Gandalfs Opfer
Jedwiga P.O.V.
Immer weiter rennen wir, bis wir irgendwann vor der Brücke stehen. Einer nach dem anderen läuft über den schmalen Steinbogen auf die andere Seite, unter sich einen gähnenden, schwarzen, bodenlosen Abgrund. Ich komme nicht umhin, mich zu fragen was sich dort unten befindet als ich hinüber laufe.
Gandalf ist der letzte der geht, als hinter ihm plötzlich ein riesiges, flammendes Wesen auftaucht. Das Brüllen ertönt wieder und wir sehen den Balrog. Riesige Hörner, nach vorne gebogen und ein feuriger Schwanz an einem Körper, der aus Lava zu bestehen scheint. Flammen züngeln von jedem Zentimeter des Dämons auf und seine Augen glühen wie heiße Kohlen. Aus seinen großen Nasenlöchern kommen Flammen und als der Balrog das Maul öffnet ist es, als sähe man in einen heißen Ofen. Glut, Ruß und Funken wirbeln durch die Luft und die Flügel des Dämons treiben heißen Wind auf uns zu.
Über Balrogs habe ich schon gelesen und jedes Mal lief mir ein Schauer über den Rücken. Ich wollte niemals so einem Dämon begegnen, und nun stehe ich hier, hinter mir meine Gefährten und vor mir steht dieses brennende Ungetüm. Unwillkürlich weiche ich vor der Hitze zurück, als würde der Balrog mich jederzeit angreifen. Doch seine Aufmerksamkeit liegt auf dem grauen Zauberer. Gandalf geht wieder auf die Brücke zurück und reagiert nicht auf das Schreien von Frodo.
"Du kannst nicht vorbei!", ruft Gandalf und bleibt auf der Mitte der Brücke stehen.
"Gandalf!", rufe ich und der Balrog richtet sich auf. Flammen brechen aus ihm hervor und man sieht seine Konturen für einen Moment deutlicher, dann ist es auch schon wieder vorbei. Der Zauberer wirkt so klein und zerbrechlich im Angesicht eines solchen Ungeheuers.
"Ich bin ein Diener des geheimen Feuers, Gebieter über die Flamme von Arnor", sagt Gandalf laut und hebt seinen Stab, während der Balrog ausholt und ein riesiges, feuriges Schwert in seiner Pranke wächst. Angst um meinen Freund packt mich, und auch die anderen beobachten das Geschehen mit Schrecken.
"Das dunkle Feuer wird dir nichts nützen, Flamme von Udrhun!", ruft der Zauberer und um ihn herum erscheint eine helle Lichtkugel, als das Schwert darauftrifft. Ein heller Lichtblitz ist zu sehen und ein Krachen, gemischt mit einem Schrei von Gandalf, ist zu hören. Ich will schon losstürmen, doch Aragorn hält mich zurück.
Der Balrog brüllt angesichts seines Misserfolgs.
"Zurück zu den Schatten", droht Gandalf, da setzt der Dämon seinen mächtigen Fuß auf die Brücke. In seiner Pranke taucht nun eine lange Peitsche aus Flammen auf und er schwingt sie. Mit einem Donnerschlag und einem Blitz versucht er den Zauberer einzuschüchtern, doch dieser hebt Stab und Schwert.
"DU KANNST HIER NICHT VORBEI!", brüllt er gebieterisch und rammt den Stab vor sich auf die Brücke, dass es kracht und Licht blitzt auf. Doch der Balrog zuckt nur kurz zurück und schnaubt. Dann geht er weiter auf die Brücke und will gerade mit der Peitsche ausholen, als der Stein unter ihm nachgibt und er brüllend nach unten stürzt. Der brennende Dämon verschwindet in der Tiefe und Gandalf dreht sich schwer atmend zu uns um. Erleichtert atme ich durch, da schnellt plötzlich das Ende der Flammenpeitsche nach oben, wickelt sich um Gandalfs Knöchel und reißt ihn von den Füßen. Er verliert seinen Stab und sein Schwert, kann sich aber gerade noch an der Brücke festhalten. Frodo und ich stürzen los, doch der Hobbit wird von Boromir aufgehalten.
"Nein, nein!"
"Gandalf!"
Der Schrei des Hobbits hallt in der Schlucht und ich werde von Legolas zurückgerissen.
"Nicht!"
"Nein, ich lasse das nicht zu! Nicht schon wieder!", rufe ich, doch Legolas hält mich fest an sich gepresst. Gandalf versucht sich noch hochzuziehen, doch kurz darauf hört er auf.
"Ich kann ihm helfen!", meine ich verweifelt und Tränen laufen mein Gesicht hinab.
Der Zauberer schaut zu uns.
"Flieht, ihr Narren."
Dann lässt er los.
"NEIN!"
Frodo wehrt sich gegen die Arme von Boromir und dieser nimmt ihn auf den Arm. Der Zauberer ist tot.
Ich schreie vor Schmerz und kralle mich an Legolas fest, der mich an sich drückt.
"Gandalf!", wimmere ich und mein Verlobter zieht mich mit sich.
"Wir müssen weg hier", sagt er sanft und ich folge ihm, als Pfeile auf uns zu fliegen.
"Aragorn!", ruft Boromir und wir rennen die Gänge entlang.
Ich bekomme gar nicht mit wo es langgeht, ich lasse mich von Legolas führen. All meine Sinne sind stumpf, nichts ist wichtig. 'Gandalf... warum?'
Ich registriere es nur als wir plötzlich an Tageslicht kommen und auf ein Steinfeld laufen. Sofort lassen sich alle zu Boden fallen, Weinen ist um mich herum zu hören und Schreie. Keiner hat das gewollt.
Ich spüre die Tränen auf meinen Wangen und den Schmerz in meiner Seele. Gandalf war ein Freund von mir, einer der mich verstanden hat wenn mein Vater es nicht tat. Derjenige der mich auf den Weg des Lebens zurückbrachte als ich alle Hoffnung verloren hatte. Er gehörte für mich schon fast zur Familie. Und jetzt ist er tot.
Legolas scheint es selbst kaum zu begreifen und starrt mit gerunzelter Stirn auf den Boden. Schmutz klebt auf seinen Wangen und an seiner Kleidung, so wie an uns allen. Plötzlich schaut er mich an und ich erkenne die Sorge in seinem Blick, dann kommt er auf mich zu. Fest nimmt er mich in den Arm und ich vergrabe mein Gesicht an seiner Schulter, lasse all die Tränen fließen. Meine Hände vergraben sich in seinem Wams und ich schluchze erstickt.
Um mich herum sind die anderen, doch ich ignoriere sie, momentan sind nur Legolas, ich und unsere Trauer wichtig. Erst als Aragorn zu uns kommt, registriere ich meine Umgebung wieder.
"Wir müssen weiter Legolas."
"Ich weiß Aragorn, aber Jedwiga..."
"Es ist für uns alle schwer, aber bald kommen die Orks hervor."
Legolas nickt.
"Jedwiga, komm, wir müssen weg hier."
Ich lasse ihn los und er legt mir seine Hand auf die Schulter.
Auch die anderen rappeln sich wieder auf und langsam gehen wir weiter. Frodo war schon auf dem Weg weg von uns, doch nun kommt er zurück. Tränen glänzen auf seinen Wangen. 'Auch ihm tut der Tod von Gandalf weh. Vielleicht aber anders als mir.'
Wir gehen weiter, erst von dem Berg herunter und immer weiter nach Osten. Meine Orientierung sagt mir, dass wir kurz vor Lothlórien sind, doch das hat für mich kaum eine Bedeutung. Meine Tränen sind versiegt, aber die Trauer ist noch sehr nah.
Legolas bleibt die ganze Zeit bei mir, aber wir haben keine Möglichkeit um zu sprechen.
Da laufen wir über eine Wiese und ich schaue auf. Die Wälder von Lothlórien.
Die Schönheit dieses Waldes berührt mich trotz meiner Trauer und das Gefühl wieder unter Bäumen zu sein lindert den Schmerz. Unwillkürlich werde ich schneller und gehe dann mit den anderen den Weg entlang. Der Geruch des Laubes, das Geräusch des Windes in den Blättern und die Idylle ist wie Balsam für die Seele.
"Willkommen, Jedwiga, Elronds Tochter und Trägerin eines schweren Schicksals", klingt mir da die sanfte Stimme von Frau Galadriel in meinem Kopf und ich spüre eine eigentümliche Wärme.
Wir gehen weiter und ich meine zu erkennen dass auch die anderen die Stimme der Elbe im Kopf haben. Alle außer Gimli.
"Nehmt euch in Acht junge Hobbits. Man sagt in diesem Wald hause eine Zauberin. Eine Elbenhexe von großer Macht. Niemand wurde jemals wiedergesehen der einmal in ihren Bann geriet", warnt er die Hobbits gerade, während er seine Axt fester packt.
"Aber mich wird sie nicht verzaubern. Ich habe Augen wie ein Adler und Ohren wie ein Fuchs", prahlt er, als plötzlich ein Elb mit gespannten Bogen vor ihm steht und ihm fast mit dem Pfeil in die Nase sticht.
Auch wir anderen sind umzingelt und Legolas, der gerade den Bogen spannen will, blickt drei Pfeilspitzen entgegen.
"Der Zwerg atmet so laut, wir hätten ihn im Dunkeln erschießen können", meint ein Elb mit hellbraunen Haaren und tritt vor. Anhand seiner Rüstung kann ich erkennen dass er der Anführer ist.
Später stehen wir auf Plattformen oben in den Bäumen, es ist Nacht und die Wachen passen auf dass wir nicht fliehen.
"Willkommen Legolas Thrandilion", begrüßt Haldir meinen Verlobten auf Sindarin.
"Meine Gefährten und ich stehen in eurer Schuld, Haldir von Lorien", antwortet dieser und Haldir wendet sich dann zu mir.
"Auch du bist willkommen, Jedwiga, Tochter von Elrond."
Ich nicke.
"Ich danke euch."
"Ah, Aragorn von den Dunedain. Du bist uns bekannt."
"Haldir", erwidert dieser und Gimli schnaubt.
"Soviel zur hochgelobten Höflichkeit der Elben, sprich Worte die wir alle verstehen!"
"Wir haben nichts mehr mit Zwergen zu tun seit den dunklen Tagen", antwortet Haldir und Gimli beleidigt ihn daraufhin.
Da fällt Haldirs Blick auf Frodo.
"Ihr bringt Böses zu uns. Ihr dürft nicht weitergehen."
Da diskutiert Aragorn leise mit ihm und wir anderen lassen uns nieder.
Ich sitze neben Legolas und er hat einen Arm um mich gelegt, während ich Haldir und Aragorn beobachte. Aragorn gestikuliert, deutet auf Frodo und legt bittend die Hände zusammen. Doch Haldir schaut zu Frodo und schüttelt den Kopf. 'Er will uns wegen des Rings nicht weitergehen lassen.'
"Wie geht es dir?", fragt Legolas mich da leise und ich drehe den Kopf zu ihm. Seine eisblauen Augen mustern mich besorgt und ich erkenne dass wir schon lange nicht mehr so eng beieinander saßen. Seine Nähe tut gut.
"Den Umständen entsprechend. Und dir?"
"Genau wie dir. Ich wollte nur wissen ob du vielleicht... wieder so wirst wie früher... bevor wir zusammen waren."
Er schluckt und ich lege ihm beruhigend eine Hand auf den Arm.
"Keine Sorge."
Da tritt Haldir auf uns zu.
"Ihr werdet mir folgen."
Legolas und ich wechseln einen Blick, dann hilft er mir auf und wir gehen hinter dem Elb her durch den Wald.
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