Die Reise
Verwirrt blinzele ich mir den Schlaf aus den Augen. Ich muss erst einmal realisieren wo ich bin, doch dann bin ich hellwach. Der Traum steckt mir noch in den Knochen, doch ich habe keine Angst. Stattdessen wünsche ich mir, einen solchen Traum bald wieder zu träumen.
Doch nun hole ich erstmal ein kleines Frühstück aus meiner Satteltasche und schaue mich aufmerksam um.
Die Sonne ist vor vielleicht drei Stunden aufgegangen, aber ich bin nicht im geringsten müde. Nach meinem Mahl nehme ich die Taschen und klettere nach unten. Ein langer Pfiff zwischen meinen Fingern hervor und schon kommt Sala herangetrabt.
"Guten Morgen, meine Liebe. Na, bereit für einen weiteren Tag?", begrüße ich sie und streiche ihr über ihre weiche Schnauze. Sie schnaubt und stupst mich sanft an. Ich befestige die Taschen wieder am Sattel, prüfe ob alles fest sitzt und steige dann auf.
Im schnellen Trab reiten wir weiter auf die Berge zu und ich denke nach. Mit geübten Bewegungen gleiche ich das Auf und Ab von Sala aus und lasse meinen Blick scheinbar gleichgültig über die recht karge Landschaft schweifen. Aber meinen Augen entgeht absolut nichts. Weder das Kaninchen, welches sich bei unserem Anblick blitzschnell in seinem Bau verzieht, noch der Greifvogel, der mit einem schrillen Kreischen vom klaren Himmel herabstürzt, um kurze Zeit später mit seiner Beute wieder emporzusteigen. Lächelnd schaue ich ihm hinterher, dann konzentriere ich mich wieder auf den Weg.
Nach kurzer Zeit gelangen wir an den Fuß des ersten Berges, zwischen dem und einem anderen Berg der Paß entlangführt, und ab da geht es bergauf.
So gegen Mittag mache ich an einem Bach Halt, damit Sala sich noch einmal richtig satttrinken kann. Auch ich fülle meine Wasserflasche auf und raste ein wenig, erst dann reiten wir weiter. Sala geht zügig und sicheren Schrittes bis zum Eingang des Paßes. Ab da muss ich absteigen und sie führen, denn der Weg ist zu schmal und gefährlich, als dass Sala noch mit meinem Gewicht dort entlanglaufen kann.
Ich nehme die Zügel in die Hand und meine Stute trottet brav hinter mir her auf den schmalen, gewundenen Pfad.
Mal biegen wir hinter eine Felsnase, mal windet sich der Pfad in die andere Richtung, aber es geht stetig bergauf und wird kühler.
Schon bald wird es dunkler, denn die Sonne dringt nicht mehr bis in den Paß vor. Ich halte sofort nach einer Höhle oder einem Felsüberhang Ausschau und habe Glück. Ich finde eine Höhle, in die auch Sala reinpasst. Erstmal kundschafte ich die Höhle aus, bevor ich beginne Sala abzusatteln und ihr Futter aus einem Beutel zu geben.
Die Höhle ist recht klein, und nur deswegen glaube ich nicht, dass dort irgendwelche Orks sein können. Sicherheitshalber lege ich allerdings mein Schwert neben mich, bevor ich mich hinsetze, etwas esse und trinke und dann mich in meinen Umhang wickele um zu schlafen.
Innerhalb von zweieinhalb Tagen haben wir den Paß überquert, ohne auf Schwierigkeiten gestoßen zu sein. Jetzt befinden wir uns gerade beim Abstieg den Berg hinunter und ich kann wieder auf Salas Rücken steigen.
Wir reiten die ganze Zeit weiter, nur einmal mache ich an einem Bach Rast um selbst etwas zu trinken und Sala Zeit zum fressen und trinken zu lassen. Danach geht es sofort weiter.
Nach einiger Zeit kann ich bereits am Horizont den Düsterwald als lange, dunkle Linie erkennen und Aufregung erfasst mich wieder.
"Schneller, meine Gute.", treibe ich Sala an und sie galoppiert über die Ebene, bis ich das Wasser des Anduin rauschen hören kann.
Am Ufer des Flusses halten wir an und ich entscheide, mich an einer seichten Stelle zu waschen und auszuruhen.
Schon bald finde ich eine solche Stelle und entledige mich meiner Kleidung. Ich brauche keine Angst zu haben, dass jemand vorbeikommt, denn weit und breit ist niemand zu sehen, also steige ich in das kühle Wasser und lasse mir den Dreck und den Schweiß der letzten Tage vom Körper waschen. Doch ich bleibe nicht lange drin und trockne mich mit einem Stück Stoff so gut es geht ab. Meine nassen Haare lasse ich an der Luft trocknen und ziehe mir meine Sachen wieder an.
Während der Zeit hat Sala erst gegrast und dann im Stehen vor sich hingedöst. Als ich meinen Umhang gerade zumache, kommt sie zu mir und stupst mich an.
"Jaja, ich komme schon", beruhige ich sie lachend und steige wieder auf. Sala bringt mich zu der Brücke, die über den Anduin führt und sicher hinüber. Das tosende Wasser fließt rasch unter der Brücke hindurch und ich schaue einen Moment lang zu, wie sich verschiedene Formen im Wasser zu bilden scheinen und dann wieder verschwinden.
Dann richte ich den Blick wieder auf den Düsterwald, der nun immer näher rückt. Wir verlassen den Weg, die Alte Waldstraße, und reiten nach Norden. Laut Thranduil würden dort irgendwo, an einem Felsen, der aussieht wie eine Krone, Elben auf mich warten, die mich dann bis zum Palast begleiten würden. Doch der Felsen kommt und kommt nicht, fast glaube ich schon, man wollte mich ein wenig an der Nase herumführen, aber dann sehe ich ihn. Er steht am Waldrand, gut sichtbar von allen Seiten und markiert eine Ecke der Grenze des Waldlandreiches. Ich treibe Sala noch einmal an und sie trabt schnell auf den Felsen zu. Meine Haare sind inzwischen getrocknet und ich schaue staunend an dem Felsen empor. Er ist zwar nicht besonders hoch, doch er besitzt fünf Zacken, die ihm seine Form und Beschreibung verleihen. Als ich an dem Felsen angekommen bin, sehe ich allerdings niemanden. Aufmerksam suche ich in den Ästen der Bäume nach Gestalten, aber ich erblicke niemanden. 'Na toll. Da sagt man mir, man würde hier auf mich warten, und das ist einfach niemand hier.' Frustriert lasse ich Sala anhalten und starre weiter auf den Wald, der sich schwarz und drohend vor mir aufrichtet.
"Hallo?", rufe ich vorsichtig in den Wald hinein, doch ich erhalte keine Antwort.
Plötzlich erhasche ich allerdings eine Bewegung in einem der Baumwipfel und bin sofort kampfbereit. Lautlos lasse ich mich von Salas Rücken rutschen und lege eine Hand an den Griff meines Schwertes. Mit wachem Blick suche ich den Wald ab, doch wieder ist da nichts. Langsam will ich mein Schwert ziehen, als ich auf einmal jemanden hinter mir spüre und herumwirbele.
Eine Pfeilspitze befindet sich nur Millimeter vor meiner Nase auf einem Bogen mit gespannter Sehne und gleichzeitig höre ich überall um mich herum wie sich leise knarrend weitere Sehnen spannen. Ich schlucke und lasse mein Schwert los.
"So ist es gut", sagt der Elb, der den Bogen hält. Er senkt ihn ein wenig um mich ansehen zu können und ich schlucke erneut. Der Elb hat lange blonde Haare, ein schmales, schönes Gesicht und eisblaue Augen unter dunklen Augenbrauen.
Als er mich nun richtig sieht, weiten sie sich ein wenig, doch dann ist er wieder ganz ruhig.
"Wer seid ihr und was wollt ihr hier im Waldlandreich?", fragt er kalt.
"Mein Name ist Jedwiga, ich bin die Tochter von Elrond, dem Herren von Bruchtal. Ich wurde hierhergeschickt, weil euer König angeboten hat, meine Ausbildung zur Bogenschützin zu leiten."
"Gibt es einen Beweis für eure Worte?", fragt der blonde Elb scharf und ich nicke.
"Er ist in meiner Satteltasche, die linke, in der Außentasche."
Mit einer Kopfbewegung schickt der Elb einen der anderen Elben dorthin, und dieser fasst in die besagte Tasche.
Er hat braune Haare, und wirkt anders als der Blonde.
Schließlich findet er den Brief, holt ihn heraus und reicht ihm dem Blonden, der anscheinend ihr Anführer ist. Dieser lässt den Bogen endgültig sinken, hält ihn mit einer Hand fest und liest den Brief. Ich beobachte ihn dabei und spüre deutlich die Blicke der anderen Elben auf mir.
"In Ordnung, Jedwiga", sagt er und gibt mir den Brief.
Ein Zeichen mit seiner Hand und die Elben lassen ihre Bögen sinken.
"Wir werden euch in den Palast bringen. Folgt mir."
Mit diesen Worten dreht er sich um und geht voraus. Ich nehme schnell die Zügel von Sala und laufe ihm hinterher. Die anderen Elben verschwinden entweder in den Bäumen oder begleiten uns, wachsam umher blickend.
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