Friend to enemy
Die nächsten anderthalb Monate ließ Thorin sich nicht blicken. Ich jedoch war mir sicher, dass er noch kommen würde. Ich erkundete den Erebor und hatte schon bald eine grobe Übersicht des Berges. Auch zeigte Smaug mir die Grotte, in die er sich zurückziehen wollte und ich brachte mithilfe von Lilly meine ganze Ausrüstung und jede Menge Proviant dorthin. Denn ich hatte die Vermutung, dass Thorin trotz allem der Goldkrankheit verfallen würde und dann wären auch Lilly und ich nicht mehr im Berg erwünscht. Da die Zwerge treu zu ihrem Anführer standen, würde ich nur Bilbo verraten, wo wir zu finden waren. Ebenso würde ich ihm den Arkenstein – ich hatte ihn mit Smaugs Hilfe schnell gefunden – überlassen mit der Bitte ihn nicht Thorin zu geben, sondern vielleicht einen Krieg zu verhindern. Eigentlich hatte ich den Arkenstein ja mit Smaugs und Lillys Hilfe zerstören wollen, aber das war fürchterlich schief gegangen. Der Stein schien von einem unsichtbaren Schutzschild umgeben zu sein, das alles zurückwarf, was darauf traf. Ich hatte beinahe mein Auge verloren und nur dank Lillys schnellem Handeln besaß ich noch meine Reisekleidung und meine Haare.
Wie jeden Morgen stellte ich mich auf die Mauer des Haupttores und schloss meine Augen. Ich strengte mein Gehör an und versuchte die Gemeinschaft zu finden. Tatsächlich hörte ich ihre Stimmen. Sie schienen sich ausgelassen zu unterhalten und auf den Berg zu freuen. Sie mussten in der Nähe sein. Wenn ich es richtig schätzte, brachen sie gerade aus der Seestadt auf. Warum hatte ich sie nicht früher gehört?
„Smaug!“, brüllte ich in den Berg hinein und pfiff zusätzlich. Smaug und Lilly erschienen in der Eingangshalle und ich dankte den Zwergen ein weiteres Mal, dass sie so große Hallen errichteten. „Die Zwerge sind auf dem Weg. Los, in deine Grotte. Bevor sie in der Lage sind zu erkennen, dass du den Berg hinauf fliegst“, wies ich den Großen an. Er kam zu mir, pustete mir zum Abschied einen Schwall heiße Luft ins Gesicht und verschwand. Ich fragte mich immer noch, auf welchem Wege er damals in den Berg gelangt war, denn das Haupttor war unbeschädigt. Smaug hatte es mir die letzten Wochen nicht erzählen wollen und ich respektierte das. „Lilly, geh zu den Ausläufern des Berges und versteck dich da. Warte auf mein Zeichen. Das, was ich vorhin gehört habe, lässt keine Zweifel zu. Thorin ist schon jetzt besessen von dem Gold.“ Lilly gurrte und verschwand über das Tor. Ein Glück hatte ich schon all meine Sachen in die Grotte gebracht. Ich hatte es ja gewusst. Thorin war der Goldkrankheit verfallen und nur die Valar vermochten ihn da wieder rauszuholen.
Ich schloss meine Augen und lauschte auf die Zwerge. Sie waren schon auf dem Weg nach Thal hinauf. Ich lauschte auf ihre Gespräche und als Thorin sprach, wurde es noch deutlicher. Er hatte die Goldkrankheit. Ich öffnete meine Augen und erblickte in der Ferne 14 kleine Gestalten, die durch die Ruinen von Thal marschierten. Der Zauberer war nicht bei ihnen. Natürlich. Wahrscheinlich hatte er sie noch vor dem Düsterwald verlassen und deswegen hatten sie so lange gebraucht um hierher zu kommen. Ich beobachtete die Zwerge und den Hobbit weiter, wie sie über die kahle Ebene liefen. Langsam wurde es dunkler.
Ich stieg die Stufen vom Tor hinab und ging durch eine kleine Tür neben dem Haupttor. Ich stellte einen Stein vor die Tür, damit sie nicht zufiel und die Zwerge in den Berg gelangen konnten. Mit einem ernsten Blick lief ich der Gruppe entgegen. Thorin blickte mich ebenso finster an. Zwei Schritte vor mir hielt er an und auch ich blieb stehen. Stumm sahen wir uns in die Augen und die Zwerge der Gemeinschaft schienen die Luft anzuhalten. „Ich übergebe dir den Berg, Thorin Eichenschild. Und wie ich es versprach, ist im Innern kein Drache mehr.“ Die Zwerge begannen zu jubeln, nur Thorin und Bilbo beteiligten sich nicht daran. „Und der Arkenstein? Hast du ihn gefunden?“, wollte Thorin wissen und die Zwerge wurden wieder ruhig. „Der Arkenstein befindet sich nicht im Berg, Thorin Eichenschild.“ Ich log nicht einmal, denn ich trug ihn unter meinem Mantel, den ich seit einem halben Monat trug, weil die Temperaturen sanken. „Du lügst. Oder hast du ihn gestohlen? Du hast ihn mir gestohlen. Aber was soll man schon erwarten von einem Drachenmädchen“, zischte Thorin. „Wenn du das denkst, belügst du dich selber. Du hast dich verändert, Thorin Eichenschild. Und nicht zum Guten. Ich tat gut daran meine Drachen fortzuschicken, bevor noch ein Unglück geschieht. Geh, nehm dir deinen Berg, nehm dir dein Reich, nehm dir deinen Thron. Aber hoffe nicht auf meine Hilfe in der Not, denn so hast du sie nicht verdient.“
Thorin schnaubte und lief an mir vorbei, wobei er mich mit der Schulter anrempelte. „Mein Großvater tat gut daran euch zu verraten.“ Die Zeit schien still zu stehen nach seinen Worten. Wie in Zeitlupe liefen die einzelnen Zwerge an mir vorbei. Manche blickten auf den Boden, manche blickten mich traurig und entschuldigend an. Bilbo kam zuletzt. Ich hielt ihn an der Schulter zurück und wartete, bis die Zwerge weit genug entfernt waren. Schnell holte ich den Arkenstein aus meinem Mantel und drückte ihn Bilbo in die Hand. „Behalte ihn bei dir, geb ihn nicht Thorin. Vielleicht kannst du damit einen Krieg verhindern. Die Drachen und ich verstecken uns in einer kleinen Grotte oberhalb des Erebor. Wenn der Krieg gegen die Finsternis beginnt, dann ruf mich und ich werde uns einen Vorteil verschaffen.“ „Krieg gegen die Finsternis?“, keuchte der Hobbit erschrocken.
Ich jedoch wand mich von ihm ab und pfiff einmal laut. Lilly kam angeschossen. Ich schwang mich auf ihren Rücken und wir flogen davon. In einem weiten Bogen flogen wir um den Berg, sodass die Zwerge nicht merkten, wie ich eine kleine Höhlenöffnung weit oberhalb des Haupttores anflog. Ungesehen setzten wir auf dem Boden auf. Ich klopfte Lilly gegen den Hals und blickte noch einmal nach draußen. Die Dämmerung setzte ein. Die Gemeinschaft war im Berg verschwunden. Und in der Ferne roch es nach Tod und Verderben.
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