Kapitel 7

Kapitel 7

Nesrin
Alles dort bestand aus Samt und dunklem Holz. Auch hier gab es einen Kamin. Eine riesige Fensterfront führte zu einem Balkon und eine weitere Tür zu einem begehbaren Kleiderschrank. Wie viel so ein Manor wohl kostete? Und wenn, brauchte man dann nicht Personal um alles sauber zu halten? Wie gerufen sah ich ein Licht im Bad brennen, wo die Tür offen stand. Neugierig bewegte ich mich dorthin und erstarrte zugleich als ich entdeckte wer es war. „Ab?", fragte ich überrascht. Geschockt drehte er sich zu mir um. „Du bist hier? Seit wann-?", wollte er fragen, doch ich hob nur die Hand. „Das willst du gar nicht erst wissen... und du arbeitest für ihn?" entgegnete ich dann. „Nun ja... so in der Art. Ist ein Familienbetrieb wenn man so will." erzählte er mir und ich nickte. „Soll ich dir helfen?", deutete ich auf die Putzsachen. Energisch schüttelte er den Kopf. „Ruh dich besser aus.", sagte er zu mir. Ich empfand es als ziemlich komisch, mich ins Bett zu legen. Trotzdem ließ ich Ab seine Arbeit oder was auch immer machen und ging schlafen. Das Bett an sich war riesig, es passten mindestens vier weitere Personen hinein. Dennoch schlief ich darin schlechter als in den letzten Tagen bei mir in der Einzimmerwohnung. Es war komisch nicht mehr den tropfenden Wasserhahn und die vielen Autos zu hören. Immer wieder wand ich mich in der Nacht hin und her. Als ich im Halbschlaf hörte wie ein Auto wieder kam, versuchte ich mich nicht weiter anzustellen. Mit geschlossenen Augen und einem schlechten Gewissen bekam ich dann einen Albtraum. Ich riss die Augen auf und sah, das Luzifer in meiner Tür stand und bereits gehen wollte. „Luzifer?", fragte ich ohne zu wissen ob es eine gute Idee war, welche mir in den Sinn gekommen ist. Sofort drehte er sich zu mir um. „Ja?", hörte ich ihn flüstern. „Bleib hier...", antwortete ich müde. Im nächsten Moment schon kam er auf mich zu, zog seine Schuhe aus und legte sich neben mich. Die brennende Wärme schien nun wie ein gemütliches Lagerfeuer auf mich zu wirken und ich drehte mich zu ihm um, damit ich mich an ihn kuscheln konnte. Wie ein Zeichen für mein Gehirn, schlief ich danach direkt ein...
Als ich am nächsten Morgen von den Sonnenstrahlen die durch die Fensterfront kamen geweckt wurde, merkte ich sofort das etwas nicht stimmte. Ich war weder bei mir, noch lag ich auf einem Kissen. Ich wusste nicht ob ich mein dummes Halbschlafgehirn oder den Wein dafür schuld machen sollte, doch eines war klar; mein Kopf lag auf Luzifer's Brust. Gestern war ja schon schlimm genug für mich gewesen, einen Roadtrip mit ihm zu machen. Aber das? Das brauchte ich jetzt echt nicht. Vorsichtig hob ich meinen Kopf an und zog mir die Pantoffeln an, die eindeutig Ab heute morgen dort hingestellt hatte. Gerade als ich aufstehen wollte, spürte ich seinen Blick in meinem Rücken. „Du hattest mich gestern darum gebeten. Ich bin nicht schuld daran.", sagte er zu mir. „Ich weiß...", seufzte ich und sah kurz zurück um sein Gesicht zu sehen. Er war keineswegs überrascht das ich es noch wusste... war ja klar. Hätte es ihn überrascht, wäre er wahrscheinlich amüsierter gewesen. „Ich brauch jetzt Kaffee. Möchtest du auch einen?", fragte ich ihn einfach, weil ich keine Lust hatte, mich jetzt mit ihm zu streiten oder gegen ihn anzugehen. „Gerne... schwarz bitte.", bat er mich und ich staunte nicht schlecht. „Was?", sah er mich verwundert an. „Du hast bitte gesagt. Ich dachte das Wort befindet sich nicht in deinem Vokabular.", scherzte ich und ich schaffte es tatsächlich, dass er lächelte. Dann stand ich ebenfalls lächelnd auf und ging runter in die Küche. Ich hatte immer noch die Sachen von gestern an, mittlerweile waren sie zerknittert weil ich in ihnen geschlafen hatte. Bei der Kaffeemaschine angekommen, suchte ich erst einmal Tassen, doch Luzifer kam mir zuvor und stellte sie auf die Kücheninsel. Ich schmiss einfach die Kaffeemaschine an und wartete. Aber normal zu warten wäre ja langweilig nicht wahr? Denn schon im nächsten Moment merkte ich wie Luzifer sich hinter mich stellte. „Was ist?", fragte ich ein wenig genervt. „Konntest du gestern gar nicht schlafen?", entgegnete er besorgt. Mit verschränkten Armen drehte ich mich zu ihm um und war von ihm eingekesselt worden; seine Hände waren jeweils rechts und links von mir neben der Kaffeemaschine auf der Arbeitsfläche abgelegt worden und er stand nur zwei Zentimeter weit von mir entfernt. „Es... es war komisch ohne den tropfenden Wasserhahn und der lauten Straße.", stotterte ich leise. Ich bekam kaum noch Luft wenn ich so nah vor ihm stand. Mit einem Schmunzeln wandt er sich plötzlich von mir ab und ich atmete tief ein und aus. Diese Reaktion hatte ich schon seit Jahren nicht mehr gehabt... das letzte Mal in der High School, als ich auf den beliebtesten Schüler der gesamten Schule stand, wie fast jede andere auch. Er war auch ein Badboy... doch im Gegensatz zu Luzifer nur ein niemand. Bei Luzifer brannte mir sofort die Haut weg... ein Kuss auf die Wange und ich falle fast in Ohnmacht, selbst ein Blick genügte und ich fing innerlich Feuer. „Tut mir leid. Bei mir gibt es keine kaputten Gegenstände und laute Straßen.", meinte er und nahm sich die gefüllte Kaffeekanne mit der er unsere Tasse füllte. Alles an seiner Körperhaltung verkrampfte sich. Er log. Das wusste ich im selben Moment wo er mir das gesagt hatte. Er ist kaputt. Genauso wie ich es bin. Doch weder er, noch ich würden es uns freiwillig eingestehen. Ich versuchte zu lächeln, die Situation damit zu überspielen. Aber ich spürte sein innerliches Chaos und er höchstwahrscheinlich auch meinen innerlichen Schrei. Obwohl ich nicht wusste wieso er kaputt war, verband es uns ein wenig. Sein Körper lockerte sich wieder und er nahm einen Schluck Kaffee. Er reichte mir meine Tasse und ich nahm ebenfalls einen Schluck davon. Eine Stille breitete sich zwischen uns aus und wir starrten gemeinsam die Luft an. „Hattest du nicht eine Reise geplant?" fragte ich um von dem ganzem weg zu kommen. „Stimmt... wir müssen bald los, sonst erwischen wir den Flug nicht mehr." erzählte er und ich sah ihn an wie ein Pferd. „Wir fliegen?", fragte ich ihn verblüfft. „Ja, nach Los Angeles.", murmelte er, nahm noch einen Schluck Kaffee und stellte sowohl seine als auch meine Tasse ab. Als er sich schon umdrehen wollte um sich anzuziehen, hielt ich ihn an seiner Hand fest... die mindestens doppelt so groß wie meine war. Dennoch drehte er sich sofort zu mir um und sah mich fragend an. „Ich hab nichts zum Umziehen hier.", erklärte ich ihm. „Oben.", antwortete er nur und ich wusste sofort, was er damit meinte. Schnellen Schrittes lief ich die Treppen hoch und öffnete den begehbaren Kleiderschrank. Dort hingen alle Arten von Kleider, Hosen, Oberteilen und Schmuck... es schien fast so, als hätte er das ganze hier Jahre voraus geplant und das machte mir ein wenig Angst. Kopfschüttelnd ignorierte ich die Tatsache und zog mich um. Mein Outfit bestand nun aus einem Oversizepulli in grau, grob gestrickt und einer schwarzen Jeans mit einem Ledergürtel. Nachdem ich mich noch einmal in dem Wandspiegel beim begehbaren Kleiderschrank angesehen hatte, damit ich sehen konnte ob es zueinander passte, zog ich mir schwarze Stiefel an. Dann lief ich runter, wo Luzifer in einem frischen schwarzen Hemd und schwarzer Hose auf mich wartete. Ich fragte mich, wie er in so kurzer Zeit sich umziehen konnte, wo ich mich doch schon beeilt hatte. „Können wir jetzt?", fragte er und ich nickte. Ohne noch länger Zeit zu verschwenden, gingen wir zur Garage und stiegen in einen schwarzen Porsche mit dem wir zum Flughafen fuhren. „Wie lange dauert es bis zum Flughafen?", fragte ich ein wenig gelangweilt und doch gerne davon abgelenkt, wie warm mir durch ihn in meinem Oversizepulli wurde. Natürlich war es kühl draußen... langsam zeigte sich der Herbst und die Blätter verfärbten sich. Doch ihm so nahe zu sein brachte mich um den Verstand. „Eine halbe Stunde.", antwortete er nur knapp und konzentrierte sich auf das Fahren. Das hat ja nicht gerade viel gebracht. Also sah ich lieber aus dem Fenster und starrte die verschiedensten Häuser und Bäume an.
Zum Glück kamen wir schnell beim Flughafen an und wir stiegen aus. Anders als sonst hatten wir tatsächlich einen Privatjet. Es fühlte sich so anders an als beim normalen Fliegen. Als wir uns hinein setzten, sah ich Luzifer lange an. War das etwa sein ernst? Flogen wir jetzt wirklich in einem Privatjet nach Los Angeles? Nachdem er endlich Aufblickte legte er den Kopf schief. „Darf ich fragen womit du das ganze Geld verdient hast?", fragte ich ihn sofort skeptisch. „Es ist eine Art Familienunternehmen wenn man so will.", erläuterte er. „Also wie Ab gesagt hat...", flüsterte ich eher zu mir selbst als zu ihm. „Was?", fragte er dennoch verwirrt. „Abbadon. Er arbeitet für dich... hat gemeint es sei ein Familienbetrieb.", erläuterte ich. „Ach wirklich?", funkelten auf einmal seine Augen und ich wünschte ich hätte nichts gesagt. „Ja wirklich.", wurde ich patzig.
„Das Personal darf eigentlich gar nicht mit Gästen reden."
„Ab ist mein Freund! Ich hatte ihn ausgefragt... er hat bloß höflich geantwortet.", nahm ich ihn in Schutz. Ich seufzte. „Es war doch nur ein Gespräch, mehr nicht, okay? Also reg dich ab...", sagte ich dann zu ihm. „ Na gut.", ließ er es auf sich beruhen und ich war erstaunt wie einfach er klein bei gab. „Echt?", fragte ich ihn wispernd. Kurz sah ich bei ihm keine Reaktion. Dann jedoch hob seine Hand mein Kinn an, sodass ich ihm in die Augen sehen musste und er drehte den Kopf zu mir. „Echt.", flüsterte er mir zu und ich wusste das er diesmal die Wahrheit sagte. Genau da fiel mir wieder mein Block ein, den ich vor kurzem geschrieben hatte. Es war bestimmt noch niemand drauf gekommen... doch wenn, wüsste ich gerne wie viele. Sofort löste ich meinen Anblick von den dunklen braunen Augen und suchte mein Handy, welches in meiner Handtasche lag. Gefunden öffnete ich die Seite und erschrak. Über tausend Leute hatten ihn schon gelesen und mindestens hundert von ihnen hatten einen Kommentar darauf hinterlassen. Kurz blickte ich wieder zu Luzifer. „Wenn das hier ein Ausflug ist, damit ich mit dir ausgehe, kannst du dir das im übrigen schon aus dem Kopf streichen. Ich bin nur mitgekommen, weil ich die letzte Zeit Mal vergessen musste. Ist das klar soweit?", fragte ich ihn. „Wir werden ja sehen...", meinte er nur provokant, wandte sich dann aber ab und sah aus dem Fenster. Jetzt hatte ich auf jeden Fall Zeit mir anzusehen, was ich alles als Nachricht hinterlassen bekommen habe... so viel Aufmerksamkeit war ich gar nicht gewohnt. Für gewöhnlich war ich aber auch nicht so mutig und schrieb einen Block über mein Leben. Natürlich hab ich dabei andere Namen verwendet wegen dem ganzen Datenschutz heutzutage... trotzdem überraschte es mich, wie viele sich für die Fortführung interessierten. Hätte mich eigentlich aber auch nicht wundern müssen, dass sich so viele nach einem riesigen Drama sehnten... so war die Gesellschaft eben. Kurz dachte ich zurück an die neunte Klasse... vielleicht hatten sie mich auch deswegen alle zum Sündenbock gemacht... weil ich ein gutes Drama abgab, jedes Mal wenn sie mich nieder gemacht haben. Gespannt las ich mir die Kommentare durch und entschied mich dazu, dass riesige Drama fortzusetzen. Knapp schaute ich in Richtung Luzifer. Er hatte die Augen geschlossen und sich zurück gelehnt. Einen Moment lang starrte ich ihn an, um zu sehen ob er wirklich schlief. Dann widmete ich mich meinem Block. Ich fing dort an, wo ich aufgehört hatte. Es schien eine ganze Ewigkeit her zu sein, als ich zuletzt geschrieben hatte. Es waren zwar gerade erst 28 Stunden vergangen, alias anderthalb Tage... dennoch fühlte es sich so an wie eine ganze Ewigkeit. Ich schrieb mindestens sechs tausend Wörter nieder, ehe ich meine Finger von der Tastatur nahm und mir noch einmal alles durchlas, bevor ich es hochlud. Mein Blick wanderte nach draußen zu den Wolken und dem blauen Himmel, der manchmal zu sehen war. Seit ich auf Eva traf, hatte sich mein Leben drastisch verändert. Nichts war mehr so wie vorher... ein Teil von mir streikte gegen das neue an, wie ein sturer Stier. Doch trotzdem war ich zu neugierig auf was noch alles kommen würde, wenn ich diesem Pfad folgte. Ich merkte bei meinen Überlegungen gar nicht, dass sich die Hitze neben mir Auflöste und eine Geborgenheit sich breit machte. Sofort schaltete mein Gehirn als ich es resigniert darauf hinwies, auf die Hitze wieder um. Sich bei ihm geborgen zu fühlen, war nicht gerade das was ich von mir selbst wollte. Eigentlich war ich nur zu aufgeregt, wohin er mit mir wohl gehen würde, sobald wir das Flugzeug verließen. Ich konnte mir nicht den Luxus leisten, ihn anzufangen zu mögen.

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