[03] Wie gewonnen, so zerronnen

»VERFLUCHT NOCH EINER!«, schrie Hatto erschrocken und sprang ein Stück von dem zappelnden Paket weg.

Ein seltsames Leuchten ging von dem Päckchen aus und dann veränderte es langsam seine Form und Farbe. Aus eckig wurde rundlich und aus beige lilafarben. Zum Vorschein kam schlussendlich, breit schmunzelnd, das kleine Ditto vom Vortag.

»Dittooo!«, rief es dem verdutzt dreinschauenden Hatto fröhlich entgegen. Dieser schlug die Hände über den Kopf zusammen und drehte sich wütend um.

»Dieser Dummkopf!«, rief er mit einem Blick aus dem Fenster, in Richtung Azuria City-Markt gewandt. »Urite kann es einfach nicht lassen. Habe ich ihm nicht mehr als deutlich zu verstehen gegeben, dass ich dieses Vieh nicht haben möchte?«

Hatto schenkte dem verunsicherten Ditto, welches wie nicht bestellt und doch abgeholt auf seinem Wohnzimmertisch hockte, keines Blickes, als er schnurstracks in sein Schlafzimmer verschwand. Dort zog sich der Alte endlich straßentaugliche Klamotten an und kam nach einer Weile forschen Schrittes wieder heraus. Schließlich griff er nach seinem Wohnungsschlüssel und öffnete ruppig die Tür.

»Los, komm schon, du Satansbraten. Ich werde dich nicht tragen. Du kannst selbst zusehen, wie du die Treppe herunterkommst«, sprach er zu dem Ditto, nach wie vor ohne es anzusehen.

Das Ditto schaute unsicher an dem Alten hoch. Wollte er mit ihm spazieren gehen oder es irgendwo aussetzen?, fragte es sich. Vorsichtig glitt es vom Tisch und schlurfte hinter seinem unfreiwilligen Besitzer her. Dieser schloss die Tür mit einem lauten Knall und stampfte zum dritten Mal an diesem Morgen die knarzende Holztreppe seines Mietshauses herunter.

Unten angekommen lief er seinem Vermieter, Kouki Yachin und dessen Frau Yūyō in die Arme. Sie schienen ihm, nervös umherwirbelnd, irgendetwas sagen zu wollen.

»ACHTUNG! Bleiben Sie ein Stück zurück. M- mein Machollo, das heute mehr als fleißig war, scheint sich zu ... zu ent- entwickeln«, hörte er Herr Yachin stammeln und sah dann einen seltsamen Lichtschein vor der Eingangstür.

»Verschonen Sie mich mit diesem Unfug und lassen Sie mich durch. Ich habe was loszuwerden«, grummelte Hatto und wollte sich gerade an dem tosenden und sich windenden Machollo vorbeiquetschen. Doch dieser Plan verging ihm schnell wieder, als Hatto plötzlich einem etwa 1,50 Meter großen Maschock in die Augen blickte, das grimmig seinen eigenen Namen sagte, wie es bei Pokémon üblich war.

»Maschock!«, fauchte es ein zweites Mal und ging auf Bitten seines Besitzers endlich einen Schritt zur Seite, um Hatto nach draußen gehen zu lassen. Dieser war mit seinen 1,63 Meter Körpergröße, die durch die Last des Alters im Alltag noch etwas geringer ausfiel, kaum größer als das muskelbepackte Kampf-Pokémon. Dennoch konnte er sich auch dieses Mal einen patzigen Kommentar nicht verkneifen, der von Yachin allerdings überhört wurde, der sich auf einmal zusammen mit seiner Frau zu etwas herunterbeugte und glucksende Laute von sich gab, wie Menschen es taten, wenn sie sich zu einem Baby im Kinderwagen beugten.

»Ja wen haben wir denn da?«, quiekte der rundliche Mann und stupste dabei das fröhlich fiepende Ditto an und kitzelte dessen flutschigen violetten Bauch. »Ist das etwa Ihres, Mashita? Hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut, dass Sie Ihr Leben mit so einem niedlichen Kerlchen teilen«, sagte Yūyō und ihre ebenfalls rundlichen Wangen färbten sich leicht rosafarben.

»Das tue ich auch nicht«, schnaufte Hatto. »Es handelt sich hierbei um ein Irrtum, den ich sofort aufklären werde. Niemals würde ich so ein Vieh bei mir wohnen lassen.«

»Och, Mashita«, klang Yachin enttäuscht. »So ein wenig Gesellschaft würde Ihnen guttun. Und das Kleine ist sooo niedlich. Außerdem sind Dittos nützlich, sie können -«

»Einen schönen Tag noch, Herr Yachin. Ich hoffe, ich kann bald duschen gehen«, unterbrach Hatto seinen Vermieter und ging schmollend davon. Das Ditto hatte Mühe, seinen Schritten zu folgen, die zielstrebig wie ein Soldat davon marschierten.

Angekommen im Markt fand Hatto den Verkäufer Urite nachdenklich vor seinen Regalen stehend vor. »Ich bin mir wirklich nicht sicher«, grübelte dieser laut vor sich hin und wandte sich sofort an seinen Kunden, als er Hatto an der Tür stehen sah. »Schau an, da sind Sie ja schon wieder! Wollen Sie doch wissen, wie es dem kleinen Ditto geht? Nun, falls dem so ist, muss ich Sie enttäuschen. Ich weiß im Moment nicht, wo es sich aufhält und ob es sich vielleicht wieder in eine meiner Waren verwandelt hat«, berichtete Urite und schaute Hatto schuldbewusst an.

»Machen Sie sich keine Mühe, Urite. Es ist hier«, verkündete der Alte kühl und deutete mit einer flüchtigen Kopfbewegung auf den Boden.

»Da hätte ich mich ja dumm und dusselig suchen können!«, rief Urite lachend aus. »Wie es aussieht, muss es sich heute Morgen weggeschlichen haben und ist zu Ihnen gegangen.«

»Es hat sich liefern lassen«, erzählte Hatto. »Als Paket, an mich adressiert, wurde es vom Postboten gebracht. Gerade, als ich mein Frühstück essen wollte. Nun bin ich hungrig, habe nicht geduscht und hab dieses Ding am Hals. Passen Sie gefälligst besser drauf auf, in Zukunft. Schönen Tag noch.« Donnernden Schrittes verließ Hatto den Markt und ließ das leise wimmernde Ditto zurück.

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