Unerwartetes Wiedersehen
Unerwartetes Wiedersehen
Leah stand ihren Freunden nun gegenüber und diese sahen sie an, als hätten sie einen Geist gesehen. Genau genommen konnte man diese Situation auch so bezeichnen, denn immerhin hatten sie sich seit 60 Jahren nicht gesehen und daher war es doch ein merkwürdiges Gefühl.
Aber eine Tatsache änderte dies nicht: sie waren wieder vollständig! Zu fünft waren sie Eins und daran würde niemand je etwas ändern können. Allerdings waren sie auch keineswegs mehr diejenigen, die sie einst gewesen waren, als sie damals mit Thorin und seiner Gemeinschaft aufgebrochen waren.
,,Ihr seht ziemlich schockiert aus.", setzte Leah an und hob prüfend eine Augenbraue. ,,Freut ihr euch denn gar nicht mich zu sehen?"
,,Doch...natürlich tun wir das.", erwiderte Alex schnell, aber sie wirkte etwas unschlüssig oder überfordert. ,,Es ist nur..."
,,Wir haben nicht damit gerechnet...dich auf diese Weise...wiederzusehen."
Amy sah Leah zerknirscht an und diese schmunzelte. Natürlich hatten ihre Freundinnen sie nicht hier erwartet, denn in den vergangenen 60 Jahren hatte Leah all ihre Spuren verwischt, um nicht gefunden zu werden. Melina schien die Art und Weise jedoch nicht groß zu kümmern, denn sie winkte ab und lächelte nun zuversichtlich.
,,Wie und wo ist doch vollkommen egal...Hauptsache, du bist wieder da und wir sind alle wieder vereint."
,,Ich störe das freudige Wiedersehen ja nur ungern.", setzte Sofia an und wirkte nun ziemlich ernst. ,,Aber wir sollten das vielleicht auf später verschieben."
Nun spürten die Freundinnen auch die ernsten Blicke von Aragorn und den drei Hobbits auf sich, ehe sich das Gefühl des nahen Todes zu ihnen durchkämpfte. Die Schatten über Frodo und seinem Leben wurden immer länger und sie mussten jetzt handeln, wenn sie ihn retten wollten.
,,Frodo!", brachte Melina hervor und eilte sofort zu dem Hobbit, woraufhin Aragorn und Leah ihr kurzer Hand folgten.
Sie knieten sich neben ihm und die Rothaarige warf zum ersten Mal selbst einen Blick auf den Ringträger, während sie seinen schlimmen Zustand sofort bemerkte. Aragorn zerrieb unterdessen das Königkraut und verteilte es auf der Stichwunde.
,,Es steht schlecht um ihn.", schlussfolgerte Leah und Melina nickte vielsagend.
,,Ich weiß! Aber hier können wir nichts für ihn tun. Er würde sterben, noch bevor der Tag anbricht."
,,Was schlägst du vor?", wollte Leah wissen und Melina hatte eine entschlossene Miene aufgesetzt.
,,Wir müssen ihn zu unserem Vater bringen. So schnell wie möglich."
Leah sah noch einmal auf Frodo herab. Seine Haut war bereits leichenblass und seine Augen glasig, als bestünden sie aus purem Glas. Er zitterte am ganzen Körper und es bestand kein Zweifel daran, dass sich sein Zustand mit jeder Sekunde verschlechterte. Melina hatte Recht! Nur in Bruchtal konnte ihm geholfen werden.
,,Glücklicherweise," Leah warf ihrer Schwester einen zuversichtlichen Blick zu und deutete auf Frodo. ,,Habe ich zwei Pferde dabei. Komm mit! Uns bleibt nicht viel Zeit."
Aragorn trug Frodo, während Leah ihre beiden Pferde holte. Melina und sie zogen die Sattelgurte nach und Sofia sah Leah etwas irritiert an.
,,Wie hast du uns eigentlich gefunden, Leah?"
,,Keine Zeit für Erklärungen, Sofia. Das muss warten. Ich habe nur seit zwei Tagen schon nach euch gesucht. 5 Ringgeister sind hinter euch, aber wo die anderen 4 sind...weiß ich nicht.", erwiderte sie und Alex schnaubte.
,,5 reichen ja auch erstmal."
,,Soll ich Frodo nicht nach Bruchtal bringen?", schlug Aragorn vor und Melina bemerkte seinen besorgten Blick, ehe sie den Kopf schüttelte.
,,Nein! Wir sind schneller. Deshalb werden wir ihn bringen."
,,Der Weg ist zu gefährlich!", wandte Aragorn ein, ehe Leah ihn unterbrach.
,,Wenn wir es über den Fluss schaffen, wird die Macht unseres Volkes uns beschützen. Wir haben keine Angst vor ihnen."
Den Freundinnen entging nicht, wie Leah und Aragorn sich für einen Moment lang ansahen. Von außen sah es fast so aus, als seien die beiden für einen Augenblick zu Statuen erstarrt, doch dann unterbrach Melina unfreiwillig die Situation.
,,Wir müssen los...JETZT!"
Leah nickte und stieg auf ihr Pferd. Melina tat es ihr gleich und Aragorn setzte Frodo vor ihr auf den Sattel. Er sah sie an und Melina spürte, dass er Zweifel hatte, aber er überspielte sie.
,,Melina, reitet schnell und blickt nicht zurück.", sagte er und Melina nickte, ehe sie unauffällig auf ihre Freundinnen und die Hobbits deutete.
,,Beschütze sie!"
Mit diesen Worten trieben Melina und Leah ihre Pferde an und die preschten augenblicklich los. Sie hörten noch, wie Sam Aragorn irgendwas zurief, doch es dauerte nur wenige Sekunden, dann verschwand seine Stimme in der finsteren Nacht.
***
Der Wind fegte ihnen um die Ohren und die Landschaft raste förmlich an ihnen vorbei, als Leah und Melina im rasanten Tempo Richtung Bruchtal ritten und sich mit jeder Minute ein Stück mehr ihrer Heimat näherten. Aragorn und ihre anderen Gefährten waren längst hinter ihnen verschwunden und obwohl sie bereits die ganze Nacht durchgeritten waren, zeigten ihre Pferde keine Anzeichen von Müdigkeit und jagten weiter durch Mittelerde.
Doch als sie der Grenze von Bruchtal bereits sehr nahe waren, bemerkten die beiden Schwestern ihre Verfolger. Melina und Leah warfen Blicke um sich und erkannten die pechschwarzen Ringgeister, die ihnen auf ihren Pferden nachjagten und tödliche schrille Schreie von sich gaben.
,,Sie sind schon ganz nah!", rief Melina und hielt Frodo weiter fest, damit dieser nicht vom Pferd rutschte, während Leah ihrem Pferd befahl, noch schneller zu laufen.
,,Wir müssen den Fluss erreichen!"
Sie legten noch an Tempo zu, doch die Ringgeister waren wie Schatten, die sie einfach nicht loswurden. Die beiden Schwestern verständigten sich ohne Worte und benutzten ein geschicktes Manöver. Sie ritten enge Kurven durch den kleinen Wald und schnitten den Ringgeistern somit teilweise den Weg ab. Sie sprangen über Hindernisse, wichen aus und jagten auf geraden Strecken dann wieder vor ihnen davon, als wäre der Teufel persönlich hinter ihnen her. Die Äste der Bäume peitschten ihnen ins Gesicht und Leah spürte, wie eine kleine brennende Schramme auf ihrer Wange zurückblieb, doch sie ignorierte es.
Es war geradezu ein Höllenritt, der sie viel Kraft und Ausdauer kostete, aber Leah und Melina weigerten sich aufzugeben. Denn wenn Frodo den Ringgeistern in die Hände fiel, dann war alles verloren.
Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, erreichten die beiden Schwestern den rettenden Fluss und ritten direkt hinein. Am Ufer bremsten die schwarzen Pferde der Ringgeister abrupt und stiegen empor, was die beiden Mädchen beobachteten. Sie warfen sich erleichterte Blicke zu, doch die Gefahr war keineswegs gebannt.
,,Gebt uns den Halbling, Elbenweiber!", zischte der vorderste Ringgeist, doch Leah zog augenblicklich ihr Schwert.
,,Wenn ihr ihn haben wollt, kommt und verlangt nach ihm."
Die Ringgeister zögerten keine Sekunde, sondern zogen ebenfalls ihre todbringenden Klingen und hielten sie bedrohlich empor, ehe sie ihre Pferde ins Wasser trieben.
Melina warf einen kurzen Blick zu Leah, doch diese zuckte nicht einmal mit der Wimper und die Braunhaarige wusste, dass ihre Schwester die Ringgeister mit Absicht in den Fluss lockte. Nun nickte Leah Melina zu und diese verstand ohne Worte, ehe sie auf den Fluss hinabsah und elbische Worte murmelte, die ihr von ihrem Vater einst beigebracht wurden.
Melina schloss die Augen und ihre Stimme hallte wie ein Echo nieder, als sie auch schon die Macht der Elben spürte und sie ihre Augen wieder öffnete. Das Wasser stieg an und die Ringgeister stoppten wenige Meter vor ihnen, als ein lautes Rauschen zu hören war. Die beiden Schwestern sahen nach rechts, wo sich nun eine riesige Welle in Form von Pferden auf sie zubewegte. Die Pferde der Mädchen wichen bereits zurück, doch jegliches Handeln der Ringgeister kam zu spät. Sie wurden von der Welle erfasst, diese riss die Pferde samt ihrer untoten Reiter mit sich und spülte sie davon.
Melina und Leah atmeten erleichtert auf und tauschten einen überglücklichen Blick, als der Blick von Leah auf Frodo fiel, der vor ihrer Schwester Anstalten machte, jeden Moment vom Pferd zu fallen.
,,Melina!", rief sie aus und Melina sah augenblicklich zu Frodo.
,,Nein...Frodo! Halte durch. Es wird alles gut. Wir sind gleich in Bruchtal."
Die beiden Schwestern rissen ihre Pferde herum und setzten den Weg fort. Sie ritten nun noch schneller als zuvor, denn nun könnte Frodo in jeder Sekunde den Kampf gegen den tödlichen Schatten verlieren.
Als sie Bruchtal erreichten, preschten sie im rasanten Tempo in den Innenhof, wo Lindir sich gerade mit zwei Bediensteten unterhielt, ehe er den Kopf hob und sich sein Blick aufhellte, als er Melina und Leah erkannte.
,,Mae govannen, nimbrethil Melina! (Seid gegrüßt, Prinzessin Melina!)", sagte er, als Melina vom Pferd stieg und Leah bereits herbeieilte, um Frodo vom Sattel zu heben. ,,Wir haben lange auf den Moment Eurer Rückkehr gewartet."
,,Mae govannen, Lindir! (Seid gegrüßt, Lindir!)",erwiderte Melina und ging nun direkt auf den Elben zu. ,,Wo ist unser Vater?"
,,Herr Elrond weilt im Garten, eure Hoheit.", sagte Lindir und Melina wandte sich augenblicklich an ihre Schwester.
,,Leah, komm! Wir müssen Frodo zu ihm bringen."
Leah nickte und trug Frodo, während sie ihrer Schwester nacheilte. Sie bemerkte noch den überraschten Blick von Lindir, aber für eine Begrüßung blieb keine Zeit.
Gemeinsam eilten die beiden Schwestern nun über die Wege, welche direkt zu den Gärten ihres Hauses führten. Und es dauerte auch nicht lange, als Melina bereits Elrond erspähte, der am Tisch saß und gerade ein Buch studierte.
,,Adar! (Vater!)", rief sie erleichtert und sofort hob Elrond den Kopf und erhob sich, als er Melina erkannte.
,,Melina!"
Er eilte auf sie zu und zog sie in eine Umarmung, welche Melina aber schnell wieder löste. Elrond sah sie überglücklich an und konnte kaum glauben, dass seine Tochter so überraschend zurückgekehrt war.
,,Das ist eine freudige Überraschung. Schön, dass du hier bist.", sagte er und Melina deutete auf Leah und Frodo.
,,Und ich bin nicht allein."
Elrond folgte ihrem Blick und als er Leah sah, wusste er für einen Moment nicht, ob es die Wirklichkeit oder bloß ein Traum war. Schon lange hatte er sich erhofft, dass Leah nach Hause kommen würde und nun stand sie tatsächlich vor ihm- lebendig und unversehrt!
,,Leah...", setzte Elrond an und ging auf seine Tochter zu, die Frodo an Melina übergab, als Elrond sie auch schon an sich zog. ,,Willkommen zu Hause! Ich vermag nicht zu sagen, wie lange ich auf diesen Tag gewartet habe."
Leah erwiderte die Umarmung, doch dann entzog sie sich ihr wieder und obwohl sie sich ebenfalls freute, ihren Vater nach so langer Zeit wiederzusehen, deutete sie nun auf Frodo und sah Elrond besorgt an.
,,Vater, Frodo wurde verwundet. Er braucht deine Hilfe, sonst stirbt er.", erklärte sie und Elrond wandte sich augenblicklich an Frodo.
Der Elb beugte sich über den Hobbit und Melina schob die Kleidung von dessen Schulter, um die Wunde freizulegen. Und nach nur einem einzigen Blick wusste Elrond, wie ernst die Lage war.
,,Eine Morgulklinge! Er muss sofort ins Heilzimmer.", brachte er hervor und rief nach zwei Bediensteten.
Diese kamen augenblicklich herbei geeilt und Melina übergab Frodo in ihre Hände. Mit schnellen aber dennoch eleganten Schritten, trugen die beiden Elben Frodo ins Haus und Elrond warf seinen Töchtern einen zuversichtlichen Blick zu.
,,Seid unbesorgt! Ich kümmere mich um ihn."
***
Leah und Melina standen vor dem Zimmer, worin Elrond Frodo behandelte und hofften, dass sie Bruchtal nicht zu spät erreicht hatten. Melina beobachtete ihre Schwester, doch Leah hatte einen ausdruckslosen Blick aufgesetzt und stand still wie eine Statue. Aber die Frage über Leahs Rückkehr ließ Melina einfach nicht los und sie beschloss, etwas Licht ins Dunkel zu bringen.
,,Wie hast du uns gefunden, Leah?", fragte sie und Leah antwortete, ohne sie anzusehen.
,,Das war nicht schwer. Ich habe die Ringgeister verfolgt und ich wusste, wenn ich ihnen auf den Fersen bleibe, würde ich euch auch finden."
,,Das leuchtet zwar ein, aber wieso hast du überhaupt nach uns gesucht? Ich meine, du konntest doch gar nicht wissen, dass wir mit den Hobbits unterwegs waren."
Melina sah ihrer Schwester irritiert an und Leah spannte sich augenblicklich an. Ihr wäre es lieber, wenn Melina nicht so viele Fragen stellen würde, aber das war ja zu erwarten gewesen, denn immerhin waren 60 Jahre seit ihrer letzten Begegnung vergangen. Und 60 Jahre...waren eine lange Zeit!
,,Du willst wissen, warum ich jetzt so plötzlich auftauche, nachdem ich 60 Jahre lang unauffindbar war.", entgegnete Leah tonlos und Melina nickte.
,,Ja! Ich meine...ich habe oft nach dir gesucht. Aber niemals konnte ich auch nur einen einzigen Hinweis auf deinen Aufenthaltsort finden. Leah, ich habe ganze Reiche nach dir abgesucht."
,,Ich weiß!", erwiderte die Rothaarige und seufzte kaum merklich. ,,Ich habe deine Anwesenheit gespürt. Einmal warst du ganz in meiner Nähe."
,,Warum hast du dich dann nicht gezeigt? Du hast doch bestimmt gewusst, weshalb ich dich suche."
Melina konnte ihren enttäuschten Unterton nicht verbergen und es verletzte sie, dass Leah so abweisend war. Natürlich wusste sie, warum sie ins Exil gegangen war, aber sie hätte sich dennoch über ein Lebenszeichen ihrer Schwester gefreut. Die starrte für einen Moment auf den Boden, ehe sie Melina einen kühlen Blick zuwarf.
,,Es ist kompliziert."
,,Dann erkläre es mir.", widersprach Melina. ,,Ich bin deine Schwester. Es gibt nichts, worüber du nicht mit mir reden kannst."
,,Ich hatte Angst davor!", platzte es nun aus Leah raus, woraufhin Melina sie irritiert ansah, aber Leah fuhr bereits fort. ,,Ich wusste, sobald ich dir oder den anderen gegenüber stehe...würde ich mich automatisch der Vergangenheit stellen müssen und dazu war ich noch nicht bereit."
Melina wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte und sie sah Leah sprachlos an. Und während sie ihre Schwester ansah, wurde ihr etwas klar, was sie vorher nicht gesehen hatte oder nur nicht sehen wollte.
Die Vergangenheit hatte bei Leah eindeutig ihre Spuren hinterlassen. Vom Äußeren her hatte sich die rothaarige Hüterin kaum verändert, aber ihr Charakter hatte sich durch die Ereignisse beeinträchtigen lassen. Der Optimismus von damals, war gänzlich verschwunden und die Lebensfreude, welche Leah einst verspürt hatte, schien so gut wie vollkommen ausgelöscht. In dieser Verfassung erinnerte sie Melina gewissermaßen an König Thranduil, der genauso gefühlskalt geworden war.
Aber bevor sie sich ihrer Schwester gegenüber äußern konnte, öffnete sich plötzlich die Tür und Elrond trat aus dem Zimmer, ehe er die Tür wieder schloss und seine Töchter zuversichtlich ansah.
,,Er wird es schaffen! Es war sehr knapp, aber ich konnte ihn heilen...zumindest, soweit es mir möglich war. Allerdings wird seine Wunde nie vollkommen verschwinden...er wird sie sein Leben lang mit sich tragen müssen.", erklärte er und Melina lächelte dankbar.
,,Vielen Dank, Vater!", sagte sie und Elrond nickte, ehe er auf seine Töchter zuging und ihnen erwartungsvolle Blicke zuwarf.
,,Und nun...müsst ihr mir unbedingt erzählen, was in der letzten Zeit passiert ist."
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