28. Feuer über Cinderport

Soundtracks: Hans Zimmer/2Cellos - Mombasa. Abspielen, sobald Sindrak aus seiner Kajüte tritt. Und Junkie XL - Chapter Doof (Extended) aus dem Mad Max: Fury Road OST. Direkt danach.

https://youtu.be/eIVKrhN3Jkc

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Neugierig strichen Onas Finger über meinen Bauch, tanzten langsam zwischen meinen Hüftknochen hin und her und tasteten nach der Gürtelschnalle. Mein Fell sträubte sich, und Ona kicherte leise. Metall klirrte auf Metall, scharrte über Leder, und der Druck des Gürtels auf meiner Hüfte ließ nach. Mein Verlangen nach ihr sprang mich an. In meiner Körpermitte brannte es schier, und meine Hosen schienen zwischen den Beinen ein wenig zu eng. Beinahe hätte ich sie mir selbst vom Leib gerissen, zusammen mit meiner Rüstung und meinem Hemd und dem ihren und ihrem Rock, doch ich beherrschte mich. Jede von Onas Berührungen war es wert, noch für einen Moment länger bekleidet zu sein. Wohlig schaudernd wartete ich darauf, dass sie fortfuhr.

Sie hatte bereits den ersten Knopf meiner Hosen geöffnet, als sie innehielt. Ich öffnete die Augen und blickte meinen Körper hinab, dorthin, wo sie auf meinen Beinen lag. Sinnierend blickte sie zur Seite, ihre Finger malten Muster in mein Fell.

„Was hast du?", fragte ich.

Sie erhob sich, bis sie über meinem Lendenbereich kniete. In meinen Hosen strebte es himmelwärts. „Neshira. Es ist Zeit, zur Tat zu schreiten!", sagte sie abenteuerlustig und schloss den Knopf wieder.

Ermattet ließ ich mich zurück in die Kissen des Bettes sinken. „Und mit ihrem Befehl konnte sie sich nicht noch eine halbe Stunde Zeit lassen?"

„Selbst zwei Minuten hätten gereicht." Sie kicherte über meinen verwirrten Blick und zog meinen Gürtel zu, so fest, dass ich mich zusammenkrümmte. Lachend fing sie mich ein, bevor ich auf die Matratze zurückfallen konnte, und drückte ihre Schnauze auf meinen Kopf. Ich schlang meine Arme um sie. „Es wird nicht lange dauern. Ein paar Breitseiten auf die Palastmauern. Dann können wir alles nachholen, was ich vorhatte."

„Was hattest du denn vor?", murmelte ich an ihren Bauch.

„Lass dich überraschen!" Sie stieß mich in die Decken zurück, rutschte vom Bett und hob ihre Jacke auf. Mit den Stiefeln in den Händen verließ sie meine Kajüte. Die Tür ließ sie offen.

Eisig fuhr der Wind hinein, und ich warf ein Kissen, um sie zu schließen. Ich verfehlte. Dumpf prallte es gegen ein Regal und fiel zu Boden.

Seufzend blickte ich auf die holzgetäfelte Decke hinauf. Einschusslöcher verunzierten die dunklen Balken. Sie waren das letzte, das noch von Attica Skovron geblieben waren. Alles andere, das Bett, die Kajüte, das Schiff, gehörten nun mir.

Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre ich mit der Ura fortgeflogen, hätte alles hinter mir zurückgelassen, dorthin, wo das Schiff mich hintrug. Auf zu neuen Inseln, die ich ausrauben konnte. Neue Auftraggeber, frisches Gold. Wie ich es mit Arcaul getan hatte. Nun mit Ona an meiner Seite. Doch Neshira wollte den Tod der letzten Hexen, und Ona würde die Banshee tun und sie mit ihrem Kampf allein lassen. Und da ich mein Versprechen halten wollte und sie beschützen würde, blieb mir wenig anderes übrig, als mit Schwert und Schiff in den Kampf zu ziehen. Selbst, wenn mich niemand mehr dafür bezahlte.

Ich setzte mich auf und widerstand dem Drang, einfach dort zu bleiben. Stattdessen schnallte ich mir mein Hex auf den Rücken und verband die Schraubverschlüsse miteinander, die die Zylinder mit dem Serum mit meiner Armrüstung verbanden, dort, wo sich kurze Nadeln in meine Haut bohrten, wo Leder und Metall fest mit meinem Fleisch vernäht waren. Ich schob meine Schwerter und die Donnerbüchse an ihre Plätze und rückte die Gürtel mit Granaten und Tränken zurecht. In den Waffenkammern der Ura waren genug Heiltränke gewesen, um meine dünnen Vorräte wieder auffüllen zu können.

Das Schwert des Caligár raunte in meinen Händen, als ich es aufhob. Stets war mir, als flüsterten die Dämonen mir dunkle Geheimnisse ins Ohr, als wisperten längst vergessene Meeresgötter ihren Hass hinaus, und ich hoffte, ich würde mich dereinst daran gewöhnen. Ich war guter Dinge. Auf der Dragon's Pride war es mir schließlich auch gelungen, wenn auch erst nach längerer Zeit.

Ich löschte die Kerzen und trat hinaus. Der Boden unter meinen Füßen brummte leise unter der Macht der Maschinen im Schiffsbauch. Flimmernde Gestalten huschten über die in Stahl gefassten Planken des Hauptdecks und gehorchten den Befehlen, die ich ihnen gegeben hatte. Der Ballon über mir war ein Himmel aus rotem Feuer und violetten Schatten. Der Wind schnitt durch meine Kleidung, und ich zog meinen Umhang enger um mich. Innerlich verfluchte ich Durensky dafür, dass er keine Treppe aus der Kapitänskajüte zur Brücke eingebaut hatte.

Weit unter uns, unter einem Schleier aus dem Rauch von Vulkanen und den Abgasen der Fabriken, glühten die Lichter von Cinderport, wie gelbe Sterne auf einem schwarzen Tuch. Unvermittelt brach die Stadt ab, danach erstreckte sich nichts als gähnende Leere. Rötlich glühende Ballone von Luftschiffen hingen an der Kante, ein jedes schien das nächste in Größe und Kampfkraft übertrumpfen zu wollen. Doch ich ahnte, dass die Ura das größte war. Attica hätte, wenn sie schon ein Luftschiff von Durensky stahl, sich mit nichts anderem zufrieden gegeben.

Insgeheim war ich froh, nicht unten in der Festung kämpfen zu müssen. Neshira hatte darauf bestanden, dass Ona in Sicherheit blieb, weit fort von den Gefahren, und ich war nur zu gern bei ihr auf dem Schiff geblieben, um auf den Befehl der Götterkriegerin den Angriff auf die Burg der Hexe und ihres unsterblichen Gemahls zu fliegen.

Die Feste selbst kauerte wie ein stacheliger schwarzer Drache auf den Hügeln, dort, wo sich die ersten Steilhänge der Vulkane erhoben. Unzählige Türme und Wasserspeier ragten aus dem Bau, Spitzbögen stachen über den glatten, abweisenden Palastmauern in den Himmel. Ich erkannte einen von Laternen gesäumten Weg, der hinab in die Stadt führte. Die Häuser hielten respektvoll Abstand vor der steingewordenen Bestie. Nur zögerlich besiedelten sie die schrägen Flächen unterhalb der Burg.

Ich wandte mich von dem Anblick an und betrat die Brücke. Ona hatte einen Fuß auf ein Steuerpult gestellt und schnürte ihre Stiefel zu. Der Rock war ihr bis zur Hüfte hinauf gerutscht. Ich versuchte, einen besseren Blick zu erhaschen. Flink band sie eine Schleife in die Lederbänder und nahm den Fuß herunter, bevor ich etwas erkennen konnte.

Ich verzog enttäuscht das Gesicht, nur zum Teil gespielt. Die unsichtbare Präsenz von meinem Platz hinter dem Steuerrad blickte mir leer entgegen. Weitere Geister standen vor den Armaturen. Die Ura war zu groß, als dass man ihre Geschütze von der Brücke aus steuern konnte, so, wie es bei dem Schiff gewesen war, mit dem ich aus Durenskys Waffenfabrik geflohen war, doch für Höhe und Geschwindigkeit gab es mehr als genug Hebel. Ich wusste nicht, welcher wofür war. Doch die Geister wussten es, und das reichte mir.

Ona schlang die Arme um mich und blickte über meine Schulter hinaus aufs Deck. „Und nun?"

Ich schmiegte mich an sie und strich über den Griff des Schwerts. Die Geister schienen alle zugleich zu mir zu sehen, und das Gefühl ihrer Blicke war, als bäumte sich eine gewaltige Welle vor mir auf, kalt und überwältigend. Plötzlich war ich fast froh, dass ich den Ozean nicht mehr befahren musste. Ich hatte ihn stets gefürchtet, und jeder, der bei Sinnen war, hatte es mir gleichgetan. Er war dunkel und unergründlich gewesen, ein lauerndes Tier aus tosender Grausamkeit, während der Himmel hell und voller Leben schien. Bis man fiel. „Wo ist Neshira?"

„Sie meinte, sie sei in einem Gewächshaus. Es liegt angeblich oberhalb der Mauern, an der der Stadt zugewandten Seite der Festung. Wir sollen darauf feuern."

Ich sah mich entgeistert zu ihr um. „Wir sollen auf das Gewächshaus feuern, in dem Ruk, Durag und deine Schwester sind?"

Ona nickte bang. „So hat sie es befohlen."

„Wir sollten nur eine Ablenkung sein, damit die Hexen und die Vampirlinge sie nicht überrennen. Oder habe ich etwas falsch verstanden?" Neshiras Idee kam mir beeindruckend gefährlich vor. Und schrecklich dumm.

„Was wird es wohl für eine Ablenkung sein, wenn wir Durensky und Eleuthera persönlich mit einem seiner Luftschiffe beschießen!" Ona klang zugleich begeistert und besorgt. „Sie meinte, ich sollte mir keine Sorgen machen. Ruk hat bereits Kanonenkugeln in die Brust überlebt. Durag wird nie erwischt, behauptete er. Und Neshira sagte, der König würde sie beschützen."

„Der König hat uns auch nicht vor Attica beschützt", hielt ich dagegen.

Ona zuckte mit den Schultern. „Das habe ich ihr auch gesagt." Sie seufzte tief und hakte ihren Daumen in meinen Hosenbund. „Tu einfach, was sie befiehlt. Sie weiß, was sie tut."

Hoffentlich tat sie es. In Gedanken gab ich meine Befehle. Das Stampfen der Maschinen unter meinen Füßen nahm zu, als erwache ein riesiges Tier aus seinem Schlaf. Ich spürte das Knirschen der Kanonen auf ihren Türmen bis hierher. Die Ura nahm an Geschwindigkeit auf, bis wir mit voller Fahrt der Festung entgegen stürzten. Rauchfetzen hingen an ihr wie die Reste eines schwarzen Kleids.

Ich nahm Ona an der Hand und verließ mit ihr die Brücke. Der Wind schlug uns entgegen, stinkend nach verbranntem Holz und Fleisch, nach Öl und dem Schwefel der nahen Vulkane. Die Treppe hinauf zum Achterdeck bebte unter der Kraft meines Schiffes. Zwar war es sicherer, drinnen zu bleiben, doch meines Erachtens waren geschlossene Brücken die größte Sünde, die Durensky je erfunden hatte. Ich wollte draußen sein. Den Sturm spüren, das Gefühl, wie die Kälte mir durchs Fell strich, das Donnern der Maschinen als Herzschlag unter dem Atem des Windes, das Fauchen der heißen Luft. Ich wollte hören, wie meine Kugeln im stählernen Fleisch des Gegners einschlugen.

Ona umklammerte meine Hand ebenso fest wie die Reling des Achterdecks. Das Feuer des Ballons spiegelte sich in ihren aufgerissenen Augen. Ein Lächeln spielte um ihre Mundwinkel, beeindruckt und aufgeregt. Ihr Atem ging schneller. Ich spürte ihren Puls durch ihr Fell hindurch. Vielleicht war es auch mein eigener. Unter meiner Brust flatterte es, ein Gefühl von tödlichem Leichtsinn, von dem Wissen, unbesiegbar, nein, unsterblich zu sein. Angst und doch Sieg. Schwarzer Wind in meinem Fell, Asche auf der Zunge. Das Grinsen breitete sich auf meinen Lefzen aus, ohne, dass ich etwas tun konnte. Mein Schiff. Seine Macht in meinen Händen. Mein Mädchen an meiner Seite.

Näher und näher kamen die Lichter. Ich erkannte, wie zwei Korvetten von der Kante der Stadt ablegten und auf uns zukamen, doch sie würden uns nicht erreichen, ehe ich die erste Breitseite abgefeuert hatte. Danach hatte ich noch eine zweite für sie übrig. Irgendwo in der Stadt begann eine Sirene zu heulen.

Ich gab den Befehl zum Abbremsen. Rote Seide flog neben den Bordwänden auf. Fallschirme öffneten sich, groß wie Drachenflügel. Der Ruck riss mich beinahe von den Füßen. Klagend spannten sich die Stahlseile. Die Spitzen der Türme flogen an uns vorbei, Fenster, Wände, Wasserspeier verfolgten stumm knurrend unseren Fall. Hastig holten die Geister die Stoffe ein.

Ich stemmte mich an der Reling hoch und ließ das Schwert in der Hand wirbeln. „Feuer!"

Das Kreischen der Kanonen nahm mir das Gehör. Drei Reihen Kanonen spien Feuer und Eisen in die schwarzen Steine der Festung, orangerote Blumen explodierten an den Mauern und wirbelten Brocken in den Himmel. Filigrane, gezackte Türme splitterten und fielen dem Boden entgegen. Wasserspeier zersprangen in tausende Stücke.

Ich wies mit dem Schwert nach vorn, dorthin, wo ich das schimmernde Glasdach des Gewächshauses erahnte. Die Maschinen heulten dumpf auf und trieben die Ura voran. Neben mir schrie Ona mir mit vor Freude glänzenden Augen etwas zu, doch ich verstand kein Wort. Nur langsam kehrte mein Gehör zurück, trieb den Nebel aus meinen Ohren und machte Platz für Rauschen, Stampfen und stöhnendes Metall. „Nachladen! Brandbomben!"

Eilig kamen die Geister meinen Befehlen nach. Ich spürte, wie Geschosse in die Kanonen geladen wurden, wie die Rohre ausgerichtet wurden, als zupften winzige Hände an mir, als wäre ich verbunden mit dem, was die Dämonen fühlten. Steuerbords erkannte ich das sich schnell nähernde Glühen von Luftschiffen. Die feindlichen Korvetten hatten aufgeholt. Ich setzte das Fernrohr ans Auge, das ich in der Kajüte des Captains gefunden hatte und blickte hindurch. Sie hatten nicht halb so viele Kanonen wie ich, auch waren sie nicht halb so stark wie meine, doch jedes Luftschiff stürzte ab, wenn der Ballon beschossen wurde. Selbst wenn die meisten Ballons eine gewisse Panzerung besaßen, es gab nicht umsonst Munition, die als Drachentod bezeichnet wurde. Sie holte alles vom Himmel.

Backbords erhob sich die Glaswand des Gewächshauses. Die Bäume hielten das Licht innen, doch ich erahnte das dämmrige Licht von bunten Laternen und das Flackern von Feuern und Zaubern. Maschinengewehre bellten, kaum zu hören unter dem Grollen des Schiffes. Mit tosendem Herzen wartete ich ab, bis die gesamte Breitseite das Glashaus abdeckte.

Ona schloss ihre Finger um meine Hand, die, die das Schwert des Caligár hielt. Verwegen lächelte sie zu mir auf, und mein Herz machte einen übermütigen Sprung. „Auf deinen Befehl!", rief sie, die Stimme bebend vor Aufregung, und hob meine Hand.

Das Ende des Gewächshauses näherte sich. Gemeinsam mit Ona senkte ich das Schwert. Zugleich schrien wir. „Feuer!"

Erneut brüllten die Kanonen, die Geschosse nahmen mein Gehör mit sich. Feuer barst aus dem gesplitterten Glas des Gewächshauses, hoch wie die Turmzinnen auf den Burgmauern. Gierig verschlangen die Flammen Äste und Bäume, Blätter und Stämme und warfen tanzende Schatten auf die Burgmauern. Das Rattern der Maschinengewehre wurde lauter. In mir erhob sich die Angst, wie jedes Mal, wenn ich Durenskys repetierende Gewehre hörte. Zu viele schlechte Erinnerungen.

In der Ferne donnerte es. Kaum einen Herzschlag später erbebte die Ura unter den Schüssen der Korvetten. „Aufsteigen!", bellte ich. „Alle Kanonen laden!" Ich wusste, dass ich die Befehle nicht laut aussprechen musste, doch zuweilen half es mir selbst, bei Sinnen zu bleiben. Das Wissen, dass die Geister meine Wünsche von meinen Gedanken ablasen, war mir stets ein wenig unheimlich gewesen. Dennoch kam ich mir restlos dumm vor, wenn niemand Sichtbares meinen Befehlen folge leistete.

Die Korvetten drehten ab, wohl in der Hoffnung, durch ihre Schnelligkeit der Ura entkommen zu können, doch ich enttäuschte sie. Ich lenkte den Zerstörer fort von der Festung, hoch und weit genug, dass ich die Kriegsschiffe und das Gewächshaus zugleich angreifen konnte. Ein letztes Mal prüfte ich die Winkel, die Abstände, eine Hand am Fernglas, die andere am Schwert. Ona blickte aufgeregt zwischen mir und den Korvetten hin und her.

Ich atmete tief durch. „Feuer."

Der Rückstoß ließ die Ura erbeben. Ich taumelte, taub und orientierungslos, und war froh, dass Ona mich auf den Beinen hielt, ihr Lächeln zugleich besorgt und belustigt. Heftig schnappte ich nach Luft. Sie schmeckte nach Ruß und verbranntem Glas.

Die erste der Korvetten ging in Flammen auf, rauschend fraßen sie sich durch den Ballon. Rasend schnell fiel sie der Stadt entgegen. Trümmer und Besatzung rieselten von dem sterbenden Schiff. Der zweiten fehlte die Steuerbordseite. Der Maschinenraum war stark gepanzert, doch die Dellen in den massiven Stahlplatten erkannte ich selbst in der Dunkelheit.

Ich schüttelte mir die Benommenheit aus dem Kopf. „Zweite Bugkanone steuerbords. Feuern auf die gegnerischen Maschinen."

Zufrieden beobachtete ich, wie sich eine der langen Rohre, beinahe doppelt so lang wie ich, sich drehte. Ich meinte, das Knirschen bis zum Achterdeck zu hören, über mehr als hundert Meter Schiff hinweg. Einmal bellte das Geschütz auf, und die Korvette explodierte. Das Feuer wärmte mein Fell.

„Sin." Ona packte mein Handgelenk. „Sieh."

Ich folgte ihrem Blick. Weitere Schiffe strebten auf uns zu, zwei Fregatten, die einen gewaltigen Zerstörer flankierten, beinahe baugleich mit der Ura. Mein Herz stolperte. Es gab wenige Schiffe, die dem meinen gefährlich werden konnten, doch dieses war darunter. „Feuer!"

Das Inferno, das das Gewächshaus war, bäumte sich rotglühend auf, die Flammen waren so heiß, dass ich um das Leben der Schützen backbords gefürchtet hätte, wenn sie denn lebendig gewesen wären. Die Fregatten gerieten kurz ins Schwanken, doch der Zerstörer war gänzlich unbeeindruckt von der Salve.

Ich fluchte leise. Es war zu erwarten gewesen, und doch kam mir das feindliche Schiff nun noch unbezwingbarer vor. Ich gab meine Befehle. Das Donnern der Kanonen verstummte, und die Ura beschleunigte, hinauf in den schwarzen Nachthimmel.

Schnell nahmen die Fregatten die Verfolgung auf. Der Zerstörer blieb vor den Mauern der Festung zurück, ein Bollwerk gegen meine unheilvollen Machenschaften. Ihre Bordkanonen flammten auf, und kaum einen Wimpernschlag später erzitterte die Ura. Sie wollten meine Triebwerke und das Steuersegel lahmlegen, begriff ich. Wenn es ihnen gelang, war ich ihnen hilflos ausgeliefert.

Wenn man sich nicht verstecken konnte, war Angriff die beste Verteidigung. Ich lenkte die Ura in einem Übelkeit erregendem Tempo in eine Wende. Ona klammerte sich an die Reling, ein breites Grinsen im Gesicht. Gut, dass es ihr gefiel. Wenn nicht, hätten wir keine gemeinsame Zukunft gehabt. Die Maschinen brüllten ihren Zorn in Nacht. Fauchend stürmte mein Zerstörer auf die Fregatten zu.

Sie stiegen auf, wohl, um meinen Breitseiten zu entkommen und um meinen Ballon ins Visier zu nehmen, doch ich korrigierte meinen Kurs. Die Bugkanonen der Ura richteten sich langsam aus. Die einzigen Geschütze, die beinahe senkrecht nach oben feuern konnten. Ich hatte die Explosivgeschosse für sie gesehen, und seitdem brannte ich darauf, ihre Wirkung zu sehen.

Zugleich spien sie ihren stählernen Atem, das Zittern des Rückstoßes ging mir durch Mark und Bein. Einen schrecklichen Augenblick lang geschah nichts, dann zerbarsten der Ballon der ersten Fregatten in Flammen und Fetzen aus Seide. Wie ein Stein sank sie der Stadt entgegen. Ich meinte, die Schreie der Besatzung zu hören.

Ich hatte gehofft, dass der zweiten das gleiche widerfuhr, doch ich hatte wohl zu schlecht gezielt. Statt dem Ballon erwischte das Geschoss die Flanke des Schiffes. Kanonen, Leichen und Metallteile stoben in einem Feuerball aus dem Rumpf.

Ich verlangsamte die Fahrt nicht. Der Rammsporn der Ura wies auf das soeben entstandene Loch in der Seite der Fregatte, und die Banshee sollte mich holen, wenn ich dies nicht zu würdigen wusste. Ona sah von mir zu dem Kurs, den ich eingeschlagen hatte, eine Mischung aus Stolz und Zweifel, und versuchte, einen sicheren Stand zu finden.

Funkensprühend schlugen die Schiffe aufeinander, der Aufprall ließ mich taumeln, doch ich fiel nicht. Der Rammsporn fraß sich kreischend durch die Bresche in der Fregatte, schlitzte durch Stahl und Holz wie ein Schwert durch Fleisch. Das Schiff klagte, als spürte es echten Schmerz.

Die verbliebenen Kanonen der Fregatte bellten auf. Ich spürte, dass die vordersten Geschütze der Ura nur noch verkohltes, verbogenes Metall waren, doch ich verringerte die Leistung der Motoren nicht. Mit voller Kraft flogen wir der Festung entgegen.

Quälend langsam kamen wir voran. Die Maschinen stampften, Rauch stieg in die Luft und vernebelte meinen Blick, doch ich konnte mein Ziel noch erkennen, die Stacheln eines steinernen Drachen. Die Ura stöhnte unter dem Gewicht der Fregatte an ihrem Bug. Einzelne Männer des feindlichen Schiffes sprangen auf mein Schiff hinab und wurden in der Luft zerrissen, bis sie begriffen, dass das leere Deck nicht bedeutete, dass niemand dort war. Das Gewächshaus war ein Leuchtfeuer in der dornigen Finsternis.

Der feindliche Zerstörer spie mir Stahl und Feuer hinterher, als ich ihn passierte. Die Ura kreischte wie ein verwundetes Tier, und ich ahnte, dass, was auch immer er getroffen hatte, nicht unwichtig gewesen war. Das würde ich ihm heimzahlen. Doch zuerst musste ich die Fregatte loswerden.

Heftig ließ ich die Ura abbremsen. Erneut flogen die Seide und Stahlseile der Fallschirme an mir vorbei, der Ruck warf mich auf die Planken. Mein Wangenknochen prallte schmerzhaft auf das polierte Holz. „Feuer!", schrie ich undeutlich und wedelte mit dem Schwert. Irgendwo neben mir hörte ich Ona ausgelassen lachen.

Der Rückstoß der Kanonen ließ meinen Körper erbeben. Donnernd schlugen die Geschosse in die Seite der Fregatte ein und stießen sie vom Bug meines Schiffes.

Für einen Augenblick herrschte klagende Stille, dann krachte sie mit voller Wucht in die Festung. Obwohl mir die Kanonenschüsse das Gehör genommen hatte, hörte ich das Bersten von Gestein, das Heulen von aufgeschlitztem Metall, das dumpfe Grollen explodierender Maschinen, das Pfeifen der Luft, die aus dem Ballon entwich. Der Gestank von brennendem Öl stieg auf.

Ich verschwendete keinen zweiten Blick an die selbst aus dem Augenwinkel wunderschöne Feuerblume. Schwankend erhob ich mich und lenkte die Ura himmelwärts. Ihr Rumpf schrammte mit einem hohen Kreischen gegen die Zinnen, Türmchen brachen und fielen in die Burghöfe, der Kiel zog eine tiefe Kerbe in die Dächer.

Im gleichen Moment, in dem ich mich zu dem Zerstörer umsah, flammten seine Kanonen auf. Ich hatte kaum Zeit zum Fluchen. Metall und Flammen stoben auf und prasselten gegen mich wie Regen. Die Ura erbebte und stöhnte, sirrend riss eines der Taue, die den Ballon hielten. Das Deck bekam eine bedrohliche Schieflage. Trümmerteile schlitterten an mir vorbei. Erneut war ich halb taub, und mir schoss durch den Kopf, dass ich mir für weitere Kämpfe mit diesem vermaledeiten Schiff Wachs in die Ohren stecken sollte.

„Feuer erwidern!" Nur ein Bruchteil meiner Geschosse feuerten, und ich begann zu ahnen, wie verheerend die Kanonen der Ura wirklich waren. Mit nur einem Schuss hatte ihr Schwesterschiff beinahe meine gesamte Breitseite vernichtet, und die Unheiligen mochten mich davor bewahren, wenn sie erneut schoss.

Ich ließ die Ura beschleunigen und versuchte, sie in eine Drehung zu lenken. Nichts geschah. Ich begriff. Mein Herz wollte in den Abgrund unter den Nebeln fallen. Ich fluchte, diesmal laut. „Sie haben mein Steuersegel zerstört. Wir sind manövrierunfähig."

Ona riss die Augen auf. „Oh, verdammt."

„Aye." Angespannt beobachtete ich den Zerstörer. Die Besatzung nutzte sicherlich jede Sekunde, um mir einer zweite Salve zu verpassen, und ich wollte nicht wissen, was dann geschah. Mir war, als atmeten die Kanonen ein, um erneut ihren Atem aus Stahl und Feuer auf uns zu entfesseln. „Wir gehen in die Brücke. Dort ist es sicherer."

Ich nahm sie bei der Hand und hastete die Treppen hinab, hinein in den nach Öl und schmorendem Metall stinkenden Kommandoraum. Die grollende Stille nach dem schneidenden Wind und den tobenden Geschützen war unwirklich. Die schwere Tür log von Sicherheit. Sie würde keinen direkten Schuss überleben, doch es war besser, hinter einer Wand aus Panzerglas und Stahlplatten zu stehen und dort den Feuersturm zu erwarten, als sich draußen auf sein Glück zu verlassen. Geister blickten mir stumm entgegen. Unzählige Lämpchen blinkten auf dem Steuerpult. Irgendwo heulte eine Sirene. Das Geräusch machte mich nervöser als der Anblick meines arg in Mitleidenschaft gezogenen Luftschiffes.

„Lass die Anker fallen", schlug Ona plötzlich vor. „Dann drehen wir uns.

Vielleicht so weit, dass wir ihnen die andere Seite zuwenden und..."

„Anker fallen lassen! Steuerbordkanonen laden!", befahl ich. Einen Augenblick später hörte ich die Ketten rasseln. „Halte dich fest", warnte ich Ona. Sie nickte bang.

Der Ruck war so heftig, dass das Schiff sich blitzartig nach vorn neigte. Ich wurde gegen die Steuerpulte gedrückt. Langsam schwenkte die Ura herum, riss Türmchen und Wasserspeier mit sich und schrammte jammernd an den Mauern einer Wehranlage vorbei, das Heulen eines stählernen Dämons. Mein Fell sträubte sich.

Der feindliche Zerstörer war aufgestiegen, wohl, um besseres Schussfeld auf mich zu haben, doch wartete. Funken sprühten über das Hauptdeck. Rauch stieg auf und wehte wie ein schwarzgrauer Schleier hinter uns her. Es stank nach Feuer und Dingen, die definitiv nicht in Flammen stehen sollten. Lange würde die Ura nicht mehr durchhalten. Der Zerstörer würde uns eine zweite Breitseite geben, und dann wäre es um uns geschehen. Wenigstens war der Boden nicht weit. Still hoffte ich, sie würde nicht explodieren.

Mit flatternden Nerven wartete ich ab, bis die Schiffe ihre Flanken einander zuwandten. Hunderte Kanonen starrten mir blicklos entgegen, hungrige Mäuler, deren Atem den Tod versprach. Soldaten in Durenskys grauen Uniformen huschten an Deck umher. Allein bei der Erinnerung an das Flackern der Maschinengewehre sträubte sich mein Fell.

Meine Hand klammerte sich um das Schwert des Caligár, bis meine Finger schmerzten. Erst, als Ona ihre Hand in meine freie schob, bemerkte ich, wie sehr ich zitterte. Langsam stellte ich mich vor sie, als könnte ich sie schützen, selbst wenn alles in mir danach schrie, mich hinter etwas zu verstecken. Wir könnten sterben, begriff ich. So gewaltig die Ura auch war, schier unbesiegbar, so hatte sie doch einen ebenbürtigen Gegner, und wir hatten das Pech gehabt, ihm zu begegnen. „Ona", begann ich, unfähig, sie anzusehen, „ich..."

Die Kanonen des Feindes brüllten. Heftig warf der Schlag uns gegen Wand, mein Kopf prallte gegen den Stahl. Kurz wurde es schwarz um mich, und ich blinzelte heftig dagegen an. Mein Arm knirschte schmerzhaft zwischen einem Körper und den Metallstreben. Ona blickte zu mir auf, ihre Lippen formten Worte, die ich nicht verstand. „Feuer erwidern!", brüllte ich, meine Stimme klang, als käme sie aus weiter Ferne. „Feuer frei!"

Die Kanonen meines Schiffes sprachen, und der feindliche Zerstörer erbebte. Feuerblumen stoben in den Himmel, Trümmer und Leichen flogen. Geisterstimmen in meinem Kopf flüsterten von ausgefallenen Maschinen, geborstenen Panzerplatten, zerstörten Kanonen, doch noch schwebte die Ura über der Festung wie ein verletzter Drache. Willens, den Feind mit sich in den Tod zu reißen. Die Geschütze verstummten nicht, ein einziges Brüllen voller Zorn und Verderben. Unter jedem Einschlag wand sich das Schiff wie ein Mann unter Messerstichen. Irgendwo pfiff die dem Ballon entweichende Luft. Ich spürte, wie wir langsam der Festung entgegen sanken.

Ich half Ona auf die Beine. „Ich hoffe, wir überleben es."

Sie sah skeptisch zu mir auf. „Das war es, was du mir sagen wolltest?"

Unter meinem Fell brannte es. Ich hoffte, ich würde noch sehr lange leben, damit ich meine Worte immer und immer weiter aufschieben konnte.

Explosionen überzogen das feindliche Schiff, fauchend griffen die Flammen nach der Dunkelheit. Es schwankte, doch stellte das Feuer nicht ein, die Breitseite ein Massaker aus verbogenen Stahlplatten, zerrissenen Läufen und Flecken aus brennendem Öl. Ich meinte, dazwischen die entstellten Leichen der Kanoniere zu sehen. Immer weniger Geschütze feuerten, sowohl meine als auch die des Feindes.

Zeit, dem ein Ende zu setzen. Ich ließ die Bugkanonen ausrichten und feuerte.

Der Maschinenraum zerbarst in einem Inferno und zerriss das Heck des Schiffes. Metallteile wurden in den Himmel geworfen, das Feuer leckte gierig an der Seide des Ballons.

Zufrieden ließ ich das Schwert sinken. „Er wird nicht mehr lange fliegen."

Das feindliche Schiff feuerte, und die Ura stöhnte auf. Ich spürte förmlich, wie die Stahlkabel des Ballons rissen. Als durchtrennten geisterhafte Klingen, körperlos und zugleich messerscharf, meine eigenen Sehnen.

„Wir auch nicht", sagte Ona. Dann fielen wir.

Der Fall dauerte zugleich wenige Sekunden und Jahre. Ich konnte dem Ballon zusehen, wie er in den Himmel stieg, befreit von seiner Last. Wie der feindliche Zerstörer sich unter weiteren Explosionen zusammenkrümmte, als meine letzte Breitseite in seiner einschlug. Hinter Rauch und Feuer erkannte ich die Sterne.

Wie ein Beil schnitt die Ura durch die Festung. Das Krachen von Stein auf Stahl war schier unerträglich laut. Wasserspeierköpfe und Turmsplitter prasselten auf das Panzerglas, klirrend bildeten sich Risse. Ich klammerte mich zugleich an die Steuerpulte und hielt Ona fest in meinen Armen. Dieses Mal würde ich mein Versprechen halten.

Das Glas brach, und die Zinnen kamen mir entgegen. Dann wurde alles schwarz.

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