Es kam am nächsten Morgen tatsächlich jemand in den Stall. Aber es war nicht Thorin. Es waren seine Neffen, Fili und Kili. Ebenso erschien Bilbo und sogar Balin. „Was macht ihr denn hier?“, murmelte ich verschlafen und setzte mich leicht auf. „Wir wollten uns bei dir entschuldigen“, begann Fili zögerlich. Ich hob eine Augenbraue. „Wofür entschuldigen? Ihr habt es verstanden.“ Fili und Kili nickten. „Aber unser Onkel nicht.“ „Er wird es auch noch verstehen. Bevor das Ende kommt, wird er es verstehen“, murmelte ich. „Und du, Balin? Warum bist du hier?“ Zögerlich trat der Alte vor. „Ich möchte Frieden schließen. Mit mir, meinem Geiste und den Drachen.“
Anerkennend senkte ich meinen Kopf und winkte ihn zu mir. Langsam trat der Zwerg näher und kniete sich vor Lilly und mich. „Kommt her, Meister Zwerg. Sie wird Euch nichts tun.“ Ich hockte mich neben ihn und griff seine Hand. Langsam führte ich sie zu Lillys Kopf und nach kurzer Zeit begann Balin von ganz alleine über die Schuppen zu streichen. Ungläubig fing er an zu lachen und ich blickte grinsend zu den anderen drei. Ich stand auf und trat zu Bilbo.
„Und du, mein Freund? Was verschlägt dich hierher?“ „Die Zwerge kommen zur Vernunft. Sie nehmen deine Geschichte an und glauben an Smaugs Unschuld. Nur Dwalin und Thorin wollen es nicht wahrhaben. Doch die anderen hoffen, dass die beiden noch zur Vernunft kommen und Thorin sich bei Smaug entschuldigen wird. Kaira, sie würden alles tun, was ihr König sagt. Selbst gegen ihr Gewissen und gegen ihre Vernunft.“ „Und du bist gekommen, um mir das zu sagen?“ „Keiner der Zwerge hätte es sich getraut.“ Ich nickte und grinste wissend.
„Fili, Kili“, wandte ich mich ruhig an die beiden und legte ihnen jeweils eine Hand auf die Schulter. „Es mag der Tag kommen, an dem ihr über den Erebor herrschen werdet. Wenn euer Onkel bis dahin nicht zur Vernunft gekommen ist, dann hoffe ich, dass zwischen den Drachen und dem Erebor friedliche Beziehungen möglich sind. Die Geister meiner Vergangenheit rufen mich zur Vorsicht. Doch ich kann nicht alleine auf eine steigende Anzahl von Drachen achten und sollte ich kinderlos bleiben, muss ich das Amt der Drachenhüter jemand anderem übertragen. Einem Menschen kann ich es nicht gestatten und auch die Elben haben ihre Schattenseiten, wodurch sie nur bedingt in Frage kommen. Zwar verriet uns ein Zwerg, doch ich habe gesehen, dass die Jüngeren unter euch in Frieden mit den Meinen leben könnten.“ Fili und Kili senkten ihre Häupter. „Ich schwöre dir, dass ich alles in meiner Macht stehende tun werde, um meinen Onkel zu überzeugen. Und wenn dies nicht gelingen sollte, so will ich, sobald ich König werde, friedliche Beziehungen zwischen dem Erebor und deiner Heimat aufleben lassen. Jeder Zwergling soll die wahre Geschichte des Drachen Smaug und des Volkes der Drachenhüter kennen und die Drachen schätzen lernen. Auf das Drachen und Zwerge in der Zukunft friedlich zusammen existieren können“, sprach Fili. „So sei es“, sagte mit einem Mal Balin, der neben uns aufgetaucht war.
„Und nun geht zu eurer Gruppe und frühstückt. Ich werde eine Runde mit Lilly fliegen“, beschloss ich und schob die drei Zwerge und den Hobbit aus dem Stall. Ich klopfte mir das Stroh von den Klamotten und aus den Haaren und trat hinaus in den Sonnenschein. Lilly folgte mir. „Ein bisschen Sport vor dem Frühstück tut doch immer gut“, murmelte ich und schwang mich auf Lillys Rücken. Ich schnalzte mit der Zunge und wir schossen nach oben. Ich ließ meinen Emotionen freuen Lauf und schrie meine Freude hinaus. Lilly Stimmte mit einem gurrenden Schrei ein. Die Zwerge hatten es begriffen und Fili hatte mir friedliche Beziehungen zwischen den Drachen und den Zwergen versprochen. Unsere Zukunft war gerettet. Jetzt musste nur noch Thorin zur Vernunft kommen, dann stand nichts mehr im Wege. Lilly drehte noch ein paar weite Kreise um Beorns Hof, ehe sie wieder zur Landung ansetzte.
Ich sprang von ihrem Rücken und kraulte sie unterm Kinn. „H-Hallo“, stotterte es neben uns und ich blickte grinsend zu dem jüngsten Mitglied der Gemeinschaft. „Ori“, nickte ich. „I-Ich hab dir F-Frühstück gebracht“, murmelte der Zwerg und hielt mir einen Teller mit Brot und Käse entgegen. Dankend nahm ich ihn an. „Hast du schon gefrühstückt?“ erkundigte ich mich bei Ori und setzte mich ins Gras. Lilly tat es mir gleich. Der Zwerg vor mir nickte. „Dann setz dich doch. Lilly hat bestimmt nichts dagegen, wenn du sie etwas streichelst.“ Schneller als ich gedacht hatte setzte Ori sich neben Lilly und begann ihren Kopf zu streicheln. Grinsend aß ich mein Frühstück. Danach blickte ich mich in Beorns Garten um und musste schmunzeln.
„Deinen Brüdern scheint es nicht ganz so zu gefallen, dass du hier bist“, sagte ich und Ori blickte auf. Ich zeigte auf den Eingang zu Beorns Haus, in dem sich auch fast der ganze Rest der Zwerge versammelt hatte. „Dann…. Dann hole ich sie und zeige ihnen, dass der Drache gar nicht böse ist“, beschloss Ori mit einem Mal und sprang auf. Ich war erstaunt und erfreut zugleich. Ori lief zu den anderen Zwergen und fing an mit seinen Brüdern zu diskutieren. Weitere Stimmen wurden laut. Bilbo, Fili und Kili versuchten ebenfalls die anderen zu überzeugen, Frieden mit den Drachen zu schließen. Der erste, der loslief, war Bofur, dicht gefolgt von einem immer noch essenden Bombur und einem – wie es schien – fluchenden Bifur. Balin zog einen sich wehrenden und laut zeternden Dwalin hinter sich her. Ori nahm ihn zum Vorbild und zog Dori und Nori hinter sich her, wobei Dori sich mehr sträubte als Nori. Fili und Kili konnten letzten Endes auch noch Oin und Gloin überzeugen. Bilbo folgte der Gruppe Zwerge. Thorin Eichenschild blieb allein im Türrahmen zurück und blickte düster mit verschränkten Armen seinen Leuten hinterher. Er würde es auch noch verstehen.
Die Zwerge stellten sich in einer Reihe und mit gebührendem Abstand zu dem Drachen auf. Ich musste kurz schmunzeln und stellte mich hin. Lilly tat es mir gleich. „Na los, sie tut euch nichts“, grinste ich ermutigend. Wieder machte Bofur den Anfang. Zögerlich lief er auf Lilly zu und streckte seine Hand aus. Wie in Zeitlupe berührte er ihren Kopf. Er hielt kurz die Luft an und als nichts weiter passierte, strich er über ihre Schuppen. „Ich streichele einen Drachen. Bei Durins Bart, ich streichele einen Drachen“, murmelte er ungläubig. Davon ermutigt kamen auch seine Verwandten Bombur und Bifur und strichen über Lillys Schuppen. Zusammen traten sie wieder zurück und nickten mir zu, ehe sie sich nach hinten stellten.
Der nächste war Nori, der versuchte mutig auszusehen, es aber nur bedingt schaffte. Er strich kurz über Lillys Kopf, trat dann zurück und nickte mir zu. Sein Bruder Dori tat es ihm nach kurzem Zögern gleich. Oin und Gloin waren schon schwieriger zu überzeugen, aber nachdem jeder auf sie eingeredet hatte, strichen auch sie Lilly kurz über den Kopf und nickte mir zu. Nur Dwalin war noch übrig. Er hatte seine Arme verschränkt und blickte grimmig drein. „Ich werde sicher keinen Drachen streicheln“, presste er hervor. Ich blickte kurz zu Lilly und nickte mit dem Kopf leicht in Dwalins Richtung. Meine Kleine verstand und hüpfte auf den Zwerg zu, der stocksteif stehen blieb. Lilly rieb ihren Kopf an seinem Arm. Fili und Kili brachen in Gelächter aus. Auch die anderen Zwerge lachten. Langsam lockerte sich Dwalin, hob eine Hand und strich kurz über Lillys Kopf. „Vielleicht bist du ja doch nicht so schlimm“, murmelte er. Die anderen konnten es durch ihr Gelächter nicht gehört haben, ich dank meinem verbesserten Gehör aber schon. Nun fehlte nur noch Thorin. Doch an ihm zweifelte ich nach wie vor. Wenn er der Goldkrankheit – ich weigerte mich es Drachenkrankheit zu nennen – verfallen würde, dann wäre das Schicksal der Zwerge und Drachen sowieso besiegelt. Wenn Thorin bis dahin zur Vernunft gekommen war, dann würde er sich danach nicht mehr bei Smaug entschuldigen.
Die älteren Zwerge machten sich wieder auf den Weg zurück ins Haus, während die jüngeren und Bilbo mit Lilly spielten. Ich wusste meinen Drachen in guten Händen und so folgte ich den anderen zum Haus. Sie alle traten durch die Tür, ich blieb neben Thorin stehen. „Siehst du das, Thorin Eichenschild? Die Deinen erkennen, was du so verzweifelt zu verdrängen suchst. Sie erkennen die Wahrheit, Thorin Eichenschild. Und ich hoffe für dich, dass du sie auch noch erkennen wirst“, zischte ich ihm zu und machte mich auf den Weg zu Gandalf.
Die Zwerge begannen Gespräche untereinander und ich sah Dwalin und Balin zu Thorin gehen. Vielleicht konnten die beiden ihn ja überzeugen. „Was ist dein Plan?“, fragte ich den grauen Zauberer. „Wir werden Richtung Norden reiten und den Düsterwald über den alten Elbenpfad überqueren.“ „Düsterwaldelben sind anders als die Elben aus Bruchtal, Gandalf. Einst bekämpften sie die Drachen; Mein Volk führte Krieg gegen ihres. Ihr König ist kaltherzig und sperrt sich lieber in seine Hallen als sich um das Wohl anderer zu kümmern.“ „Ihr seid euch ähnlich.“ „Was?“, entfuhr es mir etwas zu laut. „Du, Thranduil und Thorin. Ihr drei seid euch ähnlicher als ihr denkt.“ „Gandalf, vergleiche mich noch ein einziges Mal mit den beiden und es geschieht ein Unglück“, zischte ich und drehte mich schwungvoll um.
Ich lief durch die Tür, als mich plötzlich eine Hand zurückhielt. Mit blitzenden Augen blickte ich zu der Person. Thorin. Er blickte zu mir. Dann blickte er zu Lilly, die immer noch mit den anderen spielte. Er blickte wieder zu mir und nickte mir zu. Ich tat es ihm gleich und er ließ mich los. Ich setzte meinen Weg aufgewühlt fort. Thorin begann die Wahrheit zu akzeptieren und vielleicht, ganz vielleicht ließ sich ein Kampf zwischen den Zwergen und Smaug und mir ja verhindern. Ich brauchte jetzt dringend einen kühlen Kopf.
Ich pfiff einmal. Lilly ließ die Zwerge und den Hobbit stehen und kam sofort zu mir. Ich schwang mich auf ihren Rücken und schnalzte mit meiner Zunge. Sofort schoss der Drache in die Luft und ich trieb sie immer weiter an. Unbewusst flog ich den Weg ab, den Gandalf mit den Zwergen nehmen musste, um zum alten Elbentor zu kommen. Als ich es bemerkte, drehte ich wieder um und flog zurück zu Beorns Hof. Mein Geist war etwas leichter geworden und ich konnte den Zwergen entspannt gegenübertreten. Lilly nahm ich mit ins Haus. Heute Nacht würden wir an unserem angedachten Platz schlafen.
Beorn tischte schon das Abendessen auf. Er warf Lilly ein Stück Fleisch zu, die sich mit ihrem Essen in die Ecke mit dem Stroh verzog. Ich zog mich zwischen Fili und Kili auf einen freien Platz. Still begann die ganze Gemeinschaft zu essen. Diese Stille hielt aber nicht lange. Schnell entstanden wieder Gespräche. „Ich hab mir da schon was gedacht, Kaira“, sprach Fili mich kauend von der Seite an. „Soso“, grinste ich und der junge Zwerg nickte. „Ich werde jedem Arbeiter das Angebot machen in deine Heimat zu ziehen und dort zu arbeiten. Dann musst du nicht alles ganz alleine machen. Und im Gegenzug könntest du es den Zwergen gestatten auf den Drachen zu fliegen. Und im Kriegsfall unterstützen wir uns natürlich.“ Ich nickte Fili zu. Er würde ein guter König und Handelspartner werden. „Das klingt sehr gut. Aber zuerst müssen die Drachen wieder an Zahl zunehmen. Lilly und die anderen Kleinen haben über 50 Jahre gebraucht, bis sie geschlüpft sind. Das aber nur, weil die nötige Wärme einer Drachenmutter
fehlte. Normalerweise dauert das Brüten kein halbes Jahr.“ „50 Jahre? Wie alt bist du dann?“, rief Kili von der anderen Seite aus. Ich grinste ihn an. „Ich bin 65 Jahre alt.“ „Was?“, riefen Fili und Kili gleichzeitig.
„Hey, Leute. Kaira ist 65 Jahre alt!“, posaunte Kili und es wurde still am Tisch. „Wirklich?“, hakte Bofur nach und ich nickte grinsend. „Drachenhüter leben länger als Menschen und auch länger als Zwerge und Hobbits. Nur mit den Elben können wir nicht mithalten, denn unsterblich sind wir nicht“, erklärte ich. „Auf Kaira und ihre Drachen!“, rief Fili in die aufkommende Stille und alle taten es ihm gleich. Sogar Dwalin und Thorin hoben kaum merklich ihre Krüge, was mich dazu brachte noch breiter zu grinsen. Nach dem Essen erhob Thorin seine Stimme. „Packt eure Sachen zusammen und ruht heute Nacht. Wir wollen morgen so früh es geht weiterreisen.“ Die Zwerge erhoben sich jubelnd und begannen ihre Rücksäcke zu packen. Auch ich stand auf.
Thorin kam auf mich zu. „Was wirst du tun?“ Ich legte meinen Kopf schief. „Du hast dich geändert, Thorin Eichenschild. Du beginnst die Wahrheit zu akzeptieren. Dennoch. Die Geister meiner Vergangenheit stehen mir noch im Weg. Ich kann nicht mit euch ziehen, nicht als Teil deiner Gemeinschaft. Doch ich werde am Erebor sein, wenn ihr es seid. Ich werde versuchen Smaug zu überzeugen aus dem Berg zu gehen. Ich werde es tun, während ihr noch durch den Düsterwald wandert und euren Weg sucht. Vielleicht, Thorin Eichenschild, vielleicht kann ich dir den Erebor ohne einen Drachen in seinem Innern übergeben und dir das Tor öffnen. Aber sei dir gewiss, dass Smaug von dir eine Entschuldigung verlangen wird, so schnell es geht. Und, Thorin Eichenschild, verfalle nicht der Goldkrankheit. Sonst sind wir alle verloren und das Schicksal von Zwergen und Drachen ist besiegelt.“ „Im Berg befindet sich etwas, was ich brauche. Der Arkenstein. Das Königsjuwel. Würdest du ihn für mich suchen?“ „Ich werde sehen, was ich tun kann.“ Thorin blickte mich ernst an und nickte mir zu. Er wandte sich zum Gehen.
„Thorin!“, hielt ich ihn auf und er drehte sich wieder zu mir. „Wenn das alles hier vorbei ist, wird Gandalf mir eine neue Heimat für mich und meine Drachen zeigen. Ich hoffe es ist auch in deinem Interesse, dass wir friedliche Beziehungen zwischen unseren Reichen führen werden.“ Erneut nickte mir Thorin zu und ich erwiderte das Nicken. Thorin wandte sich zum Gehen und ich drehte mich um. Natürlich hatten die anderen gelauscht. „Was steht ihr da rum und glotzt?“, rief Thorin. Der Rest seiner Rede ging in lautem Gejubel der Zwerge unter.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top