• 3.1 •
Leise duckte Jasminhimmel sich, ihre Sehnen waren bis zum Zerreißen gespannt, die Ohren angelegt. Ihr Gegner würde schon noch aufgeben müssen.
Die Amsel pickte weiter seelenruhig auf dem Waldboden herum und ließ sich durch die schwarze Kätzin im Unterholz nicht beunruhigen. Diese schnaubte schon fast vor Lachen. Wie morbide konnte ein Tier bitte sein?
Der Vogel sprang nun ein paar Mäuselängen weiter und begann, einen dicken Regenwurm aus der Erde zu ziehen. Das war gut, sehr gut. So konnte sie sich besser anschleichen.
Vorsichtig setzte sie eine Pfote vor die andere, ihr Schwanz war kurz über dem Boden, dennoch so hoch, dass er nicht auf den Blättern schleifte.
Nur noch wenige Mäuselängen. Drei. Zwei. Eins.
Und sie sprang.
Und verfehlte.
Die Amsel war erneut davongekommen, war ihrer Jägerin entwischt, wie sie es heute bereits mehrere Male getan hatte. Man hätte meinen können, einen verletzten Vogel zu fangen, sei einfach, war es jedoch nicht.
„Verdammtes Biest. Dieses blöde Federvieh ist einfach zu schlau für mich."
Sie gab nach. Ihre Jungen warteten im Lager auf sie, sie konnte auf dem Weg immer noch einen Abstecher zum Rubin machen und einen Fisch fangen.
„Irgendwann krieg ich dich, verfedertes Ungeheuer. Du wirst schon sehen."
Sie fauchte wütend in Richtung des Beutetieres, was einfach weiter pickte.
„Pah. Fische sind sowieso besser."
Sie wusste genau, sie benahm sich wie ein beleidigtes Junges, aber diese Jagd hatte ihren Stolz mehr verletzt, als sie zugeben mochte.
„Jasmin? Bist du das etwa?"
Eine kratzige Stimme ertönte vor ihr und ein verfilzter, dunkelroter Pelz schob sich in ihr Blickfeld. Sie keuchte überrascht, als sie die ehemalige FlussClan-Kriegerin erkannte, die sich vor ihr aufgebaut hatte.
„Glutwind? Bist du es wirklich? Du hast dich verändert!"
„Ja, Kleine, ich bin es wirklich, und ja, ich denke, ich habe mich verändert."
Sie drückte besorgt ihre Nase ins Fell der älteren Kriegerin. Es stank nach Krankheit und Jasminhimmel wich zurück.
„Du bist krank. Komm mit ins Lager, wir können dir helfen!"
Glutwind lachte, doch es wurde schnell von bellendem Husten abgelöst. Ein feiner Blutregen fiel auf den von der Blattgrüne-Hitze ausgetrockneten Boden und sie verzog das Gesicht.
„Mach dir keine Sorgen, Jasmin. So geht es mir schon eine Weile. Einige Zweibeiner haben mich und ein paar andere Einzelläufer eingefangen und wir wären fast erstickt, hätten wir nicht so komisch riechendes Zeug eingeatmet. Deshalb geht es mir jetzt so schlecht. Ich bin die Letzte, die noch übrig ist. Der Rest ist schon daran gestorben."
Bestürzt blickte die schwarze Kätzin ihre Freundin an. Doch ihr trauriger Gesichtsausdruck konnte sich nicht lange halten, da sie schon bald begann, wieder vor Freude zu strahlen.
„Mein Name ist jetzt übrigens Jasminhimmel. Wir leben ein wenig den Fluss hoch in einem Übergangslager. Wenn du zu Besuch kommen willst, werde ich dich herzlich empfangen."
Die Dunkelrote sah sie prüfend an und schnippte ihre Schwanzspitze gegen die Schulter der Jüngeren.
„Ich weiß doch, wo der FlussClan lebt, Vogelhirn."
Die schwarzfellige Königin spürte, wie sich ein Kloß in ihrer Kehle formte. Sie vermisste ihre Clankameraden.
„Die uns vertrieben haben und dich töten würden. Wir sind nicht mehr die Krieger des Wassers. Wir sind nur noch Verbannte."
Jasminhimmel merkte selbst, wie ihre erst sanfte Stimme bitter wurde und kam nicht umhin, sich zu fragen, ob sie vielleicht Schuld gewesen war, dass sich der Clan getrennt hatte. Sie war doch immerhin neu gekommen?
Plötzlich ertönte ein lautes Fauchen und Glutwind wurde von einem großen, weißgrauen Kater zu Boden gestürzt. Er bleckte die Zähne und wollte der Einzelläuferin an die Kehle gehen, als Jasminhimmel dazwischenfuhr.
„Eiswald! Lass sie! Riechst du nicht, dass sie krank ist? Erkennst du sie nicht?"
Er grollte nur warnend als Antwort.
„Sie wollte dich angreifen, Jasminhimmel! Das kann ich nicht zulassen!"
„Das ist Glutwind, du Fellhirn!"
Ihr Gefährte seufzte auf und wirkte plötzlich sehr müde.
„Ich weiß, Jasminhimmel. Ich weiß. Ich hatte nur gehofft, wir könnten sie vertreiben und damit dem Chaos aus dem Weg gehen, das sie erschaffen könnte."
Die schwarze Kätzin fuhr mit ihrem Schweif beruhigend über seinen Rücken. Sie verstand seinen inneren Konflikt, aber das war doch nicht die richtige Lösung?
„Wie wäre es, wir bringen sie ins Übergangslager und Feuerdorn entscheidet, was mit ihr geschieht? Oder die Gruppe? So können wir sicher sein, dass jeder mit unserer Wahl zufrieden ist."
Der Weißgraue wollte gerade in Richtung des Lagers aufbrechen, als Glutwind krächzend und keuchend verkündete: „Wartet. Ich möchte nicht in einen Clan zurück. Ich will meinen Lebensabend nicht da verbringen. Aber ich kenne jemanden, der dich gerne kennenlernen würde, Jasminhimmel. Wollen wir sie nicht gemeinsam besuchen gehen?"
Eiswald knurrte genervt, ließ sich jedoch umstimmen.
„Wir müssen ein bisschen laufen, ich hoffe, das macht euch beiden nichts aus."
Jasminhimmel folgte der Dunkelroten, sprang über Äste, Steine und wich Dornbüschen aus. Glutwind kletterte gerade einen großen Felsen hinauf, als die Schwarze von ihrem Gefährten zurückgehalten wurde.
„Glaubst du wirklich, dass es sicher ist? Was, wenn es eine Falle ist?"
Gutmütig schüttelte die Kriegerin ihren Kopf und legte ihre Stirn an die ihres Liebsten.
„Das ist es nicht. Glutwind hat es mir selbst gesagt, sie wird sterben. Ob es nun morgen oder in einem Mond ist, sie wird unausweichlich in näherer Zukunft zum SternenClan gehen. Was bringt es ihr, uns in eine Falle zu locken? Wir sind sowieso in der Überzahl, außerdem ist sie viel zu unterernährt und krank, um anständig kämpfen zu können. Sie ist uns schutzlos ausgeliefert und dennoch entscheidet sie sich, uns ihr Versteck zu zeigen. Zählt das für dich nichts?"
„Doch, Jasminhimmel. Aber ich habe immer Angst um dich, das weißt du doch. Genauso, wie ich mir immer Sorgen um Federjunges, Rußjunges und ganz besonders Hummeljunges mache."
Er schmiegte sich an sie und ihr Körper wurde warm bei dem Gedanken, dass sie Gefährten waren. Dann riss sie sich los und lief Glutwind hinterher.
Die Königin seufzte erleichtert auf, als die Einzelläuferin ankündigte, sie seien gleich da. Sie musste unbedingt bald zu ihren Jungen zurück. Die drei waren nach einer gewissen Zeit unzähmbar und das wollte sie den Kriegern nicht antun.
Die Dunkelrote richtete ihre bernsteinfarbenen Augen auf Jasminhimmel und miaute leise: „Ich muss ihr erst Bescheid sagen, dass sie Besuch hat. Sie kann Überraschungen nicht ausstehen, aber ihr könnt gerne aus dem Busch dort zugucken, dann wisst ihr, dass ich nichts Böses im Schilde führe."
Eiswald und Jasminhimmel versteckten sich unter einem ausladenden Holunderstrauch und sahen, wie die ehemalige FlussClan-Kriegerin auf die Lichtung tappte. Eine schwarzgraue Kätzin schlich aus dem Schatten ins Licht und grüßte Glutwind mit einem freundschaftlichen Nasenstupser.
„Ich habe sie gefunden und mitgebracht, meine Kleine."
Ein Hustenanfall schüttelte sie und erschöpft sank sie zu Boden. Man merkte ihr ihre Krankheit deutlich an. Die Fremde zuckte beunruhigt mit den Ohren und sah sich suchend um.
„Kommt heraus, Jasminhimmel, Eiswald. Niemand will euch Böses."
Glutwinds kratzige Stimme überzeugte sie schließlich, aus ihrer Deckung herauszukommen. Die Schnauze der unbekannten Einzelläuferin verzog sich zu einem Lächeln und einladend wies sie auf die Lichtung.
„Schönes Sonnenhoch, ihr beiden. Mein Name ist Artemis und ich suche schon eine ganze Weile nach jemandem. Vielleicht könnt ihr mir helfen? Glutwind hat gesagt, ihr kommt aus einem Clan und die wüssten alles."
Jasminhimmel spürte, wie es Eiswald neben ihr vor Lachen schüttelte, auch wenn kein Ton sein Maul verließ.
„Wir? Alles wissen? Nein, das tun wir nicht. Aber ich vermute, wir können dir tatsächlich helfen. Ich heiße Eiswald und das ist meine Gefährtin Jasminhimmel."
Die schwarzgraue Kätzin riss die Augen auf und lief auf sie zu. Jasminhimmel trat einen Schritt zurück, als die Fremde weniger Mauselängen vor ihr zum Stehen kam und aufgeregt mit ihren Pfoten auf den Boden tippte. Ihr Körper sank unsicher in sich zusammen, als sie zögernd die vier Worte miaute, die die Königin noch eine Weile verfolgen würden.
„Schwester? Bist du es?"
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Ahoi! Ich habe gerade Freistunde und beschlossen, ich update die Jasmin-Chroniken doch mal.
Wie fandet ihr 3.1? Und den Cliffhanger? Viel Spaß beim Spekulieren... XD
Die Auflösung wird nicht lange auf sich warten lassen, hoffe ich. Bald sind Ferien und dann habe ich viiiiiiiel Zeit zum Schreiben ^^
Mein Plan ist es, das Schiff hier bis September in den Hafen zu segeln, damit ich mich danach wieder Wüstentraum und anderem widmen kann.
Schönen Tag euch allen, eure Kapitänin Wolke!
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