Kapitel 8-2

„Ihre Leute befinden sich also in diesem Quadranten?" Lee fuhr mit dem Zeigefinger über einen Abschnitt der projizierten Karte, der noch weiß gefärbt war.

Viktor nickte. „Da waren Sie noch nicht, was?"

„Nein, das befindet sich zurzeit noch außerhalb unseres Tätigkeitsbereichs. Aber es dürfte keine Umstände machen die eine oder andere Sonde dorthin zu schicken, um die Lage auszukundschaften."

„Sie wären also interessiert, unsere Leute da rauszuholen?"

Lee setzte sich hinter seinen gläsernen Schreibtisch und faltete die Hände vor dem Gesicht. „Wir können Verstärkung gut gebrauchen. Mir fehlen die Männer für einige gewichtige Operationen. Wie viele befinden sich im Moment dort unten?"

„Zu unserer Abreise waren es rund zweihundert Wache und ein paar Hundert weitere im Kryoschlaf."

„Aber Sie befürchten, dass die Basis bald überrannt wird?"

„Uns fehlen die Techniker, um unsere Anlagen zu warten. Die Stromversorgung wird nicht mehr lange halten, dann haben wir ihnen praktisch nichts entgegenzusetzen. Davon abgesehen verfügen wir nicht über die benötigte Waffentechnologie, um sie effektiv zu bekämpfen."

„Dann werde ich gleich morgen ein Team zusammenstellen lassen, das die Bergung der Menschen sicherstellen wird."

„Ich bin überrascht, dass sie dem so einfach zustimmen." Viktor nahm einen Zug aus dem für ihn bereitgestellten Glas und fixierte Lee mit nachdenklichem Blick. Dieser richtete sich auf und machte ein paar Schritte zu der metallverkleideten Wand. Per Knopfdruck ließ er den metallenen Vorhang ein Stück zur Seite rücken, wohinter eine verglaste Außenwand sichtbar wurde. Viktor spürte regelrecht, wie die heiße Mittagshitze dem Admiral entgegenbrannte.

„Ihr frühzeitiger Aufbruch hierher hat bei der NAL nicht unbedingt freudige Erregung ausgelöst – das ist wahr. Aber ich denke, das liegt einfach daran, dass sie lieber sich selbst als die Verantwortlichen für die Lösung des Lilim Konflikts sähen."

„Sie dichten Ihrem eigenen Volk gerade eine gewisse Egozentrik an."

„Viktor, Sie sind doch Arzt, oder? Wenn ein Patient im Sterben liegt und Sie die Hilfe eines anderen benötigten, würden Sie dann nicht auch auf den persönlichen Ruhm zugunsten dessen verzichten?"

Viktor sagte nichts dazu, worauf Lee fortfuhr. „Wir haben alle das Ziel, die Erde zu retten. Bevor wir nur des Ruhmes willen diese Sache alleine durchziehen, verbünde ich mich lieber, als am Ende zu versagen."

„Man merkt Ihnen an, dass Sie kein Politiker sind."

„Ich spreche die Dinge lieber direkt an, statt mich in Dummschwätzerei zu vertiefen."

„Gute Einstellung." Viktor hob sein Glas, um mit Lee anzustoßen. Dieser prostete ihm zu und trank aus.

Das Lächeln des Admirals gefror kurz darauf zu einer Maske. Sein faltiges Gesicht füllte sich mit zusätzlichen Runzeln, Schweiß perlte schlagartig von seiner Stirn ab, als wäre er kilometerweit gelaufen. Er versuchte sich an der Tischkante festzuhalten, aber seine kraftlose Hand versagte ihm den Dienst. Viktor schritt um den Schreibtisch herum und sah zu ihm herunter.

„Wissen Sie Lee, das tut mir wirklich leid. Aber Eden macht keine Kompromisse."

„Sie gehören zu Willingstons Leuten?", brachte Lee schwerfällig hervor.

„Schön, dass Sie diese Erkenntnis noch miterleben können. Ich will Ihnen noch einen kleinen Ausblick auf die Zukunft geben", sagte Viktor.

Er gab einen Befehl in die Tastatur auf dem Schreibtisch ein, worauf ein holografisches Display vor ihm erschien.

„Was tun Sie da?!"

„Ich präventiere, dass irgendjemand anders ähnliche Pläne wie Sie durchführt."

Lee brachte es mühsam fertig, sich auf einen Ellbogen zu stützen und musste mit ansehen, wie Viktor einen Raketenabschuss bereit machte.

„Selbst wenn sie meine Karte benutzen, Ihnen fehlt der Zugangscode!"

Viktor lachte höhnisch. „Zugangscode? Ich bitte Sie, dieses Schiff wurde von Eden gebaut." Er nahm seine eigene Magnetkarte hervor, die denen der Stationsmitglieder ähnelte. Dadurch erhielt er uneingeschränkten Zugang auf das System.

„Nett von Ihnen, dass Sie in ihrem Sicherheitswahn eine Abschussbasis für derartig große Geschütze aufstellen ließen."

„Willingston wird das nicht einfach so gegenzeichnen", beharrte Lee.

Viktor betrachtete abwartend das Display. Tatsächlich musste selbst er darauf warten, dass der Befehl von anderer Seite bestätigt wurde.

„Ich denke doch – immerhin war es seine Idee."

Lee schloss die Augen. So musste er nicht mehr den Countdown beobachten, der dem Abschuss vorausging.

Ohne der Leiche des Admirals weitere Beachtung zu schenken, setzte Viktor sich in dessen Sessel. Während der Countdown seelenruhig ablief, verschaffte er sich über die Überwachungskameras einen Überblick über die Station. Auf einer Unzahl von Displays konnte er praktisch alles auf einmal sehen. Sein Blick blieb ungefähr in der Mitte hängen, wo er David und Nami miteinander reden sah. Er fokussierte auf den entsprechenden Schirm und ließ sich das Gespräch von Anfang an wiederholen. Als die beiden sich wieder trennten, tippte er unruhig mit dem Finger auf den Glastisch.

„Wusste doch, dass in ihr eine kleine Rebellin steckt." Ein Lächeln schlich sich in sein Gesicht. Bibi war gerade in der Nähe von Lees Büro. Er klopfte dem Admiral noch mal auf die Schulter. „Machen Sie sich keine Sorgen, Ihre geschätzte Erde wird gerettet werden. Wir leiten die Operation – ohne die Hilfe von anderen."

Kaum war er ein paar Schritte aus dem Büro heraus, da lief er dem Gesuchten auch schon über den Weg. Bibi schien in Gedanken vertieft und nahm zunächst gar keine Notiz von ihm.

„Hey mein Freund, was gibt es Neues?"

Bibi haderte mit seiner Antwort.

„Hast du herausgefunden, was mit deiner Vorgesetzten los ist?", setzte Viktor nach.

„Die hat sich ..." Er senkte die Stimme. „...von dem Chip im Kopf befreit."

Viktor legte den Kopf schief und tat überrascht. „Tut das nicht weh?"

„Ich glaub schon."

„Hast du sie gefragt warum?"

„Hab sie noch nich' getroffen. Aber ist, glaub ich, auch keine so gute Idee."

„Wieso?"

Bibi sah sich in alle Richtungen um. Dann ging er mit Viktor in eine Nische etwas abseits, wo er sich wohl unbeobachtet fühlte. „Die wollen uns umbringen. Weißt schon, Leute wie mich."

„Davon habe ich gehört."

Bibi sah ihn erstaunt an. „Wie kann das sein?"

Viktor deutete auf das Büro von Lee. „Ich war gerade da drinnen, um wegen unserer Leute zu reden. Lee meinte, dass sie sie gerne retten würden. Aber da so wenig Platz in der Basis wäre, würden sie zunächst einmal etwas ausmisten ..."

„Die wollen uns durch die Leute von der EAU ersetzen?!"

„Ich darf dir das eigentlich nicht sagen, aber immerhin hast du uns damals gerettet."

Bibi schluckte schwer. „Also stimmt das Ganze ..." Dann schien ihm ein anderer Gedanke zu kommen. „Aber wenn sie sich ihren Chip entfernt hat, dann will sie damit vielleicht nichts zu tun haben!"

Viktor schüttelte nachsichtig den Kopf und klopfte ihm auf die Schulter. „Das macht sie wegen David. Die beiden verstehen sich ganz gut – falls du verstehst, was ich meine. Aber der Computer hat ihr scheinbar eine tiefer gehende Sache mit ihm verbaut."

„Ach darum ging's ..." Bibi ließ die Schultern hängen. „Was mach' ich nu'?"

„So wie ich das sehe, ist hier genug Platz für alle. Die wollen euch nur aus einem Vorwand heraus eliminieren, weil sich diese Psioniker vor euren Fähigkeiten fürchten. Leg deine Vorgesetzte einfach um, das wird ein Zeichen setzen."

„Wie soll ich das machen?"

„Tu es, wie sie es planten. Lass es einen anderen für dich tun." Er reichte ihm einen fingerkuppengroßen Sender.

„Was ist das?"

„Damit lockt man Lilim an. Du musst ihn nur auf der Rückseite aktivieren und dort anbringen, wo du die Biester haben willst."

Bibi verzog missmutig das Gesicht, weswegen Viktor ihm beruhigend den Arm tätschelte. „Ich weiß, das ist jetzt schwer für dich. Ich bin auch erschüttert darüber, wie hier mit menschlichem Leben umgegangen wird. Aber du kannst hier lebend rauskommen."

„Wie soll ich es anstellen?"

„Warte darauf, dass sie zu dir kommt. Die exekutieren euch nicht hier, das würde nur Probleme machen. Sie werden euch aus der Basis herausbringen und es wie einen Unfall aussehen lassen."

„Die nächsten MG Missionen. Das hat ihr Chip auch ausgespuckt!", sinnierte Bibi.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top