29. Der Herr der Schifffe

Soundtrack: Rupert Gregson-Williams - Irish aus dem The Alienist OST. Natürlich nicht auf Youtube. Danke für nichts.

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Als ich erwachte, war es still um mich. Steinsplitter und Asche regneten auf mich nieder wie schwerer grauer Regen. Kleine Feuer in Öllachen schickten die Schatten zum Tanz an die Wände. Ich wagte kaum, mich zu bewegen, aus Angst, der Schmerz würde mich finden wie ein hungriges Tier. Das Holz, das zuvor der Boden der Brücke gewesen war, war schräg. Die stählerne Wand, auf der ich lag, war nun die Fläche, zu der mich die Schwerkraft zog. Ein leises, pfeifendes Geräusch drang an meine Ohren, rhythmisch und hektisch, und ich begriff, dass es mein Atem war.

Ein Schatten erschien in meinem Blickfeld, so plötzlich, dass ich zusammenzuckte. „Sin! Sin, geht es dir gut?" Ona. Ihr Fell schimmerte noch immer rot unter schwarzer Schmiere und dem grauen Regen. Tiefe Schnitte prangten an ihrer Stirn und hatten ihr Hemd zerrissen.

Flink fuhren ihre Finger über meinen Körper, tasteten an meinen Rippen vorbei, und ich zuckte zusammen. „Nicht gebrochen", beruhigte sie mich. Ich tastete nach ihrer Hand, und sie nahm sie. „Du musst aufstehen. Die Vampire werden bald hier sein. Wir müssen gehen."

Teilnahmslos ließ ich mich von ihr auf die Beine ziehen und lehnte mich schwer gegen den ehemaligen Boden. Um mich herum drehte sich die Welt, als hätte ich zu viel getrunken. Ich hatte lange nicht mehr getrunken, fiel mir auf. Ich vermisste es nicht einmal. Musste Onas Schuld sein. Ich lächelte ihr schief zu.

Sie erwiderte es besorgt. „Kannst du gehen?"

Vorsichtig, einen Schritt nach dem anderen, schob ich mich an der Wand entlang, und überprüfte meine Ausrüstung. Mein Hex war intakt, der Energiekern summte leise. Meine Schwerter waren alle an ihren Plätzen, bis auf das Schwert des Caligár, das ich einige Schritte weiter im Dreck fand. Sogar mir ging es gut, bis auf sicherlich hunderte geprellte Knochen und einige oberflächliche Wunden. Ich griff nach einem meiner Heiltränke und kippte ihn herunter. Das Serum brannte auf meiner Zunge wie guter Apfelwein, und ich begann, mich besser zu fühlen. Ich stieß die Tür auf, um nicht durch den von Glassplittern übersäten Rahmen des Fensters klettern zu müssen, und ließ mich das letzte Stück bis zur Reling, die nun der Boden war, fallen.

Der Bug der Ura hatte irgendwo in der Höhe des dritten Stockwerkes eines Gebäudes an Schwung verloren, während das Heck weiter in einen Hof gefallen war. Nun hing es, liegend auf der Backbordseite, schräg an der Fassade. Die Geister waren verschwunden, nun, da es kein Schiff mehr gab, auf dem sie Befehle befolgen konnten. Metalltrümmer und Steinbrocken bedeckten die ehemals akkurat gepflegten Rasenflächen und die nun von Schmieröl bedeckten Blumenbeete. Kleine Explosionen knallten und spien Funken in das Chaos. Der abkühlende Stahl sang ein Klagelied.

Ich hielt mich in den Schatten des Wracks, Ona folgte mir auf dem Fuße, ihr Maschinengewehr um die Schultern gehängt. Sie hielt meine Hand fest umklammert, und allein die Vorstellung, sie könnte loslassen, war schier unerträglich. In der Nähe färbte das Feuer im Gewächshaus den Himmel dunkelorange.

„Wohin gehen wir?", fragte sie plötzlich.

Ich zögerte. Darüber hatte ich mir noch nicht einmal wirklich Gedanken gemacht. Müde lehnte ich mich gegen die kalte Bordwand neben mir. „Ich weiß es nicht. Wir sollten fliehen, denke ich."

„Wohin?" Sie sah hinaus in die Schatten unter den spitzen Giebeln, geschmückt mit weiteren Türmchen, Statuen und Kreuzbögen. „Es gibt kein Schiff mehr, mit dem wir fliehen können. Der andere Zerstörer ist abgestürzt, keine zwei Höfe weiter."

Ich schluckte. Wenn sie uns hier fanden, hätten wir das Nachsehen. „Es gibt sicherlich einen Weg hier heraus."

Sie blickte hinauf zu dem flammengefärbten Himmel. „Wir sollten meiner Schwester helfen."

„Wie bitte? Wir haben getan, was sie uns aufgetragen hat. Wir haben Durenskys Truppen abgelenkt." Ich schüttelte den Kopf. „Lass uns gehen, Ona. Bitte."

„Hast du etwa Angst?", fragte sie listig.

Ich erwiderte ihren Blick, auf der Suche nach einem Hinweis, ob sie es ernst meinte oder nicht. Ich fand keinen. Für einen Moment erwog ich, zu lügen, zu sagen, dass ich keine hatte, doch entschied mich für die Wahrheit. „Jeder, der keine Angst vor den Vampiren hat, ist dumm. Neshira hat gesagt, dass du in Sicherheit bleiben sollst, und..."

„Ich werde sie nicht allein lassen, Sin", hielt sie dagegen. „Sie ist zwar stark, aber sie wird unsere Hilfe brauchen. Sonst wäre sie nicht schon so lange fort, ohne ein Wort zu mir." Erneut blickte sie dorthin, wo das Gewächshaus brannte. „Ich habe sie nach langer Zeit gefunden. Ich will sie nicht schon wieder verlieren."

„Sie wird dich verlieren, wenn du dort hinein gehst. Überall werden Hexen und Vampire sein, und das sind nicht die Gegner, mit denen wir uns anlegen können." Ich wollte nicht gegen die vereinten Truppen Eleutheras und Durenskys kämpfen. Noch immer kribbelte die Stelle, an der Lasaint Maraiza mich mit ihrem Fluch getroffen hatte, und ich wollte mich nicht erneut in die Nähe einer Vettel begeben. Schon gar nicht in die Nähe der mächtigsten Hexe der Welt. „Das sind jene, gegen die Shinaru und Arkane kämpfen können, aber nicht wir. Du kannst nicht kämpfen, Ona."

Sie nahm meine Hände. „Aber du kannst es. Du hast das." Sie schnippte gegen mein Hex. „Du hast deine Waffen. Du hast ein Schwert, das Magie zerstört. Ich habe dich gesehen, als du im Dschungel und im Sumpf gekämpft hast, und du kannst gegen sie bestehen."

Zu welchem Preis, fragte ich mich. „Wenn ich nicht gemusst hätte...", murmelte ich.

„Du musstest nie. Du hättest dich immer drücken können."

Ich seufzte tief. „Was man nicht alles tut für Gold und..." Ich hielt den Mund.

Sie grinste verschlagen, das Lächeln, mit dem sie bei mir alles verlangen konnte. Wie damals auf dem Dach in Korvengerstein. Der Tag, an dem ich ihr zum ersten Mal begegnet war. Es schien ewig her zu sein. Nun wusste ich, wo ich herkam. Warum ich das Bordell betreten hatte. Woran es mich erinnert hatte. Ich wusste, dass sie meine Gedanken lesen konnte. „Dann tu es wieder, Sin. Für mich."

Ich schwieg und starrte sie an. Allein das Wissen, mich erneut in das Gebiet einer Vettel begeben zu müssen, ließ meine Nerven erzittern. Alles in mir schrie danach, diesen Ort zu verlassen, so schnell wie nur möglich, ein Luftschiff zu stehlen, und nie wieder einen Fuß auf Hivens Ark zu setzen.

Ona nahm ihr Gewehr von der Schulter und prüfte die Munition. „Ich werde nun meine Schwester finden", verkündete sie. „Hilfst du mir?" Ohne meine Antwort abzuwarten, schritt sie voraus.

Für einen Moment sah ich ihr nach. Neshira hatte mir das Versprechen abgenommen, Ona nicht in Gefahr zu bringen. Spätestens, nachdem ich ein Luftgefecht mit Durenskys Truppen begonnen hatte, hatte ich es gebrochen, und nun würde ich es vernichtend in den Staub treten. Still hoffte ich, sie würde mich nicht dafür töten. Ich atmete tief durch, zog mein Schwert mit den zubeißenden Klingen und folgte ihr.

Die schwere Eichentür, die in die Festung führte, ergab sich bereitwillig meinen Werkzeugen, und wir betraten die totenstillen Gänge. In Öl gemalte Augen beobachteten uns hochmütig. Kunstwerke und Zierpflanzen auf marmornen Sockeln standen Spalier und boten hervorragende Deckung, doch niemand begegnete uns. Seite an Seite schritt ich mit Ona den Gang entlang, immer auf der Hut vor möglichen Hexen und Vampiren. In der Ferne bellten Maschinengewehre. Je weiter wir gingen, desto lauter wurden sie, und es gefiel mir ganz und gar nicht.

Die Zierpflanzen wurden höher, je näher wir dem Gewächshaus kamen, bis sich das Unterholz von Ibo Leles Dschungel inmitten des herrschaftlichen Flures auftat. Wurzeln krallten sich in den schweren Teppich und fraßen sich in die Tapete, trockene Blätter bedeckten den Boden. Hohe, fleischige Farne versperrten uns den Weg. Bunte Laternen erhellten die Schatten. Eine Hexe mit einer tiefen Wunde am Bauch lang am Ende einer Blutspur, doch sie war ganz offensichtlich tot.

Ich roch das Feuer, lange bevor ich es sehen konnte. Alles in mir schrie danach, fortzugehen von den hungrigen Flammen, doch ich schritt zögernd weiter voran. In Onas Augen schimmerte die Angst, selbst wenn sie sie zu verbergen suchte. Das Rauschen der Flammen klang gedämpft durch das Unterholz, gemischt mit dem hohen Kreischen von Hexen und Vampiren, von verbrennenden Kreaturen, mit dem wütenden Brüllen eines Arkanen und dem Bellen von Gewehren.

Irgendwo murmelten Stimmen, und ich bedeutete Ona, still zu sein. Vorsichtig schlich ich weiter voran, Schritt für Schritt, weiter auf das Geräusch zu, das Schwert bereit.

Der Lauf des Gewehres hätte mir beinahe ein Auge ausgestochen. Ich duckte mich zur Seite weg und schwang das Schwert, doch fing den Schlag sofort ab, als ich sah, wer am Ende der Waffe stand.

„Sindrak. Dachte ich es mir doch, dass du es bist, der durch den Wald läuft wie ein Troll", schnarrte Durag verächtlich und senkte seine Waffe. „Schön, dass du feiger Hund auch zu uns gefunden hast."

„Ich freue mich auch, dich zu sehen, Durag", seufzte ich. Dann erkannte ich den zweiten Gremlin mit gräulicher Haut, der neben einer kupferhaarigen Zwergin auf einem mit dem Boden verwachsenen Ast saß. Sein hoher Zylinder streifte die Blätter über ihm. „Dandelo. Es ist lange her."

Der Gremlin lächelte dünn. „Das ist es, Sindrak. Bist du immer noch so feige wie früher?" Seine Stimme klang, als wäre er stets an der Kante zu einem hysterischen Zetern.

Ich wechselte einen Blick mit Ona, und ein hinterlistiges Grinsen breitete sich auf ihren Zügen aus. „Zuweilen", kam ich ihr zuvor. „Ist das deine Frau?"

Dandelos Miene hellte sich auf, und er ergriff die Hand der Zwergin. „Richtig. Das ist Elysia."

„Seid gegrüßt", sagte die Zwergin. Ihre Stimme klang nach silbernen Glöckchen.

„Wer sind Sie?", richtete sie das Wort an Ona.

„Mein Name ist Ona Canto", stellte sie sich vor.

„Sie ist Neshiras Schwester", erklärte Durag.

„Wir suchen sie. Wisst ihr, wo sie ist?", fragte Ona.

Durag verzog das Gesicht. „Aye. Sie hat sich mit Misha Durensky, Eleuthera und Ibo Lele zugleich angelegt. Irgendwann sind sie im Wald verschwunden, und seitdem habe ich niemanden mehr gesehen. Ich denke, sie sind ein Stockwerk unter uns. Dieses verfluchte Feuer." Er warf einen Blick zurück, dort, wo ich noch immer die Flammen prasseln hören konnte. „Ich wusste, dass ihr uns beschießen würdet, aber dass ihr gleich zu Brandbomben greift, das habe ich nicht erwartet."

„Wir sollten Durenskys Truppen ablenken und dezimieren, und mindestens das habe ich getan", verteidigte ich mich.

Durag schnaubte. „Das hast du. Ich habe selten so viele brennende Menschen, oder was auch immer sie sind, gesehen wie heute."

„Und Neshira ist immer noch dort drinnen?", fragte Ona entsetzt.

„Wenn sie auch nur einen Funken Intelligenz besitzt, ist sie es nicht mehr. Es ist ein Feuersturm. Nichts überlebt dort. Wahrscheinlich kämpfen sie nun im Dickicht auf den Fluren." Er schnippte gegen die Blätter.

„Und warum bist du nicht dort?", wollte sie wissen.

„Weil Hexen und Vampire dort unten sind, die mich potenziell umbringen wollen, und weil ich mich in Ruhe mit Dandelo unterhalten wollte", erwiderte Durag schnippisch.

„Worüber?"

„Vor allem, warum er in den Diensten dieser elenden Vettelhure ist." Er wandte sich zu dem anderen Gremlin um.

„Ich bin nicht in Eleutheras Diensten." Dandelo lächelte schief.

Durag hob eine Augenbraue. „Warum bist du dann hier?"

„Es ist ein Pakt. Ich hatte bemerkt, dass ich, um Elysias Leben zu sichern, mehr und mehr Seelenkerne brauchte. So viele, dass es zunehmend unmöglich wurde, sie zu beschaffen. In der Katastrophe wurde die Fabrik, in der ich die Kerne raffinierte, zerstört. Also brauchte ich andere Wege, sie am Leben zu erhalten." Er lächelte Elysia zu. „Ich verschenkte mein Herz an sie."

„Romantisch", bemerkte ich und versuchte, den Seitenblick, den Ona mir zuwarf, zu ignorieren. „Welches der beiden?"

„Mein erstes. Das, das bereits aufgehört hatte zu schlagen. Eleuthera und Ibo Lele halfen mir dabei. Ich ließ mich von ihr zu einer Vettel machen."

Ona riss die Augen auf. „Du bist eine Vettel?", wiederholte sie entgeistert und hob ihr Gewehr.

Durag blickte tadelnd zu ihr auf und zog den Lauf nach unten. „Lass den armen Mann doch zu Ende erzählen."

„Wir schlossen einen Handel. Wenn sie mir helfen würde, Elysia zu meiner Hüterin des Herzens zu machen, würde ich für ihren Mann Luftschiffe bauen, so gewaltig, dass die Welt unter ihnen erzittern würde. Sie schlug ein."

Das erklärte, warum Durensky bekannt für seine Waffen geworden war. Dandelo hatte mein Hex gebaut, all meine Waffen mit Verzauberungen belegt, er hatte Magie und Technik in einer mir unverständlichen und doch meisterhaften Weise zusammengefügt. Er war der beste Artificer, den ich kannte. Unter wessen Diensten auch immer er stand, sie wären unangefochten die Herren der Technomagie.

„Eleuthera, Ibo Lele und ich banden meine Macht an die Luftschiffe, die ich konstruierte. Jeder, der durch sie stirbt, nährt meine Macht." Er sah süffisant zu mir auf.

Ich lächelte freundlich. „Gern geschehen."

Er verzog das Gesicht. „Du hast mehr als fünf meiner Machtquellen vernichtet. Eher müsstest du dich entschuldigen."

„Nein. Ich werde vieles, doch das nicht. Selbst, wenn es mir um die Ura doch sehr leidtut."

Dandelos Augen schimmerten. „Ein herrliches Schiff, nicht wahr? Sie und die Iertare waren meine wahren Meisterstücke. Eine Schande, dass sie zerstört sind. Bis die dritte ihrer Art vollendet ist, wird es wohl noch etwas dauern. Gerade, weil jemand letztes Jahr Vangrir III in die Luft gejagt hat und dabei vieles zu Bruch gegangen ist."

Durag sah mit einem fiesen Grinsen zu mir auf. „Erinnerst du dich an etwas, Sindrak?"

Ich richtete den Blick hinauf ins Blätterdach. „Ich weiß nicht, wovon zu redest."

„Der Tänzer von Oren Mor sagte uns, dass noch vier Vetteln aus Eleutheras Zirkel am Leben sind. Dein Name war nicht darunter", bemerkte Ona. „Neshira hat mir erzählt, dass er ihr Sohn war. Dass er ihr Herz getragen hat. Ich glaube kaum, dass er dich in seiner Aufzählung übersehen hat."

„Ich gehöre nicht ihrem Zirkel an. Das war eine meiner Bedingungen", fuhr Dandelo fort. „Ich habe mein Leben Elysia gewidmet. Es gibt keinen Platz für jemand anderen. Zunächst war Eleuthera skeptisch, doch Durensky wusste, dass ich mich nicht widersetzen würde. Wenn ich seine Schiffe baue, bleibt Elysia am Leben, und das war alles, was ich brauche. Ich habe mit einer Maschine mein altes Herz wieder zum Schlagen gebracht und setzte es Elysia in die Brust, sodass sie die Hüterin meines Herzens wurde, so wie Eleutheras Sohn der ihre war. So wie Durensky es nun ist."

„Durensky ist der Hüter Eleutheras Herzens?"

„Nachdem jemand ihren Sohn ermordet hat, wusste sie niemanden, der loyaler ist als er. Sie hat recht. Er vergöttert sie schier. Die Vettel, die ihren Sohn zu ihrem Hüter machte, war der Meinung, dass jemand, der so mächtig und skrupellos ist wie Durensky, jemand, der bereits unsterblich ist, in seiner Macht keine Vettel übertreffen sollte, doch nun ist sie tot. Eleuthera wusste, dass Durensky es ertragen konnte. Gemeinsam mit Ibo Lele schuf ich eine Maschine, die das Vampirblut reinigt und von ihrem Herzen fernhält." Stolz schimmerte in Dandelos Stimme. „Nun habe ich das Herz eines Dämons, gefunden in einer Alten Welt, und gebiete über die Seelen hunderter Schiffe, während Elysia mein wahres Herz beschützt." Er sah sich zu seiner Frau um, und sie erwiderte den Blick voller Liebe.

„Und du willst dein gemütliches Leben unter dem unsterblichen Vampirbastard, der nun das Herz seiner verfaulten Frau hütet, sicher nicht aufgeben", sinnierte Durag, auf sein Gewehr gestützt.

„Ich weiß, was du vorhast. Ihr seid das, was ich als ehestes meine Freunde nennen würde", erwiderte Dandelo und sah von Durag zu mir. „Allein dem ist es geschuldet, dass ich mir anhöre, was ihr zu sagen habt, ohne euch zu töten oder die Truppen der Durenskys auf den Leib zu hetzen."

Durag ließ sich auf dem Boden nieder, das Gewehr quer über die Beine gelegt. „Lass mich mit offenen Karten spielen."

„Du spielst nie mit offenen Karten", warf ich ein. Ona kicherte leise.

Durag blickte selbstzufrieden zu uns auf, doch würdigte meinen Worten keine Antwort. „Ich habe nur zugestimmt, Neshira bei dem Sturm auf Durensky und die Hexe zu helfen, weil ich dich wieder auf unsere Seite ziehen will. Gerade jetzt, in deinem, nun ja, Zustand", er wedelte mit der Hand über Dandelos graue, von dunklen Adern überzogene Haut und seine etlichen metallenen Körperteile, „bist du sicherlich noch mehr als zuvor in der Lage, eine Stadt zu der unseren zu machen. Zusammen mit mir."

Ich hüstelte.

„Und Sindrak. Wenn es sein muss." Durag verdrehte die Augen. „Dann wären alle, die noch leben, wieder zurück. Wir schaffen aus Hivens Ark ein zweites Gnomdon."

„Du hast das Wichtigste vergessen. Orikan." Dandelo rückte seinen Hut zurecht.
„Sein Seelenstein liegt in Vangrir III. Unterirdisch. Er sollte überlebt haben. Und du, der Artificer, kannst ihm sicher eine neue Hülle bauen." Ich sah ihm zuversichtlich entgegen. „Ebenso haben wir Ruk und Neshira."

„Neshira wird nicht mit einer Vettel zusammenarbeiten", hielt Ona dagegen.

„Wir müssen es ihr nicht unter die Nase reiben", meinte Durag.

„Sie wird es spüren."

„Ich denke nicht, dass wir Hand in Hand mit Neshira Canto arbeiten werden. Dass sie uns duldet, reicht mir. Nur möchte ich sie und den Arkanen nur ungern in der langen Liste meiner Feinde sehen." Durag wandte sich wieder Dandelo zu. „Wir bringen Durensky und seine Frau um, und übernehmen Cinderport. Du kannst weiterhin Luftschiffe bauen. Ob mit oder ohne den Vampir, Leute, die sich mit Schiffen abschlachten, wird es immer geben. Deine holde Dame wird nicht sterben. Außerdem können wir uns nach und nach neue Städte und Inseln unter den Nage reißen. Wie in den guten alten Zeiten."

„Neshira wird ganz und gar nicht begeistert sein. Sie hasst Vetteln. Nichts hält sie davon ab, sie zu töten. Sobald sie bemerkt, was du bist, wird sie dich umbringen", meinte Ona. Irgendwo in der Ferne schrie jemand voller Schmerz auf und verstummte wie abgeschnitten. „Wir sollten wirklich gehen. Neshira..."

Durag sah sich zu ihr um. „Wenn er uns hilft, Durensky und Eleuthera zu besiegen, wird sie zumindest ein wenig Begeisterung heucheln können."

Dandelo sah zu Elysia, als unterhielten sie sich ohne Worte. Ich ahnte, dass sie es konnten. Dandelo war schließlich lange genug mit ihrem Hirn verbunden gewesen. Kurz überlegte ich, wie es wäre, stets Onas Gedanken lesen zu können, und entschied mich, dass es besser war, es nicht zu wissen. Manche Fragen blieben besser unbeantwortet. „Ich bin nicht abgeneigt", sagte Dandelo schließlich. „Ich wäre mein eigener Herr. Wir hätten wieder eine Stadt unter uns. Jedoch kann ich in diesem Kampf nur wenig ausrichten. Eleuthera ist wesentlich stärker als ich, sie könnte mich mit Leichtigkeit töten. Sie darf nicht bemerken, dass ich nicht auf ihrer Seite spiele."

„Du warst schon früher nutzlos, und bist es immer noch", spottete Durag. „Was kannst du überhaupt?"

„Ich bin eine junge Vettel ohne Zirkel. Mein Habitat ist eine Fabrik unten in der Stadt. Ich kann Flüche aussprechen, ich kann niedere Kreaturen und Technik beeinflussen und Zauber wirken, doch gegen die Durenskys komme ich nicht an. Wenn ich es könnte, hätte ich es längst getan."

„Kannst du wenigstens Luftschiffe ohne Mannschaft steuern?", fragte ich.

„Nein."

Selbstzufrieden strich ich über den Knauf des Schwerts des Caligár. „Ich schon."
„Es wäre auch zu schön gewesen, wenn er nun die Armada Durenskys, oder das, was von ihr übrig ist, gegen ihn wenden könnte." Durag zuckte mit den Schultern. „Nun, man kann nicht alles haben. Du kannst die Waffen der Soldaten blockieren, Dandelo. Allein das ist hilfreicher als alles, was du tun konntest, bevor du eine Vettel wurdest. Mit dir ist uns der Sieg sicher."

Dandelo legte die Hände vor dem Gesicht zusammen. „Ihr bietet mir eine Stadt, einen Platz auf dem Thron von Cinderport und Ashenfall und die Gewissheit, dass ich weiterhin Schiffe und Waffen bauen kann. Damit Elysia leben kann. Das alles gefällt mir." Er lächelte flüchtig. „Nur etwas bereitet mir gewisse Sorgen, und das ist Neshira Canto. Ich will euer Wort..."

„Das bekommst du", sagten Durag und ich gleichzeitig. Ich wechselte einen Blick mit ihm. Er hatte eine vollendete Unschuldsmiene aufgesetzt, doch ich fand sie schrecklich unglaubwürdig.

Dandelo seufzte gereizt. „Ich will euer Wort, euer Versprechen und euren Schwur, dass Neshira Canto mir nichts antun wird." Er sah zu Ona auf. „Vielleicht sogar deines. Auf dich wird sie eher hören als auf zwei Banditen."

Ona straffte die Schultern. „Wenn wir danach endlich gehen, und meine Schwester retten, verspreche ich es dir."

Dandelo erhob sich und klopfte den Dreck von seinem Mantel. „Das war alles, was ich hören wollte."

Durag prüfte die Munition seines Revolvers. Klackend rastete die Trommel wieder ein. „Dann lasst uns Hexen töten."

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Leute

Leute Leute Leute

Ich hab dieses Buch letzte Woche Mittwoch fertig gestellt und kann deswegen sagen, dass es 34 Kapitel hat. Also noch fünf Wochen bis zum Ende. Oh Himmel, ich bin so aufgeregt. 

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