Dämonenschmuggel (8)

Schlachtreifs Schritte waren um einiges langsamer geworden, lange bevor das Ross vor der Schenke ankam. Sie war müde, was bei ihrem Zustand ja auch nicht verwunderlich war.
Feroci war wieder bewustlos, seit er versucht hatte ein Wesen zu erschaffen, um einen Blick auf Emarce zu werfen.
Seine, zugegebenermaßen recht mickrige, Schöpfung war zerbrochen, bevor sie überhaupt fertig geworden war.
Zunächst hatte die Fledderin sich Sorgen gemacht, ihr Zeuge sei vor ihren Augen verreckt, doch glücklicherweise atmete der Kriegsheld noch.

In all ihren Jahren im Krieg, sowohl als Feldheilerin, als auch als Leichenfledderin, hatte sie noch nie einen Dämon getroffen, der so zäh war und sich so schnell von scheinbar tötlichen Wunden erholte.
Ein kleiner, abergläubuscher Teil von ihr fragte sich, ob die Geschichten wahr waren:
Wenn Feroci wirklich der Jäger war, dann konnte er nicht sterben, solange der Herold noch lebte.
Sollte das der Fall sein, musste sie wohl hoffen, dass kein dahergelaufener Soldat gerade irgendwo Auricordian niedermesserte.

Fast hätte Emarce angefangen zu lachen.
Vor ein paar Stunden wären Ferocis und Auricordians Tod noch mit ihren kühnsten Träumen gleichzusetzen gewesen.
Sie hätte jubelnd auf Tischen getanzt und Leute mit Geld beworfen, vor Freude über den kommenden Reichtum.
Und jetzt?
Jetzt schleppte sie einen von ihnen, schwer verwundet, an den Ort, den sie wohl am ehesten als ihr Zuhause bezeichnen würde, um ihn wieder gesund zu pflegen.
Um das Vertrauen der Garde, von allen Leuten, zurück zu gewinnen.
Cator würde durchdrehen.
Der Gedanke entlockte ihr ein leises Kichern.

Als Emarce gegen Abend am "roten Fluss-Buschkraut" ankam, herrschte noch reger Betrieb.
Einige ausgemergelte Bettler lungerten vor der Tür herum und kleine, tratschende Grüppchen verließen in unregelmäßigen Abständen das Gebäude.
Das war schlecht.
Schließlich konnte die Fledderin sich nicht mit einem gestohlenen Ross und einem halb toten Kriegshelden Blicken lassen.
Die Garde würde früher auftauchen, als Emarce "Zehn Misanom, oder ich verkaufe deine Augen" sagen konnte, etwas, das sie sehr schnell zu sagen vermochte.
Vielleicht, wenn man Feroci nicht erkannte, hätte sie eine Chance.
Wenn sie es schaffte ihn zu verkleideten.

Die Fledderin lozte Schlachtreif also in das Fluss-Buschkraut am Rande des Öntros und band Feroci los.
Sie hüllte ihn umständlich in ihr Unterkleid und ihren Pelz, nur um dann festzustellen zu müssen, dass er nun nicht vollkommen anders, sondern wie Ritter Feroci in einem zu kleinen Kleid und Pelz aussah.
Emarce fluchte.
Wieso hatte sie eigentlich gedacht, das würde funktionieren?
Es war ja nicht so, als habe sie eine Maske bei sich.
Ein anderer Plan musste her.

Ihr Blick wanderte an der Spelunke nach oben. In der Schankstube konnte sie die verzerrten Silhouetten feiernder Dämonen durch das gefärbte, unebene Glas erkennen.
Im Fenster eines Gästezimmers brannte ein flackerndes Licht.
Augenblicklich schossen Emarce' Augen nach oben, zu ihrem Zimmer. Kein anderes Fenster waren unter dem, das zu ihrem Waschraum führte, zu sehen.
Sie glaubte sich dunkel zu erinnern, dass Cator ihr das Zimmer aus genau diesem Grund gegeben hatte: wenn die Garde aufkreuzte, konnte sie einfach und unentdeckt durch das Fenster verschwinden.
Ein gemeines Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus. Ja, das könnte funktionieren.

"Schlachtreif, pass auf Feroci auf. Friss dich an dem Fluss-Buschkraut satt, es ist eine Heilpflanze und du kannst jeders Stück Heilung gebrauchen, dass du bekommen kannst."
Sie warf der Stute einen Riemen Fleisch zu.
"Du bekommst mehr, wenn du noch da bist, wenn ich wieder komme."
Die Fledderin legte den Ritter behutsam in das hohe Fluss-Buschkraut und hoffte, dass kein Gast beschloss, die Aussicht auf den Öntros zu genießen und ihn da liegen sah. Das könnte zu Problemen führen.
Kurz zögerte Emarce, dann schnappte sie sich Ferocis Stiefel. Schließlich musste sie jetzt die Böschung erklimmen, und er brauchte sie gerade wohl kaum. Dann zog sie ihren Pelz wieder an.

Von innen war Cators Spelunke gar nicht so voll, wie sie von außen gewirkt hatte.
Die Bedienungen mussten nicht, wie so manches Mal zuvor, laufen, um dem Ansturm an Bestellungen gerecht zu werden. Stattdessen schlenderten sie zwischen den Tischen umher und plauderten mit den Gästen.
Cator und Valdius standen Arm in Arm hinter der Theke und unterhielten sich mit einem Feuerdämonen-Pärchen.
Ein einsamer Schattendämon klimperte im Hintergrund auf seinem Glykoz, einem eleganten Saiteninstrument.

Die Fledderin durchquerte die Schenke mit eiligen Schritten und ließ sich auf einen Hocker am Tresen plumsen.
Nervös flackerten ihre roten Augen zu ihren Freunden hinüber.
Wieso mussten die ausgerechnet jetzt tratschen? Jeden Moment konnte jemand aus dem Fenster schauen, den bewustlosen Körper Ritter Ferocis an der Böschung des Öntros sehen und die Garde holen.
Ungeduldig trommelt sie mit ihren Krallen auf dem massiven Holz des Tresens herum.
Erneut warf sie den Besitzern der Schenke einen flehenden Blick zu.
Wieso bemerkten die sie denn nicht?
Die Fledderin war am verzweifeln.

"Was kann ich für Euch tun?", erklang plötzlich eine Stimme neben Emarce.
Diese wäre vor Schreck fast aus der Haut gefahren.
Ruckartig drehte sie sich um und sah in das hübsche Gesicht eines jungen Barfäuleins.
Sie war eine Untergrunddämonin, vermutlich noch nicht einmal erwachsen. Die Schuppen um ihre Augen sahen noch ganz weich aus.
Auf ihrem Kopf schlangen sich vier geboge Hörner in die Höhe. Ihre großen Lampenaugen, vielleicht pink oder violett, vielleicht auch grünlich, leuchteten Emarce direkt an.
Hinter ihr peitschte ihr schuppiger, mit Stacheln besetzter Schwanz ungeduldig hin und her.

"Nichts.", raunzte Emarce, "Ich muss mit Cator oder Valdius sprechen."
Vorsichtig nickte das Mädchen.
"Seit ihr Euch sicher, dass ich Euch gar nichts bringen kann, während Ihr wartet? Ein Getränk vielleicht?", haakte sie noch einmal nach.
Emarce stöhnte genervt auf.
"Nein. Zieh Leine, aufdringliches Ding."
Die junge Dämonin schluckte schwer.
Tränen sammelten sich in ihren Augen und ließen ihr Licht tanzen. Beschämt schlang sich ihr Schwanz um ihr linkes Bein.
"Natürlich.", flüsterte sie mit Tränen erstickter Stimme und schlurfte von dannen.

Emarce verdrehte die Augen. "Kleine, komm her! Du kannst doch was erledigen.", stöhnte sie.
Als ob sie sich jetzt schlecht fühlte!
Sie hatte etwas wichtiges zu erledigen!
Warum verdammt musste dieses... dieses Kind auch anfangen zu flennen?
Einen Wimpernschlag später war die Bedienung wieder da.
"Wirklich?", fragte sie aufgeregt. Ein breites Grinsen durchzog ihr Gesicht und enthüllte etliche spitze Zähne.

"Ja", gab Emarce genervt zurück, "Mach in den Stallungen eine Box für ein Ross fertig. Eine möglichst weit hinten, wo man es nicht gleich sieht."
"Natürlich.", rief das Mädchen fröhlich.
"Aber wirds bald!", knurrte die Fledderin zurück und schnippste der Untergrunddämonin einen Misanom zu.
Dem Mädchen fiel vor Schreck die Kinlade herumter.
"Oh! Vielen, vielen Dank!", quiekte sie und wuselte mit fröhlich wedelndem Schwarz davon.
"Und halte dicht darüber!", rief Emarce ihr nach.
Das Mädchen nickte enthusiastisch und hätte dabei fast einen anderen Gast mit ihren Hörnern aufgespiest.

"Na, was hast du mitgebracht?", fragte Cator plötzlich hinter ihr.
Emarce fuhr zusammen.
"Müsst ihr euch hier alle so anschleichen?"
Der Walddämon lachte.
"Vielleicht. Aber komm schon, Marci, was hast du schönes dabei? War er wirklich da?"
"Feroci. Ich habe Feroci dabei."
"Wie jetzt, du hast Feroci dabei?"
"Wie ich es sage, ich habe Feroci dabei. Den ganzen Kerl."
"Du hast... aber wieso?"

Emarce schnaubte.
"Er lebt noch. Ich wollte warten, bis er draufgeht, aber die Garde kam angepimmelt, bevor es soweit war. Dieser Agema schon wieder. Der feine Fürst, der mich schon wegen Fledderei und Organhandel drankriegen wollte.
Er ist sich ach so sicher ich hätte den Feroci niedergestochen. Und mir glaubt er nicht.
Der ehlende Ritter muss also überleben und dem Agema sagen, wer ihn wirklich angegriffen hat und dass ich es nicht war.
Also hab ich ihn mitgenommen."

Langsam kratzte sich Cator am Ansatz seiner zweigartigen Hörner.
"Wäre es nicht logischer gewesen ihn der Garde zu überlassen? Die hätten ihn auch gesund gepflegt. So siehst du nur noch schuldiger aus."
Emarce schüttelte den Kopf.
"Cator, beim Mundgeruch der Königin, denk nach.
Die guten Heiler sind alle auf den Feldern oder im Palast.
Alles was die Garde noch hat, sind ein paar talentlose Quacksalber. Wäre es anders, wäre der Blutschwund längst eingedämmt. Bei denen würde mein wertvoller Zeuge schneller verrecken, als du gucken kannst."
Cator seufzte.
"Ja, du hast recht. Der Krieg hat keinen übrig gelassen, dem man einen Zeugen anvertrauen könnte."
Er zögerte kurz.
"Und wo ist Ritter Feroci jetzt? Du kannst ihn ja wohl kaum durch meine Schenke tragen."

Eifrig nickte die Fledderin.
"Er ist draußen, gut versteckt im Fluss-Buschkraut. Ich will ihn in mein Zimmer hohlen, da habe ich meine Ausrüstung, aber dabei brauche ich eure Hilfe."
Cator nickte.
"Das könnte schwierig werden. Sollen Valdi und ich die Gäste ablenken und du schmuggelst ihn vorbei? Tut mir leid, Marci, aber ich bezweifle doch ernsthaft, dass das funktionieren würde."
"Nein.", prustete die Fledderin, "Natürlich nicht. Ihr geht in mein Zimmer und löst den Wassereimer von seinem Seil. Dann lasst ihr das Seil runter, ich binde Feroci daran fest und ihr zieht ihn hoch."

Skeptisch zog der Walddämonen eine dornige Augenbraue nach oben. "Das klingt aber nicht gerade gesund für ihn, Marci. Was, wenn er das nicht überlebt? Nichts für ungut, aber ich möchte nicht wirklich für den Tod eines Kriegshelden verantwortlich sein."
"Xachofmist!", winkte die Fledderin ab, "Ich habe ihn schon auf dem weg hier her an dem Ross festgebunden. Klar überlebt er das!"
"Du hast was?", quiekte der Schankwirt entsetzt, "Und was für ein Ross?"
"Oh, ja, richtig. Ich habe ein Ross geklaut."
"Natürlich hast du das."
"Und, machen wirs?"
Cator zögerte.
"Na gut."

Anfangs lief der Plan wie am Schnürchen.

Emarce zog den, immer noch bewustlosen, Ritter Feroci in den Öntros, bis unter ihr Fenster.
Eiskaltes Wasser zog an ihren Kleidern und reichte ihr fast bis zum Hals, aber sie schaffte es dennoch stehen zu bleiben.
"Oi, Marci, fang!", brüllte Cator von Oben und kurz darauf klatschte das Seil neben ihr ins Wasser.
Sorgfältig knotete die Fledderin es um den Bauch ihres Zeugen.

"Ich habe es!", rief sie nach oben.
"Ist es auch fest? Nicht, dass er abstürzt!", schrie Valdius zurück.
"Sitzt bombensicher", kreischte Emarce zurück.
Ein ruck ging durch das Seil und es spannte sich an.
Die Fledderin wich einige Schritte zurück.
Ein weiterer Ruck und der Kriegsheld Ritter Feroci wurde aus dem Wasser gehoben, sodass er nun, in einer äußerst erniedrigenden Haltung, wie eine Stoffpuppe in der Luft hing.
"He, ist der leicht.", kam es von Valdius, als der Ritter weiter nach oben gezogen wurde. Blutiges Wasser tropfte herab.
Der Verband hatte sich wohl vollgesogen.
Oben würde sie ihn also als erstes wechseln.

"Oh, bei all der Ehre der alten Tage!", fluchte der Veteran plötzlich.
"Was?", schrie Emarce panisch zurück.
Ihr Plan durfte nicht scheitern!
Was wenn Feroci sich den Kopf stieß?
Oder sich beim hineinziehen das Genick brach.
"Er... er steckt fest, Marci! Diese Flügel!", rief Cator nach unten.
"Bei den Titen der Königin, dann versucht ihn zu drehen!", kreischte die Fledderin.

Ein lautes Ratschen erklang von oben.
Emarce schickte ein stoßgebet tu ihren Ahnen, dass es nicht die Flügel waren.
Wenn er die verlor, das wollte sie sich gar nicht ausmalen.
"Was war das denn?", brüllte sie nach oben.
Anspannung füllte ihre Stimme. Fast schon Panik.
"Er ist drin.", antwortete Cator, "Aber seine schicken Kleider kannst du vergessen."
Die Fledderin lachte erleichtert.
"Damit kann ich leben!"

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