Ein heißer Tag
Schwitzend schrubbe ich mit dem Schwamm über den Holzboden, doch die schwarzen Brandflecken gehen nicht weg.
'Verdammt', denke ich. Seufzend kniee ich mich hin und wische mir mit der nassen Hand über die Stirn. Es ist heiß, selbst hier im Haus. Die Luft ist schwül und dick, ein leichter Geruch nach Regen weht zusammen mit einer kühlen Brise zum weit geöffneten Fenster herein und kühlt meine Stirn. Ich wische noch einmal über den Boden. Es ist zwecklos.
"Bahel, komm bitte mal her!", rufe ich in den nächsten Raum hinüber und ein kleiner Junge von fünf Jahren kommt mit schuldbewusstem Gesicht auf nackten Füßen hereingetapst. Seine kurzen Haare sind blond und seine grünen Augen schauen mich vorsichtig aus seinem runden Gesichtchen heraus an.
"Was ist denn?", fragt er kleinlaut und wagt nicht mir ins Gesicht zu schauen. Ich winke ihn zu mir und nehme seine kleine Hand in meine.
"Alles gut, ich bin nicht sauer auf dich", beruhige ich ihn mit sanfter Stimme. Er schaut auf.
"Aber es geht nicht mehr ab, oder?", fragt er mit weinerlicher Stimme und eine Träne bildet sich in seinem Augenwinkel. Ich schüttele sanft den Kopf.
"Leider nicht."
Da schluchzt er auf.
"Mama wird mich ausschimpfen!"
"Ja das wird sie", erwidere ich ruhig. Ich frage mich allerdings immernoch was er gemacht hat, dass die Brandflecken überhaupt in den Boden gekommen sind.
"Aber wenn du ihr sagst, dass du es nicht absichtlich getan hast und es dir ganz doll leid tut, dann wird sie nicht lange böse sein. Außerdem gehört das zum Leben dazu."
Bahel nickt traurig. Ich lege meine Hand auf seine Schulter und nehme ihn in den Arm. Dann werfe ich den Schwamm in den Wassereimer und stehe auf.
"Komm", sage ich zu Bahel. "du kannst mir helfen Unkraut zu pflücken, nachdem wir das Wasser den Pferden gegeben haben."
Damit nehme ich den Eimer mit einer Hand hoch und gehe zur Tür hinaus auf den Hof. Er ist groß, der Boden ist glattgetreten und braun, zur linken liegt ein Gatter mit Ziegen direkt am Fenster zur Küche und gegenüber dem Wohnhaus ist die große Scheune, wo das Heu gelagert wird und die Pferde im Winter untergebracht sind. Auf der rechten Seite ist ein kleiner Geräteschuppen und der kleine sichtbare Teil der Pferdekoppel. Bahel rennt an mir vorbei zum Gatter und wartet bis ich bei ihm bin, bevor er es öffnet und mich hindurchlässt. Er folgt mir und schließt es hinter uns sofort wieder. Dann läuft er laut lachend über die weite Wiese auf die grasenden Pferde zu. Sie heben neugierig den Kopf und ein paar kommen auf uns zu getrottet. Doch als der Geruch des Wassers zu ihnen dringt, stürmen sie auf die Tränke zu. In der heißen Jahreszeit werden sie seltener getränkt um Wasser zu sparen. Ich stelle den Eimer auf die Kante der Tränke und lasse das Wasser hineinlaufen. Dabei beobachte ich mit zum Schutz vor der Sonne zusammen gekniffenen Augen die Umgebung. Östlich des Hofes erheben sich schon bald die bläulich schimmernden Gipfel des Nebelgebirges, doch im Norden und Westen erstrecken sich die wenigen Felder mit Getreide, Karotten, Kartoffeln und anderen Pflanzen. Es ist ein heller, sonniger Tag ohne eine Wolke am westlichen Himmel, doch im Osten von den Bergen her schieben sich dunkle, drohende Wolken heran.
"Es wird regnen, und zwar heute noch", meine ich und drehe mich herum. Doch Bahel ist nicht da. Die Pferde haben mittlerweile das ganze Wasser ausgetrunken und stupsen mich mit der Frage nach mehr an.
"Nein, ich hab nichts mehr für euch", meine ich entschuldigend, stelle den Eimer neben die Tränke und streichele die weiche Schnauze der braunen Stute direkt vor mir. Sie heißt Saja und gehört Derian, Bahels Vater. Suchend lasse ich meinen Blick über die Koppel schweifen, ein Teil liegt hinter einem Hügel verborgen, nur die Wipfel der drei Bäume sind gerade noch zu sehen. Ich lasse die Pferde allein und laufe auf den Hügel zu. Ein Wind aus Osten kommt auf, bläst mir direkt ins Gesicht und meine langen braunen Haare fliegen hinter mir her.
"Bahel!", rufe ich und erklimme den Hügel. Längst klebt mir mein grobes Leinenkleid am Rücken vor Hitze und ich habe die Ärmel bereits bis über die Ellenbogen hochgekrempelt. Auf dem höchsten Punkt des Hügels bleibe ich stehen. Von hier aus kann man auf über das Wohnhaus hinwegsehen, bis zu den ersten Anfängen eines Waldes im Süden. Doch mein Blick huscht zu den drei Bäumen, unter denen ich eine rasche Bewegung erkenne.
"Bahel!", rufe ich wieder und gehe den Hügel auf der ostwärts gewandten Seite herunter. Ein Lachen ertönt und ich sehe den kleinen Jungen vergnügt unter den Bäumen den Schatten der Blätter hinterher jagen. Lächelnd bleibe ich stehen und schaue ihm eine Weile lang zu. Unbeschwert und fröhlich hüpft er herum, rennt von hier nach dort, und wenn er mal hinfällt, steht er sofort wieder auf und läuft weiter, ohne eine einzige Träne zu vergießen.
"Bahel", sage ich schließlich, gehe auf ihn zu und strecke ihm meine Hand hin.
"Komm mit, Mutter und Vater kommen bald wieder und wir müssen noch Unkraut pflücken."
Eifrig ergreift der Kleine meine Hand und gemeinsam gehen wir über den Hügel an den Pferden vorbei und zum Gatter. Ich öffne es, Bahel schlüpft hindurch und rennt aufgeregt vor zum Kräuterbeet.
"Komm!", ruft er mir mit seiner Kinderstimme zu und ich grinse in mich hinein. Schnell schließe ich das Gatter und eile ihm hinterher um das Ziegengehege herum auf die andere Seite des Hauses, wo der Kräutergarten von Bahels Mutter Angathel liegt. Die Eltern von Bahel sind Menschen so wie er, doch es sind nicht meine Eltern. Trotzdem nenne ich sie Mutter und Vater, denn sie sind das einzige was ich kenne. Ich kniee mich hin und beginne die Reihen der Kräuterpfkanzen vom Unkraut zu befreien. Belustigt schaue ich Bahel dabei zu, wie er mit großer Anstrengung eine besonders dicke Unkrautwurzel versucht aus dem trockenen Boden zu ziehen. Sein kleines Gesicht läuft dabei rot an und er pustet die Backen auf.
Mir fällt der Tag ein, an dem Angathel und Derian mir mitgeteilt haben, dass sie nicht meine Eltern sind. Es war drei Tage nach Bahels Geburt gewesen, damals war ich fünfzehn, und ich hatte mich gewundert warum der kleine Bahel andere Ohren hatte als ich. Meine sind spitz, doch die von Bahel sind es nicht.
"Jedwiga", hatte Derian mit ernster Stimme angefangen. "Wir beide müssen dir etwas wichtiges sagen."
Er hatte sich geräuspert und dann seine Frau angeschaut, die ihm aufmunternd zunickte.
"Wir sind nicht deine wahren Eltern."
Der Schock war groß für mich gewesen, auch wenn ich immer tief in meinem Inneren gewusst hatte, dass ich anders war, dass ich nicht passte.
"Und du bist auch kein Mensch", hatte Angathel leise hinzugefügt. "Du bist eine Elbe."
Weder weiß ich seitdem wer meine Eltern sind, noch warum man mich weggegeben hat.
Ruckartig werde ich aus meinen Gedanken gerissen, als Bahel mit einem lauten:
"Uffff!"
Die Pflanze loslässt und auf dem Hinterteil landet. Mit einem leisen Lachen helfe ich ihm hoch und zeige ihm, wie er es richtig macht. Dann fahren wir mit der Arbeit fort, bis es langsam Zeit wird, dass ich Abendessen mache.
"So, wir sind fertig hier für heute", beschließe ich, erhebe mich, klopfe meine schmutzigen Hände ein wenig ab und werfe die Unkrautpflanzen auf den Kompost in einer Ecke des Gartens.
"Jetzt machen wir was zu Essen für Mutter und Vater."
Mit einem Jubelschrei springt Bahel auf und stürmt durch die Hintertür ins Haus. Lachend folge ich ihm und ziehe die Tür hinter mir zu.
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