Genesung

In der weiteren Nacht habe ich keine Albträume mehr, aber andere, verwirrende Träume ohne jeglichen Zusammenhang. Doch keiner ruft wieder diese Erscheinung von Legolas hervor.
Am Morgen wache ich mit Schmerzen in der Schulter und einem dröhnenden Kopf auf. Nur dumpf erinnere ich mich an die Träume, und mit jeder Sekunde verblassen sie mehr und mehr, bis ich nichts mehr von ihnen weiß.
Aber einer meiner Träume hat sich in meine Gedanken eingebrannt, und zwar der mit Legolas mitten in der Nacht. 'Aber das kann nicht wirklich passiert sein.' Meine Gedanken sind langsam und schwer, doch dann öffne ich blinzelnd die Augen.
Es ist hell in dem Raum und ich liege auf einer weichen Unterlage.
Ich drehe den Kopf und erstarre: Legolas sitzt dort, mit dem Kinn auf der Brust und schläft anscheinend tief und fest. Da erst spüre ich seine Hand an meiner und ein Schauer läuft über meinen Rücken.
Für einen Moment vergesse ich die Schmerzen und betrachte den schlafenden Prinzen.
Schlafend wirkt er entspannter und um einige Jahre jünger, was wohl daran liegt, dass im Schlaf alle Sorgen von ihm abfallen und er an nichts negatives mehr denken muss. Unwillkürlich verschränke ich meine Finger mit seinen, doch davon wird er wach. Schnell stelle ich mich schlafend und horche auf seine Bewegungen.
Als ich sicher bin, dass er richtig wach ist, öffne ich langsam die Augen und schaue ihn mit gespielter Verwunderung an.
"Hey", murmele ich mit kratziger Stimme und er lächelt leicht.
"Hey", antwortet er mit einem leisen Zittern in der Stimme und räuspert sich.
"Ich dachte schon, du würdest nicht mehr aufwachen."
Dabei klingt er so, als hätte er richtig Angst um mich gehabt, doch das kann ich mir irgendwie nicht vorstellen. 'Nicht bei ihm.'
"Wie geht es dir?", fragt er mich besorgt und löst dabei unauffällig unsere Hände auseinander. Enttäuschung durchzuckt mich und ich bin überrascht über meine Reaktion.
"Nicht so gut", antworte ich schwach und huste einmal trocken. Sofort springt Legolas auf, verlässt das Zimmer und kommt kurze Zeit später mit einem Glas Wasser und einer Elbin wieder zurück.
"Hallo, ich bin eine Heilerin. Keine Angst, ich werde euch jetzt untersuchen und eure Wunde neu verbinden, nachdem ihr etwas getrunken habt", sagt die Elbin freundlich und hilft mir mich aufzusetzen.
Dabei schießt der Schmerz von meiner Schulter durch meinen ganzen Körper und ich wimmere auf, doch dann beiße ich die Zähne zusammen.
Legolas legt sanft eine Hand an meinen Hinterkopf und setzt mir das Glas an die Lippen, woraufhin ich gierig trinke.
In dem Wasser ist auf jeden Fall noch etwas hinzugemischt, denn nach kurzer Zeit werden die Schmerzen schwächer und sind schließlich ganz verschwunden. Augenblicklich sind meine Gedanken klarer und es geht mir besser. Ich lege mich wieder auf den Rücken.
"Herr Legolas, ihr solltet jetzt für die Dauer der Behandlung besser wieder gehen."
Langsam nickt dieser und verlässt das Zimmer, nicht ohne mir nochmal einen langen Blick zuzuwerfen.
Dann schließt sich die Tür hinter ihm, die Heilerin knöpft geschickt meinen Ärmel auf und löst den Verband.
"Warum ist er so?", murmele ich mehr zu mir selbst, doch die Heilerin hat es gehört.
"Der Prinz hat heute Nacht die ganze Zeit neben euch gesessen und über euch gewacht. Meint ihr etwa, das hätte keinen Grund?"
Ich lächle.
"Nein, das glaube ich nicht."
"Also ich sehe, dass er euch sehr zugetan ist", meint die Elbin fröhlich und reinigt vorsichtig mit einem Lappen meine Wunde. Ich spüre nur ein leichtes Ziehen und versuche es zu ignorieren.
"Wirklich?", frage ich sie erstaunt und gleichzeitig aufgeregt.
Der Gedanke, dass Legolas mich so sehr mögen könnte versetzt mich in eine mir unbekannte Aufregung.
Die Heilerin lächelt mich warm an und nickt.
"Wie er euch ansieht ist wirklich einmalig."
Dann widmet sie sich wieder hochkonzentriert ihrer Arbeit und schmiert sanft eine Salbe auf meine Wunde. Sie verbindet meine Schulter wieder neu, wofür ich mich wieder aufsetzen muss und knöpft mir anschließend den Ärmel wieder zu.
"So, ich bin fertig. Wie geht es euch?"
"Viel Besser."
"Das ist gut. Euer Fieber ist ebenfalls wieder zurückgegangen und ihr habt schon ein bisschen Farbe im Gesicht. Dennoch solltet ihr noch ein paar Tage lang hierbleiben und euch ausruhen."
Sie steht auf und ich nicke. Die paar Tage sind schon nicht so schlimm.
"Ich gehe dann mal wieder. Falls ihr etwas brauchen solltet ruft einfach nach mir."
Mit diesen Worten öffnet sie die Tür und wäre fast in Legolas hineingelaufen, der direkt davor steht. Sie entschuldigt sich sofort doch er winkt ab, dabei schaut er immer wieder zu mir ins Zimmer. Lächelnd verschwindet die Heilerin und lässt uns alleine. Legolas kommt in den Raum, schließt die Tür hinter sich und setzt sich neben mich auf den Stuhl. Aufmerksam mustert er mein Gesicht und ich glaube Erleichterung in seinen Augen aufblitzen zu sehen.
"Du siehst schon viel besser aus", meint er und lächelt sanft. Ich blicke auf meine Hände hinunter und versuche meine Aufregung zu verbergen.
Ohne dass ich es richtig mitbekommen habe sind wir vom Siezen zum Duzen übergegangen, doch weder mich noch ihn stört das.
"Danke."
Ein unangenehmes Schweigen breitet sich aus.
"Hast du mich hierher gebracht?", frage ich ihn, um das Gespräch wieder anzukurbeln und hebe den Kopf.
"Ja, das war ich. Ich hatte dich noch warnen wollen, doch da war es schon zu spät."
Schon wieder bricht das Gespräch ab und wir schweigen uns an.
Da klopft plötzlich jemand an die Tür und Legolas schreckt auf.
"Herein?"
Ein dunkelhaariger Elb streckt den Kopf herein und sagt etwas zu Legolas. Es ist wieder dieser Waldelben-Dialekt. Legolas erwidert etwas und der Elb verschwindet.
"Tut mir leid, aber mein Vater möchte mich sehen. Es ist anscheinend Besuch da..."
Er schaut mich an und in seinem Blick sehe ich Unwillen. 'Er möchte lieber bei mir bleiben!'
Ich nicke.
"Ist schon in Ordnung."
Noch nie habe ich schlimmer gelogen.
"Na dann..."
Legolas erhebt sich, schaut mich entschuldigend an und geht dann langsam auf die Tür zu.
"Gibt es etwas, was ich dir bringen lassen kann?"
Ich überlege kurz.
"Ein paar Bücher vielleicht, wenn das möglich ist."
Er nickt und lächelt.
"Ich werde mein bestes versuchen."
Dann zögert er kurz.
"Wenn ich heute nochmal Zeit habe, könnte ich dich wieder besuchen kommen."
Hoffnungsvoll schaut er mir in die Augen und ich schmunzele.
"Aber natürlich. Ich würde mich freuen."
Da lächelt er und geht zur Tür hinaus. Leise schließt er sie hinter sich und ich bleibe allein zurück.
In mir kämpfen die Gefühle. Einerseits warnt mich mein Unterbewusstsein vor Legolas, aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen mit Männern, andererseits merke ich, dass auch ich Legolas sehr mag. 'Außerdem ist er nicht wie andere Männer und überhaupt sind nicht alle so.'
Nach einer Weile werden mir ein paar Bücher gebracht, mit einer Empfehlung von Legolas, die mir der Diener, der die Bücher gebracht hat, überbringt. Ich bedanke mich, doch ich bin zu müde um noch zu lesen, also lege ich mich ins Bett und schlafe auch beinahe sofort ein.

Später am Tag wache ich wieder auf, mit trockenem Mund und Schmerzen in der Schulter. Mühsam setze ich mich auf, dann fällt mein Blick auf ein hölzernes Tablett, auf dem etwas zu essen und trinken steht und ich greife danach. Ich esse vorsichtig und in kleinen Bissen, dann trinke ich etwas Wasser, in dem sich erneut Schmerzmittel befinden.
Als ich satt bin, nehme ich das erste Buch in die Hand und beginne es zu lesen. Es handelt von einem Krieger aus einem weit entfernten Wald, der auszieht um Abenteuer zu erleben und dabei die Liebe seines Lebens trifft.
Schmunzelnd lese ich das Buch bis zur Hälfte, bis es an der Tür klopft und Legolas lächelnd hereinkommt. Mit einem Grinsen lege ich das Buch zur Seite und er setzt sich wieder auf den Stuhl. Die Verlegenheit von heute Morgen ist verflogen und wir reden so wie immer miteinander.
Dennoch fehlt mir etwas, oder ich möchte etwas, weiß aber nicht was es ist.

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