden Felsen. Aus der Deckung heraus beobachten wir das freie Feld und plötzlich erscheint ein unbekannter Zwerg, der ruhig auf das tote Tier zugeht. Die letzten Sonnenstrahlen lassen das helle Rot von kunstvoll geflochtenen und reich verzierten Haaren und Bart erglühen wie Feuerfunken und die edle Rüstung aus Gold, Silber und Mithril glänzen. „Einer von uns ist er nicht, die Embleme und Verzierungen stehen den Feuerbärten zu", analysiere ich die Erscheinung, während sie sich hinunterbeugt und nun den zweifellos von ihr abgeschossenen Pfeil aufsammelt.
„Der zweite Kronprinz und die Prinzessin unter dem Berge beglückwünschen den Jäger zu seinem Erfolg", rufe ich schließlich aus und löse mich zusammen mit Kili aus der Beobachtung. Der Zwerg sieht zu uns, scheint wenig überrascht über unser plötzliches Auftauchen zu sein und verbeugt sich dienstbar, während wir langsam auf ihn zugehen. Und als wir schließlich bei ihm angelangt sind, erkennen wir verblüfft, dass es sich um eine junge Zwergin handelt. Eine beachtenswert hübsche junge Zwergin sogar, mit wachen Smaragdaugen und niedlichen braunen Sommersprossen um die Stupsnase.
„Verzeiht mir, dass ich Euch den Erfolg streitig gemacht habe, aber ich dachte, Ihr wolltet nicht mehr schießen, königliche Hoheiten", bittet sie mit heller Stimme und augenblicklich beschließe ich sie gerne zu haben. „Das war ein beachtenswerter Treffer. Ein bewegtes Ziel in der Geschwindigkeit und mit der Sonne im Angesicht und dann zudem sofort tödlich", anerkenne ich ehrlich und betrachte die Beute mit Bewunderung. Der Schuss traf direkt ins Herz. „Meinst du nicht auch Kili ... Kili?" Ich sehe zu meinem Vetter, als er auch nach mehreren Sekunden nicht antwortet und kann nur schwer ein vergnügt-verschmitztes Lächeln zurückhalten, das sich augenblicklich bei seinem Anblick auf die Lippen stehlen möchte. Er starrt die Zwergin beinahe schon unangebracht an, mit vor Bezauberung offenen Mund und weit aufgerissenen, glänzenden Augen.
„Kili?", versuche ich ihn erneut und nun schon etwas eindringlicher aus der Trance zu lösen und erst jetzt scheint er zu mir zurückzukehren. „Was ... ich ... ähm ... was hast du gesagt?", stottert er. Die Zwergin kichert schüchtern, aber ich kann die Aufregung über das unverschleierte Interesse in den grünen Augen flimmern sehen. „Ich habe dich gefragt, ob du nicht auch denkst, dass das ein sehr guter Schuss war", wiederhole ich und kann nun auch mein amüsiertes Glucksen über sein Benehmen, dass eher zu einem unerfahrenen Jungzwerg und nicht zu einem gestandenen Krieger passt, nicht mehr unter Beherrschung verborgen halten.
„Der Schuss ... ja ... der war ausgezeichnet. Aus der Distanz ein sich bewegendes Ziel und dann auch noch gegen die tief stehende Sonne ... eine wahrlich anerkennenswerte Leistung", lobt er überschwänglich und die Zwergin verzieht die roten Lippen erneut zu einem bezaubernden Lächeln. Mit vor Enthusiasmus und Freude schneller schlagenden Herzen beobachte ich die Situation, denn irgendwie sehe ich beinahe die Blitze zwischen den Beiden durch die Luft sausen.
„Ihr seid eine hohe Offizierin der von uns empfangenen Feuerbärte, oder? Müsstet ihr nicht zusammen mit der Prinzessin und den Abgesandten der Audienz bewohnen?", frage ich schließlich, als wir gemeinsam zum Berg zurückgehen. Kili bestand darauf die bestimmt schwere Beute alleine zu tragen und ächzt bereits neben uns her, mit deutlichen Schweißperlen der Anstrengung auf der Stirn. „Nun ja, eigentlich schon, aber ich habe mich weggeschlichen, wie Ihr anscheinend auch, Hoheit", erklärt sie und ich schmunzle über die gewinnende Offenheit. „So sieht es aus. Aber korrigiert mich, wenn ich falsch liege, ich wusste gar nicht, dass in der königlichen Leibgarde der Feuerbärte auch Frauen dienen können, hier im Erebor ist das strengstens verboten."
Die Zwergin senkt den Blick und dann überrascht sie uns Beide mit einer Aussage, die wir niemals vermutet hätten: „Nun, das ist bei uns auch so, aber ich gehöre auch nicht der ersten Garde an, sondern bin die, die diese auf der Reise beschützen sollten." Ich bleibe sofort stehen und sehe sie verblüfft an. „Ihr seid die Prinzessin Ann ... bei Mahal ... verzeiht uns die lockeren Reden Euch gegenüber, wir wussten nicht, wie Ihr ausseht", bitte ich sofort flehend und verbeuge mich respektvoll vor ihr. Auch Kili scheint die Offenlegung der Identität völlig unvorbereitet zu treffen, denn er lässt die Beute geräuschvoll fallen, als er blitzartig erstarrt. „Nein, bitte, es gibt nichts zu verzeihen und unterlasst die Höflichkeiten, Prinzessin Fís. Ich genoss sogar, dass mein erstes Aufeinandertreffen mit dem Königshaus Durins so locker und freundlich, losgelöst von jeder steifen Etikette, erfolgte. Denn nichts hasse ich mehr als diese", revidiert sie meine Sorgen und deutet mir mich wiederaufzurichten.
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Das abendliche Bankett ist zumindest teilweise genauso wie ich es mir vorgestellt habe ... schrecklich förmlich ... aber zum Glück nicht langweilig. Denn die vielsagenden Blicke, die sich Kili und die Prinzessin immer wieder über den reichgedeckten Tisch zuwerfen, unterhalten mich ausgezeichnet. „Die Prinzessin der Feuerbärte ist wirklich hübsch, nicht wahr?", reißt mich die Stimme meiner Mutter plötzlich aus der Beobachtung. „Ja das ist sie ... und außerdem außerordentlich einnehmend und freundlich", erwidere ich aufschlussreich über beide Ohren grinsend.
„Ich hörte davon, dass Kili und du sie bei einem nicht genehmigten Jagdausflug ... dein Vater wird sich übrigens dazu später äußern ... bereits kennenlernen konntet." Mein Blick schweift zu Kili neben mir und meine Mutter folgt ihm, mit einem nun ebenfalls wissenden Lächeln auf den Lippen, denn die Anziehung zwischen den beiden jungen Zwergen ist deutlich zu spüren und noch augenfälliger zu sehen. „Und es scheint mir so, dass sie nicht nur die Jagdbeute mitten ins Herz traf", flüstert sie schließlich verborgen hinter dem Rand ihres Weinglases und ich beiße mir vor Begeisterung und Freude auf die Unterlippe, um nicht augenblicklich in ein jauchzendes Quietschen auszubrechen.
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Die Delegation der Feuerbärte verweilt nun schon seit drei Monaten im Erebor und mit jedem neuen Tag habe nicht nur ich das Gefühl, dass zwischen Kili und der Prinzessin behutsam und stetig mehr erblüht als nur Sympathie. Allerdings haben sie aus ihren anfänglichen Fehlern gelernt, diese zarte Pflanze nicht mehr ganz zu offensichtlich dem Sonnenlicht auszusetzen. Was mich äußerst frustriert, habe ich mich doch an den glänzenden Augen und verschämten Gesten erfreut, die mir verdeutlichten, wie sehr Kilis Herz langsam aber sicher von den Fesseln einer festsitzenden Liebe, die niemals eine Chance gehabt hatte, erlöst wird.
„Hast du dir die Unterlagen für die heutige Ratssitzung durchgelesen?", will Fili von mir wissen, als wir gemeinsam die langen Flure entlang schreiten und ich gähne allein bei dem Gedanken daran, wie lange ich bis spät in die Nacht hinein über genau diesen gebrütet habe. „Natürlich ... du etwa nicht?" Sein aufschlussreiches Grinsen genügt mir als Antwort. Bereits seit einigen Jahren beschleicht mich immer öfters der Verdacht, dass sowohl er, wie auch meine Eltern, die Entscheidung über durchaus wichtige Angelegenheiten absichtlich in meine Hände legen. Warum, ist mir allerdings noch nicht klar geworden. Als Prinzessin und damit sogar hinter Kili in der Rangfolge um den Thron stehend, dürfte ich eine solch mächtige Verantwortung niemals übernehmen müssen. Auch als Vorbereitung auf die angedachte Stellung als königliche Beraterin, ist diese Bürde viel zu schwer. Dennoch darf ich mitunter sogar Verfügungen einleiten oder treffen, die dem Rang einer Königin entsprechen.
Als wir um eine Ecke biegen, will ich deshalb bereits zu einer Rüge ansetzen, aber noch bevor sich der Mund überhaupt öffnen kann, zieht mich Fili überraschend in einen Seitengang und drückt meinen Körper mit seinem gegen die steinerne Wand. „Was bei Mahals Willen ...", protestiere ich sofort, aber er legt einen Finger an die Lippen, um mir zu verdeutlichen, dass ich schweigen soll. Mit einem Kopfnicken deutet er in den Gang hinein, und als ich um die verbergende Biegung in das schattige Dunkel spähe, begreife ich den Grund für das Versteckspiel.
Ann und Kili stehen dort. Aber ich glaube, selbst wenn wir direkt neben ihnen verweilten, unsere Anwesenheit würde durch sie nicht wahrgenommen, so vertieft sind sie in einen leidenschaftlichen Kuss. Ich unterdrücke nur mit allergrößter Beherrschung einen freudigen Aufschrei und sehe wieder zu Fili, um dieses verspürte Entzücken über das makellose Liebesglück auch in seinen Gesichtszügen wahrzunehmen. Aber überraschenderweise betrachtet er nicht die sich uns bietende Romanze ... sondern mich ... mit einem Blick, der so voll von Hingebung und Sanftmut ist, dass mir beinahe die Sinne unter ihm schwinden. „Du siehst so wunderschön aus, wenn du dich aus tiefstem Herzen an etwas erfreust", murmelt er und streicht eine der losen Haarsträhnen aus dem Gesicht, lässt die Finger zärtlich Wange und Hals entlangfahren und schließlich sanft an der Verletzbarkeit der Schlagader verweilen.
Ich würge unbeirrt die sich unter der Berührung bildendende klebrige Masse aus Furcht und zugleich aufkommender Leidenschaft herunter, verzweifelt darum bemüht ihm keines von beidem unverhohlen zu präsentieren. „Sag so etwas nicht ...", bitte ich beinahe unhörbar, denn die Stimme erstickt unter den sich bildenden Gefühlen, die ich neuerdings nicht mehr zu beherrschen vermag, und wende Standhaftigkeit herbeisehnend den Blick ab. Allerdings bröckelt diese, kaum dass sie errungen wurde, bedenklich wie verfallende Gesteinssäulen und droht alles an Fassung und Sittsamkeit und Stärke, die ich mit aller Macht gedenke anzuhäufen, in sich zusammenstürzen zu lassen. Denn Fili stützt seine Arme neben mir ab und nimmt mich somit in der berauschenden Präsenz gefangen.
Der Atem geht schneller und die Haut prickelt, dort wo der Seine sie streift ... warm und sanft, angefüllt mit betörender Energie ... wie ein erster lauer Frühlingshauch nach einem grimmigen Winter voller Kälte und Leblosigkeit. Oh so zärtlich kommen die Lippen auf der Empfindlichkeit der Schläfe zur Ruhe, wie schon so oft in den letzten Jahren während wohligen Nächten... aber dieses Mal fühlt es sich anders an. Sie schicken einen Funkensturm an Gefühlen durch den zitternden Körper und ich lege in dem verzweifelten Versuch die dringend notwendige Distanz und damit einhergehende Sittlichkeit zwischen uns wiederherzustellen die Hände auf seine Brust, beschwöre dadurch aber nur das komplette Gegenteil herauf. Denn augenblicklich berühre ich erregt zuckende Muskeln und fühle in einsetzender Unruhe wild pulsierendes Blut unter edlem Stoff. „Fili ...", wimmere ich überwältig und ängstlich vor diesem so plötzlich aufkommenden Zusammenbruch aller Selbstzügelung, „Fili ... bitte ..."
Und dann, so plötzlich wie der Zerfall heraufbeschwören wurde, so überstürzt wird ihm durch meine Worte Einhalt geboten. Fili entfernt sich sogleich von mir, sieht mich schwer atmend und mit deutlichem Entsetzen über den Kontrollverlust in den weit aufgerissenen Augen an. Aber dermaßen brennend die eben noch empfundene Bangigkeit auch war, der aufkommende eisige Kummer über seine unberechtigten Schuldgefühle und die verwirrende Betrübnis ihm nicht mehr nahe zu sein, die sich unkontrolliert in die Gedanken stielt, ist um ein hundertfaches schmerzlicher. „Verzeih mir, ibinê ... ich wollte nicht ...", japst er beladen mit Selbstanklagen und Schamgefühl und schneller, als ich seine Unruhe revidieren kann, wendet er sich ab und flüchtet in die Dunkelheit des Ganges.
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„Du willst um sie werben!?" Adads Stimme überschlägt sich beinahe vor Überraschung und Fassungslosigkeit und er muss sich niedergedrückt von dem so unvermutet vorgetragenen Ersuchen seines Neffen erst einmal auf einen zum Glück nahen Stuhl sinken lassen. „Bei Mahal ... mit Allem hätte ich gerechnet, aber nicht damit ... nicht nach all den Jahren ...", sagt er und vergräbt das Gesicht die Empfindungen verbergend in den Händen. Besorgt stürme ich zu ihm, aber es sind freudigerweise keine Tränen der Gram, die mich unerwartet empfangen, als ich die Finger wieder entferne. Mut spendend sehe ich zu Kili und in dem von Unruhe getrübten Blick ist zu erkennen, dass er niemals eine solch überwältigende Reaktion seines Onkels auf den Wunsch sich mit Ann verloben zu dürfen erwartet hätte.
In Amads Augen, die neben Fili steht und nicht einmal ansatzweise verblüfft über die Bitte zu sein scheint, erkenne ich dennoch ebenfalls ein verräterisches Glitzern der Freude über das Liebeglück. „Nun, die Prinzessin Ann ist das dritte Kind König Hars nach zwei Söhnen, sie hat also nicht die Verpflichtung in den Ered Luin zu bleiben", beginnt sie schließlich nach einigen beruhigenden Atemzügen und umarmt Kili mit beschwingtem Lächeln. „Sie ist schön, gebildet, mutig und eine ausgezeichnete Bogenschützin, soweit ich gehört habe. Eine wirklich bezaubernde Person, die zu dir passt, nidayith, meinem Segen über die Verbindung sei also gewiss."
Tante Dìs neben Vater sitzend erhebt sich, äußerlich ruhig wirkend wie es ihre Art ist und schreitet auf ihren Sohn zu, aber ich erkenne an den zitternden Lippen, dass die mit der wankenden Gefasstheit und den Tränen ringt. Nicht mehr als ein freudiges Schluchzen ist schließlich zu hören, als sie ihn ebenfalls als Bestätigung ihres Einverständnisses umarmt. Einzig die Zustimmung des Königs fehlt nun noch. Langsam richtet er sich auf, wieder gefasst und würdevoll wie ich es von ihm als Herrscher allzeit gewohnt bin. „Liebt ihr euch?" Die Frage ist auserlesen wohlwollend väterlich gestellt. Durchdrungen nicht von dem Willen Gewissheit über das Ersichtliche zu erlangen, sondern dieses einzigartige Gefühl zu verspüren, den Neffen den er dennoch Sohn nennt glücklich zu sehen.
„Ja ... ja ich liebe sie und sie liebt mich." Kilis Augen beginnen zu leuchten und dort ist es, eingeschlossen in dem Schimmer und Glanz des Rehbraun. Freude und Liebe und Wonne, konzentriert zu beispiellosem Glück, wunderschön und erhaben über allen anderen Gefühlen. „Dann wäre ich ein Tor deinem Herzenswunsch nicht einzuwilligen, inùdoy."
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'Arsadrân – Sommer (Khuzdûl)
nidayith – kleiner Junge (Khuzdûl)
inùdoy – Sohn (Khuzdûl)
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