Aufbruch ins Abenteuer

Als ich wenig später mit einem Teller Suppe in der Hand ... leider das Einzige, was ich dem Zwergenherrscher noch anbieten kann ... wieder den Salon betrete, verweile ich augenblicklich stockend und unsicher unter dem runden Türbogen, als ich seinen bedeutungsvollen Platz bemerke. Thorin steht vor dem brennenden Kamin, die Arme vor der Brust übereinandergelegt und betrachtet das Bild meiner Mutter, sowie die Steine, die ordentlich wieder ihren Platz auf den Sims gefunden haben. Langsam streckt er eine Hand nach dem rosafarbenen Gebilde aus, dass ich vor kurzen noch vor Kili und Filis Stiefeln retten konnte. Fast achtungsvoll lässt er seine derben, rau erscheinenden Finger über das ungeschliffene Gestein fahren. „Das ist ein Rosenspat ... solche Art Mineralien findet man nur in den Eisenbergen ... Wie seid Ihr an ihn gekommen?", fragt er schließlich und ich wundere mich, wie er mich überhaupt bemerken konnte, habe ich doch beim hereinkommen keinerlei Geräusche verursacht.

Langsam trete ich mit gesenktem Haupt auf ihn zu. „Ich habe ihn nicht erworben, sondern mein Urgroßvater. Er hat ihm damals einem fahrenden Händler in Bree abgekauft", erkläre ich ihm und erst als ich direkt neben ihm stehe, sieht er mich endlich an. „Hübsch und wertvoll zugleich ... aber als Oval geschliffen, noch viel auserlesener", sagt er und ein komisches Glimmen entsteht augenblicklich in seinen Augen. Ich lächle leicht, denn anders als einige seiner Gefährten und auch der größte Teil der Hobbits, scheint er die Schönheit dieser besonderen Steine hoch zu würdigen. Bedächtig gleitet mein Blick über die tadellos aufgereihten Kostbarkeiten. „Ich habe sie lieber so, wie sie aus der Erde kommen ... unbearbeitet und nur in der Natürlichkeit makellos", erwidere ich bedeutsam und strecke ihm endlich den Teller entgegen. „Hier bitte, esst ... Es ist nicht viel, aber sie ist warm und reichhaltig." Thorin betrachtet die dampfende Flüssigkeit und nimmt ihn mir schließlich mit einem kurzen, nur gemurmelten Danke ab.

Kurz darauf finden sich auch die anderen Zwerge und der Zauberer in meinem Salon ein. Wie als wären sie Zuhause, lassen sie sich mit einem tiefen Seufzer der Ausgeglichenheit und des Wohlbefindens auf den Stühlen oder dem Boden nieder. Einzig die beiden Sessel, überlassen sie hochachtungsvoll Thorin und Gandalf. Ich hingegen, stelle mich still in eine Ecke und betrachte den Zwergenauflauf, von dem ich immer noch nicht weiß, warum er überhaupt in meiner Höhle stattfindet.

„Nun Thorin, möchtest du uns jetzt endlich sagen, warum wir uns gerade in einer Hobbithöhle ...", beginnt Dwalin schließlich mit seiner grollenden Brummstimme, die mir augenblicklich einen Schauer über den Rücken jagt, und sieht mich bei der besonderen Betonung des Wortes „Höhle" vielsagend an, „... einfinden mussten?" Thorin streckt erneut seine Beine von sich und lässt sich tiefer in den Sessel sinken. „Ja das werde ich ... aber erst, nachdem ich euch allen gedankt habe, dass ihr hier erschienen seid. Es bedeutet mir viel, dass ihr ... ungeachtet von Rang und Stand ... meinem Aufruf Folge geleistet habt und zudem, in dieser unruhigen Zeit.", beginnt er mit herrschaftlicher Stimmlage und die Zwerge nicken ihn wohlwollend zu. Ich habe von der Achtung, die man einen König entgegenbringen muss, bis jetzt nur gelesen, da es unter uns Hobbits nur einen sogenannten Thain gibt, der aber nur nomineller Herrscher ist und eigentlich keinerlei Befugnisse hat. Und selbst wenn, seit vielen Generationen bereits, hat ein Tuk diese Funktion inne und als Angehörige der Familie, wäre ich ihm zu keiner besonderen, zeremoniellen Ehrerbietung verpflichtet.

„Unser alter Verbündeter Gandalf ... viele von euch kennen ihn auch unter dem Namen Tharkûn ... hat mich vor einiger Zeit aufgesucht und mir einen Vorschlag unterbreitet, den ich nach reiflicher Überlegung umzusetzen gedenke ... aber dafür benötige ich euren Beistand", sagt Thorin schließlich bedeutungsschwanger. Gandalf wendet sich mir zu und bittet mich um etwas mehr Licht, während er aufsteht, ein altes, vergilbtes Stück Papier herausholt und diese auf den niedrigen Tisch vor Thorin ausbreitet. Als ich mit einer flackernden Kerze wiederkomme und neben den Zwergenprinzen trete, erkenne ich, dass es eine Karte ist.

„Der einsame Berg", lese ich flüsternd und mehr für mich selber den Schriftzug vor, der oberhalb eines spitz zulaufenden Gipfels, gekrönt von einem Drachen, abgebildet ist. „Wie ihr alle wisst, hält ein Untier unsere rechtmäßige Heimat in seinen Klauen gefangen", führt Thorin seine Ausführung fort und zeigt bedeutungsvoll auf den Berg. „Seit über 170 Jahren bereits, verbreitet es Tod und Verderben und ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass die Herrschaft der Bestie endlich enden muss. Gerüchte wurden mir zugetragen ... Raben sind in der Nähe des Berges gesichtet worden ... ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Zeit gekommen ist uns den Erebor endlich zurückzuholen." Die Zwerge nicken eifrig und murmeln komisch klingende Worte. „Welches Ungeheuer?", frage ich unsicher stockend und schaue beunruhigt zu Gandalf. „Nun, damit wird wohl Smaug, der Goldene, letzter der großen Feuerdrachen gemeint sein", versucht Bofur mir zu erklären und die abstehenden Enden seiner Mütze zucken dabei aufgeregt. Schlagartig fällt mir eine Niederschrift ein, die ich letztens erst gelesen habe. Diese handelte von einem Drachen, der die Hallen des großen Zwergenreiches unter den Hängen des Berges Erebor vor unglaublich langer Zeit angegriffen und alle Zwerge von dort vertrieben hat. Er schläft auf dem riesigen Schatz der Altvorderen und kein Mensch, Zwerg oder Elb hat sich seitdem mehr dort hineingewagt. Ich habe diese Erzählung bis jetzt immer für eine unterhaltsame Geschichte gehalten ... da scheine ich mich ja gewaltig geirrt zu haben.

Die Zwerge beginnen aufgeregt und beinahe ängstlich zu tuscheln, als sie den Namen Smaug hören. „Aber Thorin, wie sollen wir das schaffen?! Selbst mit einer tausende Mann starken Armee im Rücken ... die du wohlgemerkt nicht hast ... könntest du den Drachen nicht besiegen", wirft Balin ein und ich kann so etwas wie Angst in seiner Stimme vernehmen. Ich erinnere mich an das Buch, das ich heute früh erst zu Ende gelesen habe. Meine Lieblingsgeschichte ... ein König kämpft gegen einen Drachen ... ich schließe die Augen und die Szene materialisiert sich in meinem Inneren ... aber anstatt eines Menschen, tritt ein Zwerg dem Ungeheuer entgegen ... mutig und furchtlos ... und seine schwarzen Haare wehen im stickigen und glühenden Feuersturm. „Ich habe keine Angst vor dem Drachen!", wendet Kili erregt ein und entreißt mich dadurch meiner Fantasie. Sein Bruder neben ihn nickt zustimmend und in Thorins Augen kann ich augenblicklich so etwas wie Stolz aufflackern sehen.

„Du hast Recht, Balin ... mit weltlichen Waffen kann man die Bestie nur schwer besiegen ... Man muss ihn mit List und Tücke entgegentreten und unvorsichtig werden lassen, nur so kann man seine Schwachstelle erkennen", bestätigt Gandalf. „Ihr müsst in den Berg gelangen, ihn überlisten und herauslocken, das ist eure einzige Chance, um eure so lange verlorene Heimat wiederzuerlangen." Ausfallend tosende Beifallsbekundungen werden ob seiner Ansprache laut ... kehlige und dennoch auf ihre Art wohlklingende Wörter einer mir unbekannten Sprache schallen durch meine Höhle und lassen sie erzittern. „Und wie sollen wir das deiner Meinung nach schaffen, Gandalf? Das Haupttor wurde zerstört und es gibt keinen anderen Weg in den Berg hinein, schon gar nicht heimlich", wirft Balin mit ruhiger und vernunftschwangerer Stimme ein und augenblicklich verstummen alle. „Oh da irrst du dich, alter Freund ...", sagt der Zauberer geheimnisvoll und wie durch Magie, materialisiert sich ein metallisch glänzender und kunstvoll gearbeiteter Schlüssel in seiner Hand. „Woher hast du ihn?", fragt Thorin atemlos und allein daran erkenne ich, dass er von großer Wichtigkeit für ihn sein muss.

Der Zauberer berichtet ihm, dass sein Vater Thráin ihm diesen zusammen mit der Karte vor seinem Verschwinden überlassen hat, damit er beides zu gegebener Zeit an seinen Sohn weitergibt ... und dieser Zeitpunkt ist nun gekommen. Thorin wiegt den Schlüssel bedächtig in seiner Hand, als ober er ein wertvoller Schatz ist. Er passt zu einem verborgenen Eingang, dessen genaue Position durch alte Zwergenrunen auf der Karte beschrieben werden. Aber selbst Gandalf gibt zu, dass er diese nicht lesen kann, er aber Andere in Mittelerde kennt, die es können. Der Zauberer sieht mich geheimnisvoll an. „Wenn wir den Eingang gefunden haben, braucht es eine gewisse Heimlichkeit und eine gute Portion Mut, um in die unteren Hallen vorzudringen, wo der Drache haust. Er kennt seine Schätze genau ... jede einzelne Münze davon ... vielleicht schafft ihr es ihn unvorsichtig werden zu lassen, wenn ihr ihm einiges davon entwendet oder noch etwas sehr viel Wertvolleres findet, was in diesem Berg liegt. " Ich zucke unwillkürlich bei seinen Worten zusammen. Thorin neben mir ebenfalls und seinem Gesicht entspringt ein wissender Ausdruck, was Gandalf mit seinem undurchschaubaren Hinweis meint.

„Und genau deshalb benötigen wir einen Meisterdieb!", bemerkt Ori und ich nicke zustimmend. „Und zwar einen sehr guten ... den Besten, um genau zu sein", sage ich gedankenlos und wäre nie darauf gekommen, was ich mit dieser Aussage lostrete. Enthusiastisch stehen die Zwerge auf. „Sie ist die Beste, habt ihr das gehört?!", lacht Bifur erleichtert. Sofort sind 14 Augenpaare erwartungsvoll auf mich gerichtet und mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken. „Was ... ich ... nein ... ich habe in meinem Leben noch nie etwas gestohlen ... das schwöre ich!", versuche ich unsicher stotternd ihre Erwartungen an mich zu dämpfen und bin froh, dass sowohl Balin, wie auch sein Bruder Dwalin der Meinung sind, dass ich als Diebin weder geeignet bin, noch als kampfunerfahrene Frau in der Wildnis lange überleben könnte. Zustimmendes und verneinendes Gemurmel zugleich erfüllt meine Höhle, bis sich Gandalf bedrohlich aufbaut. Drohend grollt seine Stimme wie Gewitterdonner über unsere Köpfe hinweg. „Genug jetzt, wenn ich sage, dass Bil Beutlin eine Meisterdiebin ist, dann ist sie eine Meisterdiebin." Ich öffne erstaunt meinen Mund, zu überrumpelt, um etwas gegen seine Behauptung zu sagen. „Hobbits sind ein erstaunliches Völkchen ... leichtfüßig, heimlich und können somit geschickt vermeiden gesehen zu werden, wenn sie es wollen. Der Drache kennt den Geruch von Zwergen, aber einen Hobbit, hat er in seinem Leben bestimmt noch nie zu Gesicht bekommen." Erneut versuche ich etwas zu erwidern, aber kein Laut kommt aus meiner wie zugeschnürten, trockenen Kehle. Zu überfordert bin ich mit dieser Situation. „Ich sollte einen Meisterdieb für eure Unternehmung finden, jemanden der unbemerkt in die Höhle des Drachen eindringen kann, um seine Schwachstelle zu finden, und ich habe mich für Fräulein Beutlin entschieden", schließt er seine Erklärung ab und setzt sich wieder.

Ich verstecke verzweifelt das Gesicht zwischen meinen Händen, denn mir wird schlagartig etwas schwindelig. „Gandalf, du kannst nicht von uns verlangen eine Frau ... ohne Kampferfahrung, die auch nur die leiseste Ahnung davon hat, wie es in der Welt zugeht und in ihrem Leben bestimmt noch nie ein feindliches Wesen gesehen hat ... mitzunehmen", sagt Thorin mit strenger Stimme. „Sie würde uns bestimmt nur aufhalten." Der Zauberer stößt ein leises, verärgert klingendes Brummen aus. „In ihr steckt einiges mehr, als ihr erahnen könnt und auch etliches, dass sie bis jetzt noch nicht weiß. Ihr müsst mir vertrauen, sie wird für euer aller Schicksal eine große Rolle spielen ... sie ist schließlich eine Tuk", erwidert er geheimnisvoll auf seine Einwände.

Lange ist nur erdrückende Stille zu hören. „Also gut, wenn du dir so sicher darüber bist ...", sagt Thorin schließlich zustimmend, „... gib ihr den Vertrag." Ich nehme die Hände von meinen Augen und sehe ein Stück Papier, das Balin mir entgegenstreckt. „Nur die üblichen Vereinbarungen. Zusammenfassung der Reisekosten, Arbeitszeiten, Vergütung ..." Ich nehme den Vertrag an mich und wende mich ab, um ihn in Ruhe zu lesen ... draußen ... weit weg von Zwergen und ihren feuerspuckenden Drachen, die auf Schätzen liegen. „... Begräbniskosten und so weiter." Während ich seine letzte Ausführung geschockt wiederhole, fällt der Vertrag auseinander ... und er ist ... sagen wir mal ... umfangreicher als ich erwartet habe. Ich lese etwas von ein Vierzehntel der Beute ... was ich als angemessen erachte ... aber dann auch von Haftungsausschlüssen für Verletzungen aller Art, einschließlich Platzwunden, Ausweidung, Verbrennungen ... Mit jeder neuen, fürchterlich klingenden Möglichkeit wie ich sterben könnte, wird mir schwindeliger. Ich atme mehrmals tief durch, um die aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken. „Smaug ist ein Feuerdrache und sein Atem ist unglaublich heiß ... ein Glühen ... ein Feuerstrahl und PUFF ... bist du nur noch ein Häufchen Asche", erklärt mir Bofur, was mir aber nicht im Geringsten dabei hilft das bisschen Abendbrot, dass ich im Bauch habe, unten zu behalten. Vor meinen Augen verschwimmt alles und dann merke ich regelrecht, wie ich plötzlich zur Seite kippe und ohnmächtig werde.

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„Du wirst brennen ..." Grollend dröhnt die dunkle Stimme in meinem Kopf nach und kriecht mein Rückgrat entlang, verteil sich vibrierend in allen Glieder und erschüttert mein ganzes Dasein. Ein riesiges, rot-glühendes Reptilienauge starrt mich an ... fixiert mich und verfolgt all meine Bewegungen ... Ich bin hilflos und schwach ... zu erschöpft von Kämpfen und gelähmt von den giftigen, nach Schwefel und Tod riechendem Atem, der mich umgibt. Es ist heiß ... drückender noch als ein Tag im Hochsommer. „Das ist dein Ende ... kleine Diebin!" Zähne ... gewaltiger als das Auge und messerscharf ... rasen auf mich zu und dann wird alles dunkel um mich herum ...

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Als ich wieder zu mir komme, trägt mich Fili gerade auf seinen Armen in meine Bibliothek und setzt mich anschließend in einen bequemen Sessel. Kili drückt mir eine Tasse warmen Tee in die zitternden Hände und lässt mich dann mit einem ermunternden Händedruck auf meine Schulter mit dem Zauberer allein. „Sag mir Bil, durch was bist du so kleingeistig und verbohrt geworden", fragt mich Gandalf leicht erzürnt, nachdem ich einige Schlucke genommen und mich wieder halbwegs beruhigt habe. „Ich erinnere mich an ein junges Hobbitmädchen, das stundenlang draußen herumgetollt ist, auf Bäume kletterte und erst spät abends Heim kam, nachdem es auf der Suche nach Abenteuern war. Mit matschverkrusteten Haaren und mit Steinen und kleinen Tieren in ihren Taschen. Ein junger Hobbit, der sich nichts sehnlicher gewünscht hätte, als die Chance auf solch ein Erlebnis zu bekommen", sagt er nun doch wieder etwas Versöhnlicher und streift mit den Fingern über die Rücken meiner ordentlich in den Schränken aufgestellten Bücher.

Ich schaue auf die bernsteinfarbene Flüssigkeit in der Tasse hinab, die angesichts meiner noch immer zitternden Hände leichte Wellen schlägt. „Dieses Mädchen existiert schon lange nicht mehr, Gandalf", seufze ich mit ein wenig Wehmut in der Stimme, denn auch ich kann mich noch gut an diese unbeschwerten Zeiten zurückerinnern. „Was verlangst du von mir ... dass ich mich einfach so aus meiner Tür begebe und gegen einen Drachen kämpfen soll?! Gandalf ... ich bin ein Hobbit und zudem eine Frau ... das ist, glaub ich eine Nummer zu groß für mich und nicht zu schaffen", platzt es aus mir heraus und ich sehe den Zauberer mit großen Augen an. Dieser belehrt mich, dass ich ein Tuk bin und wie ich schon berichtet habe, sind Tuks nun Mal sehr mutig und abenteuerlustig. Besonders mein Vorfahre Bandobras, der bei der Schlacht von Grünfeld den Anführer einer Bande Orks mit einer Keule erschlug.

„Das ist doch nur eine Geschichte für kleine Kinder, Gandalf", sage ich ermattet und muss mir das Lachen verkneifen, als er sich in einen für ihn viel zu kleinen Sessel mir gegenüber zwängt. „In jeder Kindergeschichte steckt auch immer ein wenig Wahrheit. Du wirst auch einige zu erzählen haben, wenn du wiederkommst." Seine Worte klingen nun fast väterlich. Ich schaue aus dem Fenster in die dunkle Nacht hinein. Am Hang gegenüber leuchtet der Schein einer Flamme auf und unwillkürlich erinnert sie mich an das Feuer des Drachen. „Kannst du mir den versprechen, dass ich wiederkomme?", frage ich und Tränen bilden sich in meinen Augen. „Nein ... und wenn doch, dann wirst du eine Andere sein." Das macht mir nicht gerade Mut und ich atme verzagend aus. Warum gerade ich? Ich bin doch nur eine einfache Frau, ohne besondere Fähigkeiten. Warum soll mich nur allein meine Rasse und Herkunft zum unerschrockenen Meisterdieb machen, der einen Drachen bezwingen soll? Ich fahre mir durch die offenen Haare und schüttle verneinend den Kopf. „Tut mir leid dich enttäuschen zu müssen, mein alter Freund, aber ich unterschreibe nicht." Schnell stelle ich meine Tasse ab und flüchte vor ihm und seinem niedergeschlagenen Blick, der mich zu verfolgen scheint.

Auf dem Weg in mein Schlafgemach komme ich am Salon vorbei, in dem die Zwerge, noch immer auf den Boden und Stühlen sitzend, gerade ein Lied anstimmen. Sofort verzaubert von dem kehligen Zwergengesang, wie aus den Tiefen ihrer alten Wohnstätten erschallend, bleibe ich am Türrahmen gelehnt stehen und lausche. Die Dunkelheit hat den Raum bereits fast gänzlich eingenommen und nur schwach kann das flackernde Feuer im Kamin ihre Gesichter erhellen. Sie singen von unvorstellbaren Schätzen ... Silber und Edelsteinen ... und von den Höhlen ihrer Ahnen ... tief in die Berge gehauen und erhellt vom goldenen Licht unzähliger Kerzen und brennender Schmiedeöfen.

Eine unglaubliche Wärme durchflutet augenblicklich meinen Körper und ungewollt krallen sich meine Hände in den Stoff meines Mieders, genau dort, wo sich mein Herz befindet, dass sich plötzlich so anfühlt, als wolle es mir aus der Brust springen. Ich stellte mir vor, wie es wäre diese hohen Berge zu sehen, die dichten Kiefernwälder zu durchstreifen und die Lieder der rauschenden Bäche von Mittelerde zu hören. Wie es sich anfühlen würde, an der Seite dieser ehrenvollen und mutigen Zwerge für die Befreiung ihrer Heimat zu kämpfen. Ich blicke aus dem Fenster, hinauf zu den glitzernden Sternen, die gerade heute wie kostbare Edelsteine funkeln ... klar und hell und so unerreichbar. Warum bin ich nur so ein verdammter Feigling?!

Mein Blick wandert über meine Schulter und dann sehe ich Thorin, wie er mich mit ebenfalls leuchtenden Augen ansieht ... durchdringend ... bedeutungsvoll ... und auch ein wenig auffordernd. Ich wende mich schnell ab und bemerke erst jetzt, dass ich die Luft angehalten habe. Hastig lege ich die letzten Meter zu meinem Gemach zurück, in dem ich sofort in einen unruhigen Schlaf falle, der erfüllt von sich miteinander vermischenden längst vergessenen Erinnerungen und Träumen ist.

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Retrospektive Bil

„Bil!" Die verärgerten Rufe meiner Mutter erreichen mich nur leise, gedämpft durch die sanften Hügel und hohen Bäume, die Hobbiton umgeben. Ich sitze hoch oben in dem Wipfel einer alten Lärche und lasse meinen Blick über die Herrlichkeit des Auenlandes schweifen. Die Sonne geht bereits unter ... golden, rötlich und violett glühend, wie man sie sonst nur auf Gemälden bannen kann. Die allerletzten Strahlen lassen den Schnee, der die Landschaft in einen Wintertraum hüllt, kurz aufglimmen und dann nimmt auch er die Farbe des Himmels an. Der Sonnenuntergang sagt mir, dass es bereits Zeit fürs Abendbrot sein muss und mich meine Mutter bestimmt gerade deshalb so laut und eindringlich ruft, sodass es das ganze Auenland hört. Aber in diesem verzaubernden Moment, ist mir das Essen und ihre verärgerte Stimmung egal.

Ich ziehe den Mantel enger um mich, als ein kalter Wind aufkommt und unerwartet dringen Stimmen zu mir herauf. Am Stamm Halt findend, sehe ich nach unten und entdecke drei Gestalten unweit meines Baumes stehen. Ihre aus augenscheinlich kostbaren Stoffen gewebten und mit Fellen besetzten Mäntel sind vom Schnee durchnässt und hängen schwer an ihnen herunter. Glitzernde Schneeflocken haben sich in ihren schwarzen ... die zwei von ihnen tragen ... und blonden Haaren verfangen. Der Größte von ihnen hält eine Karte in der Hand und sieht sich ratlos wirkend um. Plötzlich zeigt er in meine Richtung, spricht etwas in einer komischen Sprache und augenblicklich setzen sich die beiden anderen in Bewegung. Und je näher sie mir kommen, umso mehr erkenne ich, wer sie sind ... Zwerge. Ich habe noch nie welche gesehen, auch wenn ihr nächstes Reich nur wenige Tagesmärsche von hier entfernt liegt, aber sie sehen zumindest ansatzweise so aus, wie ich sie mir immer vorgestellt habe. Gedrungen, wenn auch größer als Hobbits ... mit glimmenden Augen, die strahlen wie die Diamanten, nach denen sie unablässig gieren ... kantige und grobe Züge, die ihre Gesichter markant erscheinen lassen ... einzig die erwarteten dichten Bärte tragen sie nicht, was mich wirklich enttäuscht.

Unter dem Baum bleiben sie stehen und sehen ratlos dreinblickend am Stamm hinauf. Wieder ertönen diese seltsamen Wörter aus ihren Mündern ... trotz alledem einen Wohlklang ergebend, der sich aus grollenden, zischenden und brummenden Lauten zusammensetzt. Der anscheinend Ältere von ihnen ... obwohl sie mir Beide noch sehr jung erscheinen ... vielleicht nicht einmal die Mündigkeit erreicht habend ... bildet eine Kuhle mit seinen Händen und als der Andere seinen Fuß daraufstellt, um an die unteren Äste zu gelangen, schüttle ich an eine Astgabel neben mir, sodass der auf den dicht beieinanderstehenden Nadeln liegende Schnee auf sie hinabfällt. Sie werden unter der Masse aus kaltem Weiß begraben und ich kann es nicht verhindern, dass ich ob ihrer überraschten und wütenden Angesichter, laut loslachen muss, auch wenn ich mich dadurch verrate.

„Wer ist da oben?", fragt der Blondhaarige erbost klingend und schaut zu mir hinauf. Ich kann mich vor Lachen kaum mehr auf meinem Ast halten und linse kurz hinter dem Baumstamm hervor. „Na warte, wenn wir dich kriegen!", schimpfen sie gleichzeitig und wollen bereits den Stamm hinaufklettern, als der Dritte von ihnen an sie herantritt. „Was ist hier los ... warum seid ihr noch nicht auf dem Baum und haltet Ausschau, so wie ich es euch gesagt habe und warum bei Mahal seid ihr noch durchnässter als vorhin?!", fährt er die beiden Jungzwerge grob an. „Da oben ist jemand, der hat uns mit Schnee beworfen ...", erklärt der Schwarzhaarige und deutet zu mir. Der Große schaut hinauf und erneut gebe ich mich zu erkennen ... blaugrüne Augen empfangen und fangen mich ... ziehen mich innerhalb eines Wimpernschlages in den Bann, sodass ich aufhöre zu kichern. „Das ist doch nur ein kleines Mädchen ...", stellt er schließlich fest und augenblicklich bildet sich ein leichtet Lächeln auf seinen Lippen, dass sein markantes Gesicht aufhellt und mich dadurch noch mehr fesselt. „Ich bin kein kleines Mädchen mehr ...", erwidere ich dennoch und versuche so viel Selbstvertrauen und Überzeugungskraft wie möglich in meine Stimme zu legen. „Komm herunter ... dann kann ich mich davon überzeugen", antwortet er mir und seine Stimme ist auf einmal weich und brummend ... voller Wärme und so herrlich einladend. Ich schaue dennoch unsicher auf die beiden anderen Zwerge, die noch immer erbost dreinblicken. „Ich verspreche dir, sie werden dir nichts tun", ermutigt er mich, so als ob er die Bedenken in meinen Gedanken lesen kann ... und komischerweise schenke ich ihm Glauben. Gekonnt springe ich von einem Ast auf den anderen, bis ich schließlich vor ihnen stehe. Und von nahem, sehen sie noch viel beeindruckender aus.

„Nun ... wenn du kein kleines Mädchen mehr bist, was bist du dann?", fragt der deutlich Älteste und kniet sich zu mir hinunter, sodass ich nun direkt in seine durchdringenden, funkelnden Augen sehen kann. „Mama sagt, dass ich schon eine junge Dame bin", beantworte ich ihm seine Frage und straffe meine Haltung. Sein bezauberndes Lächeln wird noch breiter. „Soso, eine junge Dame ... ist wusste gar nicht, dass es im Auenland jungen Damen erlaubt ist, auf Bäume zu klettern und Reisende mit Schnee zu bewerfen", sagt er belustigt klingend und ich merke regelrecht, wie ich glühend bis zu den Ohrspitzen erröte. Beschämt senkte ich meinen Blick, denn das sind genau die Worte, mit denen auch meine Mutter mich immer ermahnt nicht so rüpelhaft und abenteuerlustig zu sein. „Entschuldigt bitte ...", wispere ich schließlich und sehe die beiden jungen Zwerge neben mir mit großen Augen an. „Schon in Ordnung, wir sind dir nicht böse ... junge Dame", sagt der Blondhaarige und kniet sich ebenfalls zu mir hinunter. Nun schmückt auch sein Antlitz ein wunderbares Lächeln.

„Ich bin übrigens Thorin und dass sind meine Schwesternsöhne Fili und Kili ...", offenbart der Große mir schließlich und zeigt nacheinander auf den noch immer vor mir knienden Zwerg und den Dunkelhaarigen. „Wir sind auf den Weg zurück in die Blauen Berge und auf der Suche nach einer Unterkunft für die Nacht. Aber anscheinend haben wir uns verlaufen." Ich sehe Thorin an und beginne freundlich zu lächeln. „Oh ich kann euch ein wunderbares Gasthaus empfehlen, es liegt gleich an der Wasserauer Straße, die durch Hobbingen führt", informiere ich sie aufgeregt und umfasse vertrauensvoll seine riesige Hand ... und meine kleinen Finger verschwinden förmlich in seinem Griff.

„Wie heißt du eigentlich?", fragt mich kurz darauf Kili, als wir die unter einer dicken Schneedecke verborgene und dadurch wirklich als Ortsunkundiger leicht zu verlierende Straße entlanglaufen. „Ich bin Bil", antworte ich ihm, immer noch die Hand seines Onkels umklammernd. Sie ist so unglaublich groß und wärmer noch als ein Kaminfeuer. Schließlich kommen wir an eine Wegkreuzung und ich muss mich vom ihnen verabschieden. „Da unten liegt das Gasthaus, ihr könnt bereits die Lichter sehen ... Bestellt dem Wirt einen schönen Gruß von mir und er soll euch die schönen Zimmer geben, die mit dem Blick auf den See", informiere ich sie und zeige in Richtung Südwesten und danach nach Nordwesten, einen kleinen Hügel hinauf. „Ich wohne da oben und muss jetzt leider gehen, meine Mutter wartet bestimmt schon mit dem Abendessen." Thorin kniet sich erneut zu mir hinunter. „Ich danke Euch vielmals ... junge Dame", sagt er höflich und führt meinen Handrücken an seine Lippen, um einen leichten Kuss darauf zu hauchen. Ich beiße mir verlegen auf die Unterlippe und winke ihnen nach, als sie den Weg entlanglaufen.

Selbst als ich an der großen runden Tür zu meinem Zuhause angekommen bin, kann ich sie noch deutlich sehen, denn der helle Vollmond bescheint den Schnee und lässt ihn gelblich leuchten. „Bil, da bist du ja endlich ... das Abendbrot ist schon lange fertig", höre ich plötzlich die Stimme meiner Mutter hinter mir und ich drehe mich freudestrahlend zu ihr um. „Mama, ich bin Zwergen begegnet und sie sind so ganz anders als in den Märchen und Geschichten, die du mir immer vorliest", berichte ich ihr sofort aufgeregt und springe um sie herum. Meine Mutter schnaubt belustigt klingend aus und hält mich schließlich an den Schultern fest, um meine Überreizung zu mäßigen. „Soso, du hast Zwerge gesehen und wie waren sie so?", fragt sie mich und nimmt mich auf den Arm. „Na so ganz anders ... nicht griesgrämig, launisch und klobig ... sondern auf ganz besondere Weise hübsch und unglaublich freundlich. Sie hatten sich verirrt und ich habe ihnen den Weg „Zum Efeubusch" gezeigt", schildere ich weiter und die Worte sprudeln nur so aus meinem Mund. „Und dann hat Thorin mir einen Handkuss gegeben ... wie es die Prinzen im Märchen immer bei den Prinzessinnen und edlen Damen machen und das war so romantisch ..." Innerhalb eines Wimpernschlages verfinstern sich die Augen meiner Mutter und jegliche Farbe weicht aus ihnen. „Thorin ... einer der Zwerge hieß Thorin?!", stößt sie atemlos aus und ich schaue sie verwirrt über ihre plötzliche Gemütsänderung an. „Ja ... er ist mit seinen Neffen auf den Weg zurück in die Blauen Berge ... sieh, da unten laufen sie ...", bestätige ich und der Blick meiner Mutter folgt meinem zeigenden Finger. „Thorin ..." Ihre Stimme gleicht nur noch einem Hauch und ich kann auf einmal ihr Herz wild und schnell gegen ihre Brust schlagen fühlen. "Mama ... ist alles in Ordnung?", frage ich unsicher und drehe sanft ihr Gesicht zu mir. Als sie in meine Augen blickt, kehrt die Farbe und Beherrschtheit wieder in sie zurück. „Ja ... es ist alles gut ... ich war nur gerade ...", stottert sie verwirrt wirkend und setzt mich ab. „Komm, lass und hineingehen, dein Vater wartet schon ungeduldig am Esstisch und du weißt, wie unleidlich er wird, wenn er nichts zu essen bekommt." Sie legt eine Hand auf meinen Rücken und schiebt mich durch die Tür. Aber bevor sie diese schließt, gleitet ihr Blick noch einmal über die Landschaft und zu den Zwergen zurück. „Thorin ...", kommt erneut der Name des Zwerges geflüstert über ihre Lippen und ihre Augen werden traurig.

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Am nächsten Morgen weckt mich die strahlend helle Sonne, die durch das Fenster scheint. Verschlafen reibe ich mir meine Augen, während ich durch die anscheinend leere Höhle laufe. Nichts erinnert augenscheinlich mehr daran, dass bis vor wenigen Stunden hier noch 13 Zwerge gehaust haben ... nichts, bis auf meine geplünderte Speisekammer. Ich nehme mir eine Tasse Tee, den meine „Gäste" offenbar noch vor ihrer Abreise zubereitet haben, und setzte mich in den gemütlichen Sessel im Salon. Mein Blick bleibt an dem Vertrag, den ich neben mir entdecke und an der schwungvollen, fast schon filigranen Unterschrift von Thorin hängen. Wie gerne wäre ich diesem eindrucksvollen Zwergenprinz in sein Abenteuer gefolgt und hätte mutig an seiner Seite gekämpft. Warum bin ich nur so ängstlich und vorsichtig?

Ich schaue auf das Bild meiner Mutter, das über demKamin hängt. Wäre sie wirklich stolz auf mich gewesen, wenn ich mich ihnenangeschlossen hätte, so wie Gandalf gesagt hat? Plötzlich durchfährt mich einRuck und ich stehe so abrupt auf, dass sich der Inhalt meiner Teetasse über denFußboden ergießt. Haben sich die Augen des Bildes eben bewegt und mirzugeblinzelt?! Wie gebannt starre ich auf das Abbild meiner Mutter und tatsächlich,da ist es schon wieder ... sie zwinkert mir deutlich zu. Erstaunt atme ich ausund nehme es als ein Zeichen, auch wenn ich es mir nicht erklären kann. InWindeseile packe ich ein paar Sachen zusammen und renne so schnell mich meineHobbitfüße tragen können, mit dem unterschriebenen Vertrag in der Hand, denZwergen hinterher.

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