Kapitel 4

Medieval,
Hauptstadt vom Vereinigten Königreich Caelum


Samstag, 23 September 1334

In den adeligen Einkaufsstraßen angekommen, schreite ich unauffällig voran. Stets prüfend ob die Kapuze meines feinen aber nicht prachtvollen Mantels noch auf meinem Haupt sitzt. Zwischen all den pompösen Adeligen in ihren mehrschichtigen und farbenfrohen Kleidern steche ich nicht heraus, allerdings wirke ich auch nicht fehl am Platz, sondern eher wie eine edle Dame aus der Bürgerschicht, die sich wie viele andere aus dieser Kaste versucht an den Adel an zuklinken, durch sündhaft teure Einkäufe und dem nachgehen der neusten Trends. Es ist wie ein Wettrennen bei dem jeder versucht mit dem anderen mitzuhalten. Ein Rennen bei dem ich nie mitgemacht habe, sah ich es doch nur als albern und falsch an. Eine Falschheit, die der Adel ausmacht und alle die dazugehören wollen. Für meinem Plan in diesem Leben werde ich allerdings diese Einstellung ändern müssen. Ich werde an diesen Rennen mit machen müssen. Jedoch werde ich diesmal meine eigene Rolle spielen. Ich werde mich nicht wie all die anderen Ladys zum Affen machen und in der Menge untergehen. Ich werde aus der Menge herausstechen und dabei ganz anders sein als mein altes Ich. Nicht mehr unauffällig, verschwiegen, und diszipliniert, sondern auffällig, laut und unberechenbar.  

An einer unscheinbaren Boutique mache ich halt. Sie scheint nicht sehr besucht zu sein. Perfekt um in Ruhe einen Großeinkauf zu starten. Kaum habe ich das Geschäft betreten, räuspert sich schon eine dürre Frau in einem schicken roten Kleid, das einen Schnitt hat, der den neusten Modetrend entspricht.

„Hier haben nur Kunden aus dem Adelsgeschlecht Zutritt. Sie scheinen mir allerdings nach einer Dame aus der Bürgerschicht.“ Wendet sie sich sofort an mich. Wahrscheinlich ist sie hier eine Angestellte Lady. Ihre Absicht mich so schnell wie möglich aus der Boutique zu haben, ist klar zu erkennen.

Mich davon nicht einschüchtern lassen, umgehe ich die Frau vor mir und mache mir einen Eindruck von den ausgestellten Kleidungsstücken. Ein Verhalten, das ich mir Früher nie erlaubt hätte.

In diesem Laden werden zentral Frauenkleider in den Fokus gerückt, aber eine nicht unansehnliche Menge an vornehmen Jacketts und einigen sorgsam geschnittene Wams, findet man in den hinteren Teil des Geschäfts auch.

Wirsch schiebt sich die Angestellte wieder vor mir. „Haben sie mich nicht gehört? Ihre Kaste hat hier keinen Zutritt.“

„Ich hatte es vernommen, fühlte mich allerdings nicht angesprochen.“ Bei meiner Antwort hörte man am Ende deutlich den desinteressierten Tonfall heraus, was die Angestellte hoch rot anlaufen lässt. Mit verschränkten Armen und meinen Zeigefinger wiederholt auf den Oberarm tippend, drücke ich meine Ungeduld aus, während mein Blick sich weiterhin auf die Kleider richtet. Ein dunkel Violettes fällt mir dabei besonders auf, ob es mir wohl passt?

„Sie sind unerhört. Verlassen sie sofort den Laden!“

Nicht auf sie eingehend, versuche ich das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. „Sind in Moment Ankleidezimmer frei? Ich würde gerne das dunkel Violette dorthin mitnehmen. Eventuell auch das Grüne mit dem schwarzen Mieder, wenn es dazu einen passenden Unterrock gibt.“

„Sie…Sie…“, deutlich auf den Höhepunkt ihrer Wut gebracht und nicht mehr im Stande richtige Sätze zu verfassen, wird ihr Gesicht nochmals um eine Nuance röter, als sie in ihrer Entrüstung die Hand erhebt und sie auf mich niedersausen lässt. Den Schmerz erwartend, der nicht zu kommen scheint richte ich meinen Blick auf den Arm der sich zwischen mir und der gewalttätigen Angestellten geschoben hat. Ein ziemlich muskulöser Arm, dessen Hand sich um das Handgelenk der erzürnten Frau gewickelt hat.

Der Mann zu dem dieser Arm gehört, steht direkt hinter mir und als ich einen Schritt zu Seite trete, um ihn in Augenschein zu nehmen, läuft es mir eiskalt den Rücken runter. Mich der Illusion hingebend, dass die Temperatur in diesem Laden um ein paar Grad gesunken ist, fasse ich alle Informationen zusammen, die ich über diesen Mann weiß, der grade mit seinem Blick die Angestellte vor Angst zum Zittern bringt. Denn dieser Mann ist kein anderer als Ashton Clay von Beaumont auch „Die schwarze Bestie“ oder „Der Höllendrache von Beaumont“ genannt, obwohl er Letzteren Beiname zu diesem Zeitpunkt noch nicht erlangt hat.

Meines Wissens nach müsste er jetzt um die 22 Jahre alt sein und ist noch weit entfernt von seinem furchteinflößenden Ruf den er in einigen Jahren haben wird. Nicht das sein jetziger Ruf, als „Die schwarze Bestie“ den Menschen keine Angst einjagt, nur ist er noch harmlos im Vergleich zu seinem späteren Ruf. Aber damit ist er in der Beaumont Familie keine Seltenheit. Die Beaumont gelten als die einflussreichste Familie im ganzem Königreich Caelum. Einflussreicher als die Königsfamilie Caelum selbst. Man sagt der Name Beaumont bestehe schon länger als das gesamte Königreich und dass sie die ersten Menschen waren, die Magie benutzen konnten. Sie haben eine wahnsinnig hohe Affinität zu Feuermagie, vereinen in ihrem Blut aber auch die Windmagie, die fast mit der unserer Familie gleichkommt. Ein Beaumont der nicht beide Magiezweige benutzen kann, wäre kein Beaumont. Dazu haben sie den höchsten Adelstitel vor dem der Königlichen Familie inne, denn ihre Länder sind das Arche Dukedom von Beaumont und damit ist Ashton als ältester Erbe, nach dem Tod seines Vaters, der Archduke von Beaumont geworden. Er hat dieses Erbe schon mit 19 annehmen müssen und ist somit das Oberhaupt über eine gesamte Ritterschaft, die im Dukedom ausgebildet wurde, und ist im Besitz eines Vermögens, neben dem das der Mortains lächerlich aussieht.

In meinen vorherigen Leben bin ich nie mit ihm im Kontakt gekommen. Der einzige Kontakt den wir zueinander hatten, war die Schneide der Guillotine, die uns beiden den Kopf abgetrennt hat, ihn ein paar Jahre vor mir. Ihn jetzt hier einen Meter von mir entfernt zu sehen, ist mir deswegen mehr als suspekt. Manchmal ist das Schicksal schon ein komischer Begleiter.

Die zittrige Stimme der Angestellten holt mich aus meinem Rückblick. Dem Archduke kaum ihn die Augen schauend, setzt sie zum Reden an, „Eure Durch-… Durchlaucht…“. Mehr als seine Anrede kommt nicht über ihre Lippen, als der Duke sie schon mit seinem Blick zu Schweigen bringt.

Bedrohlich beugt er sich zu ihr herunter. „Lady, ich schätze es nicht sehr, wenn man in meiner Gegenwart kleine Mädchen schlägt.“

Etwas neben der Spur lege ich meinen Kopf schief. Kleine Mädchen? Meint er mich? Er kann nur mich meinen, aber ich bin doch kein Kind mehr. Und dann wird es mir bewusst, in Moment bin ich ja nur 15 zwar bald 16, aber mit meiner kleinen und zierlichen Gestalt, die unter den Mantel nicht wirklich versteckt wird, wirke ich gleich nochmal ein paar Jahre jünger. Und früher hätte ich mich in diesem Alter selbst als Mädchen bezeichnet, allerdings habe ich schon geistlich ein ganzes halbes Leben hinter mir. Ein ganzes wäre es wohl, wenn ich nicht so früh gestorben wäre. Und diese Bezeichnung „kleines Mädchen“ für mich ist das makaberste, dass mir seit meiner Wiederauferstehung passiert ist und einmal mehr verwünsche ich die Götter von Dritan in meinen Gedanken.

Hätte ich nicht schon so viel durchstanden, wäre mir diese Situation jetzt unangenehm, so wende ich mich allerdings nur an den Archduke und schlage meine Kapuze zurück, um nicht unhöflich zu erscheinen. Durch die Bewegung aufmerksam geworden, wendet er sich ebenfalls an mich und baut Augenkontakt zu mir auf, den ich stumpf erwidere. Seine Augen sind trotz eines warmen goldenen Farbtons, kalt wie die Gletscher von Rayndra und die schwarzen Strähnen die ihn in die Stirn fallen, werfen dunkle Schatten auf sein Gesicht. Er wirkt wie eine dunkle Gestalt aus einem Schauermärchen und macht damit meiner eigenen Erscheinung starke Konkurrenz.    

Mit jeder Sekunde, die er mich anstarrt, wird sein Blick kälter bis er das Wort ergreift. „Du solltest jetzt wirklich das Geschäft verlassen. Ich habe es nicht gerne, wenn kleine Mädchen „feine Dame“ spielen, während ich Besorgungen nachgehe.“

Sofort wieder aufrechtstehend und mit einem befriedigten Lächeln rückt die Angestellte in meinen Blickwinkel wahrscheinlich, um mir den Weg raus zu weisen. Innerlich vor Wut kochend würde ich den Duke am liebsten herunter machen, mehr als ein paar Wörter bräuchte ich dafür nicht, jedoch kann ich in dieser Situation nicht gewinnen. Das Bastard Kind eines Earls gegen den Archduke von Beaumont? Mein Ziel ist es zu überleben und nicht einen Kampf zu führen den ich nicht gewinnen kann.

Also gehe ich erhobenen Hauptes zur Tür, die nach draußen führt. Ich greife nach der Türklinge, kann es mir aber nicht verkneifen mich noch einmal umzudrehen und folgende Worte zu sagen, „Übrigens das kleine Mädchen empfiehlt eurer Hoheit, die Finger vom Monsterhandel zu lassen und bei dem Militärspielzeug zu bleiben.“.

Wie von einer Tarantel gestochen fährt der Duke zu mir herum. Ich meine so etwas wie Unglaube in seinem Gesicht ablesen zu können. „Wie bitte?!“

Mit einem spöttischen Grinsen auf dem Gesicht antworte ich, „Ich sage nur das Ihr eure Finger von Dingen lassen sollt von denen Ihr keine Ahnung habt, bevor ihr euch ins eigene Fleisch schneidet.“, zum Ende hin schiebe ich mir mein Grinsen vom Gesicht um einer Ausdruckslosen Miene Platz zu machen. Ohne darauf zu warten, was der Archduke erwidert, verlasse ich den Laden mit dem Erfolg, das letzte Wort gehabt zu haben und mir meines Triumphs vollkommen bewusst zu sein, dass sich meine Worte auf jeden Fall bewahrheiten werden, wenn sich der Duke meinen Rat nicht zu Herzen nimmt.

Mit einem leichten Lächeln suche ich mir den nächsten Laden aus, diesmal darauf bedacht, dass aus diesem auch Edle Damen kommen.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top