A giant friend

Irgendwann setzte Lilly mit den Adlern zum Landen an. Ich öffnete meine Augen und setzte mich wieder richtig hin. Wir hielten auf den Carrock zu und ich musste breit lächeln. „Lilly, das ist der Carrock. Wir können Beorn besuchen. Und ich glaube, das ist auch das, was Gandalf vorhat“, flüsterte ich meinem Drachen zu und sie gurrte zufrieden. Wir waren Beorn genau ein Mal besuchen gewesen. Als Lilly groß genug gewesen war, um mich auf ihrem Rücken zu tragen. Elrond hatte mir einst von dem Hautwechsler erzählt und ich hatte ihn kennenlernen wollen. Er hatte uns freundlich empfangen und wir hatten ein paar schöne Tage bei ihm verbracht, ehe es mich wieder nach Bruchtal zu meinen Eiern gezogen hatte.

Der Adlerfürst legte Thorin auf dem Carrock ab und verschwand wieder. Die anderen Adler taten es ihm gleich. „Ich danke euch“, flüsterte ich ihnen hinterher und als ob sie es gehört hätten, kreischten sie einmal auf, ehe sie ganz verschwanden. Ich hielt Lilly in der Luft und beobachtete das Treiben auf dem Felsen. Gandalf eilte zu Thorin und kniete sich zu ihm. Kurz darauf standen beide auf und Thorin blickte verwirrt auf seine versorgten Wunden. „Gandalf, wer hat mich versorgt?“ Mein Einsatz. Ich klopfte Lilly auf den Hals und sie landete direkt hinter Thorin und Gandalf, sodass jeder uns sehen konnte. Ich sprang von meinem Drachen. „Ich, Thorin Eichenschild. Dank mir lebst du noch. Dank mir leben deine Gefährten noch. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich einen von euch mag.“ Ich konnte mir bei den nächsten Worten ein böses Grinsen nicht verkneifen. „Du stehst in meiner Schuld, Thorin Eichenschild. Du stehst in meiner Schuld.“

Ich schwang mich auf Lillys Rücken und wir flogen ohne ein weiteres Wort oder einen Blick zurück davon in Richtung von Beorns Haus. Schon von Weitem sah ich die prächtige Blumenwiese und den Eichenwald, der Beorns Hof umgab. Wir flogen darüber hinweg und über die große Dornenhecke, die das ganze Anwesen umgab. Ich hörte die Bienen unter uns Summen und Laute von Pferden und Ziegen. Lilly landete hinter den Bienenstöcken. Ich konnte gerade noch absteigen und die Tasche an mich nehmen, da begann sie, sich im Gras zu wälzen und glückliche Laute von sich zu geben. Ich grinste und beobachtete sie dabei.

Vom Haus her kamen Schritte. „Es ist schön euch beide wieder zu sehen“, vernahm ich Beorns tiefe Stimme. Ich behielt Lilly im Blick, während ich mit ihm sprach. „Und doch ist es kein ganz freiwilliger Besuch.“ „Inwiefern?“ Ich wandte mich ihm zu. „Lass uns das drinnen bereden. Lilly ist hier sicher, ich kann sie alleine lassen“, beschloss ich. Beorn senkte kurz sein Haupt, ehe wir zusammen den großen Hauptweg entlang liefen. Wir betraten das übergroße Haus und ich hievte mich in einen der großen Sessel. Beorn nahm mir gegenüber Platz. „Lilly ist groß geworden. Wie geht es den Eiern?“, begann Beorn das Gespräch und ich musste wieder lächeln. „Sie sind vor etwa vier Wochen geschlüpft und es geht ihnen gut. In einem Ei waren sogar Zwillinge“, erzählte ich stolz und voller Begeisterung. Auch Beorn zauberte dies ein Lächeln auf sein sonst so ernstes Gesicht. „Warum bist du dann nicht bei ihnen?“, wollte er wissen. Meine Stimmung verdüsterte sich wieder.

„Thorin Eichenschild ist auf dem Weg, um den Erebor zu erobern und Smaug zu töten. Gandalf wollte mich mit auf die Reise nehmen, doch ich weigerte mich der Gemeinschaft beizutreten. Stattdessen beschloss ich, sie von oben zu beobachten und vor ihnen in den Berg zu gelangen. Entweder werde ich Smaug überzeugen können zu gehen oder ich werde ihn verteidigen. Wenn es sein muss, bis in den Tod.“ Beorn wiegte bedächtig seinen Kopf hin und her. „Ich verstehe dich und deine Beweggründe. Ich stehe hinter dir. Doch erklärt das noch nicht, wie du auf meinen Hof gelangtest.“ „Die Zwerge sind in die Orkstadt im Gebirge geraten und ich wartete am Ausgang auf sie. Dort gerieten sie in einen Hinterhalt von Azog.“ „Azog“, unterbrach Beorn mich knurrend. Ich nickte ihm zu. „Ganz recht. Ich rettete ein paar Zwergen das Leben. Dann kamen die Adler und nahmen alle der Gemeinschaft mit. Gandalf flehte mich an Thorin zu helfen, der im Kampf schwer verwundet wurde. Im Gegenzug versprach er mir eine Heimat, die er mir zeigen wird, wenn das alles hier vorbei ist. Also rettete ich Thorin sein erbärmliches Leben und folgte den Adlern zum Carrock, wo sie die Gemeinschaft absetzten. Da dein Hof in der Nähe liegt, beschloss ich zu dir zu gehen. Auch bin ich der Ansicht, dass es Gandalfs Vorhaben ist, hierher zu kommen.“ Beorn nickte mir zu und stand wieder auf.

„Ich mag keine Zwerge. Sie sind gierig und haben keinen Blick für die wahren Schätze des Lebens. Aber Orks hasse ich mehr. Also werde ich ihnen meine Hilfe nicht verwehren, wenn sie sie erbitten.“ Ich nickte ihm zu. „Das verlange ich auch nicht von dir. Ich will lediglich hier verweilen. Und ich bitte dich darum, ein Auge auf Lilly zu haben, während die Zwerge hier sind. Ich denke zwar, dass Gandalf sie von Dummheiten abhalten wird, aber die Älteren unter ihnen haben ihre Heimat durch einen Drachen verloren. Zu recht, aber das sehen sie nicht so. Und ich will nicht, dass sie Lilly beim Spielen töten. Beorn, wenn das passiert, endet es in einem Blutbad.“ Nun war es Beorn, der mir zunickte. „Ich schwöre dir, dass deinem Drachen auf meinem Hof nichts passieren wird. Eher werde ich zu einem Bären und reiße die Zwerge in Stücke, als dass ich das zulasse.“ „Danke“, meinte ich und stand auf.

„Dann wollen wir ihnen mal einen gebührenden Empfang bereiten“, grinste ich und auch über Beorns Lippen huschte ein kurzes Schmunzeln. „Ich werde sie im Haus erwarten. Ach, warte. Hier hast du etwas Fleisch für deinen Drachen und ein Stück Käse für dich.“ „Ich danke dir.“ Ich nahm das Essen an mich und lief wieder nach draußen. Ich pfiff einmal und schon stand Lilly vor mir. „Hier, Kleine. Beorn hat mir was für dich gegeben“, meinte ich und hielt ihr das Stück Fleisch entgegen. Lilly wedelte aufgeregt mit dem Schwanz. „Ja, ich weiß. Das magst du. Hol’s dir.“ Ich warf es in die Luft. Lilly sprang hoch und fing es mit dem Maul. Schnell hatte sie es verschlungen. Ich biss grinsend von meinem Stück Käse ab. „Na komm. Die Zwerge werden noch bis zum Abend brauchen, bis sie endlich einmal hier sind. Solange kannst du dich austoben. Ich werde mich dort hinten unter den Baum legen. Aber Lilly. Lass die Ponys und Ziegen in Ruhe.“ Mahnend hob ich einen Zeigefinger und Lilly gurrte einmal, ehe sie weiter über die Wiese sprang. Ich schlenderte Käse kauend zu dem Baum und setzte mich in seinen Schatten. Genießerisch schloss ich meine Augen und aß das letzte Stück Käse.

Wie ich es vorausgesagt hatte, kamen die Zwerge erst bei Einbruch der Dunkelheit an Beorns Hof an. Lilly hatte sich mittlerweile hinter mich gelegt und beobachtete die Neuankömmlinge aus Drachenaugen. Ich ebenso. Sie konnten uns nicht sehen, da der Baum abseits des Weges stand und schon im Dunkeln lag. Ich stand leise auf und deutete Lilly es mir gleichzutun. Ich lief voraus aus dem Schatten. „Na, auch mal da?“, fragte ich laut und breit grinsend. Alle zuckten zusammen und die Hälfte der Zwerge zog ihre Waffen. Ich lachte auf. „Habt ihr etwa nichts dazu gelernt? Komm Lilly, gehen wir zu Beorn und sagen ihm bescheid, dass seine anderen Gäste nun endlich eingetroffen sind.“

Ich lief auf das große Haus zu, Lilly an meiner Seite. Ein schneller Blick nach hinten verriet mir, dass die Gemeinschaft immer noch an Ort und Stelle verharrte. Lediglich Bilbo und Gandalf schickten sich an mir hinterher zu laufen. Ich öffnete die große Tür des Hauses und ließ Lilly herein. Dank Beorns enormer Größe passte auch sie in sein Haus. Lilly hüpfte um den Tisch herum und legte sich neben die Tür zur Veranda. Dort hatte Beorn ein Strohlager für sie errichtet, erkannte ich nach dem zweiten Blick. „Sie sind da“, kam es von der Seite und ich blickte Beorn an. „Offensichtlich“, gab ich von mir und folgte Lilly. Ich setzte mich zu ihr auf den Boden und lehnte mich an sie.

Gandalf betrat zuerst die Hütte, gefolgt von Bilbo, der sich bei Beorns Anblick schnell hinter dem Zauberer versteckte. „Ich weiß, wer kommt, grauer Zauberer. Es ist nicht nötig, sie alle draußen warten zu lassen“, brummte Beorn. Ich schaltete ab und betrachtete stattdessen den Verband um meinen linken Unterarm. Kein Schmerz, kein Pochen. Durch die Elbensalbe sollte sich schon eine Kruste auf der Wunde gebildet haben. So oder so musste der Verband mal runter, weswegen ich begann ihn abzuwickeln. Sachte fuhr ich über die frische Kruste. Den Verband würde ich vorerst nicht mehr brauchen und etwas Luft tat der Haut gut. Aber auf der weiteren Reise sollte ich vielleicht wieder ein Tuch umlegen. Sicher war sicher. Hier jedoch in Beorns Hallen war dies nicht nötig.

Ich hörte schwere Schritte. Beorn kam zu mir und reichte mir einen Teller mit Brot und Käse. Lilly bekam wieder ein Stück Fleisch. Danach verschwand Beorn mit Gandalf nach draußen. Ich aß mein Essen und beobachtete die Zwerge dabei, wie sie sich über das hermachten, was Beorn ihnen aufgetischt hatte. Dabei achteten sie weder auf mich, noch auf den Halbling, der langsam mit seinem Teller näher zu Lilly und mir kam. Aufmerksam blickten wir beide ihn an. Zögerlich stand Bilbo nun vor mir. „Darf ich, also darf ich mich, darf ich mich setzen?“, druckste er herum. Ich musterte ihn noch einmal genau und er wurde nervös. „Ja“, sagte ich schließlich und der Hobbit setzte sich sichtlich erleichtert mir gegenüber. Still aßen wir unser Essen zu Ende.

„Ich hab mir Drachen immer ganz anders vorgestellt“, begann Bilbo nach einiger Zeit ein Gespräch. Bereitwillig ließ ich mich darauf ein. „Es gibt….. Es gab viele verschiedene Drachenarten. Nicht alle waren so groß wie in den alten Geschichten beschrieben. Viele wurden nicht sehr viel größer als Lilly. Und einige blieben auch so klein wie die Nestlinge“, erklärte ich und Bilbo nickte. „Darf ich, darf ich sie mal anfassen?“ Ich musste breit grinsen. Wie ein kleines Kind verhielt er sich. „Lilly, willst du von Bilbo gestreichelt werden?“, flüsterte ich meinem Drachen zu. Lilly schaute auf, gähnte einmal und streckte sich. Gemächlich erhob sie sich und schritt um Bilbo herum. Verunsichert blickte der Hobbit zu mir. „Nur ruhig“, raunte ich ihm zu und beobachtete Lilly. Wem ich vertraute, dem vertraute auch sie. Die Kleine setzte sich hinter Bilbo und legte ihren Kopf in seinen Schoß. Ich verzog mein Gesicht. Das war vielleicht zu viel des Guten. Der Halbling sah so aus, als würde er sich gleich in die Hose machen und dann in Ohnmacht fallen.

Ein paar Minuten vergingen. Dann fing er zögerlich an Lilly über den Kopf zu streichen. Sie gurrte zufrieden und Bilbo machte ermutigt weiter. Strahlend grinste er mich an und auch ich musste breit grinsen. Es war die größte Freude zu sehen, dass er keine Angst mehr vor dem Drachen hatte. Die jüngsten unter den Zwergen – Kili, Fili und Ori – hatten sich inzwischen auch vom Tisch weggeschlichen und waren zu uns gekommen. Zaghaft blickten sie zu mir und als ich nickte, knieten sie sich zu Bilbo und strichen Lilly über ihre Schuppen.

„Smaug ist nicht anders, müsst ihr wissen“, erzählte ich leise und vier Köpfe fuhren zu mir. Aber ich sah auch, dass die anderen Zwerge im Hintergrund still wurden und meinen Worten lauschten. Manche – wie Balin und Bofur – kamen sogar ein Stück näher. „Er ist genauso zahm wie Lilly und freundlich zu jedem und erst recht nicht böse. Er ist nur verbittert und sein Herz ist voller Trauer. Er hegt einen tiefen Groll gegen euch Zwerge, weil es einer der Euren war, der uns verriet und einem Blutbad aussetzte. Wenn ihr gegen ihn kämpft, macht es das nicht besser. Für niemanden.“ Ich seufzte schwer und stand auf. Lilly tat es mir gleich.

„Thorin Eichenschild!“, rief ich laut und ein paar der Zwerge zuckten zusammen. „Ich rettete dir dein Leben, hier ist meine Forderung. Statt gegen Smaug zu kämpfen, entschuldige dich bei ihm. Entschuldige dich bei ihm in deines Großvaters Namen. Damit machst du nichts ungeschehen, aber es wäre der erste Schritt in die richtige Richtung. So können wir einen Kampf vielleicht verhindern.“ Thorin blickte düster zu mir. „Ich werde mich bei keinem Ungeheuer entschuldigen, das meine Heimat niederbrannte und Hunderte von uns tötete.“ Ich lächelte verbittert. Er hatte es nicht verstanden. „Dann denk einmal genau nach, wer das Unheil ins Rollen gebracht hat. Ach, Thorin. Immerhin hast du noch ein Volk und eine Heimat. Ich habe nichts.“

Ich drehte mich um und ging aus der Tür zur Veranda. Lilly folgte mir sofort. „Ihr könnt bei den Ziegen im Stall schlafen, wenn du das willst“, brummte Beorn von der Seite. Ich nickte ihm zu und blickte Gandalf düster an. Ohne Weiteres verschwand ich im Ziegenstall. Lilly richtete sich in einer der leerstehenden Gatter ein Nest und ich legte mich zu ihr, nachdem sie fertig war. „Wenn Thorin hier hereinkommt, dann töte ihn“, murmelte ich und schloss meine Augen.

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