• 1.5 •
Als Jasminhimmel sechs Mondhoch später in ihrem neuen Nest lag, fragte sie sich, was aus Thyr, ihrem geliebten Bruder, geworden war. Hatten die Zweibeiner ihn getötet?
Die Gedanken kreisten durch ihren Kopf, ließen sie zurück, fallend, unfähig, die Wahrscheinlichkeit zu akzeptieren, dass Thyr tot war.
Sie wandte sich in dem weichen Nestmaterial, rutschte umher. Die Nachtpatrouille würde bald zurückkehren. Da konnte sie genauso gut am Eingang Wache halten.
Sie verließ den Kriegerbau und hockte sich am Binseneingang an die gut versteckte Stelle, an der der Wachposten saß.
Eiswald, ein weißgrauer Kater, hielt Wache und ließ sich durch ihr Erscheinen nicht aus der Ruhe bringen. Er stand weiter ruhig zwischen den hohen Halmen und rührte sich nicht vom Fleck.
„Kannst du nicht schlafen, Jasminhimmel?"
Seine Stimme war sanft und leise, doch er hob nicht den Blick, begegnete nicht dem ihren. Stattdessen starrte er weiter hinaus, als würde er auf etwas warten.
„Nein, Eiswald. Du hältst keine Wache, oder? Du wartest auf etwas."
Jasminhimmel schien richtig zu liegen, denn der Kater nickte leicht.
„Mein Sohn hat mir eine Nachricht zukommen lassen. Ein Angriff. Heute Nacht. Konkreter ist er nicht geworden."
Sie erzitterte und sah ihn an.
„Eulenjunges war doch noch so klein. Der DonnerClan kam mitten in der Nacht, in der tiefsten Dunkelheit. Ich habe noch dieses kalte Gefühl im Nacken, als ich sah, wie Dunkelkralle in die Kinderstube eindrang. Er hat meine Gefährtin und meinen Sohn getötet. Von meinem Kleinen ist nicht einmal mehr ein Körper übrig geblieben. Zedernglut tötete Blaubeerpfotes Geschwister und viel Leid ist in dieser Nacht entstanden."
Die schwarze Kätzin fuhr vorsichtig mit ihrem Schwanz über den Rücken des Kriegers und versuchte ihn zu trösten. Sein Fell stellte sich auf und Eiswald knurrte die schwankenden Halme an.
„Komm raus. Ich weiß, dass du da bist."
Ein dunkelblaugrauer Schüler stürzte aus den Gräsern und keuchend trug er sein Anliegen vor:
„Ich bin Blitzpfote aus dem WindClan. Unsere Verbündeten werden angegriffen! Schnell! Und stellt Wachen auf, dass euren Jungen nichts passiert."
Eiswald und Jasminhimmel tauschten nur einen Blick und schon hetzte Eiswald los in Richtung Anführerbau. Die schwarze Kätzin sprang zum Kriegerbau und begann, die anderen Katzen aufzuwecken.
„Der WolkenClan wird angegriffen und braucht unsere Hilfe. Wacht auf, ihr Mäusehirne!"
Die Krieger sprangen auf, ließen nur verwirbeltes Moos und zu Boden trudelnde Federn zurück.
„FlussClan! Wir helfen dem WolkenClan. Mottenfluch, Blauauge und Stachelfluss, ihr bewacht mit den Ältesten die Kinderstube. Der Rest, folgt mir!"
Jasminhimmel rannte hinaus und stellte erleichtert fest, dass die Schüler bereits auf waren und Silberstern hoch erhobenen Hauptes auf dem großen Stein stand, der in der Lagermitte thronte.
„Für den FlussClan! Für den Frieden!"
Die braunfellige Anführerin stürzte sich aus dem Lager und der Clan folgte ihr. Ohne zu zögern, lief auch die schwarze Kätzin ihr hinterher und schloss sich dem Clan an.
„Wir schwimmen durch den Fluss, das geht schneller! Blitzpfote, lauf zu deinem Clan, sag aber nichts von unserer Hilfe!"
Der junge Schüler nickte und sprintete los. Seine langen Beine gaben ihm einen klaren Vorteil und schnell war er zwischen den Bäumen am Ufer verschwunden. Jasminhimmel trat kräftig mit ihren Pfoten durch das Wasser und ihr schwarzes Fell ließ sie mit der Dunkelheit verschmelzen.
Die feuchten Pelze ihrer Clangefährten pressten sich an ihren Körper, als sie wenig später an Land krochen, eine Meute aus zähnefletschenden Kriegern und Schülern, die bereit waren, ihre Freunde zu verteidigen.
Die Nacht war dunkel und schwere Regenwolken schoben sich vor den schmalen Sichelmond. Starke Windböen zerzausten Eiswalds langes Fell, der direkt vor ihr stand, Blitze zuckten in der Ferne und Donner grollte herab. Jasminhimmels Fell stellte sich auf, sie wusste, dieser Kampf war für ihren Clan.
Hätte ihr jemand vor wenigen Sonnenaufgängen gesagt, sie würde einmal so loyal Fremden gegenüber sein, sie hätte sie als Hauskätzchen beschimpft und zurück zu ihren Zweibeinern gejagt. Doch nun stand sie hier, eins mit der Menge, mit den schwer atmenden Katzen, die nur auf das Zeichen ihrer Anführerin warteten.
Da war es, ein fast unbemerkbares Zucken ihres Schwanzes, und die Krieger stürmten los, in die Senke hinein, die, in der Nähe des Flusses gelegen, das Lager des WolkenClans bildete. Ein heftiger Kampf war im Gange, die Hälfte der Baue eingerissen und kaum eine Katze konnte Schutz suchen vor den Ästen, die der raue Wind von den Bäumen riss.
Das Angriffsjaulen von Silberstern ging im Sturm verloren und Jasminhimmel stürzte sich auf ihren ersten Gegner, einen weißgrauen Kater mit roten Tupfen, dem sie ihre Krallen in den Rücken hieb. Er fauchte und wälzte sich auf den Rücken, doch zum Glück hatte ihn die junge Kriegerin damit davon abhalten können, einen kleinen Schüler anzufallen.
Das graue Fell mit dem schwarzen Muster gesträubt, fauchte der Schüler seinen Angreifer an und seine ungewöhnlichen Augen blitzten vor Wut. Jasminhimmel bewunderte ja seinen Mut, aber sie wurde von dem weitaus kräftigeren Kater immer noch hinuntergedrückt.
Zum Glück schaffte er es, den DonnerClan-Krieger genug abzulenken, dass sie ihm die Hinterbeine in seinen Bauch stoßen konnte. Blitzschnell war sie wieder auf den Beinen und schnurrte dem Schüler zu.
„Danke. Wie heißt du?"
Er sah sie misstrauisch an, schien jedoch zu beschließen, dass er ihr vertrauen konnte und miaute leise:
„Mondpfote aus dem WolkenClan. Und du?"
„Jasminhimmel aus dem FlussClan."
Der junge Schüler schnurrte laut und sie neigte verwirrt den Kopf.
„Dein Name klingt nur lustig. Nichts dagegen natürlich, aber er klingt fast so komisch wie der meines Vorfahren, Harrybach."
Die beiden trennten sich wieder voneinander und stürzten sich wieder in den Kampf. Weitaus später, Jasminhimmel hatte mittlerweile eine kleine Wunde am Kopf, lange Kratzspuren an allen Gliedmaßen und einen fiesen Biss in der Schulter, trafen sie sich wieder. Der Schüler sah nicht besser aus und die beiden beschützten einander gegenseitig.
Bevor sie jedoch den DonnerClan-Krieger, den sie gerade bekämpften, besiegen konnten, kreischte eine Katze laut auf und Mondpfotes verschiedenfarbige Augen weiteten sich verschreckt.
„Nein! Zedernglut! Lass ihn gehen, er hat dir doch nichts getan!"
Ein dunkelbrauner Kater, das Fell mit Matsch verschmiert und in den Waldboden gedrückt von einem dunkelbraungetigerten Krieger, riss das Maul zu einem Schrei auf, doch das einzige, was herauskam, war ein Gurgeln und eine Blutlache, die sich langsam um seinen Kopf bildete.
Neben ihm lag ein regloser, ebenso mit Dreck verschmierter Körper, dessen Gliedmaßen in unnatürlichen Winkeln abstanden und dessen weißer Bauch von Blut besudelt war. Ein dicker Ast war auf ihn gefallen und einer der spitzen, abgesplitterten Äste ragte weit aus seiner Schulter. Zedernglut ließ nun endlich von seiner Beute ab und schrie durch den brausenden Sturm:
„DonnerClan! Rückzug! Wir haben bekommen, was wir wollten!"
Die Kämpfer lösten sich voneinander und viele leblose Katzen blieben auf der Lichtung liegen, doch niemand kümmerte sich darum. Alle eilten zu dem Toten und dem Sterbenden, vermutlich in der Hoffnung, sie könnten noch einen retten. Ein erster Klageschrei durchbrach die Nacht und Jasminhimmel zerriss es das Herz.
„Nein! Salbeistern! Vater, komm, wach auf! Bitte! Du musst doch noch Leben übrig haben! Du solltest doch noch die Chance haben, deine Enkel kennenzulernen!"
Eine junge Königin hatte ihre Schnauze in das regennasse Fell des Toten gesteckt und mit Grauen dachte die junge Kriegerin daran, was Zedernglut gesagt hatte.
Er hatte bekommen, was er wollte.
Der dunkelbraune Krieger auf dem Boden schien ein letztes Mal etwas zu den Umstehenden zu röcheln, dann versiegte auch sein Lebensatem und er rührte sich nicht mehr.
Eine langfellige, beige Kätzin, die sicher schon einige Monde auf ihrem Rücken trug, rief laut zu den Sturmwolken empor.
„SternenClan! In seinen letzten Atemzügen hat Wurzelstern, unser rechtmäßiger Anführer, seine neue Stellvertreterin auserwählt. Nehmt ihr Eisenherz an, so gebt uns ein Zeichen!"
Der Sturm toste weiter, ohne Pause und ohne zu ruhen. Doch bevor irgendjemand etwas in den Wolken ausmachen konnte, brach eine graue Kätzin in ihrer Mitte zusammen, wand sich auf dem Boden und jaulte vor Schmerzen.
„Nein! Rührt sie nicht an! Sie empfängt ihre neun Leben vom SternenClan!"
Niemand wagte es nun noch, etwas zu machen. Eisiger Blattfrische-Regen prasselte nun auf sie alle hinunter und keiner fand Schutz. Die jungen, frischen Blätter waren von den Bäume gerissen worden und nur die wenigen Nadelbäume im WolkenClan-Territorium boten noch ein wenig Schutz vor den kalten Bindfäden, die der Himmel nun verschüttete.
Ein schwarzer Kater geleitete die Königin unter die tiefhängenden Äste einer Fichte und bettete ihren Kopf auf seinen Bauch, sanft auf sie einredend. Ein einäugiger Kater, vermutlich ein Heiler, kümmerte sich um Federsee, die eine lange Krallenverletzung an ihrer Seite hatte.
Der WindClan hatte das Schlachtfeld bereits wieder verlassen und sich auf den Weg in ihr eigenes Territorium gemacht. Der FlussClan jedoch hatte zu viele Verletzte, um sie zu verlassen und zu seinem eigenen Lager zu schwimmen.
Der Angriff hatte beide Clans schwer getroffen und dem WolkenClan sowohl seinen Anführer als auch seinen Zweiten Anführer genommen.
Die ältere Heilerin hatte sich nun zu der baldigen Anführerin in den Regen gelegt und schien mit dem SternenClan zu kommunizieren.
Jasminhimmel keuchte überrascht, als die graue Kätzin plötzlich die Augen aufschlug und sich benommen schüttelte. Die eiserne Kriegerin stand auf, lief leichtfüßig zu einem Baum mit einem langen, abgebrochenen Ast und rief den WolkenClan:
„WolkenClan! Mein Name ist von heute an Eisenstern und ich schwöre euch, der DonnerClan wird uns nicht noch einmal so überfallen können. FlussClan, vielen Dank für eure schnelle Hilfe. Solltet ihr uns jemals brauchen, schickt einfach nach uns und wir kommen."
Der metallische Schimmer in ihrem Fell ließ die Kätzin wie eine mächtige Kämpferin aussehen und Jasminhimmel wusste, der WolkenClan war nun in guten Pfoten.
—~—
Ende von Teil 1! Eine turbulente Fahrt, nicht wahr?
Kapitän Wolke ist raus. Guten Morgen!
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