November Rain

Es war der erste November, als Hermione ihn zum ersten Mal mit anderen Augen sah. Ihn, den Jungen mit den sturmgrauen Augen. Diese wunderschönen Augen, die so viele Emotionen innehalten können, diese Augen, die Hermiones Blick fesselten und ihr Herz einen Satz machen ließen.

An jenem besagten Novembertag hingen schwere Regenwolken über Hogwarts, ein starker Wind ließ die hohen Tannen auf dem Gelände schwanken und wirbelte die bunten Blätter über den Boden.
Um die Eiseskälte abzuhalten, trug Hermione einen dicken Mantel und einen kuscheligen, roten Schal, die sie warmhielten.
Sie hatte gerade eben einen Test in Arithmantik geschrieben und war dementsprechend schlecht gelaunt, da sie wusste, dass sie bei einer Aufgabe für ihre Verhältnisse wirklich versagt hatte.
Sie rückte den Bücherstapel in ihren Armen zurecht, lief vorsichtig eine Treppe hinunter und überlegte währenddessen, was sie mit dem Rest des Nachmittages anfangen würde. Vielleicht würde sie später ein Buch lesen, aber zuerst musste sie den Aufsatz in Geschichte noch beenden.

Sie stöhnte leise auf, als sie an das schlechte Wetter draußen dachte, welches sie den ganzen Tag über durch das Fenster beobachtet hatte und gehofft hatte, es würde sich bis zum Spätnachmittag ändern. Erneut rückte sie die Bücher in ihren Armen zurecht und dachte mit Entsetzen daran, dass sie diese ja noch bis zum Schulsprecherturm tragen musste.
,,Bleibt mir ja wohl nichts anderes übrig", sagte sie leise zu sich selbst, irgendwie mussten die Bücher ja bis dorthin kommen.

Dicke Regentropfen fielen inzwischen vom Himmel, prasselten auf die Blätter der Bäume, und trommelten gegen die großen Glasfenster des Flurs, den Hermione eilig durchschritt.

,,So ein verdammtes Herbstwetter", zischte Hermione und tastete nach ihrem Zauberstab in ihrer Hosentasche, um Wingardium Leviosa auf die wirklich schweren Bücher anzuwenden.
Als sie ihn jedoch nicht spüren konnte, erstarrte sie. ,,Oh bitte nicht...", murmelte sie.
Das hatte ihr ja gerade noch gefehlt.
Sie stellte die Bücher auf das nächstbeste Fensterbrett, ließ ihre Tasche von ihrer Schulter gleiten und durchsuchte diese, doch der Zauberstab blieb unauffindbar.

Hermione verzog das Gesicht. Sie musste ihn sicher in Arithmantik in der Eile gerade eben, um schnellstmöglich zu ihrem Zimmer zu kommen, vergessen haben. Sie konnte sich wirklich mal wieder einen Vortrag halten, warum sie nicht daran gedacht hatte und wo sie nur wieder ihren Kopf hatte. Hoffentlich lag er noch dort.

Mit einem Seufzer nahm Hermione wieder ihre Bücher in die Hand, und wollte sich gerade umdrehen und wieder in die Richtung laufen, aus der sie gerade eben gekommen war, als ein ,,Hey! Granger! Warte mal!" hinter ihr ertönte.
Verwundert blieb sie stehen und drehte sich um.

Hinter ihr stand er. Er, der Slytherin, der sie jahrelang geärgert hatte, der Todesser, der doch für das Gute kämpfte, ihr Schulsprecherpartner, mit dem sie nun seit Anfang des Jahres in einem Turm lebte. Seine blonden Haare waren total zerzaust, im Gegensatz zu sonst, und hingen ihm ins Gesicht, was ihn irgendwie attraktiv wirken ließ.

Hermione erinnerte sich, dass sich heute in Pflege magischer Geschöpfe mit einem Niffler in die Haare bekommen hatte  -  und das wortwörtlich  -  allerdings war er normalerweise eitel genug, um dies sofort zu richten.

Er war vielleicht einen Kopf größer als Hermione, doch das, was ihre Aufmerksamkeit am meisten fesselte, abgesehen von seinen Haaren, waren seine Augen.
Sie wirkten wie der bewölkte Novemberhimmel draußen, verschiedene Grautöne und Gedanken schienen in ihnen herumzuwirbeln, keine jedoch klar identifizierbar.
Sie wirkten auf irgendeine Art und Weise beruhigend, so undurchdringlich, doch gleichzeitig konnte man schon erahnen wie stürmisch und einschüchternd sie werden konnten.

,,Ich vermute das ist deiner", meinte Draco Malfoy. Seine Worte rissen Hermione aus ihren Gedanken. Sie nickte und fügte hinzu: ,,Ja. Vielen Dank." Er fuhr sich durch die Haare und langsam vermutete Hermione, warum seine Frisur ein einziges Nest war.
,,Du hast ihn in Arithmantik vergessen", fügte er hinzu.
,,Das habe ich geahnt", antwortete Hermione und hätte sich beinahe wieder in seinem Blick verloren.

Der Regen prasselte weiter unbeeindruckt gegen das Fenster, neben dem sie standen. Hermione musste sich förmlich zwingen, ihren Blick von seinem zu lösen und ermahnte sich selbst, sich zusammenzureißen. ,,Du hast ihn nicht verzaubert, oder, Malfoy?", vergewisserte sie sich und musterte ihren Zauberstab kritisch, den er ihr immer noch entgegenhielt.

,,Leider nicht, fürchte ich", gab er trocken zurück. ,,Das hattest du wohl nicht erwartet, oder?", fragte er nach. Hermione rollte mit den Augen und griff nach ihrem Zauberstab, nachdem sie Dracos Miene ganz genau gemustert hatte. Die ersten Sekunden erwartete sie schon beinahe irgendeinen Fluch, doch als nichts geschah, entspannte sie sich.
,,Danke", sagte sie knapp. Der Malfoy nickte nur. Eine gefühlte Ewigkeit standen sie sich wortlos gegenüber, während sich beide innerlich fragten, warum sie nicht einfach wieder gingen. Stumm wies Hermione ihre Beine an, sie verdammt nochmal endlich zu ihrem Zimmer im Schulsprecherturm zu bringen, doch es war, als wäre irgendein Teil von ihr, mit dieser Stelle, an der sie gerade stand, verankert und wollte partout nicht loslassen.

,,Also, ich gehe dann mal zurück zu unserem Turm und – " ,,Lass mich dir helfen", unterbrach Draco sie und nahm ihr, ohne auf eine Antwort zu warten, einen Teil des Bücherstapels ab und ging mit straffen Schritten Richtung Schulsprecherturm.
Obwohl Hermione lautstark protestierte, reagierte er nicht auf ihre Aufforderungen, ihr ihre Bücher zurückzugeben. Nach einer Weile gab sie es auf und sie liefen schweigend nebeneinanderher.
Der ein oder andere Schüler warf ihnen einen verwirrten Blick zu, doch Draco schien es nicht zu kümmern.

Irgendwann hielt Hermione nicht mehr die Stille aus und fragte nach seinem Tag, was er erstaunlich freundlich beantwortete. Den Rest des Weges unterhielten sie sich über alltägliche Dinge, wie die Arithmantikprüfung oder den momentanen Unterrichtsstoff in Alte Runen und Hermione war erstaunt, in wie vielen Sachen, sie gleiche Meinungen vertraten.

,,Was hast du jetzt?", fragte sie.
Draco antwortete sofort: ,,Geschichte der Zauberei."
,,Dann beeile dich lieber, die Stunde beginnt bereits in knapp acht Minuten", warnte Hermione ihn nach einem Blick auf ihre Armbanduhr. Draco nickte nur und schob sich seine Tasche höher auf die Schulter.

Er war gerade dabei sich abzuwenden und gehen, als sie ihn an der Schulter berührte, ihn zu sich drehte und flink mit ihren Händen seine Haare richtete.
Der Slytherin ließ das ganze wortlos und starr vor Überraschung zu.
,,So kannst du doch nicht gehen", murmelte sie und trat dann einen Schritt zurück, um ihr Werk zu begutachten.
,,Vielen Dank nochmal", bedankte sich Hermione dann erneut und öffnete das Porträt, das zum Schülersprecherturm führte mithilfe des aktuellen Passwortes.

,,Wir sehen uns später", verabschiedete sie sich und stieg durch das Porträt in den Gemeinschaftsraum, in dessen Karmin bereits ein warmes Feuer loderte, während der Wind Äste und Blätter gegen die Fenster peitschte und der Regen immer lauter prasselte.
Sie hörte nicht mehr, dass er ,,Ich freue mich darauf" antwortete, der starke Regen übertönte es.

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