Kapitel 6-3
Nami wusste nicht mehr, wie lange sie im Bett gelegen hatte. Über ihr brannte die Sonne durch das Glasdach. Die stetige Energiezufuhr vermochte sie nicht zu trösten. Irgendwann wurde es dunkler draußen. Schwere Regentropfen prasselten auf das Dach und sie entschied, sich anzuziehen. Sie wählte eine weite Robe, die ihre Konturen verhüllte. Ihre Kluft war schwarz, wie ihre Gedanken. Nami wollte nach draußen gehen, eine Mahlzeit einnehmen. Es war Zeit, dem gewohnten Gang ihres Lebens zu folgen. An der Tür blieb sie stehen, betrachtete das Display. Sie hatte ihr Beatmungsgerät vergessen. Hier herrschten weit über neunzig Prozent Sauerstoff. Kein Wunder, dass David einen derartigen Gefühlsausbruch erlitten hatte. Sein Herz musste gerast, ihm einen gewaltigen Adrenalinausstoß beschert haben. Wahrscheinlich hatte auch das die Wahnvorstellung von Liebe in ihm hervorgerufen.
Über den Regler senkte sie die Sauerstoffkonzentration. Die Rotoren an der Decke begannen lautstark zu kreisen, um der raschen Änderung gerecht zu werden. Schon bei achtzig Prozent fühlte sie, wie ihr Atem schneller ging. Sie war eine Aussätzige – die Einzige, an der man dieses irrsinnige Experiment durchgeführt hatte. Und zu welchem Zweck? Nachts musste sie ohnehin Schutzkleidung tragen und tagsüber konnte man der Hitze wegen nicht nach draußen. Ständig dieses Gerät in ihrem Mund. Sie war ein Spielball, von Anfang an nur ein Spielball gewesen. Siebzig Prozent. Ihr Atem verwandelte sich in ein Keuchen. Sie senkte den Gehalt weiter, ging dabei langsam in die Knie. Der Einfluss des Chips legte sich immer mehr, war nicht mehr haltbar für ihren Körper, der sich auf das nackte Überleben konzentrierte.
Das Display vor ihrem Gesichtsfeld schwand. Leben! Der Gedanke brannte sich in ihr Gehirn, kam aus ihr selbst, ein urtümliches Verlangen ihres unbeeinflussten Seins. Mit weit aufgerissenem Mund versuchte sie am Leben zu bleiben, aber es war einfach zu wenig. Sie griff sich an den Hinterkopf, zwang sich ihre Gedanken zu konzentrieren. Ihre psionischen Kräfte erspürten die Elektronikkomponente unter dem Fleisch. Sie wollte einfach nur sie selbst sein! Schmerz, gedämpft durch ihre schwindende Wahrnehmung. Wie von weit entfernt hörte sie ein schmatzendes Geräusch. Sie führte die Hand vor ihre sich schließenden Augen. Blut glänzte auf ihr, inmitten dessen ein goldenes Werkstück. Der Chip. Ein Lächeln schlich sich in ihre Züge, selig, erlöst. Sie senkte den Kopf zur Seite. Schlaf - sie brauchte jetzt dringend etwas Schlaf. Von ihrem Hinterkopf aus lief weiter das Blut, tränkte ihr Haar und verteilte sich auf dem glatten Boden. Sie konnte die Wärme noch spüren, als es an ihrer Wange entlangglitt. Dann verlor sich das Gefühl und wurde von einer unendlichen Leere ersetzt. Nami schloss entspannt die Augen.
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