Die Versammlung

Nachdem ich mich gewaschen und umgezogen habe, macht auch Legolas sich fertig, allerdings verzichtet er auf frische Kleidung.
"Ich habe nachher ja noch Zeit dafür. Ausserdem habe ich mich gestern nach dem Kampf ausgiebig gewaschen", hat er protestiert als ich ihn deswegen angesprochen habe.
Ich quittiere dies mit einem Grinsen und belasse es dabei. Wenn er so drauf ist, erinnert er mich immer an Bahel, und seit die Erinnerung an ihn nicht mehr so sehr schmerzt, denke ich gerne an ihn. Ich erinnere mich dann an all die niedlichen Sachen, die der kleine Junge nunmal angestellt hat und an seine kleinen Trotzphasen.
Dann hat er immer seine kleinen Arme vor der Brust verschränkt, böse geguckt und einen Schmollmund gezogen. Manchmal hat er auch mit dem Fuß aufgestampft und Angathel und ich mussten uns zusammenreißen, um ihn nicht hemmungslos zu knuddeln. Obwohl, manchmal habe ich es einfach getan und Bahel fand es immer total lustig wenn ich ihn auf den Arm genommen habe. Plötzlich verspüre ich den heftigen Wunsch nach einem eigenen Kind, mit Legolas als Vater, und das überrascht mich.
"Ist alles in Ordnung?", fragt dieser mich nun und schaut mich besorgt an.
"Ja, es ist nichts."
Ich greife nach seiner Hand und lächle ihn betont fröhlich an.
"Können wir losgehen?"
Er nickt, sieht aber skeptisch drein. Doch ich schweige. Irgendwie ist es mir unangenehm, ja sogar in gewisser Weise peinlich mit Legolas über so etwas zu sprechen, obwohl er schon oft erwähnt hat, dass er sich wünscht, dass unsere Kinder so aussehen wie ich.
Wir gehen aus meinem Zimmer hinaus und Legolas führt mich zu einem Saal in dem ich noch nie gewesen bin.
Eine große, halbrunde Tischreihe, die einfach aus dem Holz herausgearbeitet wurde, wird, je näher sie der Mitte des Tisches kommt, immer höher. Am höchsten Punkt steht ein großer, reich verzierter Stuhl, der offensichtlich für den König gedacht ist. Die anderen Stühle sind schlicht und einfach.
In der Mitte dieses Halbkreises, im Blickfeld aller, die an dem Tisch sitzen, steht ein Stehpult. Offensichtlich werden hier auch Gerichtsverfahren abgehalten, aber heute ist es nur ein Beratungsraum. An ein paar Plätzen sitzen bereits Elben als wir eintreten.
"Du setzt dich einfach neben mich, da wird niemand etwas gegen haben", flüstert Legolas mir noch ins Ohr, dann führt er mich zu dem Stuhl rechts von dem Stuhl seines Vaters, der noch nicht da ist, und bedeutet mir, den Platz daneben einzunehmen. Ich tue wie geheißen und lasse den Blick über die anwesenden Elben schweifen.
Einige kenne ich bereits, andere sind mir nur manchmal auf den Wegen begegnet. Auch Elbinnen sind darunter, allerdings nicht Gwendolin.
Nach und nach kommen mehr Elben an, von denen steuert einer auf den Platz zu, auf dem ich sitze, doch als er mich sieht hält er kurz inne. Unbehagen breitet sich in mir aus, da ich ihn von seinem rechtmäßigen Platz vertrieben habe, doch Legolas legt mir beruhigend eine Hand auf die Schulter.
Der andere Elb setzt sich einfach auf den Stuhl rechts von mir, sodass die ganze Reihe einen Stuhl nach unten rückt.
"Ist das auch in Ordnung dass ich bleibe und zuhöre?", frage ich Legolas unsicher.
"Absolut. Sie akzeptieren dich, auch wenn du es vielleicht noch nicht merkst. Außerdem solltest du dich mit solchen Versammlungen vertraut machen, in Zukunft wirst du mehr davon miterleben und eventuell auch leiten."
Mit einem Nicken gebe ich ihm zu verstehen, dass ich verstanden habe. 'Stimmt ja. Als zukünftige Königin werde ich das Waldlandreich regieren.' Ein Kloß bildet sich in meiner Kehle und ich spüre, wie meine Hände schwitzig werden.
"Keine Sorge, ich werde da sein und dir helfen. Du wirst das noch lernen", flüstert Legolas mir zu und verschränkt seine Finger mit meinen. Dankbar lächle ich ihm zu, da öffnet sich plötzlich die Tür und König Thranduil tritt ein.
Sofort erheben sich alle Anwesenden, einschließlich Legolas und mir, und bleiben stehen bis Thranduil sich auf seinen Stuhl setzt. Erst dann lassen wir uns wieder auf unsere Plätze sinken und der König beginnt die Versammlung.
An seiner Stimme kann man hören, dass er es gewohnt ist solche Besprechungen abzuhalten.
"Wie ihr alle wisst wurden wir gestern von einer Orkmeute von ungewöhnlichen Ausmaßen angegriffen. Viele verloren dabei ihr Leben, und heute Nacht sind drei weitere von uns gegangen."
Ein erschrockenes Murmeln wandert durch die Reihe und ich spüre die allgemeine Trauer. Gestern hieß es noch, dass nur zwei die Nacht nicht überleben würden, wer war jetzt noch gestorben?
"Herr, eine grobe Zählung der Orks hat ergeben, dass es ungefähr vierhundert Kreaturen waren, zusammen mit drei Trollen und einige von ihnen ritten auf Wargen."
Wieder aufgeregtes Murmeln, aber eher von den Elben die nicht draußen waren und gekämpft haben.
"Es ist ungewöhnlich, dass sich so viele Orks zusammenschließen um ein gemeinsames Ziel anzugreifen. Oftmals haben sie sich in der Vergangenheit damit selbst vernichtet, weil sie sich nicht einigen konnten, aber dieses Mal nicht", meint Legolas und die Anwesenden nicken zustimmend.
"Weiß jemand von wo diese Kreaturen gekommen sind?", fragt er weiter.
"Ja, mein Herr Legolas. Sie kamen aus dem Süden."
"Warum haben unsere Grenzwachen dies nicht gemeldet als sie sie entdeckt haben?", erkundigt sich Thranduil.
"Wir sahen sie nicht kommen, außerdem war gerade Wachwechsel und sie schossen mit ihren Pfeilen auf uns", berichtet ein Elb, der einen Arm in der Schlinge trägt und sehr blass im Gesicht ist. Schweiß steht auf seiner Stirn und er sieht aus, als würde er jeden Moment zusammenbrechen.
Er hat wahrscheinlich Fieber, aber trotzdem sitzt er hier an diesem Tisch.
"Das sind beunruhigende Neuigkeiten. Denn das bedeutet, dass die Orks über den Zeitpunkt unseres Wachwechsels Bescheid wussten, sowie über unsere Positionen in den Bäumen. Wir wurden verraten", schlussfolgert Legolas mit grimmiger Miene und Thranduil nickt zustimmend. 'Verraten?'
"Aber wer würde so etwas tun?", platze ich mit der Frage heraus und würde am liebsten sofort im Boden versinken vor Scham.
Die Blicke aller Elben im Raum sind nun auf mich gerichtet, auch die von Legolas und seinem Vater.
"Ich meine, wir haben doch niemanden, der die Wachwechsel und alle Positionen der Wachen in den Bäumen kennt. Vielmehr glaube ich, dass die Orks Hilfe von außerhalb gehabt haben, jemanden der sie vereint hat und anführt, ohne selbst anwesend zu sein."
"Meinst du etwa jemand der kein Ork ist?", fragt Thranduil mit Interesse und ich nicke.
"Es muss jemand gewesen sein, der über die Gewohnheiten der Waldelben Bescheid wusste und die Wachen unauffällig beobachten konnte."
"Vielleicht war es derselbe, der vor neuneinhalb Jahren schon einmal einen Angriff auf uns gestartet hat. Derjenige, der den Orks das Gift gegeben hat", wirft der zweite Anführer der Wache ein und Legolas richtet sich sofort auf.
Ein Blick auf ihn verrät mir, dass seine alte Angst, mich zu verlieren wieder hochkommt und er mit Schrecken an meine Vergiftung denkt.
"Aber was bezweckt ein Elb damit, die Wachen des Palastes zu töten?"
Die Diskussion geht weiter, aber ich höre nicht mehr richtig hin, sondern schaue nur Legolas an. Er scheint abwesend zu sein und sieht mit leerem Blick auf den Tisch vor sich. Unauffällig greife ich nach seiner Hand und drücke sie sanft. Da hebt er den Kopf, lächelt mich schwach an und hört wieder dem Gespräch zu.
Ab und zu fügt er etwas hinzu, aber schließlich beschließen wir, die Wachen an den Grenzen zu verstärken und die Positionen in den Bäumen öfter zu wechseln.
Dann erhebt Thranduil sich und alle anderen verlassen den Saal. Auch Legolas und ich wollen gehen, doch Thranduil hält uns zurück.
"Ihr zwei, ich möchte noch mit euch sprechen."
Wir bleiben stehen und er wartet, bis der letzte Elb den Saal verlassen und die Tür sich geschlossen hat. Erst dann spricht er mit gedämpfter Stimme weiter.
"Ich habe heute einen Brief von deinem Vater bekommen", sagt er an mich gewandt.
"In dem bittet er mich, dich zurück nach Bruchtal zu schicken, da dort eine wichtige Versammlung stattfinden soll. Der Eine Ring wurde gefunden."
Ein Schauer läuft mir über den Rücken und ich fröstele.
"Es soll entschieden werden was mit ihm geschieht, deswegen bittet er mich auch darum, einen Abgesandten aus meinem Volk mitzuschicken. Es sollen Vertreter von allen Völkern ein Mitspracherecht bekommen, und deshalb werde ich Legolas mit dir schicken."
"Wann werden wir aufbrechen?", fragt Legolas seinen Vater.
"Gleich morgen früh."
Aufregung breitet sich kribbelnd in meinem Bauch aus, aber ich lasse mir nichts anmerken.
"Eins noch Legolas: Ich vertraue darauf, dass du im Interesse des Waldlandreiches entscheidest und auch handelst!"
"Ja, Ada. Das werde ich."
Da nickt Thranduil und entlässt uns mit einer Handbewegung.
"Geht und trefft alle nötigen Vorbereitungen."
Wir verneigen uns beide vor Thranduil und verlassen dann den Saal.
"Wir beide werden morgen gemeinsam nach Bruchtal reisen!", meine ich aufgeregt als wir außer Sichtweite sind und Legolas grinst. Er verschränkt seine Finger mit meinen und gibt mir einen Kuss auf die Wange.
"Ich freue mich schon darauf."

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