• 3.6 •


Schwarzpfote gähnte müde und setzte weiter eine Pfote vor die andere. Es war bereits nach Sonnenhoch gewesen, als sie vom Versammlungsplatz aufgebrochen waren und er hatte den gesamten vorherigen Tag den Heilerbau mit Kräutern aufgestockt.

Erschöpft schleifte sein Schweif auf dem Boden und er quälte sich die Felsen hinunter, die sie hinabsteigen mussten, um zur Höhle hinter dem Sternenfall zu kommen, in der die Clananführer und Heiler Kontakt mit ihren Ahnen aufnahmen.

„Komm, Schwarzpfote, je schneller du bist, desto schneller bekommst du auch deinen Heilernamen."

Der Gedanke gab dem Schüler Kraft und mit neuer Energie folgte er Mottenfluch den schmalen Grad hinab, der die Himmelsklippen besteigbar machte. Immer wieder bröckelten kleine Steine unter seinen Pfoten weg und jedes Mal erfüllten diese wenigen Mäuseherzschläge Unsicherheit ihn mit einer riesigen Angst.

Er wusste, er konnte es, aber trotzdem blieb dieser Respekt vor den Höhen, die sie überwanden.

Blinzelnd kniff er die Augen zusammen. Die untergehende Sonne schien ihm nun genau ins Gesicht und er lief fast blind hinter seinen drei Mitreisenden her.

„Gleich sind wir unten!", erschallte Feuerdorns Stimme vor ihm und tatsächlich, der steile Pfad wurde immer flacher, bis der Schwarze schließlich weiches Gras unter seinen Ballen spürte. Er wäre dankbar im Gras liegen geblieben, doch Eiswald hatte Recht, als er miaute: „Der Mond geht schon fast auf. Wir müssen uns beeilen!"

Mit weiten Sprüngen jagten die vier Katzen über die Heide, nie weit entfernt von den Himmelsklippen, da das WindClan-Territorium bis knapp an die Felsen reichte.

Mit dem Erscheinen des Mondes über dem Horizont erreichten sie den Sternenfall. Schwarzpfote übernahm nun die Führung, denn keiner der anderen drei war bereits hier gewesen.

„Mottenfluch, Eiswald. Ihr müsst hier draußen bleiben, denn der Eintritt in die Sternenhöhle ist den Heilern und Anführern vorbehalten. Halte dich einfach an meine Schwanzspitze, Feuerdorn."

Seine Pfoten fanden den vertrauten Weg in die Höhle von ganz alleine und seine Krallen kratzten auf dem rutschigen Fels. Der Heilerschüler spürte, wie Feuerdorn unruhig wurde, als die Dunkelheit sie zu verschlingen schien.

„Es wird gleich hell, sobald der Mond seinen Weg über den Himmel angetreten hat. Das Silbervlies ist heute Nacht ganz klar zu sehen, das wird unserem Vorhaben helfen."

Sanft führte Schwarzpfote seinen künftigen Anführer an den donnernden Wassermassen vorbei zu einem kleinen Teich im tieferliegenden Teil der Höhle. Plötzlich stieß er gegen weiches Fell und ihm wurde heiß unter seinem Pelz, als er die leise Stimme erkannte, die sie begrüßte.

„Hallo Schwarzpfote, Feuerdorn. Ich gehe davon aus, du bekommst in dieser wundervollen Dreiviertelmond-Nacht deine neun Leben, die dir zustehen?"

Es war Eisenstern. Eisenstern! Sein Gehirn hatte einen Kurzschluss und er konnte keinen Satz mehr herausbringen.

Just in diesem Moment brach sich der erste Mondstrahl im Sternenfall und fiel auf den eisernen Pelz der WolkenClan-Anführerin. In Schwarzpfote's Augen sah sie aus wie eine Göttin.

Dem restlichen Teil der Höhle, der nun in allen Regenbogenfarben funkelte, da der Mond seinen Weg am Himmel fortsetzte, schenkte er nicht einen Blick. Die im Mondlicht funkelnden, grünen Augen hatten ihn in seinen Bann gezogen und brannten sich auf ewig in sein Gedächtnis ein.

Schwarzpfote bereute es, wegsehen zu müssen, aber er hatte schon zu viel der wertvollen Zeit des Mondes verwendet.

„Feuerdorn, lege dich an den kleinen Teich hier, das ist der Mondteich", er machte es vor und ließ sich neben dem dunklen Gewässer nieder, das der ansonsten hell glitzernden Höhle einen starken Kontrast bot, „und lecke ein paar Tropfen auf. Dann leg dich bequem hin und lass den Schlaf zu, sträube dich nicht dagegen."

Die kühlen Tropfen, die seine Zunge benetzten, hinterließen einen kühlen Schauder auf Schwarzpfotes Rücken und mit einem leisen Seufzen rollte er sich zusammen, schloss die Augen und war schon eingeschlafen.

Er kniff die Augen zusammen und blinzelte in das helle Licht der SternenClan-Gründe. Mit einem erleichterten Lächeln blieb er noch kurz liegen, bis ihn eine Schnauze gegen sein Ohr stupste.

„Komm, Schwarzpfote, die Zeremonie fängt an."

Ein winziges Junges saß neben seinem Kopf, die Augen weit aufgerissen.

„Mein Name ist Sonnenjunges", piepste es und der Schwarze verstand, warum es so unproportioniert aussah. Es musste zu früh geboren worden sein.

„Ich komme schon, Kleines. Warte auf mich, ja?"

Das SternenClan-Junge kicherte und meinte dann: „Ich bin sicher schneller als du!"

Es hüpfte davon und die Sterne in seinem Fell waren der einzige Indikator, dass es nicht in ein Kinderstubenspiel verwickelt worden war. Mit kleinen Schritten holte er auf und sah nach vorne, wo Feuerdorn von vielen Katzen umringt war.

„Mit deinem ersten Leben gebe ich dir Hoffnung, damit du nie den Willen zum Leben verlierst wie ich es getan habe."

Schwarzpfote wusste, er war genau richtig gekommen. Schneehummel trat gerade vor und verlieh Feuerdorn sein erstes Leben. Der Hellorangene zuckte schmerzerfüllt zusammen und seine Augen wurden für kurze Zeit etwas glasig, dann schien er sich jedoch wieder zu fangen und hob den Kopf, sein zweites Leben erwartend.

Riesenpfote, Feuerdorns ehemals bester Freund, bevor er im Kampf gegen den DonnerClan starb. Es war die selbe Nacht gewesen, in der auch Gewittermond seine Eltern verloren hatte. Schwarzpfote kannte alle Geschichten und hatte sie teilweise auch miterlebt.

„Ich schenke dir ein Leben der Kraft, damit du dich nicht für die einfachen Lösungen entscheiden musst, denn die sind selten die guten."

Wieder schüttelten den baldigen Anführer Krämpfe und Blaubeerschweif kam nach vorne.

„Das Leben, das ich dir gebe, steht für Mut. Sei mutig, aber werde nicht zu übermütig."

Dieses Leben schien etwas ruhiger und sanfter zu sein, denn Feuerdorn sackte nur ein wenig zusammen. Schon trat die nächste Katze, Quarzstein, an ihn heran.

„Mit diesem Leben gebe ich dir Verständnis. Hab Verständnis für die Wahlen anderer, auch, wenn sie für dich nicht ersichtlich, verwirrend oder gar grausam erscheinen mögen. Alles hat einen Grund."

Dieses schien ihn beinahe schon zu streicheln und Schwarzpfote fragte sich, ob jetzt das böse Erwachen und eines der grausameren Leben kam. Dieses Mal schritt eine Kätzin in die Mitte, die der Schüler nur aus Erzählungen kannte. Die Narbe, die eines ihrer Augen überzog, machte sie jedoch unverkennbar. Amselauge.

„Ich gebe dir ein Leben für das Lernen und Lehren. Auch der beste Lehrer kann noch dazulernen, merk dir das."

Auch dieses Leben schien verhältnismäßig ruhig, doch der Schwarze wusste bereits, dass das nächste eine Qual werden würde, als Nachtblüte, seine Mutter, vortrat. Ein leises Wimmern entfuhr ihm, als sein Blick auf die lange, gezackte Narbe an ihrer Flanke fiel.

„Mit diesem Leben gebe ich dir Klarsicht. Sieh dir immer die ganze Situation an und ziehe keine voreiligen Schlüsse."

Feuerdorns Augen weiteten sich und er wimmerte auf, als das Leben mit Gewalt durch ihn fuhr. Mitgefühl erfüllte jede Zelle von Schwarzpfotes Körper. Als Nächstes trippelte ein winziges Junges zum Hellorangenen und miaute leise: „Ich gebe dir ein Leben für den Glauben. Vertraue immer in deine Freunde, Weggefährten, den SternenClan. Wir wollen dir alle helfen."

Schilfjunges, der gerade das Leben verliehen hatte, zeigte nicht ein Stückchen Reue, als der Kater zusammenzuckte und zitternd die Augen schloss. Der junge Heiler wusste, die Vergangenheit von Schilfjunges und seinem Bruder Eichenjunges war nicht schön, da beide von Zedernstern umgebracht worden waren.

Und da war auch schon Eichenjunges. Feuerdorn hatte es echt nicht leicht. Die beiden Kater waren zu Lebzeiten das Teufelsduo genannt worden, da sie regelmäßig die anderen Jungen, auch ältere, Schwarzpfote eingeschlossen, terrorisiert hatten.

„Ich gebe dir ein Leben für Neugierde. Schenke nicht nur deinem Clan Aufmerksamkeit, sieh dich auch immer wieder um und beobachte andere und ihren Lebensstil."

Dieses Leben hinterließ einen aufgelösten und erledigten Krieger, der wahrscheinlich froh war, wenn die Zeremonie zu Ende war. Doch das Schlimmste kam noch und das erkannte Schwarzpfote erst, als die Kätzin schon vor ihm stand.

„Spechtherz", murmelte er leise. Sie war seine Mentorin gewesen, seine allererste, als er noch Krieger hatte werden sollen und sie war für ihn gestorben. Sie hatte ihn geliebt wie eine Mutter und war ihm mehr Bezugsperson gewesen als Nachtblüte es jemals gekonnt hätte.

Sie wandte nach einem liebevollen Lächeln in Schwarzpfotes Richtung ihren Kopf zu Feuerdorn und miaute mit fester Stimme: „Mit diesem Leben gebe ich dir Liebe. Die bedingungslose Liebe einer Mentorin, einer Mutter. Liebe über den Tod hinaus."

Dieses Leben, das sah man Feuerdorn an, war bei weitem das schlimmste. Er jaulte auf, als ihn die gesamte Macht der Mutterliebe durchfuhr und der Schüler wollte sich nicht ausmalen, wie es sich anfühlte.

Mit einem Mal erhoben alle SternenClan-Katzen die Stimme und ein Chorus verkündete die Worte, die von nun an das Schicksal der Gruppe bestimmen sollten: „Dein altes Leben ist nicht mehr. Du hast jetzt die neun Leben eines Anführers empfangen und der SternenClan gewährt dir und deinem Clan auf ewig sein Geleit. Behüte den FlutClan, sorge für Jung und Alt, ehre deine Ahnen und das Gesetz der Krieger und lebe jedes Leben voller Stolz und Würde. Von heute an kennt man dich als Feuerstern."

Laut jaulte Schwarzpfote den Namen seines neuen Anführers in den Himmel und es schien, der ganze SternenClan stimmte mit ein.

Auf einmal materialisierte sich neben ihnen ein kupferfarbengefleckter Kater und rief laut: „Wir müssen noch eine Zeremonie abhalten! Schwarzpfote ist bereit, ein vollwertiger Heiler zu werden! Lassen wir ihm diese Ehre auch zuteil kommen!"

„Kupfermond! Was machst du hier?"

Eisenstern hatte auch die Lichtung betreten, auf der Feuerstern zum Anführer geworden war und sah Schwarzpfote direkt in die Augen. Dann nickte sie kaum merklich und ihre Schnauze verzog sich zu einem kleinen Lächeln.

Feuerstern richtete sich vor dem Schwarzen auf und er schluckte nervös.

„Du hast es dir verdient."

Nach diesen wenigen Worten trat der Hellorangene beiseite und Kupfermond nahm seine Position ein.

„Ich, Kupfermond, rufe meine Kriegerahnen an und bitte sie, auf diesen Schüler herabzuschauen. Er hat hart gearbeitet, um das Wissen eines Heilers zu erlangen und mit eurer Hilfe wird er dem FlutClan viele Monde lang dienen."

Nun übernahm zur Überraschung aller Spechtherz die Zeremonie und das Herz des Schwarzen füllte sich mit Liebe und Dankbarkeit.

„Schwarzpfote, versprichst du, die Wege einer Heiler-Katze zu gehen, dich von Rivalitäten zwischen Clans fernzuhalten und die kranken Katzen aller Clans zu versorgen, selbst wenn es dein Leben kostet?"

„Ich verspreche es."

„Dann gebe ich dir mit der Kraft des SternenClans deinen Namen als Heiler. Schwarzpfote, von diesem Augenblick an wirst du Schwarzwasser heißen. Der SternenClan ehrt deine Unermüdlichkeit und deine Hilfsbereitschaft und wir heißen dich als voller Heiler des FlutClans willkommen."

„Schwarzwasser!"

Es war Eisenstern, die als allererste seinen Namen rief und Schwarzwasser lächelte ihr dankbar zu.

Er konnte nicht in Worte fassen, wie unfassbar glücklich er jetzt war. Ein neuer Clan, ein neuer Name, eine wunderschöne Kätzin, die ihn vielleicht auch mochte?

Endlich konnte er all die schmerzhaften Erinnerungen loslassen, die mit dem FlussClan in Verbindung standen.

Ab heute und bis zu seinem Lebensende würde er der FlutClan-Heiler sein und das konnte ihm niemand ausreden.

Langsam, aber sicher, begann der SternenClan zu verblassen und Schwarzwasser schloss daraus, dass die Sonne aufging. Die Verbindung mit ihren Ahnen entstand mit dem Mondlicht und schwand auch mit ihr dahin.

Feuerstern war bereits in die Welt der Lebenden zurückgekehrt und nur Eisenstern und Schwarzwasser waren noch in einer blassen Zwischenwelt, der Schwarze hätte es als Dämmerungswelt bezeichnet. Bald würden sie zwangsweise aufwachen.

Langsam kam die eiserne Anführerin in seine Richtung und schmiegte ihren Kopf an den seinen. Schwarzwasser fror in seiner Bewegung ein, lehnte sich dann jedoch in die Berührung hinein. Ihr Fell war federweich, nicht borstig, wie man es anhand der Farbe hätte erwarten können.

Sanft war ihre Geste und doch unglaublich verwirrend für den Heiler. Sie schlang ihren Schweif um seinen und schnurrte leise, als er es ihr gleichtat.

Schwarzwasser wusste nicht, woher er den Mut nahm, doch bevor er es verhindern konnte, waren seinem Maul wenige Worte entflohen.

„Wollen wir uns in drei Sonnenuntergängen an der umgestürzten Eiche an der Grenze treffen?"

Überrascht sah die graue Kriegerin zu ihm herüber und murmelte leise: „Ich würde mich freuen. Ich werde kommen, wenn ich kann."

Genau in diesem Augenblick wurden die beiden auseinandergerissen und erwachten in ihren Körpern.

Niedergeschlagen richtete er sich auf, rückte seine geistige Maske zurecht und wurde nicht der Kater, dessen Herz gerade zweigeteilt wurde, sondern der junge Heiler, von dem alle erwarteten, dass er einen Clan alleine versorgen konnte.

Er vermisste jeder ihrer Berührungen jetzt schon. Diesen flüchtigen Schmetterlinge, die sie immer in ihm verursachte, sobald ihn auch nur ein kleiner Teil ihres Fells streifte.

Süchtig war er wohl, trunken von ihrer Zuneigung. Eisenstern war wirklich seine Schwäche.

Urplötzlich fauchte Feuerstern auf und fuhr sich hektisch mit der Pfote über sein Ohr.

„Schwarzwasser, wir müssen los! Irgendetwas stimmt nicht bei unserem Clan!"

Er nickte Eisenstern höflich zu und preschte dann aus der Höhle, nicht auf die rutschigen Steine achtend.

„Also in drei Sonnenuntergängen dann?"

Sie neigte zustimmend und ein breites Lächeln schlich sich auf das Gesicht des Schwarzen.

„Wir sehen uns bald, Eisenstern, ich verspreche es dir."

Dann jagte auch er aus der Höhle und hinter seinem Anführer hinterher.

Auf dem Weg zurück zum Lager dachte er darüber nach, was er gerade tat.

Hinterging er nicht seinen Clan? Er war ein Heiler, er durfte keine Gefährten haben! Außerdem noch mit der Anführerin eines anderen Clans. Der Anführerin!

Trauer krallte sich in sein Herz. Er konnte sich dieser Kätzin nicht entziehen, sie machte ihn süchtig.

Im Lager stellte nur ein Satz, den eine vollkommen aufgelöste Blaubeerpfote von sich gab, sein Leben noch mehr auf den Kopf.

„Zedernstern hat versucht, Jasminhimmel zu entführen und wir brauchen dringend ein neues Lager."

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Ahoi!

Jetzt ist 23:58 Uhr am 31. 07. 2023. Heute ist Harry Potter 43 Jahre alt geworden! Happy Birthday!

Und das ist das vierte und letzte Kapitel, das ich heute veröffentliche ^^

Gute Nacht, eure Kapitänin Wolke <3

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