• 4.4 •


Ächzend erhob sich Blaubeerherz auf ihre Pfoten. Sie musste fliehen, jetzt! Das war womöglich ihre einzige Chance, aus den Fängen des DonnerClans und ihres Vaters zu entkommen.

Bereits nach wenigen Schritten, gestützt von dem kleinen Schüler, den man zu ihr hineingeworfen hatte, zitterten ihre Beine vor Schmerzen. Die Jungen traten wild um sich, ließen ihr keinen Mäuseherzschlag zum Ausruhen und Aufatmen.

Trächtig sein war wirklich fuchshirnig.

Ein Kreischen ertönte von draußen und sie beeilte sich. Ein Einzelläufer war zu ihnen gekommen, hatte miaut, sie sollten rennen, solange sie konnten. Und die anderen befreien.

Wer auch immer diese anderen waren.

Eulenpfote jaulte: „Schneller! Zedernstern wird sicher nicht lange brauchen, um sich zu erholen!", und die graugetigerte Königin hastete weiter, nun über eine regennasse Lichtung voller kämpfender Katzen.

Erstaunt erkannte sie einige ihrer alten FlussClan-Kameraden unter den Kriegern, die nun in das Lager einfielen.

Ein Fauchen aus dem Bau neben ihnen ließ sie herumfahren. Dichte Dornen versperrten den Eingang und ein zerkratzter, blutender Kater stromerte dahinter herum.

„Ich bin Himmelpelz aus dem WolkenClan. Könnt ihr die Dornen ein wenig beiseite schieben? Das würde schon reichen, dann käme ich durch und könnte helfen."

Sofort stürzte der Heilerschüler zu ihm, riss die spitzen Ranken beiseite und der Krieger schlüpfte heraus. Blaubeerherz konnte nicht mehr. Erschöpft sank sie zu Boden, doch bevor sie sich hinlegen konnte, stützten sie zwei Körper.

„Wir", Himmelpelz atmete schwer, „lassen dich nicht im Stich. Silbernstern würde sicher nicht davor zurückschrecken, ihre eigene Tochter umzubringen. Selbst, wenn diese Junge trägt. Und Zedernstern ist unter Dunkelkralles Einfluss ebenfalls alles zuzutrauen."

Die Kätzin schnurrte, unendlich dankbar, dass es doch Katzen gab, denen ihr Leben etwas wert war.

Der Weg durch den Wald war anstrengend, immer wieder musste die Heilerin Himmelsflocke, die Zedernstern aus dem WindClan hatte entführen lassen und die von einem Kater des DonnerClans schwer verletzt worden war, Rast machen. Blaubeerherz ging es nicht besser.

Himmelpelz und Eulenpfote versuchten, sie zu unterstützen, doch auch, als sie den Kampflärm hinter sich gelassen hatten, konnte keiner von ihnen genug Ruhe dafür aufbringen.

Sie wurden verfolgt.

Und alle vier wussten es.

Blaubeerherz konnte nur noch an Abendlicht und Hummelpfote denken. Was würde geschehen, falls sie heute starb? Würden sie aufgeben und ihr nachfolgen? Würde Hummelpfote, ihre kleine, süße, liebenswerte Hummelpfote wahnsinnig vor Trauer werden?

Sie wusste es nicht und sie hatte Angst, Angst davor, was geschehen würde, Angst, dass sie den Tod ihres wundervollen Gefährten oder ihrer Tochter nicht verkraften könnte.

Endlich konnten sie die wogenden Fluten des Rubin sehen. Das Wasser stand hoch, sicher hatte Silberstern jetzt bereits den FlussClan evakuiert. Schaum tanzte auf den Wellen, die vom Wind nur noch höher gepeitscht wurden.

Sobald sie aus dem Schutz der Bäume traten, prasselten dicke Regentropfen auf ihre Pelze und sie wurden von starken Böen weggedrückt.

„Wir haben keine Wahl! Wir müssen durch den Fluss!", jaulte Blaubeerherz ihren Begleitern zu und kämpfte sich bis zum Ufer vor.

Ihre Glieder zitterten vor Anstrengung und ihr graues Fell klebte ihr am Körper.

Ihr dicker Bauch stach hervor und jedes Meisenhirn konnte erkennen, dass sich wenige Minuten später eine hochträchtige Königin in den Rubin stürzte, strampelte, verzweifelt versuchte, sich über Wasser zu halten.

Das kalte Wasser drängte sie hinunter, die Wellen überspülten sie, drückten ihren Leib wie in einer Walze hinunter.

Die Kätzin spürte bereits, wie ihr die Luft, der lebensnotwendige Sauerstoff ausging.

Da packte sie jemand am Nackenfell, zog sie hinauf, in Richtung Ufer. Welches, wusste sie nicht.

Eine zweite Gestalt gesellte sich zu ihrem Retter in die tödlichen Wassermassen.

Ein kleinerer, dunkelgrauer Körper.

Mit vereinten Kräften durchbrachen sie die Wasseroberfläche. Blaubeerherz schnappte nach Luft und ließ sich widerstandslos zum Ufer ziehen.

„Blaubeerherz. Bitte, sei nicht tot. Du darfst nicht tot sein, bitte!"

Abendlicht? Nein, das konnte nicht sein.

Die Dunkelheit, die sie zu umfangen drohte, fühlte sich so warm und geborgen an und die junge Königin wollte sich ihr hingeben, sie annehmen.

Da presste sich eine kleine, nasse Katze in ihre Seite und die Düsternis, die sie fast verschlungen hätte, wich mit einem Schlag.

Sie hustete, keuchte.

„Hummel?", war das einzige, was sie herausbringen konnte. Mit einem erstickten Wimmern drückte sie ihre Schnauze in das Fell ihrer Tochter.

Hummelpfote lebte. Abendlicht lebte.

Sie beide lebten. Ihre Jungen traten mit aller Macht gegen ihre Bauchwand. Sie alle lebten und würden leben.

Aber was war mit Eulenpfote, der ihr so tapfer geholfen hatte, Himmelpelz, der so viele Schläge für sie eingesteckt hatte? Himmelsflocke, auf die der WindClan angewiesen war?

„Abendlicht? Hummel? Ihr müsst ihnen helfen. Sie können nicht schwimmen."

Schon war ihr Gefährte fort. Sie wusste, er würde ihnen helfen. Hummelpfote sah Blaubeerherz mit großen, grünen Augen an und wimmerte leise.

„Bitte, er braucht dich. Ich liebe dich über alles, Hummel. Du schaffst das, ich glaub an dich."

Blaubeerherz wusste, Hummelpfote würde danach sehr anhänglich und noch ängstlicher als vorher sein, aber es war notwendig.

„Sonst sterben sie wie Schneehummel."

Mit neuer Motivation sprang die Schülerin in den Rubin und kämpfte sich durch die Fluten. Himmelsflocke war die erste, die sie hinüberbrachten.

Die Heilerin atmete nur schwach und war kaum noch bei Bewusstsein. Vorsichtig schmiegte sich die Graugetigerte an sie und versuchte, das bisschen Körperwärme zu erhalten, das ihr Körper noch produzierte.

Himmelpelz hatte bereits aufgegeben. Blut sickerte aus einem Riss in seiner Kehle und färbte die schlammfarbene Brühe, die der Fluss wurde, rot.

„Dunkelkralle", knurrte Abendlicht nur wütend und kam wenig später mit einem etwas lebendigeren Eulenpfote aus dem Rubin.

„Blaubeerpfote? Wie geht es dir?"

Der hellbraune Kater miaute vorsichtig, als sei sie ein Vogelküken kurz vor dem Schlüpfen.

Sie blickte ihn an und sah eine unendliche Müdigkeit in seinen Augen, die nur eben jene Katzen besaßen, die in ihrem Leben schon zu viel erlebt hatten.

Abendlicht. Hummelpfote. Sie selbst. Und auch Eulenpfote.

„Mir geht es gut, mein Kleiner. Mein Name ist übrigens Blaubeerherz, schon seit einigen Monden."

Sie fuhr ihm mit der Zunge über den Kopf, versuchte, sein Fell wenigstens ein wenig zu trocknen. Er war Hummel so ähnlich und sie wusste, er würde genauso viel Zuneigung benötigen, bevor er sich öffnete.

Das Ziehen in ihrem Bauch blieb unbemerkt, als sie ihre zwei Jungen sanft in Richtung Sternenfall lotste. Abendlicht schnurrte leicht.

Sie konnte nicht von ihrer Hummel und ihrem Eulenküken ferngehalten werden, das wussten sie beide.

Der kalte Blattfallregen hatte die Steine heruntergekühlt und als die Königin den ersten Ballen darauf setzte, fuhren Schmerzen von ihren Pfoten bis hinauf in ihre Schultern.

Sie krachte zusammen und wimmerte voller Qualen auf.

„Blaubeerherz!"

Abendlicht war sofort an ihrer Seite. Sein Schweif peitschte unruhig hin und her, seine Augen waren schreckerfüllt aufgerissen.

„Meine Pfoten vertragen die Kälte nicht, Abendlicht, das ist alles."

Er wirkte nicht überzeugt und auch die Königin war es nicht, zog es doch gerade unwohl in ihrem Bauch.

Ihre Jungen waren auf dem Weg.

Sie wusste es ganz genau, der selbe Instinkt, der ihr auch sagte, sie musste schleunigst ein warmes, trockenes Nest finden.

„Schwarzwasser." Sie brauchte Schwarzwasser.

Abendlicht würde wissen, was sie meinte, da war sie sich ganz sicher. Wenn er es nicht tat, musste er von einem Geist oder einem SternenClan-Krieger besessen sein.

„Schwarzwasser, Abendlicht. Bitte. Ich brauche ihn."

Ihr Gefährte starrte sie kurz besorgt an, verzog dann seine Schnauze zu einem winzigen Lächeln, fuhr mit seiner Zunge über ihr Ohr und jagte davon.

„Wir müssen zur Sternenhöhle. Mir ist egal, was der SternenClan sagt, ich brauche einen trockenen Ort."

Eulenpfote, Himmelsflocke und Hummelpfote sahen auf. Sie hatten Himmelpelz getragen und gleichzeitig die Heilerin gestützt, die gerade erst wieder bei Bewusstsein war.

„Meine Jungen wollen nicht länger warten."

Der Heilerschüler sah sie besorgt an, doch sie schüttelte den Kopf.

„Macht euch um mich keine Sorgen. Wir müssen nur da dran", sie deutete mit ihrer Schwanzspitze auf den Sternenfall, der wild und unkontrolliert die Schlucht hinunterstürzte, „lebendig vorbeikommen."

Hummelpfote wimmerte und Blaubeerherz schnurrte beruhigend, wurde aber unterbrochen, als ihr Bauch sich schmerzhaft zusammenzog und sie selbst erstickt aufjaulen musste.

Sie krümmte sich zusammen. Es tat so weh!

Nach einer Weile ebbten die Qualen wieder ab und mit zitternden Pfoten schaffte sie es, am Sternenfall vorbei in die Sternenhöhle zu tappen.

Doch was sie erwartete, ließ sie hoffnungslos werden. Selbst in der Höhle stand das Wasser einen Mäuseschwanz hoch und es würde sicherlich noch steigen. Nur wenig Moos war trocken geblieben.

Nur eine einzelne, höher gelegene Ecke, gut einen Fuchsschwanz hoch über dem geschwemmten Boden, schien noch trocken.

„Komm, suchen wir dir einen anderen trockenen Ort."

Schwarzwasser war angekommen. Endlich.

Schnell eilte Abendlicht an ihre Seite und leckte ihr besorgt über die Wange.

„Alles gut?", miaute er in ihr Ohr und fuhr sanft mit seinem Schweif über ihren Rücken. Sie neigte nur kurz den Kopf und tappte dann zum Ausgang zurück.

Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf die, die sich vor ihr aufgebaut hatten.

„Na, Blaubeerpfote, du wolltest doch etwa nicht fliehen, oder?"

Zedernstern mit einer zornigen Jasminhimmel im Schlepptau, Dunkelkralle direkt dahinter. Erschrocken fuhr Blaubeerherz zurück und stolperte fast über ihre eigenen Pfoten.

Schon stand Abendlicht mit aufgestelltem Fell und gebleckten Zähnen vor ihr und schirmte sie, Hummelpfote und Eulenpfote vom unberechenbaren DonnerClan-Anführer ab.

„Du wirst weder meiner Gefährtin noch meinen Jungen irgendetwas tun. Tu, was immer du hier mit Jasminhimmel vorhast, aber lass sie am Leben und uns in Ruhe, verstanden?"

Zedernstern gluckste leise und miaute dann heimtückisch: „Aber, aber, Abendpfote-"

Abendlichts Schweif peitschte zornig hin und her.

„Mein Name ist Abendlicht. Und Hummelpfote, Eulenpfote und Himmelsflocke gehören genauso zu meiner Familie wie Schwarzwasser und Blaubeerherz, die meine Jungen in sich trägt. Also verschwindet."

Stolz und Liebe erfüllten jede Zelle von Blaubeerherz' Körper. Der hellorangene Krieger hatte sich unglaublich verändert, seit sie sich das erste Mal eingestanden hatte, dass sie in ihn verliebt war.

Er war schüchtern gewesen, hatte versucht, den Verrat seiner Mutter Glutwind zu überwinden und war in jedes mögliche Kaninchenloch getappt.

Doch nun war er ein starker Kater, ihr bester Freund, ihre große Liebe. Sie trug seine Jungen, ihre Jungen in sich.

Blaubeerherz würde das mit ihrem Leben verteidigen, wenn nötig.

Endlich zog Zedernstern ab und sie wandelte wie im Traum zum Ausgang der Höhle.

Sie waren eingeschlossen.

Das Wasser war zu stark gestiegen, um auf trockenen Pfoten zum Schluchteingang zurückzulaufen.

Sie mussten schwimmen.

Eine weitere Schmerzwelle schoss durch Blaubeerherz' Bauch und für einige Mäuseherzschläge konnte sie nur aufjaulen.

„Wir müssen uns beeilen. Eine Schwerverletzte, eine Königin in den Wehen, das ist keine gute Kombination."

Schwarzwasser murmelte vor sich hin und schien sich einen Plan auszudenken.

„Ich-", miaute Hummelpfote schüchtern, „habe eine Idee."

Alle Augen richteten sich auf die junge Kätzin, die sich erschrocken hinkauerte. Eulenpfote bewies direkt, dass er ein außerordentliches Taktgefühl besaß.

„Hummelpfote, wir sind augenscheinlich ja jetzt Wurfgefährten, du kannst mir also einfach deine Idee ins Ohr flüstern und ich sage sie laut. Wie findest du das?"

Blaubeerherz sah nur einen kleinen, grauen Blitz und schon spürte sie etwas Druck an ihrer Flanke. Hummelpfote, ihre kleine, liebenswerte, süße Hummelpfote. Es war kein Wunder, dass sie ängstlich und überrumpelt war.

„Wir müssen nicht schwimmen. Es gibt einen geheimen Weg, aber ihr müsst uns schwören, dass ihr ihn niemandem verratet, in Ordnung?"

Alle starrten Schwarzwasser an, der selbst überrascht wirkte. Er schüttelte den Kopf und miaute nur verwirrt: „Ich habe nichts gesagt."

Eine geisterhafte Katze schwebte urplötzlich über Himmelpelz' totem Körper und Blaubeerherz erkannte eben jenen Kater, der für sie so viele Schläge eingesteckt hatte, dass er daran verblutet war.

„Himmelpelz, ich muss dir danken. Du hast mir vermutlich das Leben gerettet."

Der SternenClan-Krieger neigte wohlwollend seinen Kopf, knurrte dann aber mit einer Ernsthaftigkeit, die die Königin nie auch nur im Ansatz an ihm gesehen hatte: „Wir müssen jetzt los. In wenigen Fuchsherzschlägen wird euer Weg so weit überflutet sein, dass ihr nicht mehr dort entlang könnt."

Eulenpfote wollte gerade seinen Leichnam auf seinen Rücken nehmen, da verneinte der Kater dies mit einer deutlichen Geste.

„Der SternenClan kümmert sich darum. Wir müssen los."

Er führte sie alle hinaus, durch das Wasser, das gefährlich unter ihren Pfoten gluckerte, in einen unscheinbaren Gang hinein. Steil führte der Weg hinauf und Blaubeerherz lief voran, dicht hinter dem durchscheinenden Pelz.

Abendlicht stützte sie von hinten, während sie sich hinaufquälte. Mit einem erschöpften Keuchen kam sie oben an und spürte bereits, wie ihr schwindlig von der Anstrengung wurde. Schnell legte sie sich auf das Moospolster, das in der Höhle, in der sie ausgekommen waren, auf dem Boden lag.

Es war sauber und trocken, alles, was sie benötigte. Der Schwindel ließ nicht nach, erst, als sie mehrmals tief ein- und wieder ausgeatmet hatte, legte sich das Gefühl, das sich alles um sie herum drehte.

Hummelpfote stürzte zu ihr, schmiegte sich dicht an ihren Bauch, während Abendlicht seinen mächtigen Körper um sie herumwand.

Außer Schwarzwasser verließen alle aus Höflichkeit die Höhle und der junge Heiler schnurrte sanft.

„Du schaffst das, glaub mir, Blaubeerherz."

Schmerzwellen brachen über ihr herein, immer schneller, immer häufiger, und sie konnte nicht anders, als laut aufzujaulen.

Kurz, bevor das erste ihrer Jungen das Licht der Welt erblickte, schien der Welt der Atem zu stocken, denn eine braune Kätzin war nur einige Fuchslängen entfernt von der geheimen Höhle auf dem Schicksalsbaum erschienen.

Ihr Körper hatte sich verformt, ihre Schnauze war zu langgezogen für eine Katze, die Zähne zu lang und ihr Schwanz ähnelte eher einer Wolfsrute.

Die wolfsgleichen, silbernen Augen funkelten voll Mordlust.

Und unten auf der Oberfläche des Rubin trieb eine einzelne Blüte einer Silberdistel auf den unzähmbaren Wellen.

—~—

Ahoi!

Wie findet ihr es? 4.5 ist nicht mehr weit, 4.6 ist dann schon das letzte Kapitel... dann kommt noch der Epilog und das war's dann...
Irgendwie schade, dass es schon so bald vorbei ist... :(

Was sind eure Theorien für 4.5? Ich bin neugierig ^^

Falls ihr euch übrigens fragt, warum Himmelpelz sterben musste... Schwarzeisen muss passieren.

Schönen Abend euch allen,
Eure Kapitänin Wolke

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