Argwohn

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Retrospektive Kili

Manchmal ist unsere Mutter schrecklich-schön in ihrer Herrschaftlichkeit und der Würde einer Kronprinzessin. Eine Tochter Durins, wie sie direkt aus Geschichtsbüchern entsprungen zu sein scheint ... schon immer. Missversteht nicht, sie ist eine der liebevollsten, gütigsten und charaktervollsten Geschöpfe, die ich kenne. Ehrlich, pflichtbewusst und aufopferungsvoll, aber, oder vielleicht sogar deshalb, misstrauisch gegenüber allem und jeden, dass uns vielleicht schaden könnte. Die Beraubungen und Schmerzen, die sie in ihrem Leben bisher ertragen musste, gehen einfach zu tief. Gewaltsamer Fall von Großeltern, Eltern, Bruder und Gemahl ... Vertreibung noch als kleines Kind aus der geliebten Heimat ... Jahre voller rastloser Wanderschaft, verlustvollen Kämpfen und schrecklicher Einbußen. Durchdringend und klaffend rissen die Ereignisse unvorstellbare Wunden und ich bezweifle, dass ihr Herz weitere Pein ertragen kann.

Die Qual der vielen Monate in Ungewissheit über unseren Verbleib hat sie erschreckend-deutlich gezeichnet und selbst die glänzende Freude über das Wiedersehen konnte die neu dazugekommenen tiefen Falten und silbrigen Haare nicht überstrahlen. Und auch jetzt scheinen sie noch immer belastende Sorgen umzutreiben, auch wenn sie dieses Mal nicht meinem Bruder und mir gelten. „Erkläre mir Thorin, undad ra uzbad, warum ausgerechnet sie ... warum ausgerechnet dieser ... Halbling?" Die Nennung des fremden Volkes zischt wie Schlangengift durch ihre Lippen und konkurriert in der Gefährlichkeit mit dem Verderben bringenden Blick unseres Onkels, der aufflackert, kaum dass sie die despektierliche Frage gestellt hat. „Ja sie ist anmutig und schön und es ist anzunehmen, dass sie eine gute Erziehung genossen hat und ja mir kam bereits zu Ohren, welche Taten sie bislang an deiner Seite vollbrachte. Aber dennoch ... warum sie ... warum keine der Zwerginnen, die dir vergangen den Hof machten und tauglicher wären unser Volk in eine sichere Zukunft zu führen?"

Ich widerstehe in Erwartung des Donnerwetters, das zweifellos unmittelbar bevorsteht, nur mit großer Willensstärke den Drang mir schützend die Ohren zuzuhalten, während ich mit einem komischen Gefühl in der Magengegend die Auseinandersetzung der beiden ebenbürtigen Kontrahenten beobachte. „Sie ist geeigneter als irgendein anderes Wesen auf dieser oder einer anderen Welt MEINEM Volk eine glorreiche und behütete neue Zeit zu ermöglichen", brummt Thorin und ich bin erstaunt darüber, wie gefasst und ruhig er klingt, ganz so, als wäre er sich noch nie einer Sache sicherer gewesen.

Thorin erhebt sich von seinem Thronsitz, richtet sich zur vollen majestätischen Größe auf und ... bei Mahal ... er steht ihr innerhalb eines Wimpernschlages nicht mehr als der ranggleiche Thronfolger gegenüber, so wie es einst in den Ered Luin war ... sondern als der allgewaltige König, der er jetzt ist. „Und ich befehle, dass Ihr keinerlei Zweifel an meinen Entscheidungen, egal was oder wen sie betreffen, aufkommen lasst. Sie ist Eure Königin und ihr zur Treue verpflichtet, genauso wie Ihr es mir seid."

Amad tritt einen beklommenen Schritt zurück, die Augen groß und erstaunt ob der Erscheinung, die sich strahlend und ehrfurchtgebietend vor ihr aufgebaut hat. Sie sieht erst zu Fili und dann zu mir, die wir Thorin flankieren, in dem verzweifelten Versuch Hilfe oder Zustimmung zu erhalten, aber wir schweigen beharrlich. Schließlich senkt sie sich ergebend den Blick in Unterwürfigkeit und Demut. „Verzeiht mir Majestät, wenn ich den Anschein erweckt habe Eure Handlungen infrage zu stellen und Euch damit erzürnte", fleht sie plötzlich befremdlich schüchtern und untertänig.

Thorin schnaubt aus, eine Mischung aus Verdruss und dem Kummer, dass dieser gerade seiner geliebten Schwester gilt, und schreitet langsam die Stufen des Podestes hinunter. Selbstsicher ist sein Gang, hoch erhoben das gekrönte Haupt, majestätisch die aufgerichtete Pose ... ein zum Leben erwecktes Abbild der Könige unseres Geschlechts. Und in meiner Brust wird es ganz eng vor aufkommendem Respekt und Stolz. Er bleibt letztendlich neben ihr stehen, aber ohne sie anzusehen. „Es sei Euch verziehen, aber ich wünsche keine weiteren Anzweiflungen Eure Königin betreffend." Amad hat noch immer den Blick gesenkt, aber ich sehe dennoch die beengende Achtung auch in ihren glänzenden Augen schwimmen. Thorin schreitet mit der Debatte abschließend weiter und verlässt schließlich den Thronsaal mit donnernd zuschlagenden Türen.

Stille breitet sich aus ... bedrückende Schweigsamkeit in der Weitläufigkeit des Raumes, in der man dennoch die knisternde Wut hören kann, bis Amad wieder die Gefasstheit findet um gefahrlos und unseren Respekt nicht verlierend aufzuschauen. „Wie konntet ihr nur zulassen, dass sie ihn so blendet mit reizendem Aussehen und lieblichen Worten!?", wirft sie uns ungerechtfertigt vor, mit vor Zorn über die eben erlebte Demütigung bedrohlich-bebender Stimme. „Sie hat es doch nur auf Macht und Reichtum abgesehen und ...", beginnt sie erneut, aber dann ist es Fili, der die Schmähung ebenfalls außerordentlich harsch unterbricht. „SCHWEIG ... du weist Nichts über Bil und das, was sie für Thorin ... für uns ... getan hat! Warum er sie liebt wie sein eigenes Leben und ihr der Platz als Herrscherin an seiner Seite mehr als nur zusteht!" Ich fixiere ihn erstaunt und bestürzt, atemlos erstarrt ob der deutlichen Worte. Noch nie haben wir es gewagt unserer Mutter zu widersprechen, denn es gab bislang keine Auffassung oder Tat, wofür es sich lohnte zu rebellieren. Wir hatten immer Ehrfurcht vor ihr und ihrer Meinung, betrachteten diese immer als richtig ... aber nicht in dieser Angelegenheit.

Fili setzt sich in Bewegung, auch sein Gang auf einmal selbstbewusst und majestätisch, gebieterisch in Anbetracht der unanfechtbaren hohen Stellung als Thronerbe. Amad starrt ihn sichtlich entgeistert über aufbegehrende Worte und kämpferische Haltung an, kann aber auch den Stolz nicht verbergen, der auflodert beim Anblick der gewachsenen Gestalt ihres Ältesten. „Sie hat es nicht verdient von dir beleidigt zu werden, denn nur wenige sind so mutig und entschlossen, scharfsinnig und begabt, freundlich und loyal wie sie es seit Anbeginn unserer gemeinsamen Reise ist. Macht, Reichtum, Ansehen oder Stellung ... nichts davon interessierte Bil ... zu keiner Zeit."

Fili bleibt stehen, die Hände auf dem Rücken übereinandergelegt und sieht zu ihr hinunter und die unverhüllte Fassungslosigkeit angesichts der Veränderung ihres Sohnes innerhalb weniger Monate schmerzt geradezu. „Amad ... bitte ... lass dir von uns erzählen weshalb Thorin Bil auserwählte und was sie für beachtenswerte Leistungen erbrachte ... allein aus Liebe zu ihm", versuche ich die angespannte Situation zu lösen und ein Umdenken heraufzubeschwören. Und als sie schweigend nickt, beginnen wir zu berichten ... über schreckliche Gefahren und beispiellosen Mut, qualvolle Kämpfe, führsorgliche Handlungen, Hoffnung in der Hoffnungslosigkeit und dem Erblühen einer Liebe, die so stark ist, dass sie sogar den Tod besiegte.

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Nachdenklich beobachte ich zusammengekauert im Sessel seiner Großmutter sitzend das flackernde Spiel der Flammen im Kamin, während das aufgeschlagene Buch in meinem Schoß schon lange keine Beachtung mehr genießt. Nur allzu oft sehe ich den befürchteten, ungeschönten Argwohn mir gegenüber in Dís' Augen aufblitzen. Am Anfang wurde er noch glänzend überstrahlt von Wiedersehensfreude, Erstaunen und Fassungslosigkeit ob der Erneuerung des Reiches, das sie einst überstürzt und mit Nichts mehr als ihren Kleidern am Leib als kleines Mädchen verlassen musste. Aber je sicherer sie ihre hohe Stellung als eine Prinzessin aus Durins Volk einnimmt, je alltäglicher gewaltige Hallen, prächtige Statuen, Kostbarkeiten, Wohlstand und Familienglück werden, umso intensiver scheint mein Platz im Leben ihres einzigen noch lebenden Bruders sie zu beschäftigen. Denn die verschleierte Missbilligung in Thorins Arbeitszimmer blieb bei Weitem nicht die einzige und mitunter werden sie sogar auffälliger. Sie beobachtet mich genau ... abwägend und bewertend ... jeden Schritt, jedes Wort, jede Tat ... und mit jedem neuen Tag verzweifle ich mehr unter ihrem Argwohn.

Dáin billigte mich dereinst, aber ich glaube, der Ausgang der unmittelbar bevorstehenden Schlacht war einfach zu ungewiss, um sich Gedanken über den zukünftigen Verbleib eines Hobbits an der Seite seines hohen Königs zu machen. Eine richtige Akzeptanz erreichte ich erst durch die Teilnahme am Gefecht und die Prokura-Herrschaft in Zeiten der Not. Eine harte und mit heißem Blut, klebrigen Schweiß, schmerzlichen Verlusten und unstillbaren Tränen erarbeitete Gutheißung, die ich mir nicht noch einmal erkämpfen will.

Allerdings weiß ich auch nicht, wie ich ihre Bedenken mir gegenüber entkräften kann. Thorin und ich haben in Anwesenheit von Freunden und Familie niemals ein Geheimnis um unsere Liebe gemacht. Wir zeigten sie stets offen und tun dies auch weiterhin, sodass eine Anzweiflung dieser das Misstrauen nicht steigern könnte. Auch überlade ich mich noch immer nicht mit Schmuckstücken oder kostbaren Kleidern, sodass der Anschein erweckt werden könnte, ich bin nur an Macht, Stellung und Reichtum interessiert. Einzig die Teilnahme an den Ratssitzungen, die nun regelmäßig zu den Aufgaben des Königspaars zählen, lasse ich nicht tatenlos verstreichen. Gemeinsam mit Thorin treffe ich Entscheidungen und nehme meinen Regierungsauftrag ernster, als sie es vielleicht gerne sieht. Aber dennoch habe ich manchmal das Gefühl, all das ist es nicht wirklich, was ihre Skepsis zu einer lodernden Flamme schürt.

„Majestät?" Nur langsam dringt die noch immer leicht zurückhaltende Stimme in die bedrückenden Gedanken vor und als ich blinzelnd aufsehe, steht Breda vor mir, die junge Zwergin, die Ori mir als Kammerzofe empfahl. Der Ausdruck in ihrem hübschen Gesicht ist eine Mischung aus Liebenswürdigkeit, Unsicherheit und ... Unruhe ... und dann erahne ich, dass sie mich anscheinend schon eine ganze Weile versuchte zu erreichen. „Majestät, darf ich Euch noch etwas bringen?", fragt sie mich, die Sorge auch in der stockenden Frage nicht verheimlichen könnend. Ich lächle sie eilends beruhigend an. Sie ist so ein bezauberndes, scharfsinniges und aufgewecktes Mädchen. Eine Wohltat nach Monaten in der direkten Gesellschaft von rauen Männern und in den wenigen Wochen bereits zu einer innigen Vertrauten geworden.

„Nein Kind, du kannst dich zurückziehen", antworte ich ihr, mit aller Kraft darum bemüht, dass die belastenden Beschäftigungen nicht die Stimme niederdrücken, aber sie sieht mich dennoch anhaltend voller Sorge und mit traurigen Augen an. „Erlaubt mir, offen zu Euch zu sprechen, Majestät", bittet sie schließlich und ich nicke nur als Einverständnis. „Verzeiht der Herrin Dís ihre Worte und Taten und belastet nicht Euer gutmütiges Herz damit. Eigentlich ist sie eine liebenswürdige Person, voller Hingebung zu Seiner Majestät und ihren Söhnen", beginnt sie einnehmend und kniet sich vertrauensvoll zu mir hinunter, sodass ich direkt in die Smaragdaugen blicken kann. „Einst, ich war noch nicht lange in den Dienst der Familie gestellt, da ersuchte der Herrscher der Feuerbärte Seine Majestät um die Vermählung mit seiner ältesten Tochter. Sie war wunderschön, freundlich und belesen, eine wahrhaftige Bereicherung für das Haus der Langbärte. Aber der Herr ... ich hoffe, sie verzeihen mir, dass ich sie damals belauschte ... lehnte strikt ab, ungeachtet der Einwürfe seiner Schwester. Die Herrin wünscht sich nichts mehr, als dass er glücklich wird. Allerdings, sie ist misstrauisch und fühlt sich höchstwahrscheinlich übergangen. Ich glaube, es stört sie nicht, dass Ihr einem fremden Volk angehört ... aber sie versteht den plötzlichen Sinneswandel ihres Bruders nicht und denkt, Ihr habt Euch Vertrauen und Zuneigung ... seht mir den Ausdruck nach ... erschlichen."

Ich sehe sie gefühlvoll und anerkennend für die erklärenden Worte an, mit Tränen aus Gram und Rührung in den Augen, da mein Schmerz sie ebenfalls so zu belasten scheint. „Ich danke dir, mein Kind ... sei versichert, ich hege keinen Groll gegen die Herrin Dís und deine Erläuterung hilft mir sie zu verstehen", sage ich leise und streiche beruhigend über die weichen, roten Locken. „Die Dienerschaft hat bereits erkannt, dass Ihr Seine Majestät glücklich macht. Fenna, die ihn bereits seit Kindstagen kennt, erzähle, dass sie es in seinen glänzenden Augen sieht, wenn er Euch betrachtet und an seinem Lachen, das seit Langem nicht mehr so freudestrahlend und losgelöst von allen Sorgen war."

Ich lächle das mir so unglaublich vielbedeutende Vertrauen anerkennend und danke ihr noch einmal für den Zuspruch, denn mein Herz scheint dadurch um wenigstens einige Felsbrocken Schmerz erleichtert. Breda erhebt sich ebenfalls mit einem wieder glücklichen Lächeln und streicht die Schürze ordentlich zurecht. „Ach, ich hätte doch noch eine Aufgabe für dich", beginne ich plötzlich und reiche ihr das Buch, dass sie mir mit verwundert-großen Augen abnimmt. „Bring es bitte mit Dank zurück zu Ori, ich habe darin gefunden, was ich suchte. Danach kannst du dich, gerne mit ihm zusammen, zurückziehen." Sie schmunzelt beschämt und bezaubernd leicht errötend und knickst untertänig meinen Befehl annehmend.

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Durch die Unterstützung der vielen geschickten Hände der Zwerge aus den Blauen Bergen, wächst und gedeiht Thal in den nächsten Wochen zusehends und Thorin erzählt mir mit Glanz in den Augen, dass es stellenweise noch prächtiger aussieht als damals. Die Dächer und Fassaden strahlen in wunderschönen kräftigen Farben, bunte Banner mit zwei gekreuzten Pfeilen wehen im Wind, auf die gepflasterten Straßen und großzügigen Höfen kehrt das Leben und Gelächter zurück, genauso wie in die Hallen des Erebors. Mit einer unglaublichen Geschwindigkeit wird das Königreich unter dem Berge wiederaufgebaut. Und hätte ich nicht gesehen, wie nur zwei Handvoll müder und abgekämpfter Zwerge innerhalb weniger Stunden einen ganzen Wall inklusive gewundener Treppe und Wehrgang aufschichten konnten, ich würde noch immer in Verwunderung erstarrt sein. Bald schon brennen die Schmelzöfen wieder, die Luft ist erfüllt von dem beständigen Klang der Hämmer und täglich werden unvorstellbare Mengen an Gold, Silber, Edelsteinen und Diamanten aus dem Gestein geschlagen. Zum Ende des Frühlings hin durchqueren die ersten Handelsreisenden unsere Lande und auf den Feldern gedeihen die Getreidefelder und kräftigsten Pflanzen aus dem Waldlandreich und verwandeln Smaugs Einöde in ein farbenprächtiges Naturschauspiel.

Bald darauf wird Bard von den Menschen, die von nun an in Thal leben und sich fortan stolz die Bardinger nennen, zu ihrem König gekrönt. „Wir haben Euch viel zu verdanken ... Fassflößer ... Bogenschütze ... Drachentöter ... und nun König Bard, der Erste seines Namens. Das starke und mutige Blut Eurer Linie fließt in Euren Adern", beglückwünscht Thorin ihn bei seiner eher schlicht gehaltenen Krönungsfeier und ich darf ein ganz besonderes Geschenk überreichen. Einen Harnisch, kunstvoll gefertigt aus 500 grünschimmernden Smaragden. „Diese Rüstung wurde von uns vor über 170 Jahren für den Erben Girions geschmiedet und ging unter der Schreckensherrschaft von Smaug verloren", beginnt Thorin ehrfurchtsvoll. „Soll sie von nun an ein Erbstück Eurer Linie sein und Euch und Eure Nachfahren vor allen Gefahren schützen." In Bards Augen kann ich die gewaltige Bedeutung dieses Geschenks für ihn erkennen und er dankt uns mit Tränen der Rührung in ihnen.

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undad ra uzbad – großer Bruder und König

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