• 2.4 •
„Silberstern? Ich würde gerne mit dir reden."
Mit einem Nicken lud die braunfellige Anführerin Ginsterzunge in ihren Bau ein.
„Was gibt es?"
Die Königin scharrte unruhig mit den Pfoten und sah immer wieder beiseite.
„Nun, Farnjunges ist jetzt sechs Monde alt und ich denke, er ist bereit, ein Schüler zu werden."
Die Anführerin schnurrte und gab mit einem wohlwollenden Maunzen zu verstehen, dass sie der Idee auch nicht abgeneigt war. Nun musste sie sich nur überlegen, wer als Mentor für den kleinen Kater in Frage kam.
„Wen hättest du denn gerne als Mentor für deinen Sohn?"
Ginsterzunge runzelte die Stirn und nach ein wenig Überlegzeit platzte sie mit ihrem Ergebnis heraus.
„Ich hätte gerne Muscheltaucher oder Finkenpelz. Ich denke, beide würden eine exzellente Ausbildung garantieren."
Silberstern neigte den Kopf. Für wen sollte sie sich entscheiden? Finkenpelz, ihr Liebster, hatte schon viele Schüler ausgebildet, Muscheltaucher jedoch hätte sich die Mentorenschaft genauso sehr verdient.
„Ich werde darüber nachdenken, Ginsterzunge. Heute bei Sonnenhoch wird die Zeremonie stattfinden. Bis dahin."
Die Kätzin mit dem schmutzigweißen Fell zog sich aus dem Bau zurück, während Silberstern über der Entscheidung brütete, wen sie als Mentor für den kleinen Kater nehmen würde.
Es war nun zwei ganze Monde her, dass Jasminhimmel das Junge gefunden hatte und ein Teil des Clans geworden war. Und nur ein paar Sonnenhochs, seit die Schwarze die drei Jungen von Schneehummel aufgenommen hatte und in die Kinderstube gezogen war.
Sie verstand immer noch nicht, wie sie die Zeichen hatte übersehen können. Schneehummel hatte so viel angedeutet. Aber was konnte sie jetzt noch ändern? Die Kätzin war tot, begraben, fort.
Der SternenClan hatte kein Zeichen mehr von sich gegeben, nicht einmal ein kleines.
Nun, sie hatte immer noch aktuellere Probleme. Wer passte als Farnjunges' Mentor? Muscheltaucher, er würde es sein. Damit hatte sie ein Thema weniger, um das sie sich kümmern musste.
Sie fuhr sich mit der Zunge durchs Fell und entfernte die kleinen Moosbrocken, die sich in der Nacht darin verfangen hatten. Dann erhob sie sich, streckte ihren Rücken durch und verließ den Bau.
Einmal im Sonnenlicht, bemerkte sie mal wieder diese geschäftige Unruhe im Lager. Jasminhimmel versuchte vorsichtig, Hummeljunges aus der Kinderstube zu locken, während die Geschwister des Kätzchens dicht an ihr Bauchfell gepresst saßen.
Feuerdorn gab sich mit Gewittermond die Zunge und Schwarzpfote breitete einige Kräuter zum Trocknen auf dem Flussfindling aus.
Rosenjunges spielte mit Farnjunges und der Heilerschüler warf immer wieder Blicke zu ihr, um sicherzugehen, dass es beiden gutging.
Stachelfluss führte eine Jagdpatrouille durch die Binsen ins Lager hinein und stolz stellte sie fest, dass ihr ehemaliger Schüler einen dicken Barsch im Maul trug. Er war schon immer ein äußerst guter Jäger gewesen.
Schnurrend sprang sie auf den sandigen Boden und kam der Patrouille am Frischbeutehaufen entgegen.
„Silberstern! Wollen wir uns meine Beute teilen?"
Der dunkelgraue Kater hatte seinen Fisch auf den Haufen gelegt, nahm ihn aber beim enthusiastischen Nicken der Anführerin wieder auf. Sie führte ihnen einem warmen, sonnenbeschienenen Moosfleck und legte sich zu Boden.
„Hast du auf deinen Patrouillen in letzter Zeit irgendetwas verdächtiges bemerkt?"
Silberstern wollte sichergehen, dass keine DonnerClan-Fratzen ihre verwesten Pfoten über die Grenze gesetzt hatten. Die räudigen Aasfresser wurden langsam persönlich.
Vor kurzer Zeit erst hatte irgendwie eine blutige Silberdistel ihren Weg vor ihren Bau gefunden. Die braune Kätzin hatte sich furchtbar erschrocken, denn niemand, der noch lebte, kannte ihren ehemaligen Kriegernamen noch. Silberdistel, so hatte sie geheißen.
Vermutlich hatten sie längst einen Spion in den FlussClan eingeschleust.
Der Krieger neben ihr räusperte sich und schnell schenkte sie ihm wieder ihre Aufmerksamkeit.
„Nein, Silberstern, keine Auffälligkeiten."
Erleichtert atmete sie auf und nahm einen Bissen von der Frischbeute. Nach einer Weile war der Fisch verzehrt und Stachelfluss machte sich auf den Weg zu seiner Gefährtin, die sich die Sonne auf den Pelz scheinen ließ.
Sofort begannen die beiden damit, sich zu zanken. Anscheinend war er ihr ins Licht getreten, so wie Silberstern verstand.
Sie wandte sich schnurrend ab und ging gemächlich in Richtung Heilerbau. Als sie in die kühlen Schatten unter dem Flussfindling eintauchte, hörte sie bereits Federsees Klagen, die darum bat, auch wieder raus zu dürfen.
„Gewittermond darf auch draußen sein und mit Feuerdorn entspannen. Warum kann ich nicht an die frische Luft und mal was anderes als diesen Kräutergestank einatmen?"
„Federsee! Jetzt hör doch mal auf!"
Sturmblatt fauchte erbost und Silberstern lachte leise. So lief es jetzt seit dem Kampf schon ab. Federsee hatte ein halbes Vorderbein verloren, dennoch war sie bereit, sich direkt wieder in die Schlacht zu stürzen.
„Federsee. Mit einer kranken Kriegerin kann ich nichts anfangen. Gedulde dich also, bald ist es wieder besser und dann darfst du bestimmt den Heilerbau verlassen."
Sie blickte zu der dunkelgrauen Heilerin und fragte eine Frage, die sie bereits seit ihrem Eintritt in den Bau beschäftigte.
„Wo ist Wellenlied?"
„Kräuterwiese. Sammelt da mit Distelschatten und Glockenspiel Huflattich. Wir machen unsere große Kräuterernte jetzt schon, damit wir vor dem Herbst noch ein zweites Mal ernten können. Warum bist du hier? Sicher nicht, um dich nach meiner Kollegin zu erkundigen, oder?"
„Eigentlich wollte ich fragen, ob der SternenClan irgendeine Nachricht für mich hinterlassen hat. Es geht um die heutige Schülerzeremonie."
Sturmblatt schüttelte den Kopf und Silberstern fauchte verärgert. Nicht einmal das würden sie ihr bestätigen.
„Nun, trotzdem danke. Ihr könnt direkt mit raus kommen, ich rufe jetzt zur Versammlung."
Sie tappte aus der Heilerhöhle und sprang hoch auf den Flussfindling.
„Alle, die bereits schwimmen können, sollen sich zu einer Clanversammlung einfinden!"
Sie jaulte laut und klar und schnell strömten Krieger, Schüler und Älteste gleichermaßen in der Mitte zusammen. Viele Gesichter sahen zu ihr hinauf und kurz fragte sie sich, wie es wäre, da unten mit ihnen zu stehen und zu Weißmeer aufzublicken.
„Wir haben uns heute hier zusammengefunden, um einen neuen Schüler in unseren Reihen zu empfangen. Muscheltaucher, du wurdest von Amselauge, möge sie in Frieden ruhen, sehr gut ausgebildet und bist nun bereit für deinen ersten Schüler. Bist du bereit, dieses Amt auf dich zu nehmen?"
Der junge Kater nickte überwältigt und Silberstern schnurrte stolz. Das war eine der wenigen, schönen Aufgaben einer Anführerin, neue Schüler oder Krieger willkommen heißen zu dürfen.
„Farnjunges, du bist jetzt sechs Monde alt und somit bereit, deine Ausbildung zum Krieger zu beginnen. Wenn du willens bist, deinen Unterricht in die äußerst fähigen Pfoten von Muscheltaucher zu legen, dann nimm nun deinen neuen Namen an, den du behalten wirst, bis du zum Krieger wirst. Von heute an."
„Halt! Ich will kein Schüler werden. Nicht unter deiner Anführerschaft, Silberstern. Du führst die Krieger und auch die Schüler immer wieder in Kämpfe, aus denen nicht alle zurückkehren. Ich sage nur, Quarzstein. Blaubeerschweif. Amselauge. Nachtblüte. Und so viele andere, die wir in diesen kurzen sechs Monden, die ich nun schon lebe, auf eben jenem Sand, auf dem wir gerade stehen, betrauert haben. Ich will nicht, Silberstern. Lieber bleibe ich auf ewig ein Gefangener in diesem Lager und ein hilfloses Junges."
Zorn füllte jeder Zelle in Silbersterns Körper und mit jedem Wort, das der junge Kater von sich gab, schwoll ihre Wut nur noch mehr an.
Sie sprang mit einem mächtigen Satz vom Flussfindling hinunter und landete direkt vor dem winzigen Hellbraunen.
„So, du willst also kein Schüler werden. Gibt es hier sonst noch jemanden, der mit mir als Anführerin unzufrieden ist?"
Lauter betretene Gesichter erfüllten Silbersterns Blickfeld und sie konnte sich nicht mehr halten.
„Was würdet ihr bei einer anderen Anführerin machen? Was ist euer Ziel? Wollt ihr, dass der FlussClan das Gebiet verlässt, das er schon seit unzähligen Monden bewohnt, verteidigt und in dem er sich heimisch gemacht hat?"
Ungläubig beobachtete sie, wie einige ihrer Gesprächspartner ihre Blicke gen Boden wandten und es nicht wagten, ihr in die Augen zu schauen.
„Nun gut, so soll es sein. Alle, die gehen wollen, können gehen. Aber seht euch vor, hier seid ihr nicht mehr willkommen. Auf ewig Verbannte seid damit und wehe denen, die sich in unser Territorium zurückwagen."
Feuerdorn war der Erste, der sich aufrichtete. Natürlich, das hätte sie sich denken können, dass der Kater etwas mit diesem Aufstand zutun hatte.
„Silberstern! Was redest du denn da? Das ist doch ausgemachter Unsinn. Der SternenClan würde es nie gutheißen, wenn sich der Clan teilen würde. Du kannst das doch unmöglich ernst meinen! Unsere Vorfahren würden all dem, was gerade hier passiert, nie zustimmen!"
Eiswald fauchte und die Kätzin mit den silbernen Augen sprang auf. Dass er es wagte!
„Eiswald."
Ihre Stimme war ruhig, gefährlich ruhig. Der Clan begann zu flüstern und Silberstern knurrte.
„Du verlässt als allererstes das Lager. Dass du es wagst, meinen Kontakt zum SternenClan anzuzweifeln! Unsere Ahnen haben mir ein Zeichen gegeben, sie unterstützen, was ich tue!"
Sie fuhr ihre Krallen aus und grub sie wutentbrannt in den sandigen Boden. Es hatte tatsächlich eine Warnung gegeben. Sie hatte erst vor einem Mond ein kleines Rinnsal beobachten können, dass sich entgegen aller Naturgesetze einen Weg aus dem Lager gebahnt hatte. Dort hatte es sich in zwei geteilt, das Breitere war zurück zu den Bauen geflossen, doch eine kleine Abzweigung war weitergeströmt und in das Schilfgras verschwunden. Nun hatte sie endlich eine Erklärung dafür.
„Nun, wer hat sich entschieden zu gehen?"
Sie fürchtete die Antwort. Wie viele würden den Verrätern folgen?
Eiswald, Feuerdorn und Gewittermond standen bereits. Nun folgte, wenngleich auch zurückhaltend, Jasminhimmel. Die drei Jungen von Schneehummel, die die Schwarze überhaupt nicht mehr verließen, pilgerten, ihr dicht auf den Fersen, hinterher. Silberstern rümpfte verächtlich die Nase. War ja klar, einmal Fremde, immer Fremde.
Als nächstes richtete sich zu ihrer vollen Überraschung Schwarzpfote und Rosenjunges sich ebenso auf. Vom jungen Heilerschüler hatte sie eben dieses Handeln nicht erwartet. Auch Mottenfluch, die sich zu den Verrätern gesellte, wurde angefaucht. Silberstern genoss jeden Moment, den sie weniger mit ihnen verbringen musste.
Ihre eigene Tochter stellte sich zu der jämmerlichen Gruppe, die sich dort geformt hatte. Und Abendpfote rannte ihr hinterher. Die braunfellige Kätzin bleckte die Zähne.
„Sonst noch jemand? Oder haben sich jetzt alle Verräter offenbart?"
„Ich will auch gehen. Mama? Kommst du mit?"
Farnjunges schlich zu den ängstlich, verärgert und besorgt blickenden Katzen in der Lagermitte und Ginsterzunge lief sofort hinterher. Zapfenpfote leitete vorsichtig Fichtenasche zur Gruppe hinzu und seine Schwester Wolkenpfote knurrte. Der Abscheu war ihr deutlich anzusehen.
Silberstern war froh, dass es noch Katzen gab, die ihren Clan nicht verraten würden, selbst um ihres Blutes Willen nicht.
„Krabbenohr? Kommst du mit? Apfelwolke, wie ist es mit dir?"
Feuerdorn war auf den Boden gesunken und Schrecken ließ sich deutlich in seinen himmelblauen Augen ablesen. Silberstern konnte nicht anders, als zu schnurren, als sie seine verängstigte Stellung sah.
„Nein, mein Sohn. Ich werde bei Blaubeerzweig bleiben, bis zum bitteren Ende."
„Feuerdorn, mein lieber, lieber Bruder, ich muss Rache üben an den DonnerClan-Katzen, die uns unsere Mutter genommen haben. Daher kann ich nicht fortgehen. Ich habe hier Verantwortung."
Muscheltaucher wandte sich nun auch zu dem Hellorangenen.
„Ich werde Krabbenohr überall hin folgen."
Silberstern fauchte zu der kleinen Gruppe, die sich gebildet hatte.
„Sind das alle Verräter?"
Niemand wagte sich mehr zu ihnen und so wurde der Braunen endgültig klar, wer die wahren Betrüger in ihrer Mitte waren.
„Verschwindet! Und lasst euch nie wieder hier blicken! Ich werde heute Nacht bei der Großen Versammlung allen Clans von eurem Verrat berichten, täuscht euch bloß keine Sicherheit vor!"
Jasminhimmel, Mottenfluch und Eiswald nahmen jeder eines der drei Jungen von Schneehummel, Feuerdorn stützte den immer noch von seiner Verletzung geschwächten Gewittermond, Zapfenpfote führte Fichtenasche an seiner Seite in den Schilf und der Rest der Truppe folgte sogleich.
Silberstern stellte mit Genugtuung fest, dass alle Schwächlinge aus dem Clan mit den Verrätern mitgegangen waren. Nun waren nur noch die starken, gesunden Krieger da.
Blaubeerpfotes Schwanzspitze war das letzte, was sie von ihnen sah, dann glitt der Schilf wieder zusammen und wurde erneut zu einer dichten Mauer aus Halmen.
Sie waren fort.
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Vielen Dank an @-Skysoul- , die mir mit der Schülerzeremonie geholfen hat und die vermutlich die erste sein wird, die das hier liest. Ich wünsche viel Spaß beim Theorien-erstellen, was jetzt wohl passieren wird. :D
Schönen Samstag, eure Kapitänin Wolke
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