Schatten der Vergangenheit

Bei Morgendämmerung hatte die Gruppe Bree bereits hinter sich gelassen und während Aragorn schweigsam voraus ging, blieben die Freundinnen an der Seite der Hobbits und Sam wirkte aufgrund ihres bevorstehenden Zieles mehr als aufgeregt.

,,Und du stammst wirklich aus Bruchtal?", fragte er an Melina gewandt und diese lächelte ein wenig.

,,In der Tat, Samweis Gamdschie!"

,,Genauer gesagt...ist Melina die Prinzessin!", fügte Alex hinzu und Merry fiel die Kinnlade runter.

,,Im Ernst?"

,,So wahr wir hier vor euch gehen, ehrenwerte Hobbits.", meinte Amy amüsiert und Pippin kam aus dem Staunen nicht mehr raus.

,,Abgefahren!"

,,Ich bin hier aber nicht die Einzige mit königlichem Blut. Stimmts, Amy?", lenkte Melina geschickt von sich ab und Amy verdrehte die Augen.

,,Das musste ja jetzt kommen."

,,Stammst du etwa auch aus Bruchtal?", wollte Sam nun wissen, aber Amy schüttelte den Kopf.

,,Nein! Ich stamme aus Lothlorien und bevor ihr fragt...ja, auch ich bin eine Prinzessin."

Die Hobbits waren im ersten Moment sprachlos, doch dann redeten sie aufgeregt durcheinander. Die Freundinnen verstanden kein einziges Wort, doch sie waren amüsiert über die Begeisterung der Hobbits. Nur Frodo blieb schweigsam und Sofia tätschelte ihm ermutigend die Schulter, da sie ihm seine Gedanken förmlich ansehen konnte.

,,Keine Sorge, Frodo. Gandalf geht es sicher gut."

,,Das hoffe ich. Woher soll er überhaupt wissen, dass wir nach Bruchtal gehen? Ich meine, was...was, wenn er nach Bree kommt und nach uns sucht?", brachte Frodo verunsichert hervor, aber Alex sah ihn zuversichtlich an.

,,Gandalf ist äußerst scharfsinnig, Frodo und ein Zauberer noch dazu. Er wird uns schon aufspüren. Sei da ganz unbesorgt!"

Diese Aussage schien Frodo tatsächlich zu beruhigen, was auch die Freundinnen entspannte. Melina ließ sich schließlich ein wenig zurückfallen, was Alex ihr gleich tat und sie deutete kaum merklich auf Aragorn.

,,Also, gut...raus mit der Sprache. Woher kennt ihr euch?"

,,Wie bitte?"

,,Naja...du und Streicher. Ihr scheint euch immerhin nicht zum ersten Mal begegnet zu sein und ich frage mich, wo ihr wohl die Bekanntschaft gemacht habt.", äußerte Alex und Melina schmunzelte ein wenig.

,,Ach, so! Nun...es war vor ein paar Jahren, als ich meine Mission unterbrochen habe. Ich bin nach Hause zurückgekehrt und dort habe ich ihn zum ersten Mal getroffen."

,,Warum nennst du ihn nicht bei seinem wahren Namen?", wollte Sofia wissen und Melina zuckte mit den Schultern.

,,Solange er nicht selbst damit beginnt, werde ich das auch nicht tun. Sein Name ist nun einmal für die Welt Streicher und wenn er es dabei belassen will...mir soll es recht sein."

Ihre Freundinnen nahmen diese Aussage hin und Melina musste an ihre Schwester denken. Leah fehlte ihr in letzte Zeit schrecklich und jetzt, wo sie sich auf einer neuen Mission befanden, war ihre Abwesenheit noch deutlicher zu spüren als sonst. Melina hoffte inständig, dass es Leah gut ging, aber sie konnte spüren, dass ihre Schwester am Leben war. Sie wusste nicht woher oder warum...nur, dass es so war.

,,Stimmt es wirklich, dass ihr einen Drachen getötet habt?", warf Sam auf einmal neugierig in die Runde und Alex lächelte kaum merklich.

,,Nein, nicht wir. Nur Sofia!"

,,Hey, ich war das nicht allein. Ich hatte Hilfe von Bain.", widersprach diese und Amy grinste ein wenig.

,,Ach, Jane...immer so bescheiden."

Sofia warf der Schwarzhaarigen einen tödlichen Blick zu, als diese ihren Spitznamen aussprach. Melina hingegen musste schmunzeln, denn sie hatte die Unbeschwertheit bei ihren Freundinnen lange nicht mehr verspürt und genoss den Augenblick, trotz der neuen Aufgabe und Gefahren, die sie in jeder Sekunde umgaben. Doch der Moment hielt nicht lange ab, denn die entstandene Leichtigkeit wurde durch die nächste Frage von Sam zunichte gemacht.

,,War bestimmt aufregend! Mit den Zwergen zu reisen, meine ich und dann diese Schlacht am Ende...einfach unglaublich. Das muss doch alles total unglaublich gewesen sein."

Nun legte sich ein Schatten über die Gesichter der Hüter, denn Sam hatte unabsichtlich alte Wunden aufgerissen. Es mochten zwar 60 Jahre vergangen sein, doch für die Freundinnen fühlte es sich so an, als wäre die Schlacht um den Erebor erst gestern gewesen und wie viel Zeit auch noch verging...die Schatten der Vergangenheit schien sie niemals loszulassen.

,,Schluss mit der Fragestunde, kleiner Hobbit!", sagte Melina und Aragorn warf einen Blick über seine Schulter.

,,Manche Geschichten sollten unerzählt bleiben, Sam."

Der Hobbit bemerkte die erstarrten Blicke der Mädchen und schluckte schwer. Ihm schien erst jetzt bewusst zu werden, dass er es mit der Neugier zu weit getrieben hatte und augenblicklich wandte er sich schuldbewusst ab. Daraufhin herrschte für einige Zeit Schweigen, während die Truppe weiter durch die Wildnis schritt. Stets hielten die Freundinnen und auch Aragorn Ausschau nach Gefahren und überdachten jeden Pfad, den sie beschritten zweimal. Und während Sam, Merry und Pippin nun Aragorn mit Fragen löcherten, wandte sich Frodo an die Freundinnen.

,,Woher stammt ihr? Ich meine, Melina und Amy sind ja offenbar Elbenprinzessinnenaber was ist mit Sofia und Alex? Wo liegt eure Heimat?"

Der Hobbit sah sie fragend an und die Mädchen mussten schmunzeln. Hobbits waren in der Tat neugierig und auch Frodo schien davon nicht außen vor zu sein. Da diese Frage jedoch keine schmerzhaften Erinnerungen auslöste, war es für die Freundinnen einfacher, sie zu beantworten.

,,Also, wir sind ebenfalls in Mittelerde geboren und ich kann dir sagen, dass ich mit den Waldelben verwandt bin.", erklärte Alex und zuckte mit den Schultern. ,,Ich schätze, das macht den Düsterwald wohl zu meiner Heimat. Meine Mutter war die Schwester von König Thranduil."

,,War?", wiederholte Frodo und Alex nickte etwas traurig.

,,Sie ist vor langer Zeit gestorben und ich kann mich leider nicht an sie erinnern."

,,Das tut mir leid!", sagte der Hobbit mitfühlend und Alex lächelte.

,,Danke, Frodo! Der Tod gehört leider zum Leben dazu und wir müssen ihn alle akzeptieren. Wie schwer uns das auch manchmal fallen mag."

Frodo nickte verständlich und schien über die Worte von Alex nachzudenken. Dann wandte er sich an Sofia und während sie gemeinsam mit Amy den Hobbit ein kleines Stück in ihre Vergangenheit einweihte, ließen sich Alex und Melina zurückfallen, um sich anderen Themen zu widmen.

,,Melina, was machen wir, wenn wir in Bruchtal sind?", fragte die Blonde und Melina runzelte die Stirn.

,,Was meinst du?"

,,Naja...ich bin mir ziemlich sicher, dass dein Vater nach unserer Ankunft den Rat einberufen wird. Und wir wissen alle, dass es unumgänglich ist, dass der Eine Ring vernichtet werden muss. Denn wenn er das nicht wird, dann werden wir Sauron niemals besiegen können.", erklärte Alex und Melina grübelte über die Aussage nach.

Alex hatte Recht! Der Ring durfte nicht erhalten bleiben, denn dies würde eine weitere Finsternis für ganz Mittelerde bedeuten. Etwas, das die Hüter unter keinen Umständen zulassen durften. Aber Melina wusste auch, dass es nicht leicht werden würde, diese Mission zu vollbringen und sie wollte Frodo auf keinen Fall diese schwere Bürde auferlegen. Denn der kleine Hobbit war ihr, wie einst auch schon Bilbo, ans Herz gewachsen und sie wollte keineswegs sein Leben riskieren, um einen Sieg über Sauron zu erlangen.

,,Du hast Recht, Alex. Der Ring muss vernichtet werden! Aber wir können das nicht allein entscheiden. Wir müssen mit Amy und Sofia darüber reden, wenn wir allein in Bruchtal sind. Und wenn wir uns wirklich zu diesem Schritt entschließen, dann müssen wir erstmal meine Schwester finden. Denn um Sauron besiegen zu können...müssen wir vollzählig sein. Wir brauchen Leahs Hilfe!"

,,Und wie sollen wir sie bitte finden? Niemand hat sie seit damals gesehen oder etwas von ihr gehört. Du sagst doch selbst, dass du keine Spur von ihr gefunden hast und das kann nur bedeuten, dass Leah nicht gefunden werden will.", widersprach Alex, aber Melina ließ sich nicht von diesem Entschluss abbringen.

,,Wir haben keine andere Wahl! Wenn wir Sauron wirklich ein für alle Mal besiegen wollen...dann müssen wir Fünf es gemeinsam tun. So war es seit jeher für uns vorgesehen und so werden wir es auch tun: gemeinsam!"

Alex nahm die Aussage hin, obwohl sie immer noch an deren Erfolg zweifelte. Ihr war klar, dass Melina ihre Schwester sehr vermissen musste und ihr selbst ging es ja nicht anders. Leah fehlte einfach, denn ohne sie waren sie nun einmal nicht komplett. Aber Alex verstand natürlich auch, dass Leah sich nach den Ereignissen von damals ins Exil geflüchtet hatte und bis heute nicht wieder aufgetaucht war. Ihr war es auch nicht leicht gefallen, nach all der Zeit ins Auenland zurückzukehren und die Vergangenheit somit ein Stück hinter sich zu lassen. Aber es war richtig gewesen und Alex gab die Hoffnung nicht auf, dass die Zeit wirklich alle Wunden heilen würde.

,,Ist alles in Ordnung bei euch?", wollte Sofia wissen und Alex und Melina nickten daraufhin.

,,Ja! Wir haben eben nur darüber gesprochen, dass wir uns zusammensetzen sollten, wenn wir Bruchtal erreicht haben. Bezüglich des Ringes und Sauron!", brachte Alex ihre Freundin auf den neuesten Stand und Melina war nachdenklich geworden.

,,Vielleicht weiß mein Vater auch einen Rat. Bisher hat er mir immer weitergeholfen, wenn ich Hilfe brauchte und er wird mich dieses Mal sicher auch nicht im Stich lassen."

,,Er wird sich bestimmt auch freuen, wenn du nach Hause kommst.", sagte Sofia und nun lächelte Melina ein wenig.

,,Mit Sicherheit! Ich hoffe nur, dass es nicht wieder zu sehr ausartet. Das letzte Mal hat er anlässlich meiner Rückkehr ein Fest veranstaltet, wozu sogar meine Brüder gekommen sind."

Sofia und Alex fielen die Kinnladen runter und starrten Melina erstaunt an. Diese schien darüber verwirrt zu sein, aber bevor sie Fragen stellen konnte, kam Alex ihr mit einer Gegenfrage zuvor.

,,Du hast Brüder? Davon hast du uns nie was gesagt."

,,Naja, wie könnte ich auch? Wir haben uns 60 Jahre lang nicht gesehen und ich hab auch erst im Laufe der Zeit von meinem Vater erfahren, dass Leah und ich nicht seine einzigen Kinder sind."

,,Wie viele Geschwister habt ihr und wie heißen sie?", wollte Sofia nun wissen und war unglaublich neugierig, woraufhin Melina schmunzelte.

,,Es sind nur zwei Brüder. Sie heißen Elladan und Elrohir. Und glaubt mir, sie sind noch verrückter als wir 5 zusammen."

,,Das geht?", brachte Alex verdutzt hervor und Sofia grinste ein wenig.

,,Offensichtlich schon. Lernen wir sie mal kennen?"

,,Wenn sie in Bruchtal sind, wenn wir dort eintreffen...dann bestimmt. Versprechen kann ich es euch aber nicht. Sie sind genauso wenig zu Hause wie Leah und ich. Sehr zum Leidwesen unseres Vaters.", erwiderte Melina und Alex musste lachen.

,,Das kann ich mir vorstellen. Pass bloß auf, wenn wir in Bruchtal eintreffen. Nicht, dass Elrond dich noch ankettet."

Melina musste über die Aussage ebenfalls lachen und auch Sofia grinste breit über das ganze Gesicht. Ja, es würde schon ein schönes Gefühl sein, Bruchtal nach so langer Zeit gemeinsam wiederzusehen. Aber den Freundinnen war auch klar, dass die Zukunft lange nicht so optimistisch war, wie sie in diesem Augenblick. Denn die Hüter konnten förmlich spüren, dass sich der Schatten der Vergangenheit über ganz Mittelerde ausbreitete. Und es würde nicht mehr lange dauern, bis er auch das letzte Stück Hoffnung möglicherweise für immer auslöschen würde.