Nach Helms Klamm

Kaum ist König Théoden wieder komplett Herr seiner Sinne, jagt er Grima fort aus der Halle und verbannt ihn aus Rohan, dann findet eine kleine Beratung statt, bei der ich aber nicht teilhaben will.
Stattdessen sitze ich draußen vor der Halle im Sonnenschein und pflege meine Waffen. Gerade bin ich fertig mit meinem Bogen, da verdunkelt sich meine Sicht. Ich höre noch wie mein Bogen auf den Steinboden fällt, dann tauche ich in die Vision ein.

Erst stehe ich auf einer Mauer, unter mir ein Heer aus Orks. Das Brüllen hallt in meinen Ohren, doch ich höre einen einzigen Schrei.
"JEDWIGA!"
Als ich mich umdrehe befinde ich mich plötzlich ganz woanders, in einem dunklen Verlies. Ein heller Lichtstrahl fällt in den Raum und eine kalte Stimme sagt:
"Du gehörst hierher und du wirst nie wieder gehen. Vergiss deinen feinen Ehemann."
Ich will lostürzen, da falle ich durch ein Loch im Boden und lande auf braunem Untergrund. Es ist hell und um mich herum ertönen Schreie, das Wiehern von Pferden und das Klirren von Waffen. Ich rappele mich auf und registriere den Gestank nach Orks, Blut und Tod, da spüre ich einen stechenden Schmerz an meinem Bauch. Eine Klinge bohrt sich in mein Fleisch und ich reiße keuchend die Augen auf.
"Nun kannst du zu deinen geliebten Menschen gehen", krächzt eine Stimme an meinem Ohr, dann falle ich auf die Knie und auf den Boden. Der Schmerz in mir wird unerträglich stark und ich will schreien, doch meine Brust ist wie zugeschnürt. Kein Ton dringt über meine Lippen.
Ich bin alleine als meine Sicht schwarz wird und ich in die Realität zurückkomme.

Mit einem erschrockenen Keuchen schrecke ich aus meiner Trance und spüre eine Träne auf meiner Wange. Mein Bogen liegt zu meinen Füßen und meine Hände zittern so sehr, dass ich ihn nicht aufheben kann. Diese Vision war anders und klarer als die anderen, sie wirkte so schrecklich real. So als hätte mein Schicksal sich endlich entschieden was es für mich vorgesehen hat.
Verzweifelt versuche ich meinen Atem zur Ruhe zu bringen bevor mich irgendjemand so findet. Da öffnet sich die Tür der Halle und Legolas kommt heraus.
"Jedwiga?", fragt er, doch ich antworte nicht und atme tief durch.
Da setzt er sich zu mir und zieht mich an sich.
"Alles gut, ich bin da."
Ich schließe meine Augen und halte mich an ihm fest. Es kommen keine Tränen mehr, aber ich spüre wie seine Nähe mich beruhigt. Mit seinem Geruch in der Nase kann ich ganz schnell vergessen wo ich gerade bin und mich wohl fühlen.
"War es eine Vision?", fragt Legolas leise und ich nicke.
"Da waren Orks und eine Schlacht, aber auch ein Verlies. Ich verstehe es nur nicht weil es ganz so aussah als würde das alles auf dieser Reise passieren, aber in dem Verlies sagte eine Stimme ich solle meinen Ehemann vergessen. Wir sind aber noch nicht verheiratet."
Ich erzähle ihm nicht dass ich in meiner Vision gestorben bin. Das war zu real.
"Ein Verlies? Sonst war es doch immer etwas anderes..."
"Ich weiß Legolas."
Doch ich spreche nicht weiter und mein Verlobter streicht mir beruhigend über den Rücken. Schweigend sitzen wir da und schenken uns soviel Nähe wie es gerade möglich ist. Irgendwann hebe ich den Kopf und schaue ihn an.
"Manchmal frage ich mich warum die Welt so falsch läuft", sage ich leise und Legolas streicht mir mit einer Hand über die Wange.
"Weil es immer irgendjemanden gibt der unzufrieden ist und die Dinge anders haben will. Das war schon früher so und ist heute auch so", antwortet er und ich seufze leise.
"Was habt ihr da drin eigentlich besprochen?", erkundige ich mich und sofort wird die Miene von Legolas härter. 
"Wir haben entschieden was wir als nächstes tun."
"Und was ist das?", frage ich nach und erkenne anhand seiner Reaktion dass ihm die Entscheidung missfällt.
"Sie haben nicht vor zu kämpfen und sich am Krieg zu beteiligen, sie wollen Gondor im Stich lassen."
"Gondor?"
"Ja. Osgiliath ist verloren und man bräuchte die Hilfe von Rohan. Doch die weigern sich und wollen sich lieber verstecken. Wir brechen noch heute auf nach Helms Klamm um die Bevölkerung in Sicherheit zu bringen."
Ich nicke nachdenklich und nehme meinen Bogen in die Hand.
"Dann sollten wir schonmal zu den Pferden gehen", meine ich doch Legolas hält mich zurück.
"Nein, noch nicht. Wir haben noch ein wenig Zeit und die möchte ich bei dir verbringen", sagt er und zieht mich enger an sich. Er vergräbt seine Nase in meinen Haaren und atmet meinen Geruch ein. Seine Hände halten mich um die Taille herum fest und ich schließe die Augen. Da berührt er mit seinen Lippen mein Ohr und ich spüre seinen Atem.
"Ich liebe dich", flüstert er und küsst mein Ohr, dann drehe ich den Kopf zu ihm. Seine blauen Augen mustern mich liebevoll und ich muss unwillkürlich lächeln. Dann küsse ich ihn ganz sanft auf den Mund und er erwidert den Kuss sofort. Fast vergesse ich wo wir gerade sind als unser Kuss leidenschaftlicher wird, doch dann besinne ich mich und löse mich schwer atmend von ihm.
"Wir sollten uns zurückhalten."
"Ich will aber nicht", raunt Legolas zurück und erobert meinen Mund erneut. Beinahe verliere ich meine Beherrschung, doch dann hört mein Verlobter auf und streicht mit einer Hand über meine Wange. Wir lehnen unsere Stirnen aneinander und schließen die Augen, da höre ich wie die Tür zur Halle geöffnet wird und Leute herauskommen.
"Legolas, Jedwiga", sagt Aragorn und ich seufze innerlich. 'Nur fünf Minuten länger, bitte.'
Doch wir lösen uns voneinander und Legolas steht auf um mir danach auf die Füße zu helfen. Ich nehme meinen Bogen und nicke König Théoden zu. Ich habe keine Ahnung was er davon hält dass ich dabei bin, doch das ist mir auch ziemlich egal. Soll er damit klarkommen, oder auch nicht, solange er mich in Frieden lässt, ist alles in Ordnung.
"Wir brechen auf, nach Helms Klamm", informiert Théoden uns und wir folgen ihm die Treppe hinab. Aragorn, Gimli und Gandalf sind auch dabei, sowie die Leute des Königs und Eówyn. Doch diese sieht nicht so aus als würde sie mitkämpfen, und sie scheint das auch zu wissen.
"Nehmt nur das nötigste mit an Dingen. Proviant ist das wichtigste", ruft der König seinem Volk zu und Soldaten überbringen die Nachricht jedem Menschen in Edoras. Legolas und ich wechseln einen Blick und gehen dann mit den anderen zu den Ställen um unsere Pferde zu holen.
Es dauert nicht lange um alle reisefertig zu machen, aber die meisten müssen zu Fuß gehen. Das ist ein erhebliches Risiko, denn mit so vielen Menschen auf offenem Land und dann auch noch zu Fuß unterwegs zu sein, ist in diesen Zeiten keine kluge Enscheidung. Doch sie ist bereits getroffen und keiner wagt es irgendetwas dagegen zu sagen.
Schließlich beginnt die Reise aus Edoras heraus und über das hügelige, aber nichtsdestotrotz offene Grasland nach Helms Klamm.

Legolas P.O.V

Wir reiten über die Hügel immer im Schritttempo und halten wachsam Ausschau nach irgendwelchen Feinden. Für die Orks wäre es nun ein leichtes uns anzugreifen und die Zahl der Menschen drastisch zu reduzieren. Vorallem da Saruman sehr wahrscheinlich weiß wo wir hinwollen und uns seine Uruk-Hai auf den Hals hetzt.
Doch die ersten Tage lang geht alles gut und nachts bleibt auch alles ruhig. Allerdings bemerken Gimli und ich dass Eówyn versucht Aragorn näherzukommen, was unserem Freund unangenehm zu sein scheint. Auch wenn er kein Wort darüber verliert weiß ich, dass er Arwen, die Schwester von Jedwiga, vermisst und sie niemals betrügen würde. Aber die junge Menschenfrau hat sich in den Waldläufer verguckt.
"Ich bin gespannt wie sie darauf reagieren wird wenn sie erfährt wie alt Aragorn wirklich ist", meint Gimli während eines Ritts zu mir und ich muss schmunzeln.
"Das dürfte ein ziemlicher Schock für sie sein."
"Oh ja!"
An einem Mittag hat Eówyn etwas gekocht, einen Eintopf aus Fisch, wie es aussieht. Aber es riecht schon nicht besonders vielversprechend. Als sie es mir und Jedwiga anbietet, lehnen wir freundlich ab, und auch Gimli verneint. Aber Aragorn erhält eine Schale und man sieht es ihm an, dass es nicht gut schmeckt. Und bei dem Versuch es wegzuschütten, verbrennt er sich auch noch die Finger weil Eówyn nochmal zurückkommt um mit ihm zu sprechen. In dem Moment tun mir beide ein wenig leid.
Doch eines Nachmittags ist es plötzlich mit der Idylle vorbei als eine berittene Vorhut einen einzelnen Wargreiter entdeckt. Das wolfartige Tier mit der kurzen Schnauze und den kleinen Augen greift mit dem Ork auf seinem Rücken sofort an, wird aber von einem meiner Pfeile gestoppt. Ich töte den Reiter mit meinen Dolchen und erkenne warum sie alleine waren.
"Ein Späher!", warne ich die anderen und renne hoch zu einer Hügelkuppe. Der Zug aus Menschen ist ein viel zu leichtes Ziel.
Schnell werden alle Reiter versammelt um dem Angriff der Warge standzuhalten und Eówyn soll die Menschen nach Helms Klamm bringen. Jedwiga stoppt mit gezogenem Bogen neben mir und wir beide halten Ausschau nach weiteren Wargen. Man kann das Bellen der Untiere bereits hören, sogar als Mensch.
"Warge sind schlimmer als nur Orks, nicht wahr?", fragt meine Verlobte neben mir und ich erinnere mich erneut schmerzhaft dass sie noch nicht oft in Kämpfe verwickelt gewesen ist. Fast bin ich versucht sie mit den Menschen nach Helms Klamm zu schicken, doch dafür würde sie mich nur hassen. Deswegen schlucke ich die Worte herunter und nicke stattdessen.
"Du musst dir vorstellen dass Warge riesige, tötende Wölfe sind, unbarmherzig und bösartig. Aber wir schaffen das."
'Wir müssen das schaffen!' Ansonsten sind die Menschen von Rohan verloren.

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