Kapitel 34 //
Die Wochen waren vergangen und seitdem hatte ich kein Wort mehr mit Gloria gewechselt. Nachdem wir uns in diesem Laden am Ende der Straße gehauen hatten, war aus einer innerlichen Feindschaft eine offene geworden. Sie hatte es mir bis jetzt noch nicht verziehen, dass ich ihr die Nase gebrochen hatte, auch wenn es keineswegs Absicht gewesen war. Und ich hatte ihr nicht verziehen, dass sie mich beleidigt hatte. Die paar Kratzer waren kein großes Problem gewesen und jedes andere Mädchen wäre stolz darauf gewesen, dass sie sich in einem Kampf zu gut beweisen konnte, doch stören tat mich weniger die kleine Prügelei als die Schimpferei, die direkt danach angesetzt hatte.
Die Ladenbesitzer waren wütend gewesen, weil ich ihnen mit dem Kampf die Kunden vergrault hatte, nicht, dass dort jemand freiwillig hingehen würde. Bobby war sauer gewesen, dass ich Gloria geschlagen hatte, obwohl ich sonst so nett und friedlich war. Gloria hatte zum Glück nichts gesagt, was mit einer gebrochenen Nase und aufgeplatzten Lippen auch ziemlich schwer gewesen wäre. Jedoch war meine Adoptivmutter damals übermäßig wütend gewesen und war es bis heute noch.
"Ein Engel schlägt sich nicht mit dem Teufel! Du solltest dich niemals zu so etwas herablassen! Wie bist du nur auf die Idee gekommen? Niemand vor dir in Millionen von Jahren ist auf so etwas Sinnloses gekommen!" Das und noch viel mehr hatte sie immer und immer wieder wiederholt, bis ich es einfach ignoriert habe.
Ein zweites Resultat des Abends war, dass Gloria und ich einen offensichtlichen Wettkampf führten. Ich gab mir nicht mehr nur viel Mühe in der Schule, ich tat zweihundert Prozent und wenn es hieß, dass ich die ganze Nacht durcharbeitete. Gloria hingegen schummelte ganz bestimmt, auch wenn ich es nicht beweisen konnte, denn eine Eins plus reihte sich an die nächste.
Doch nicht nur in der Schule waren wir unumstrittene Konkurrenten, sondern auch in der Liebe. Ich wusste zwar, dass Bobby nur mich liebte, doch offensichtlich bedrohte sie ihn, damit er sie zum Essen ausführte. Das war typisch von Gloria, denn niemals konnte sie einer so talentierten Person wie mir einen Sieg zusprechen.
Über die Zeit vergaß ich immer mehr meinen Auftrag und konzentrierte mich nur darauf, Gloria zu besiegen. Ich musste es einfach tun. Und so war es schon Dezember, als ich mich wieder darauf besann, weshalb ich hier war. Die Hälfte der Zeit in dieser Schule war vorüber und bald stand das Weihnachtsfest an.
"Hat jemand eine Idee, was wir dieses Jahr machen sollten? Die Nachbarklassen hatten schon einige Vorschläge wie einen freien Tag, wie eine große Versammlung mit Rede oder dass jeder einfach das macht, was ihm Spaß macht. Hättet ihr eine Idee? Ihr seid doch die sozialste Klasse, da muss euch doch etwas einfallen." Frau Weinstädter lächelte lieb in die Runde.
"Also ich wäre für den freien Tag", meinte Bobby von hinten.
Ich grübelte angestrengt, dann hatte ich eine perfekte Idee. "Ein Fest!" Fast zeitgleich kreischte auch Gloria das von hinten.
Frau Weinstädter lachte eine ganze Minute, bis sie unseren Vorschlag in Erwägung zog. "Was stellt ihr euch beide darunter vor?"
Und beide gleichzeitig zu fragen war eine ganz schlechte Idee, denn es dauerte, bis man dank Glorias Geschrei überhaupt vernehmen konnte, was ich gesagt habe. "Eine Art Ball. Man tanzt, feiert und hört dazu gute klassische Musik. Mädchen gehen in Kleidern, Jungs in Anzügen." Ich stellte es mir perfekt vor.
"Joa, so eine Party eben. Ein paar Drinks, ein bisschen Kuchen, coole Musik und viel Spaß." Dass Gloria nicht die leiseste Vorstellung von Anstand hatte, war nicht ungewöhnlich, doch das übertraf alles. Sollten wir in einen Folterkeller eingesperrt werden oder sollte das ein angenehmer Tag werden? Nun, manche Menschen verstanden eben nichts von Würde, dachte ich mir.
"Also ich kann es sowieso nicht entscheiden, aber ich frage mal die Jahrgangsleiterin, ob das ginge. Bin gleich zurück." Mit diesen Worten verschwand Frau Weinstädter aus dem Raum.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top