Lügengör und Bauernbalg (15)
Spuricoas Haus war das genaue Gegenteil ihres Äußeren. Während Emarce kaum auf ihr Aussehen und ihre Hygiene achtete, so war ihr Zimmer doch immer aufgeräumt und sauber.
Die Medizinhelerin dagegen war immer herausgeputzt, als wolle sie auf eine Feier gehen, während ihr Haus einem Schlachtfeld glich.
Überall lagen, wild verstreut, Phiolen, Näpfchen, Fläschchen und Kräuter herum.
Auf dem Tisch hockte ein fettes, gestreiftes Kexerl und fraß etwas, das verdächtig nach den überteuerten Pilzmischungen aussah, die Spuri gegen Zuckungen verkaufte.
Das Biest hatte flauschiges Fell und drei helle Augen, die die drei Dämoninen mir einem Blick bedachte, der nur zu gut zeigte, dass es nicht nur wusste, was es tat, sondern auch nicht plante Reue zu zeigen.
Spuricoa schnappte wütend nach Luft.
"Flu! Was treibst du denn da oben, du Rabauke? Los, weg von Mamas Mittelchen! Dass du mir aber zackig machst!", rief sie und wedelte wild mit den Händen.
Betont langsam streckte Flu sich und wackelte auf seinen acht Beinen, scheinbar gelangweilt, vom Tisch, die spitzen Ohren und zwei fluffigen Schwänze arrogant aufgestellt.
Dabei trat er, mit einem überheblichen Blick in die Richtung der Dämoninen, eine Glasphiole um, deren Inhalt sich dampfend über den Tisch ergoss.
Emarce stieß ein frustriertes Stöhnen aus.
"Das Ding lebt immer noch? Wie alt werden diese Viecher?"
Spuricoa, die gerade damit beschäftigt gewesen war das stark übergewichtige Kexerl auf den Arm zu nehmen, richtete sich ruckartig auf, was ihrem Haustier ein geschocktes trillern entlockte.
"Marci! Wie kannst du soetwas nur sagen? Flu ist ein perfektes, kleines Schätzchen in der Blüte seines Lebens!", rief sie, den Kopf des Kexerls streichelnd.
Besagtes Schätzchen warf Emarce einen Blick zu, der vor Feindseligkeit nur so triefte.
"Dein Biest will mich umbringen.", zischte die Fledderin und trat einen Schritt zurück.
"Seit wann bewohnst du dieses Haus überhaupt?"
Spuricoa drückt ihr Gesicht kurz in das Fell ihres Scheußals und setzte es auf den Boden zurück, worauf hin es sofort auf Ritter Varia zusteuerte.
Die Fledderin schüttelte sich.
Garstiges Vieh!
"Ich habe es noch nicht lange. Ein paar Monate. Der Vorgänger ist in Reuef gefallen.", erklärte die Medizinhelerin und zuckten mit den Schultern.
"Und du hast es gleich wieder zugemüllt. Wehe dir, wenn du meine Medizin nicht findest. Dann bist du schuld, wenn ich an Wundbrand verrecke!"
Spuricoa brach in gackerndes Gelächter aus.
"Aber sicher doch, Marci! Habe ich dich je enttäuscht?"
"Willst du das wirklich wissen?"
Die Dämoninen lachten.
"Wundbrand also, hä? Dein Gesicht sieht nicht aus, als hättest du Wundbrand."
Nachdenklich biss sich Emarce auf die Lippe. Zum Glück hatte sie jahrelange Übungen darin, völlig spontan und ungerührt Lügen und Halbwahrheiten zu verbreiten, um sich aus brenzligen Situation zu winden, oder zu bekommen, was sie wollte.
"Weil ich noch was über hatte, aber das ist noch nicht vorbei. Jetzt rück es schon raus, du Geizkragen! Und das für den Wundverschluss, das auch.", meckerte sie, hoffend, dass Spuricoa es nicht in Frage stellen würde.
"Ha, zur Wundverschliesung, du bist gut! Dafür brauche ich Feenspeichel. Das Zeug ist so schon teuer genug und seit wir mit Sipii im Krieg sind, bekomme ich das fast gar nicht mehr. Besorg dir den selber, du kleine Leichenschänderin kommst da eh besser dran als ich!"
Emarce fluchte.
"Na gut, rück wenigstens das raus, was du da hast. Ich zahle auch, wenn du den Preis nicht zu sehr überspannst.", erklärte sie und verdrehte ihre roten Augen.
Hätte sie doch bloß den Rest der Salbe verschwendet, um zu testen, ob sie ihr Heilmittel für den Blutschwund rekreieren konnte!
Wenigstens hatte es geklappt.
Die Hehlerin nickte genervt und begann ihre überfüllten Regale zu durchforsten.
"Jaja, dauert ein bisschen. Ich weiß wo die Wundbrand-Mittel sind, aber das Zeug gegen Zipperlein? Keine Ahnung.
Kann sich zu der Zeit eh fast keiner leisten.
Musst deine feine Ritterin wohl etwas länger bespaßen.", murmelte sie während ihre dicken, aber geschickten Finger über schlampig angebrachte Etiketten an Näpfchen, Fläschchen und Phiolen wanderten.
"Oh, so wichtig ist das dann auch wieder nicht.", warf die Ritterin von hinten ein.
Die beiden Schattendämoninen wirbelten zu ihr herum, Emarce mit einem vorwurfsvollen, Spuricoa mit einem verwirrten Gesichtsausdruck.
Varia, Flu auf den Armen, sah unschuldig zurück.
"Was soll das jetzt heißen?", fragte Spuricoa scharf nach.
In ihrer Stimme schwang der Verdacht deutlich mit. Sie hatte den Braten gerochen.
Hinter dem Rücken der fülligen Dämonin zog Emarce sich mit dem Zeigefinger über die Kehle, während sich ihre roten Augen in Varias helle bohrten.
Flu blubberte.
"Sie schämt sich einfach nur, weil die Schwellungen an ihrem Arsch sind.", stöhnte die Fledderin, mit nur halb gespielter Frustration, "Du hast ja keine Ahnung, wie schwer es war, sie zu überreden überhaupt her zu kommen. Erst recht, nachdem ich sie vor deiner Rumschläferei gewarnt habe. Sie hat wohl Angst, dass du dir die mal anschauen willst, das prüde Ding."
Spuricoa brach in schallendes Gelächter aus.
"Immer diese Adeligen. Hat wohl Angst, weil ich nicht mit ihr verwandt bin!", prustete sie.
Erleichtert ließ Emarce die Luft aus ihren Lungen weichen.
Sie hatte es ihr abgekauft.
Spuricoa verschwand in einem anderen Zimmer.
"Hier könnte es sein. Bin gleich wieder da!", rief sie über ihre Schulter, bevor sie gänzlich hinter Stapeln ihrer Vorräte verschwand.
Wütend stapfte Emarce auf Spuricoa zu.
"Was soll das? Willst du mir meine Bemühungen ruinieren? Weißt du wie schnell Spuri riecht, dass wo Geld drin steckt? Sie ist da wie ein Rrikhz, wenn es Blut wittert. Halte bloß deine Gosche!"
Die Ritterin starrte genauso wütend zurück.
"Und wieso geht Ihr davon aus, ich hätte vor die überteuerten Mischungen zu kaufen, die Eure kriminelle Schwarzmarktfreundin vertreibt? Ihr werdet es vielleicht nicht glauben, aber ich bin, trotz meiner Adeligen Herkunft, nicht aus Geld gemacht!"
Emarce schnaubte.
"Sicherlich. Deine Robe allein ist mehr wert, als alles von Wert in den Hüttenvierteln zusammen, aber selbstredend. Außerdem hätte das gar nicht sein müssen, wenn du mir einfach fern geblieben wärst. Jetzt muss ich Quontrex im dreieck tanzen, um Spuricoa davon zu überzeugen mir das Zeug so zu verkaufen, dass genug Geld für meine Familie übrig bleibt. Wenn du weiter aus der Reihe fällst, kannst du Ferocis Genesung vergessen.
Dann stirbt dein feiner Verbündeter.
Wegen dir."
Aus irgendeinem Grund schossen bei jenen Worten Tränen in die roten Augen der Fledderin. Sicher nur weil sie an ihre Familie gedacht hatte. Die Möglichkeit, dass Feroci seinem Wundbrand erliegen konnte, hatte nichts damit zu tun!
Gar nichts.
Die ersten salzigen Perlen begannen ihre nassen Wege über ihre Wangen zu ziehen.
Eilig wandt die Fledderin sich ab.
Die Genugtuung sie heulen zu sehen, würde sie dieser aufgeblasenen Adeligen nicht geben.
"Ich bin überrascht, dass Ihr überhaupt wisst was der Quontrex ist, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass man ihn nicht im Dreieck tanzen kann.
Mir war nicht bewusst, dass der Pöbel ihn auch tanzt."
Auch wenn die Herrin der Burg Zuflucht sich offenbar Mühe gab, Spott in ihre Worte zu legen, so war die Schärfe gänzlich aus ihrer Stimme gewichen.
"Der Quontrex war ein Bauerntanz, am Anfang. Der Adel hat ihn irgendwann übernommen, aber er kommt von den Erntefesten.", erklärte Emarce und biss sich auf die rissigen Lippen. Die Tränen flossen nun frei, da sie sich an all die male erinnerte, an denen sie, in besseren Zeiten, mit ihren Eltern und Geschwistern, zu fröhlicher Glykoz- und Salivmusik die Ernte betanzt hatte.
"Bauern? Aber Ihr seid doch in der Stadt zu finden? Das erklärt nicht, wo Ihr ihn zu tanzen erlernt habt."
"Nicht jeder der in der Stadt lebt, kommt auch von dort.", gab Emarce zurück.
"Tanzen? Höre ich da Tanzen? Oi, Marci, du wirst dich doch nicht selber an unsere Adelige Freundin ranmachen wollen! Werte Ritter Varia, wenn sie dir anbieten sollte, die Tinktur für dich aufzutragen, dann ist das eine List, um dich ins Bett zu bringen. Die hat sie sich von mir abgeschaut, nicht drauf reinfallen!", flötete Spuricoa und tänzelte mit den schnellen, kurzen Schritten, einer Regike-Tänzerin zurück ins Zimmer.
"Ihr tanzt Regike, nicht Quontrex.", bemerkte Varia und legte den Kopf schief.
"Natürlich, ich bin weder adelig, noch von den Höfen. Regike ist der Tanz des Pöbels. Und ich bin stolzer Pöbel. Deine Geschwülsttinktur. Zweimal täglich auftragen. Viel hilft viel. Der Schmerz wird bald nachlassen, und wenn du durch bist, sind die Schwellungen auch weg. Zehn Misanom dafür.", plapperte die Hehlerin fröhlich und drückte der Ritterin ein Fläschchen in die Hand.
"Zehn? Das ist Wucher!"
"Nun gut. Weil du süß bist. Neun Misanom und fünfundzwanzig Schap."
"Ich muss doch bitten, das ist immer noch unerhört.", gab Varia zurück und fletschte die Zähne.
Elegant schnappte Spuricoa ihr das Fläschchen wieder aus der Klaue. Flu sprang, über die Hektik wütend trillernd, aus Varias Armen.
"Dann leide.", flötete die Hehlerin zuckersüß.
"Fünf Misanom. Das ist immer noch genug, um sich ein Kleid aus feinsten Leinen, bestickt mit Perlen zu kaufen, oder Fleisch für neun Tage! Fünf und keinen mehr!", ging Varia dagegen.
"Neun."
"Sechs."
"Acht und dreiunddreisig Schap... und du bekommst Informationen über den Frostdämon, der neulich hier vorbei gekommen ist."
"Einverstanden.", gab Varia nach. Ihre Augen funkelten gierig.
Die füllige Schattendämonin gab ihr die Tinktur zurück und streckte ihre offene Hand aus, als klares Zeichen, dass sie ihre Bezahlung wollte.
Schleunigst zählte Varia das Geld ab und legte es hinein.
"Er ist in der Versteckten Schenke aufgescheucht worden, hat der Handlanger des Agema mir gesteckt. Die Garde ist wohl nach Kesseldorf geritten, um den Feroci zu suchen. Das war unseren kalten Freund etwas zu nah, vermute ich einmal. Er trägt das Siegel der Fürstin auf seinem Umhang und fliegt ein braunes Ross. Sehr teuer. Er fliegt bei Nacht, vermutlich weil Militarisk da größtenteils schläft. Die Hufe seines Rosses sind beschlagen. Ich glaube mit Silber. Er trägt Rüstung. Oh. Und einen Dolch mit Abbixbezug. Ich habe ihn noch aus den Zellen schimmern sehen. Knapp ist er an der gerodeten Zone vorbei. Das ist alles, was ich weiß."
Die Chimäre nickte grimmig.
Vermutlich hatte sie das meiste davon schon gewusst.
"Bitte sag mit, dass du es nicht mit dem Agema getrieben hast, um da raus zu kommen.", brach Emarce das Schweigen.
Spuricoa schnalzte missbilligend mit der Zunge. "Leider nicht. Der gute Fürst klebt viel zu sehr an seinem Moralkodex. Ich habe den Zellenwächter verführt."
Die Fledderin schnaubte.
"Wundervoll. Und wo ist jetzt mein Wundbrandmittel? Du wirst deine aller liebste Lieblingsfreundin doch nicht vergessen haben?"
Die Hehlerin zog ein Näpfchen aus einer Tasche ihre Kleides.
"Du weißt ja, wie du's zu benutzen hast. Fünf Misanom dafür."
Mit einem energischen Schritt war Emarce bei ihr und griff sich die Medizin.
"Vier. Das letzte mal waren es auch vier."
"Na und. Jetzt sind es fünf. Ich weiß doch ganz genau, dass du es nicht für dich kaufst, du altes Lügengör."
Schnaubend zog Emarce eine Hand voll Münzen aus ihrer Tasche und legte fünf davon auf dem Tisch.
"Halsabschneiderin. Man sieht sich."
Mit einem abwesenden Winken verließ sie das unordentliche Haus.
Die Ritterin folgte ihr auf dem Fuße.
"Und jetzt meine Informationen."
Emarce verdrehte die roten Augen.
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