Verschwundener Schwarzmarkt (13) (Warnung: verstörender Inhalt)

Emarce wusste bereits, dass es ein Problem gab, als sie die unterste Schicht des Verbandes erreichte. Dunkle, nasse Ringe zogen sich über den Stoff, zu hell für Blut, und die Leinen klebten förmlich an Ferocis Haut fest.
Vorsichtig zog sie die Binde ab.
Die Haut um die Naht war dunkel, geschwollen und klare Flüssigkeit quoll zwischen den Fäden hervor.
Sie brauchte keine Farben erkennen zu müssen, um zu wissen, dass die Stelle rot war.
Die Wunde hatte sich entzündet.

"Oh, beim Mundgeruch der Königin.", murmelte sie.
"Was ist das Problem, Lady Emarce?", haakte Feroci vergnügt nach.
"Das... sicht nicht gut aus.", murmelte die ehemalige Feldheilerin, "Ich werde es anfassen müssen, um festzustellen wie schlimm es ist."
"Ihr irrt Euch, wenn Ihr glaubt ich hätte etwas dagegen, wenn Ihr mich anfasst.", flötete ihr Kriegsheld mit einem anzüglichen Grinsen.
Offenbar machte er sich keinerlei Sorgen, um den Zustand seiner Verletzung.
Emarce grunzte belustigt, während sie sich von der Bettkante erhob, um die Handschuhe aus dem Waschraum zu holen.

"Aber, wunderschöne Lady Emarce!", rief Feroci ihr hinterher, "Wo geht Ihr denn hin, ich dachte ihr würdet mich anfassen."
"Oh das werde ich, du wirst es nur nicht mögen.", gab die Fledderin grinsend zurück.
Mit schnellen Schritten kehrte sie zum Bett zurück und streifte die Stiefel des Kriegshelden ab, dann kletterte sie in die Laken und hockte sich auf seine Beine.
Feroci freute sich diebisch darüber.
"Oi, ich hatte nicht damit gerechnet, dass Ihr mir gleich so nahe kommen würdet. Welch Freude! Wie komme ich zu solchem Glück?"
Emarce schnaubte.
"Damit du nicht treten kannst, wenn es weh tut. Das wird es nämlich. Mund auf!", befahl sie.
"Wieso sollte ich dem Mu...", begann der Ritter. Weiter kam er nicht, denn die Fledderin hatte ihm Flink einen Lappen zwischen die Zähne gestopft.

"Damit du dir deine redefreudige Zunge nicht abbeißt, wenn es schmerzt. Draufbeißen!", flötete Emarce und beugte sich über die Wunde.
Ihr Kriegsheld nuschelte irgendetwas in den Lappen, vermutlich darüber, dass er als Krieger schon schlimmere Schmerzen gespürt hatte. Die Dämonin verdrehte die roten Augen. "Versuche still zu halten. Wenn du mir eine Wischt, schlage ich zurück!", murmelte sie und legte ihre Finger vorsichtig auf die geschwollene Naht.

Sofort spannte sich Ferocis ganzer Körper an. Er hatte also Schmerzen. War ja klar gewesen.
Der Zustand der Wunde musste schlimmer sein, als Emarce angenommen hatte, denn schon nach wenigen Augenblicken spürte sie die Hitze der Entzündung durch ihre Handschuhe sickern.
"Oh, bei den Titten der Malitia, das ist schlecht.", nuschelte sie konzentriert, "Wenn das so weiter geht, riskieren wir eine Blutvergiftung."
Feroci gab ein erschrockes Quietschen von sich.
Die Fledderin ging nicht weiter darauf ein und drückte ihre Finger zu beiden Seiten der Naht nach unten.

Ein vom Lappen gedämpfter Schrei kam vom Kopf des Bettes.
Ferocis Hände klammerten sich in die Laken, seine sichelartigen Krallen fuhren aus seinen Fingern und rissen durch den Stoff.
"He, das zahlst du mir aber!", fauchte die Fledderin und erhöhte den Druck auf die Wunde.
Zunächst kam das Wundwasser.
Dunkler als normles Wasser, aber kaum von Farbe, floss es über Ferocis bleiche Haut.
Dann drang eine helle Masse zwischen den Nähten hervor, wie übelriechende, dicke Maden.
Emarce zog die Nase kraus. Sie erkannte die Farbe zwar nicht, aber es war nicht durchsichtig. Und das war übel.
Eiter.
Und zwar eine ganze Menge davon.
Feroci stöhnte vor Schmerzen.

Die Fledderin nahm einen weiteren Lappen und wischte den Eiter ab.
"Wir müssen das Auswaschen. Und dann brauchst du Salbe. Und die habe ich nicht mehr. Ist für meine Hände und mein Gesicht draufgegangen... und das Heilmittel.", erklärte sie und fischte den Lappen wieder zwischen Ferocis Hauern hervor, "Ich muss also auf den Schwarzmarkt und neue besorgen. Hast du ein Glück, dass Spuricoa sich garantiert schon wieder aus den Fängen der Garde rausgevögelt hat. Sie ist wie du, weißt du? Springt mit allem ins Bett, was Beine hat.", moserte die ehemalige Feldheilerin, während sie sich die Stiefel des Ritters wieder überstreifte.

"Also wirklich, Lady Emarce, was denkt Ihr von mir! Ich bin doch keine gewöhnliche Straßendirne!", gab Feroci mit offensichtlich gespieltem Entsetzen zurück.
"Richtig.", entgegnete die Fledderin, während sie ihre Tasche griff, "Eine Kotze von den Straßen hätte Geld verlangt, statt ihren Körper ganz umsonst anzubieten. Du bist viel schlimmer als eine Straßendirne! Du bist ein Rumschläfer!"
Der Kriegsheld kicherte, das Zittern in seiner Stimme war kaum zu hören, aber doch eindeutig da.
"Oh nein! Wie schrecklich unzüchtig von mir! Wäre es Euch lieber wenn ich Geld verlangen würde? Würdet Ihr dann, wie sagt Ihr so schön, mit mir ins Bett springen?"

Die Fledderin schnaubte belustigt.
"Mit Sicherheit nicht. Nicht einmal wenn du mich dafür bezahlen würdest. Nein danke. Man nenne mich prüde, aber ich verschwende mich nicht an einen, der dann gleich zur Nächsten weiterrennt."
Sie zog sich die Kapuze ihrer Robe ins Gesicht und schulterte die Tasche.
"Bis später, Feroci. Dann bekommst du auch Suppe, versprochen!"
"Wartet, oh wunderschöne, prüde Lady Emarce! Wollt Ihr Eurem Ritter in glänzender Rüstung nicht einen Abschiedskuss geben?", rief der Kriegsheld, als sie gerade die Türe öffnen wollte.
"Ach, ein Ritter in glänzender Rüstung bist du jetzt? Ich frage mich, wo ist deine Rüstung? Und warst du nicht einmal mein Schürzenjäger in Nöten? Und fass ja die Naht nicht an!"
Sie lies ihm keine Zeit zu antworten, sondern eilte kichernd aus dem Zimmer.

Wenigstens hatte diese Ritter Varia gut gezahlt. Spuricoa die Heilsalbe abzukaufen würde also nicht wirklich ein Problem werden.
Den Schwarzmarkt zu finden stellte sich stattdessen als um einiges schwieriger heraus, als Emarce angenommen hatte.
Normalerweise sprossen die Stände in und um die Hütten geradezu aus dem Boden. Hehler lungerten mit prall gefüllten Taschen in Seitengässchen herum und Käufer liefen mit geduckten Häuptern, um ja nicht erkannt zu werden, und wachsamen Augen umher. Dort, wo der Schwarzmarkt war, war es in den Hüttenvierteln voll.
Doch heute war es anders.

Die Fledderin wusste nicht genau wieso, aber sie hatte irgendwie erwartet, dass sich der Schwarzmarkt binnen eines Tages von dem Schlag erholen würde, den ihm die Garde verpasst hatte. Aber das war nicht der Fall.
Sie hätte damit rechnen müssen, schließlich hatte sie gesehen, wie viele Hehler die Garde erwischt hatte, sie war da gewesen, als die grauen Rüstungen in die Hütten geschwärmt waren., schalt sie sich selbst.
War sie nicht genau deswegen in Fürst Agemas Verhörzelle gelandet? Weil man sie auf dem Schwarzmarkt erwischt hatte, wie sie einen Schrumpfkopf verkauft hatte?

Natürlich waren die anderen noch nicht da!
Sie konnte ja nicht von jedem erwarten, aus einem Fenster zu springen und den Graben zu durchschwimmen, wenn man das, was sie in dem Wasser getan hatte, so nennen konnte.
Die Fledderin seufzte frustriert und beschwor ihren Schatten. "Emmi, geh Spuricoa suchen, sie ist nicht an ihrem üblichen Platz. Es eilt. Ich brauche entzündungshemmende Salbe, und das Wundeverschließungszeug. Und steck ihr ja nicht, wieso wir das brauchen. Wenn die von Feroci erfährt, schlägt sie kräftig auf den Preis auf, klar? Und über unser Heilmittel für den Blutschwund hältst du auch dicht! Sonst behauptet sie noch sie hätte da mitgewirkt, weil ich ihre Mittelchen reinmische, und will einen Anteil an unserem Gewinn!"

"Klar. Wird erledigt.", antwortete der Schatten und verschwand zwischen den Hütten.
"Wo versteckst du dich, du altes Schandmaul.", murmelte die Fledderin und bog ebenfalls um eine Ecke.
Normalerweise baute Spuricoa einen kleinen Stand aus losen Brettern auf, an dem sie ihre Mittelchen feil bot. Die Eltern der Schattendämonenin waren Apotheker gewesen, aber beide in den Krieg geschickt worden. Noch im ersten Jahr waren sie beide gefallen und wie viele hatte auch Spuricoa bemerkt, dass sich auf dem Schwarzmarkt viel mehr verdienen ließ als im legalen Geschäft.
Sie zu finden war normalerweise nicht schwer. Jeder, der es sich leisten konnte und mit einem Wehwehchen jeglicher Art zu kämpfen hatte, suchte sie auf.

Doch jetzt wirkte die etwas mollige Dämonin mit den teuren Kleidern wie vom Erdboden verschluckt.
Langsam wurde die Fledderin sauer.
Sie stapfte um eine weitere Hütte, Ferocis Stiefel waren mittlerweile so schmutzig, dass Emarce anzweifelte, ob sie wieder sauber werden würden, und entdeckte endlich den ersten Hehler.
Xorach war ebenfalls ein Schattendämon und ebenfalls ein Leichenfledderer. Emarce hatte sogar schon einmal mit ihm zusammen gearbeitet, um sich in Muds neue Ware zu beschaffen.

"Oi, wie geht es so, mein alter Freund!", rief sie zum Gruß und kam auf den anderen Fledderer zu.
"Es passt. Bin der Garde gerade so durch die Lappen gegangen, als sie hier war. Bin in den Graben gesprungen, den Öntros runter geschwommen und im Wald wieder an Land geklettert. Du?", gab Xorach grinsend zurück.
"Sie haben mich erwischt, aber ich habe einen Penis auf einen Fürsten geworfen, ein Schloss geknackt und ein Fenster eingeschlagen. Oh, und das Gesicht haben sie mir zerschnitten, diese Taugenichtse!", antwortete Emarce lachend, "Wo wir schon von meinem Gesicht reden, weißt du wo Spuri ist? Ich will mir da nichts einfangen."
Gerade öffnete Xorach den Mund, um zu antworten, als ein Ausdruck blanker Panik sein Gesicht befiel. Ruckartig drehte er sich um und rannte zwischen die Hüttem davon.

"Oi, was hast du denn?", rief Emarce dem Dämon nach.
Eine Antwort brauchte sie keine, denn schon wieder spürte sie das kalte Metall einer Klinge an ihrem Hals.
"Ich hoffe diese Mal seid Ihr nüchtern, Fledderin.", zischte eine leise Stimme hinter ihr.
Langsam hob Emarce die Hände.
"Was soll das? Ich habe nichts getan.", antwortete sie möglichst beschwichtigend.
Das kalte Metall wanderte ihren Hals entlang, nie den Kontakt verlierend, bis die anderen Dämonin vor ihr stand.
"Ritter Varia.", stöhnte Emarce frustriert. So viel Pech konnte auch nur sie haben.
"Wo ist Feroci?", zischte die Ritterin, ihre Großkatzenschnauze zu einer Grimasse verzogen.

Emarce verdrehte die Augen. "Wüsstest du wohl gern."
Die Klinge des Schwertes bohrte sich tiefer in ihren Hals.
"Ja, das wüsste ich gerne. Ich habe einen Gardisten ausgequetscht, ich weiß, dass Ihr ihn gestohlen habt.", knurrte die Chimäre.
"Er lebt, beruhige dich. Aber er lebt nicht mehr lange, wenn ich diese Salbe nicht in die Finger bekomme. Und du hast gerade meine Quelle verscheucht, die mir hätte sagen können, wo ich diese Salbe herbekomme."

Varia legte den Kopf schief und die rundlichen Ohren an.
"Was habt Ihr ihm angetan? Ich muss mit ihm sprechen!"
"Ich habe gar nichts getan. Irgendjemand, vermutlich euer Frostdämon, hat ihm Attentäter auf den Hals gejagt. Er ist schwer verwundet. Ich kümmere mich um ihn. Und er wird nicht mit dir reden. Die Aufregung kann er gerade gar nicht gebrauchen!"
Ein dunkles Knurren schwoll in Ritter Varias Kehle an.
"Aber wenn du mir hilfst die Hehlerin mit dem Mittel zu finden, dann sage ich dir alles, was Feroci weiß. Er hat mir sowieso gesagt, dass ich dir das berichten soll, ich weiß also alles. Und wenn du mir nicht hilfst, dann halte ich dicht."
Die Ritterin bleckte die Zähne.
"Ich könnte Euch zum reden bringen."

Emarce zuckte mit den Schultern.
"Und du würdest nie wissen, ob ich gelogen habe. Los geht's!"
Ohne auf Varias Reaktion zu warten machte sie einen Schritt rückwerts, vom Schwert der Kriegerin wegtretend, drehte sich um und marschierte los.
"Von mir aus.", grollte die Chimäre und folgte ihr grimmig, "Aber wehe Ihr lasst Ritter Feroci sterben!"

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