Eine unerwartete Entschuldigung

Auf dem Weg zum Palast erzählt Legolas mir, wie er als kleiner Elbling Bogenschießen gelernt hat und bringt mich dadurch manchmal zum lachen.
Zwar ist es kein echtes Lachen, denn das hat bisher nur Arwen geschafft, aber es ist ein Anfang. Ich erinnere mich noch, wie lange ich gebraucht habe, um nach dem Verlust meiner Familie das erste Mal wieder zu lachen. Doch Legolas hat eine Art, die mich fast schon meinen Schmerz vergessen lässt. Jedoch nur fast.
Nach einer Weile kommen wir wieder zu den Toren und er bringt mich hinein.
"Könntet ihr mir noch kurz sagen wo die Küche von hier aus ist? Ich möchte etwas essen."
"Natürlich. Ich kann euch auch hinbringen, wenn euch das recht ist."
Ich überlege kurz.
"Ja, einverstanden."
Der Prinz lächelt kurz, dann weist er mit einer Hand auf einen Weg.
"Hier entlang."
"Danke sehr."
Mit einem scheuen Lächeln schlage ich den Weg ein und er geht neben mir her.
"Wie alt seid ihr eigentlich?", frage ich urplötzlich und Legolas zuckt überrascht zusammen.
"Ihr müsst nicht antworten wenn ihr nicht wollt", beeile ich mich hinzuzufügen.
"Das ist schon in Ordnung, das macht mir nichts aus. Nur weiß ich nicht mehr genau wie alt ich bin. Ein-, zweitausend Jahre?"
Ich schlucke.
"Und ihr?", fragt er und schaut mich aufmerksam und neugierig an.
"220 Jahre", murmele ich kleinlaut, aber Legolas lacht nicht. Er bleibt stehen und starrt mich fassungslos an.
"Ich weiß, das ist extrem jung für eine Elbe und so, aber-"
Doch er schneidet mir das Wort ab.
"Ihr seid erst 220 Jahre alt und habt bereits solch schreckliche Dinge erlebt?", fragt er mich und ich höre seinen Mitleid und auch eine Art Schmerz aus seiner Stimme heraus.
Plötzlich sind seine Augen groß und kein bisschen eisig. Ich kann meinen Blick nicht von ihnen abwenden, ich versinke in ihnen. 'Halt! Reiß dich zusammen!' Schnell setze ich einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck auf, doch Legolas schaut mich weiter so an.
Dann scheint er dies zu bemerken und senkt den Blick. Aber er sagt nichts, obwohl ich ihm ansehen kann, dass er viel auf dem Herzen hat. Ich schaue schweigend auf einen Punkt hinter ihm, in der Hoffnung, dass er das Thema einfach fallen lassen wird.
Doch das tut er nicht.
Seine Hand berührt mich sanft am Arm und ich zucke zusammen. Er tut nichts weiter, nur diese Berührung, aber darin steckt mehr als er jemals hätte sagen können, damit sagt er mir, dass er da für mich ist. Ich lächle traurig und Legolas nimmt seine Hand weg. Ohne noch etwas zu sagen setzen wir unseren Weg fort und kommen auch bald an der Küche an.
"Fragt einfach nach Feala, sie hat eigentlich immer Zeit um etwas zu essen zu machen. Vor allem für die jüngeren Elben, wenn welche da sind."
"Danke."
Legolas senkt den Kopf und geht seinen Verpflichtungen nach, während ich die Küche betrete. Sie ist groß und hell, ein grauer, glatter Steinboden gibt festen Halt und die Armaturen, Schränke und Wände sind aus Holz. Es gibt eine große Feuerstelle, sowie einen Tisch, an dem man sitzen kann.
Neugierig schaue ich mich um und bleibe in der Tür stehen. Zwei Elbinnen arbeiten ruhig und konzentriert an den Armaturen, aber keine von ihnen hebt den Kopf als ich eintrete.
"Hallo. Ich suche Feala, ist sie zufällig hier?", frage ich schüchtern und eine der Elbinnen hebt den Kopf.
Ihre braunen Augen leuchten freundlich und sie streicht sich ihre ebenfalls braunen Haare zurück.
"Ich bin Feala. Was kann ich für euch tun?"
"Ich würde gerne etwas zu essen haben, und man sagte mir, dass ihr vielleicht Zeit hättet."
Sie nickt und lächelt mich an.
"Aber natürlich. Wartet kurz, dann mache ich euch etwas fertig."
Sie verschwindet durch eine Tür in einen anderen Raum und kommt kurze Zeit später mit Brot, Butter, Käse und Marmelade zurück. Sie stellt alles auf den Tisch, legt Besteck und einen Teller hin und schneidet das Brot in Scheiben.
"Setzt euch ruhig."
Es fühlt sich befremdlich für mich an, in einer Küche zu sitzen und zu speisen während andere Leute um mich herum arbeiten. Doch Feala stört das nicht, sie fährt mit ihrer Arbeit fort und treibt mit mir freundliche aber zurückhaltende Konversation. Wir unterhalten uns über alltägliche Dinge und Ereignisse, dabei erzählt mir viele Anekdoten, die sich irgendwann einmal hier im Palast zugetragen haben.
Nach einer Weile bin ich satt, bleibe aber noch bei Feala in der Küche. Ihre Gesellschaft ist angenehm und ich scheine sie nicht zu stören. Generell wirkt sie wie jemand, der sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen lässt und dennoch freundlich bleibt. Doch schließlich kommt ein Diener in die Küche und spricht mich an.
"Herrin Jedwiga, König Thranduil möchte euch sprechen."
Sofort wird mein Mund trocken und es läuft mir eiskalt den Rücken herunter.
"Richtet ihm aus, dass ich in einer halben Stunde bei ihm sein werde", bringe ich heraus und der Diener verneigt sich, dann geht er schnellen Schrittes von dannen. 'Eine halbe Stunde Galgenfrist bevor ich mich vor dem König behaupten muss.' Mein Verhalten von gestern Abend ist mir bewusst, auch wenn ich es nicht bereue. Je eher sie wissen wie ich bin, desto besser. Aber trotzdem habe ich ein wenig Angst vor der Reaktion Thranduils. Auf mich wirkt er hinter der kalten, harten Fassade wie ein brodelnder Vulkan, der jederzeit mit einer Explosion ausbrechen kann.
"Ich muss gehen. Die Pflicht ruft."
Ich verabschiede mich bei Feala und gehe dann zu meinem Zimmer, welches ich zu meiner Überraschung auch beinahe sofort finde. Nach einer kurzen Wäsche und nachdem ich mir ein frisches Kleid angezogen habe, gehe ich mit vor Aufregung wild klopfendem Herzen in Richtung Thron. Meine Hände werden mit jedem Schritt feucht und ich beiße mir nervös auf die Unterlippe. Der Weg ist viel zu schnell zu Ende und ich stehe am Fuße der Treppe zum Thron. Mit einem tiefen Atemzug laufe ich leichtfüßig die Treppe hoch und komme auf die Plattform vor dem Thron. Doch darauf sitzt niemand. Stattdessen steht Thranduil mit dem Rücken zu mir und schaut auf den Palast unter sich hinunter. Ich will gerade etwas sagen, um mich bemerkbar zu machen, als er seine Stimme erhebt.
"Ich weiß bereits, dass du da bist."
Er dreht leicht den Kopf zu mir, während ich ihn verwundert von hinten mustere.
"Ihr wolltet mich sprechen?", frage ich. Da dreht Thranduil sich zu mir um und schaut mich mit seinen eisblauen Augen prüfend an. Ich schaue zurück und so stehen wir eine Weile lang schweigend da.
"Das ist richtig. Ich wollte mit dir über gestern Abend sprechen", beginnt er schließlich und beobachtet mich aufmerksam. Ich schlucke.
"Und zwar möchte ich dich um Verzeihung bitten."
Unwillkürlich reiße ich die Augen auf. 'Wie bitte? König Thranduil bittet mich um Verzeihung?'
"Meine Frage war..."
Er neigt den Kopf zur Seite.
"... unangebracht. Dein Vater hatte mir davon geschrieben, aber ich habe nicht gewusst wie schlimm es ist."
Ich nicke unbeholfen.
"Ich nehme eure Entschuldigung an."
"Gut. Ich hoffe doch, dass wir dich dennoch in Zukunft beim Abendmahl erwarten dürfen, mein Sohn Legolas und ich?"
Er hebt eine Augenbraue.
"Natürlich."
Mehr bringe ich nicht zustande, ich bin zu geschockt um noch etwas zu sagen. König Thranduil scheint das zu bemerken und seine Mundwinkel heben sich für eine Millisekunde, doch dann ist er wieder ernst.
"Du kannst nun wieder gehen, wenn du möchtest."
Ich nicke nur, verneige mich kurz und laufe dann die Treppen hinunter. Vollkommen durch den Wind mache ich mich auf, zurück zu meinem Zimmer zum Nachdenken. Mal wieder.

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