Drohung
Jedwiga P.O.V.
Kaum ist Legolas weg, schaut mein Vater mich eindringlich an.
"Und jetzt sagst du mir was passiert ist."
Sein Blick lässt keinen Widerspruch zu und ich hole tief Luft.
"Nach dem Rat, da haben Legolas und ich uns... gestritten. Er will nicht, dass ich mit auf diese Reise komme..."
Meine Stimme verliert sich und ich spüre, wie mir wieder die Tränen kommen. Das was Legolas zu mir gesagt hat, tut mir mehr weh als die Pfeilwunde vor zehn Jahren. Doch ich reiße mich zusammen und richte mich auf.
"Ich werde mit ihm reden", meint Elrond und will aufstehen, doch ich halte ihn zurück.
"Nein, Ada. Da ist noch mehr."
"Noch mehr?", fragt er überrascht nach und ich nicke.
"Ja. Auf dem Weg zu meinem Gemach, da bin ich Orlindas begegnet. Er hat... mich bedroht. Irgendwie. E-er hat mich am Arm gepackt und mir furchtbare Dinge ins Ohr geflüstert."
"Was für Dinge?", hakt mein Vater nach und spannt sich an, doch ich schüttele den Kopf.
"Das willst du nicht wissen, Ada."
Elronds Blick verdüstert sich und er sieht aus, als könnte er jeden Moment jemanden umbringen.
"Hat er dich verletzt?", fragt er mit bedrohlich ruhiger Stimme und ich nicke. Vorsichtig hebe ich den rechten Arm und schiebe den Ärmel zurück.
Er ist an einer Stelle zerrissen und darunter habe ich zwei tiefe Kratzer meinen kompletten Unterarm entlang, sowie einige, sich bereits bildende, blaue Flecken dort wo seine Finger lagen. Die Kratzer brennen stark und bei Berührung tut es weh.
"Es ist passiert als ich mich von ihm losgerissen habe."
Elronds Augen weiten sich vor Schreck, dann verzieht sich sein Gesicht zu einer wütenden Grimasse und ich zucke zurück.
"Das wird er büßen", zischt er drohend und erhebt sich.
"Du gehst in dein Zimmer und wartest dort auf mich", sagt er noch, dann rauscht er auch schon auf die Türen zu, stößt sie auf, sodass sie gegen die Wand krachen und die Elben auf dem Gang erschrocken zurückweichen, und verschwindet aus dem Saal.
Ich bleibe einen Moment noch geschockt sitzen, denn so habe ich meinen Vater noch nie erlebt. Klar war er mal ungehalten oder kühl wegen der Männer, die nach Bruchtal kamen und mich und Arwen umwarben, aber er ist noch nie so wütend geworden. Bis heute.
Langsam stehe ich auf und verstecke meinen schmerzenden Arm wieder im Ärmel, dann gehe ich aus dem Speisesaal hinaus. Ich bemühe mich, möglichst gefasst auszusehen während ich die Gänge von Bruchtal entlanglaufe. Doch kurz bevor ich an meinem Zimmer ankomme, sehe ich Legolas mit Arwen reden. Als er mich bemerkt schaut er mich an und will schon zu mir gehen, aber meine Schwester hält ihn zurück. Ich verschwinde in meinem Zimmer und schließe die Tür hinter mir.
Eine Zeit lang sitze ich alleine auf meinem Bett, in Gedanken bei Legolas. Seine Worte haben mich verletzt und ich bin wütend und traurig zugleich. 'Aber ich liebe ihn doch, oder etwa nicht?' Mein Herz gibt mir eine eindeutige Antwort.
Dann gehe ich ins Bad um meinen Arm zu waschen, damit alles von Orlindas ab ist.
Als ich fertig bin klopft es an der Tür und Arwen kommt herein.
"Für einen Moment dachte ich du seist Legolas."
"Wäre dir das lieber?", fragt sie.
"Nein, eigentlich nicht", gebe ich zurück und sie kommt auf mich zu.
"Was war das denn nun, weswegen du so spät kamst?"
Erst zögere ich, doch schließlich erzähle ich es Arwen. Sie wird es ohnehin erfahren.
Während ich spreche, hört sie mir aufmerksam zu und Entsetzen spiegelt sich in ihrem Gesicht. Als ich ihr auch noch meinen verletzten Arm zeige, nimmt sie mich fest in den Arm, aber sie ist deutlich angespannt.
"Komm, ich sehe mal nach den Wunden. Wer weiß wann dieser Mistkerl sich das letzte Mal die Hände gewaschen hat", meint sie energisch und holt etwas aus dem Bad. Dann wuselt sie um mich herum und reinigt die Wunden nochmal gründlich mit einer Substanz, die so stark brennt dass es mir die Tränen in die Augen treibt. Sie legt einen lockeren weißen Verband an und setzt sich danach neben mich aufs Bett.
"So, jetzt sollte eigentlich nichts mehr passieren können."
"Danke Arwen."
Ich lächle sie kurz an und sie legt mir sanft einen Arm um die Schultern.
"Sag mal, wie lange wirst du noch sauer auf Legolas sein?", fragt sie mich nach einer Weile und ich seufze.
"Ich weiß es nicht. Ehrlich gesagt bin ich nicht nur sauer, sondern auch enttäuscht von ihm. Er hat sich so verändert..."
"Das kann ich verstehen. Aber er macht sich wirklich nur Sorgen um dich. Und dass er sich verändert hat liegt daran, dass er sich nun um jemanden sorgt, sich um jemanden kümmert. Er hat noch nie zuvor jemanden so geliebt wie dich."
"Das weiß ich, aber das ist doch kein Grund mich von allen Gefahren fernhalten zu wollen. Ich habe auch jedes Mal, wenn er wegen eines Orkangriffs woanders war, Angst um ihn gehabt, aber ich weiß, dass er kämpfen kann. Er scheint es bei mir zu vergessen."
Ich lasse den Kopf hängen und Arwen zieht mich zu sich. Beruhigend streicht sie mir über den Rücken, als sich plötzlich die Tür öffnet und mein Vater hereinkommt. Sofort hebe ich den Kopf wieder und schaue ihn an, aber es stimmt etwas nicht.
"Orlindas ist weg gewesen bevor ich bei ihm ankam. Er hat sich direkt nachdem er aus dem Speisesaal gegangen ist sein Pferd genommen und ist davongeritten", sagt er mit lauter Stimme und läuft aufgebracht vor mir auf und ab. Ich stehe auf und lege ihm eine Hand auf die Schulter, sodass er stehen bleibt.
"Es ist nicht deine Schuld", beschwichtige ich ihn und er versucht sich zu entspannen.
"Wie geht es deinem Arm?", fragt er mich und Arwen meldet sich zu Wort.
"Alles erledigt Ada, ich habe die Wunden gereinigt und verbunden. Morgen müsste nichts mehr zu sehen sein."
"Sehr gut."
Er schaut mich warm an, dann wird sein Blick wieder ernst.
"Wegen Legolas, er steht vor der Tür und möchte mit dir sprechen. Ich kann ihn wegschicken, wenn du das möchtest, aber ich würde es lieber sehen, wenn du mit ihm redest."
Ich überlege kurz, doch schließlich nicke ich.
"In Ordnung. Sei aber nicht verärgert wenn wir uns nicht versöhnen", warne ich ihn und er lächelt.
"Natürlich nicht. Komm Arwen."
Meine Schwester drückt noch einmal kurz meine Hand, dann folgt sie meinem Vater zur Tür und die beiden lassen mich alleine.
Nachdenklich schaue ich auf meine linke Hand und drehe den silbernen Ring an meinem Finger. Da öffnet sich die Tür langsam und ich schaue auf. Legolas steht im Türrahmen und sieht unschlüssig aus. Doch dann kommt er ins Zimmer, schließt die Tür hinter sich und geht ein paar Schritte auf mich zu. Einen Meter vor mir bleibt er stehen und schaut mich mit seinen blauen Augen traurig an.
"Es tut mir leid was ich gesagt habe. Ich weiß, dass du kämpfen kannst und du die beste Kriegerin im Schwertkampf bist. Du bist sogar besser als ich", bringt er schließlich hervor und lächelt kurz.
"Aber ich habe auch Angst um dich, dass dir etwas passieren könnte. Dass ich dich verlieren könnte. Dennoch war es falsch was ich getan und gesagt habe. Ich bitte dich, mir zu verzeihen, dieses eine Mal", sagt er leise und senkt dabei den Blick. Ich stehe einfach nur da und betrachte ihn aufmerksam. Er sieht wirklich sehr geknickt aus, seine Schultern hängen herunter und er spielt nervös am Saum seines Gewandes herum. Als ich nichts sage, hebt er unsicher den Kopf und ich sehe, dass er sich auf die Unterlippe beißt. In diesem Moment möchte ich ihm einfach verzeihen und ich folge dem, was mein Herz mir sagt.
"U-und, was sagst du?", fragt er mich und schluckt. 'So nervös habe ich ihn noch nie gesehen.'
"Versprich mir, dass es nie wieder vorkommt", fordere ich leise.
"Ich verspreche es dir nicht, ich schwöre es dir. Und falls es doch noch einmal passiert, dann darfst du auch ruhig sauer sein und mich verlassen und-"
Ich lege ihm meinen Zeigefinger auf die Lippen und unterbreche seinen immer schneller werdenden Redefluss.
"Danke, das reicht mir schon. Ich verzeihe dir", flüstere ich, komme ganz nah an ihn heran und ersetze den Finger durch meine Lippen. Erst tut er gar nichts, doch dann legt er behutsam seine Arme um mich und erwidert meinen Kuss.
"Ich hätte nicht gedacht, dass du mir so leicht verzeihst", sagt er leise und streichelt sanft meine Wange.
"Ich liebe dich doch", antworte ich und er schmunzelt. Da lässt er seine Hand von meinem Gesicht zu meiner Schulter und hinunter zu meiner rechten Hand streichen und bemerkt dabei den Verband.
"Was hast du denn da gemacht?", fragt er mich besorgt und nimmt meine Hand. Er tritt einen Schritt zurück um sich meinen Arm besser anschauen zu können und ich beiße die Zähne zusammen als er meinen Arm festhält.
"Das ist passiert nachdem ich gegangen bin. Ah!", rufe ich aus als er zu viel Druck ausübt und er lässt erschrocken meinen Arm los.
"Tut mir leid, ich wusste nicht dass das so empfindlich ist", entschuldigt er sich bei mir.
"Nicht schlimm. Es ist auch eher die Salbe, die Arwen mir daraufgeschmiert hat."
"Wie ist das denn passiert?"
"Es war Orlindas", sage ich einfach nur und Legolas schaut erst ungläubig, dann wird sein Blick dunkel und ein Schatten legt sich über sein schönes Gesicht. Er verzieht den Mund und seine Züge wirken auf einmal hart und kalt.
"Dieser Bastard!", knurrt er und ich weiche unwillkürlich vor ihm zurück.
"Legolas, beruhige dich. Es ist sowieso zu spät, Orlindas verließ Bruchtal direkt nach dem Abendessen."
Da verschwindet der Schatten von seinem Gesicht, aber seine Augen funkeln immernoch gefährlich.
"Wenn ich ihn das nächste Mal sehe, werde ich ihn töten", sagt er mit fester Stimme, die keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Drohung lässt.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top