Kapitel 2

Medieval,
Hauptstadt vom Vereinigten Königreich Caelum


Samstag, 23 September 1334

Mittlerweile ist befinde ich mich schon seit einer Woche in meiner Vergangenheit ohne, dass sich etwas geändert hat. Höchstwahrscheinlich werde ich nicht einfach verschwinden und auch nicht in meinem anderen Leben, in dem ich tot bin, zurückkehren. Demnach wird sich an meiner Situation so schnell sicherlich nichts ändern. Ganz ausschließen kann ich es allerdings nicht.


Bisher habe ich mich hauptsächlich darauf konzentriert nicht aufzufallen und mich genauso so zu benehmen, wie mein vergangenes ´Ich´ sich verhalten würde. Ruhig und Diszipliniert, ganz nach Etikette. Früher war ich unsicher und ängstlich. Niemand hat es mir je angesehen, wenn ich nicht wusste wie ich mich verhalten sollte, wenn ich schwach war oder gar in Panik geriet, dann griff ich immer auf die mir beigebrachte Etikette zurück. Meine Hauptlehre in meiner Kindheit war, du bist eine Mortain, also bring keine Schande über deine Blutlinie. Harte Worte, aber ohne sie wäre ich in dieser Familie untergegangen. Gefühle sind Anzeichen für Schwäche. Sei stolz darauf dich eine Mortain nennen zu dürfen und zeige das in einem Aufrechten Gang. War eine der Regeln an die ich mich stets gehalten habe. Allerdings war es auch wichtig, nicht zu Aufrecht zu sein. Auf keinen Fall durfte ich Hochmut oder großes Selbstbewusstsein vorweisen. Ich bin zwar eine Mortain, aber auch eine Frau und vor allem das Kind einer Mätresse. Meine ganze Kindheit war ein Drahtseilakt. Waghalsig und überaus Riskant. Meine Hauslehrer lehrten mich Bescheidenheit und Würde zu gleich. Meist stand das ein mit dem anderen in Konflikt. Es war schwierig es allen recht zu machen und obwohl ich das alles, trotz meiner Unsicherheit, gemeistert hatte, war ich doch für alle ungenügend. Mein Benehmen war tadellos, mein Schauspiel war perfekt, niemand hat es je durchschaut. Äußerlich bin ich kein einziges Mal von den Lehren meiner Erziehung abgewichen. Aber das Ergebnis war immer das gleiche. Ich war das unliebsame Bastard Kind, Lady Veronika Audett Mortain.
Eine anerkannte Lady, um das Ansehen der Familie nicht zu schaden, aber gewissermaßen immer noch ein Bastard. Mein Fehler lag immer in meiner bloßen Existenz. Etwas, das ich in meinem vergangenen Leben nie begleichen konnte. Und in diesem werde ich es nicht mehr versuchen. Ich werde nicht die Anerkennung meines Vaters suchen, nicht die Aufmerksamkeit meiner Brüder und ich werde mich auch nicht, um ein friedliches Verhältnis zwischen mir und meiner Stiefmutter, bemühen. Ja, vorerst werde ich mich, wie mein vergangenes Ich verhalten, aber ins geheim werde ich Pläne schmieden, Informationen sammeln und mir bekanntes Wissen effizient einsetzen. Diesmal werde ich über mein eigenes Leben bestimmen.

In der letzten Woche habe ich mich ruhig verhalten. Ich möchte ungern, dass irgendjemand mitbekommt, wie sehr sich meine Ansichten verändert haben und wie wenig ich, das Mädchen von früher bin. In meiner jetzigen Position kann ich mir nichts erlauben. In der Gesellschaft haben Mädchen wie ich keine Stimme, keine Rechte und keine Freiheit. Außerdem bin ich auf mich allein gestellt. Ein, von der Familie ausgegrenztes, Bastardkind findet in der Adeligen Gesellschafft keinen Anschluss. Man begegnet Herabsetzung, Hohn und Abneigung. Respekt und Wertschätzung sind Werte, die mir gegenüber immer verwehrt blieben. Mein eigener Vater empfindet sogar Abscheu für mich. In einer solchen Gesellschaft erscheint es mir unmöglich Freunde zu finden. Aber meine Prioritäten für dieses Leben haben sich verändert. Ich will keine Freunde. Ich will Geschäftspartner. Ich brauche keine Liebe. Ich brauche Geld und Macht, um zu überleben. Und das wichtigste ist, mit meinem jetzigen Wissen kann ich das erreichen. Ich bin nicht dumm, ich bin intelligent, war ich damals schon. Meine damaligen Leistungen gingen weit über den Durchschnitt hinaus. Musik, Geschichte, Fremdsprache, Kunst und Kultur, waren Fächer in denen ich auch als Frau von Hauslehrern unterrichtet wurde. Dies waren die Fächer in denen ich offiziell unterrichtet wurde. Fächer denen ich mich mit Begeisterung gewidmet habe. In diesem Bereich hätte ich den Mortains alle Ehre bereiten können. Inoffiziell habe ich mir im Selbststudium Wissen über Geographie, Wirtschaft, Politik, Philosophie, Strategie und Architektur beigebracht. Ich wollte meinen beiden Brüdern in nichts nachstehen, wollte mit ihnen auf einer Stufe stehen und von ihnen gesehen werden. Allerdings war ich naive, naive genug zu glauben in einer Gesellschaft wie dieser einen Platz zu finden. Meine Familie hat mir nie die Chance gegeben mich zu beweisen. Sie haben nie bemerkt, dass ich ihnen technisch gesehen in nichts nachstehe. Aber Naivität werde ich mir diesmal nicht erlauben.

Uninteressiert blättere ich durch die Zeitung, die mir Marla grade vorbeigebracht hat. Marla ist meine Nanny. Sie wurde von meinem Vater eingestellt, damit sie meine Erziehung übernimmt. Ihre Hauptaufgaben bestehen darin mich morgens aufzuwecken, mir Bücher oder die Zeitung zu bringen, mich an meinen Zeitplan zu erinnern und mich in Etikette zu unterrichten. Die anderen Aufgaben, wie mir beim Ankleiden zu helfen, mir Essen zu bringen und meine Gemächer sauber zu halten, übernehmen die Dienstmädchen. Diese wechseln sich aber immer untereinander ab, sodass ich keine nähere Beziehung zu ihnen habe. Somit ist Marla die Einzige feste konstante in meiner Kindheit gewesen. Jedoch war sie nie eine Bezugsperson für mich, durch ihre Strenge und den großen Wert den sie auf Etikette legt, konnte ich nie ein enges Verhältnis zu ihr Aufbauen. Alles außer einen oberflächlichen Plausch ist zwischen uns nie zu Stande gekommen. Insgeheim glaube ich, dass das ihre Absicht ist. Sie möchte vermutlich gar keinen vertrauten Umgang mit dem verlassenen Kind der Mortain Familie. Das schlimmste ist dabei, ich kann es vollkommen nachvollziehen. Als Edle Dame aus der oberen Bürgerschicht ist sie weit unter meinen Stand. Ihre Herkunft bietet ihr keinen Schutz. Sollte sie also durch mich in einen Konflikt zwischen Adeligen geraten, wäre das ein schnelles Ende für sie. Somit ist es für sie am sichersten, zwischen uns kein Verhältnis, das über ihren beruflichen Pflichten hinausgeht, zu zulassen. Es war ein kluger Schachzug von ihr sich emotional von mir fern zu halten, da man als Bastard Kind schnell mal zwischen die Fronten gerät.

Im Grunde hatte ich damit als Kind niemanden den ich nahestand. Mit nur einer persönlichen Nanny, wechselnden Dienstmädchen und strengen Hauslehrern erfüllte mein Vater das Minimum an Angestellte für eine Lady. Von einer eigenen Zofe konnte ich nur träumen. Durch meine Isolation von anderen hatte ich große Schwierigkeiten mich emotional Auszudrücken. In den sozialen Kreisen war ich als kaltherzig und unmenschlich bekannt. Es war wie ein Teufelskreis den ich nicht entkommen konnte. Bis zu meiner eigenen Enthauptung war ich in ihn gefangen. Bei den Gedanken diesen Kreis auch in meinen zweiten Leben nicht zu entkommen, verkrampfen sich meine Hände und die einzelnen Seiten der Zeitung zerknittern unter meinen Fingern. In der Zeitung wird berichtet über die Eröffnung von einen neuen Kleidunggeschäft in den nobleren Vierteln, darüber das der Ehrenhafte Luke Nelton sein Erbe antritt und damit zum Viscount von Barren wird, und über eine entlaufene Tochter eines Barons, die vor ihrer Verlobung geflüchtet ist. Weiteres Nennenswertes steht nicht in der Zeitung. Nichts, das mich von meinen Gedanken ablenken kann. Zwar versuche ich mich immer wieder auf die jetzigen Geschehnisse zu konzentrieren, ob auf die Zeitung oder den Unterricht, den ich in der letzten Woche erhalten habe, aber ich rutsche mit meinen Gedanken immer wieder in die Vergangenheit zurück. Selbst im Schlaf kann ich meiner Vergangenheit nicht entkommen. Nachts wache ich schweiß gebadet auf, weil ich die Klinge spüre, die mit roher Gewalt erst meine Haut und dann den Knochen durchschneidet. Und dann, im dunklen meines sonst so farbenhellen Zimmers, sehe ich in den Schatten die hasserfüllten Gesichter meiner Familie. Nach der Erkenntnis, dass dies nur meine Einbildung ist, die mir nach einem Albtraum schrecklich mitspielt, fühle ich mich älter, als ich selbst mit 27, zum Zeitpunkt meines Todes, war. Viel zu alt für meine Jetzige 15-jährige Gestalt.

Frustriert meinen Gedanken nicht entkommen zu können, lege ich die Zeitung, auf einen kleinen Beistelltisch, zur Seite. Alles andere als damenhaft strecke ich meine Füße aus, die mir von der langanhaltenten unbequemen Situation so gut wie eingeschlafen sind und erhebe mich aus dem gelben Sessel, der mit den Rücken zur Fensterfront steht. Noch etwas ungelenk begebe ich mich zu eben dieser, um in den Innenhof zu sehen. Das Herrenhaus der Mortain ist U-förmig aufgebaut. Das gelbe Sonnenzimmer, in dem ich lebe, befindet sich im Ostflügel, sodass ich den Westflügel auf der anderen Seite des Innenhofes sehen kann. Der Innenhof besteht aus einem prachtvollen Garten mit einem schimmernden, gepflegten Teich in der Mitte. Umgeben wird der Garten von einem breiten gepflasterten Weg der von beiden Seiten zum Haupteingang des Herrenhauses führt. Insgesamt kommt mir der Innenhof aber wie eine Kluft vor zwischen den Ost- und den Westflügel. Eine Kluft zwischen mir und meiner Familie, die in Westflügel lebt. Das Leben meiner Familie spielt sich im Westflügel ab. In dem sie ihre Gemächer haben, den Speisesaal wo sie essen und den Salon, in welchen sie ihre Zeit gemeinsam verbringen können. Selbst die Gästezimmer befinden sich im Westflügel, damit ja keiner der Gäste mir über den Weg laufen muss. Der einzige Ort, in dem wir uns treffen, ist die Bibliothek im Hauptteil des Hauses. Aber selbst da, ist ein Treffen eher selten, hat doch jeder Flügel nochmal eine eigene kleine Bibliothek.
Früher erschien es mir unerträglich, alleine im Ostflügel zu leben und nicht mit meiner Familie zusammen zu speisen, sondern mein Essen alleine in meinen Gemächern zu mir nehmen, zu müssen. Aber jetzt erleichtert es mich, meiner Familie aus dem Weg gehen zu können. Der ganze Ostflügel steht leer. Mein Zimmer befindet sich in der dritten Etage, mit mehreren weiteren leeren Zimmern. Eins davon benutze ich, als Studienzimmer und ein anderes als Atelier. Die anderen sind leer. In der zweiten Etage sind seit Jahren unbenutzte Gästezimmer und die kleine Bibliothek des Ostflügels. Das Erdgeschoss wiederum hat auch einen Speisesaal, der allerdings unbenutzt ist. Des Weiteren hat es mehrere unbenutzte Salons zum Leben oder um Gäste zu empfangen.

Insgesamt ist der Ostflügel wie ausgestorben, die einzige Person die dort lebt bin ich. Die Angestellten machen nur das Nötigste für mich. Ansonsten arbeiten sie im West- oder Hauptflügel. Und Marla meine Nanny sehe ich zwar am meisten, aber sie lebt in der Hauptstadt und nicht im Angestelltentrakt unter dem Dach, des Hauptflügels. Dazu hat sie an Sonntagen frei und ich sehe sie da gar nicht. Im Vergleich zu den Leben, das ich bei meinem Ehemann hatte erschein mir der Ostflügel idyllisch. Aber welcher Ort würde nicht friedlich erscheinen, wenn man ihn mit einem Käfig vergleicht.

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