Kapitel 6: Die Brooklyn Bridge und Luzifers Anwesen

Nesrin
Natürlich musste jener ein Cabrio besitzen, was ja gar nicht preisgab, dass er reich war. Wie ein Gentleman öffnete er mir die Beifahrertür und ich stieg ein. Danach setzte er sich ans Lenkrand und wir fuhren los. „Was will meine Prinzessin denn gerne zuerst sehen?", fragte er mich dabei mit einem verschmitzten Lächeln. Das Prinzessin überhörte ich geflissentlich. Kurz überlegte ich. Es gab so viele Dinge die es in New York gab und gesehen haben musste. Da wären die Freiheitsstatue, die eigentlich nur ein Geschenk von den Franzosen war, weil sie sie als hässlich empfanden, der Central Park, das Empire State Building... und alles hatte ich noch nicht besucht. „Ich war noch nie auf der Brooklyn Bridge.", erzählte ich dann und schon Bogen wir ab in Richtung Süden. Ich genoss es richtig, die Sonne auf meiner Haut zu und den Wind durch meine Haare zu spüren. Ich merkte gar nicht, dass Luzifer mich manchmal ansah. Es schien so normal zu sein, neben ihm im Auto zu sitzen und spontan einen Ausflug mit ihm zu machen. Es erinnerte mich ein wenig an Daniel und mich... bloß das Feuer hatte gefällt. Das Feuer was ich bisher nur von ihm kannte. Das ächzen der Haut, das Gefühl gleich zu verbrennen wenn ich in seiner Nähe war... erst als Aaron aus meiner Wohnung verschwunden war, hatte ich es wieder gespürt, fast so als würden sich meine Gefühle gegenseitig aufheben wenn ich mich mit beiden traf. Ruckartig fing mein Herz an zu rasen, als hätten wir gerade einen Unfall gehabt. Doch in Wirklichkeit trafen sich nur unsere Blicke. Es fühlte sich fast an, als hätte mir der eine Blick wieder Lebensfreude eingehaucht. Ich wehrte mich gegen den Gedanken, jemanden in ihm gefunden zu haben, der ein guter Mensch ist. Er hatte gestern ziemlich übertrieben als er meinen Freund verjagt hatte und die Kommentare von heute morgen waren auch nicht gerade nett gewesen. Um ehrlich zu sein hatte ich dem Roadtrip auch nur zugestimmt wegen Aaron und war zu ängstlich um dann doch abzusagen. Es lag einfach alles an meiner doofen Spontanität. Plötzlich wir an. Nicht weil wir in den Stau geraten waren oder der vor uns abbiegen wollte und langsamer wurde... nein, wir waren bei einem Parkplatz angekommen. Verwundert darüber sah ich zu der nicht mehr so weit entfernten Brooklyn Bridge. „Was ist? Wieso sind wir bei einem Parkplatz und nicht auf der Brooklyn Bridge?", fragte ich Luzifer. „Das heute Morgen... dass kannst du nicht einfach so verdrängen.", sah er mich an und irgendwas blitzte in seinen Augen auf. „Ach nein? Stell dir vor, Menschen machen das so.", sagte ich zu ihm, als wäre er nicht von dieser Welt. Er seufzte und rieb sich die Schläfe. „Wenn du alles so verdrängst wie jetzt, wirst du irgendwann wegen nichts wie ein Vulkan ausbrechen. Verstehst du? Das ist nicht gesund. Weder für dich, noch für deine Mitmenschen, die sich dann schuldig fühlen.", erläuterte er mir. „Ich... ich...", stotterte ich nur. Klar, ich verdrängte meistens meinen großen Frust. Das hatte ich damals auch schon getan. Allerdings hatte sich nie jemand deswegen Sorgen gemacht. Ich hatte auch noch nie einen Wutanfall... ich war einfach nicht der Mensch dafür. „Meine Güte, du musst schon ein Engel sein, wenn du den Frust ewig in dir aufstauen kannst.", stichelte Luzifer in meinen Wunden. „Ich bin kein Engel, keine Prinzessin und ganz sicherlich auch niemand, der mit dir freiwillig was unternehmen würde, wenn er nicht gerade am Boden zerstört wäre, klar?", rüttelte ich auf einmal alles aufgestaute in mir langsam wach. „Jetzt kommen wir dem Wutanfall den du jetzt brauchst, ein wenig näher. Was hat dich in letzter Zeit am meisten aufgeregt?", fragte Luzifer. „Was mich...?! Alles! Meine falschen Freunde, mein doofer Freund der seinen Mund nicht auf bekommt sobald ein Anderer es bei mir versucht, die Scheidung meiner Eltern, weil sie meiner Meinung nach das schon vor Jahren hätten tun sollen, denn sie waren schon seit meinem zehnten Geburtstag so zerstritten und fremd einander wie heute und... und... mein Leben...", gab ich leise bei und wusste das ich anfing zu weinen. Mein Leben war noch nie gut... ich wurde gemobbt für mein Aussehen, hatte niemand richtiges, an dem ich mich festhalten konnte... wieso stand ich dann immer wieder auf, sobald ich fiel? Wieso hatte ich weiter gekämpft? Es gab damals keinen Grund dazu... keinen einzigen. Dennoch... obwohl mich das Leben immer wieder in ein schwarzes Loch gezogen hatte, ich hatte den Mut aufgenommen und mich herausgezogen. Unvorhergesehen nahmen mich zwei Arme im Schutz und mir wurden die Tränen von einer rauen Hand weggewischt. Überall wo ich von den Armen und der Hand berührt wurde, brannte es wie tausend Flammen. „Ich sagte Wutanfall, nicht einen Tränenausbruch...", flüsterte er mir ins Ohr und sah mir danach in die Augen. Es hatte etwas gefährliches und gleichzeitig sanftes an sich, wie er mir das gesagt hatte. Den Mann von meinem Traum erkannte ich kaum noch wieder... Wie ein Rausch kamen ruckartig beide Träume wieder in meine Erinnerungen, als ich ihm tief in die Augen sah. Nur ein einziger Teil wollte nicht wieder hervor gerufen werden. Ich wusste nur, dass er im ersten Traum etwas zu Aaron gesagt hatte. Was es jedoch war... das konnte ich einfach nicht herausfinden. Ich zuckte erst danach zurück, als ich merkte wie das Aussehen musste. Er und ich in einer halben Umarmung, seine Hand unter meinem Kinn und sein Gesicht direkt vor meinem... Als wäre nichts passiert zwischen uns, setzte er sich wieder richtig ans Steuer und legte den Rückwärtsgang ein um zur Brooklyn Bridge zu fahren. Ich merkte das es ihn verletzt hatte als ich mich zurück gezogen hatte, aber nicht auf eine normale Art und Weise. Im Versuch mir nicht weiter den Kopf darüber zu zerbrechen, genoss ich lieber die Fahrt. Doch seit dem hatte sich irgendwas zwischen uns aufgebaut. Ob es nun heiße Luft war oder etwas gutes konnte ich nicht sagen. Es machte mich innerlich auf jeden Fall verrückt. Ein bisschen fühlte es sich so an, als wäre es so unergründlich wie der East River unter uns. Auf der anderen Seite der Brücke angekommen wurde das Auto merklich langsamer. „Ich verstehe nicht wie dein Freund dich einfach so abblitzen lassen konnte.", hörte ich neben mir Luzifer wispern. „Ich glaube einfach, dass er mich nicht mehr wirklich liebte... das kann schon Grund genug dafür sein.", antwortete ich mit festerer Stimme als ich es von mir selber erwartet hätte. Eigentlich wollte ich nicht, dass Luzifer über mein Gefühlsleben Bescheid wusste. Doch als ich vor der Brooklyn Bridge gebeichtet hatte, war es ein komplett neues Gefühl was er mit sich brachte. Schutz. Egal was nun passieren würde. „Nesrin...", wisperte er und ich bekam eine Gänsehaut. „Luzifer?", versuchte ich mich davon abzuhalten, das Gefühl in meinem Bauch zu bemerken als er meinen Namen aussprach. „Du solltest nicht weiter über den Typen nachdenken, er hat dich mit keinem Stück verdient.", sagte er nun mit grimmiger Stimme und ich sah wie er das Lenkrad fester hielt als vorher. Er wollte ihm eine verpassen, so wie ich es wollte... doch im Gegensatz zu mir nicht nur einmal, dass wusste ich. Wieso gerade ich diejenige bin die er sich von allen Mädchen anscheinend als sein Eigen ausgesucht hatte, war fragwürdig. Ich war durchschnitt. Wenn nicht sogar weniger. Dennoch sorgte er sich nur um mich... Während Aaron eine beruhigende Sunnyboy Wirkung auf mich hatte- hatte er den Platz des Badboys eingenommen. Während wir mindestens jede dritte Ecke abbogen sah ich ihn mit forschendem Blick an. Ich glaube er wusste ganz genau das ich das tat. Trotzdem sah er wie gebannt auf die Straße, als würde er zu einem bestimmten Ort fahren und ich hatte recht damit. Wieder wurde das Auto ein Stück langsamer als wir einen abgelegenen Weg zu einem riesigen Manor entlang fuhren. Kurzzeitig dachte ich, es sei ein riesiger Scherz von ihm. Doch stattdessen fuhr er einfach weiter zur Garage wo schon weitere Autos standen, die sicherlich einzeln schon ein ganzes Haus wert waren. „Was wird das?" fragte ich ein wenig irritiert. „Willkommen in meinem Zuhause... jedenfalls gelegentlich.", zeigte er auf das Manor und ich glaubte mich verschluckt zu haben. „Gelegentlich? Willst du mir erklären, dass du mehrere Villen hast?", fragte ich schockiert. „Auf der ganzen Welt verteilt.", zuckte er nur mit den Schultern und ich stieg verdattert aus dem Auto aus. „Wie reich bist du?", wandte ich mich danach wieder an Luzifer. „Nicht weniger reich als Aaron.", meinte er zu mir und stieg ebenfalls aus. Dann schloss er das Auto ab und wir gingen von der Garage in ein Wohnzimmer. Alles dort war in dunklen Tönen gehalten. Die Wände jedoch bestanden aus hellem Ziegel und eine Glaswand ließ Licht in das dunkle Gemäuer kommen. Abgelenkt von dem Manor, bekam ich nicht mit wie Luzifer ein Feuer in dem Kamin neben uns anmachte. „Setz dich doch... ich bin gleich wieder da.", deutete er mir dann an und ich setzte mich auf die blutrote dunkle Seidencouch. Mein Blick wanderte zum Kaminfeuer. Es schien kaum Wärme abzugeben... im Gegensatz zu Luzifer jedenfalls. Dieser kam mit einem Wein und zwei Gläsern wieder und drückte mir eines der Gläser in die Hand, nur um dann die Flasche zu öffnen und mir einzugießen. „Was wird das? Willst du mich hier etwa abfüllen?", fragte ich ihn. Mit einem diabolischem Lächeln füllte er sich selber ein und stellte dann die Flasche weg. „Nicht direkt. Ich werde gleich losfahren zu meiner Arbeit. Ich will bloß das du dich hier wohl fühlst... dass Wochenende hast du doch nichts vor oder? Ich hab nämlich eine tolle Reise zu zweit geplant.", erläuterte er mir und ich nickte stumm. Ich wusste nicht ob ich die richtige Wahl damit getroffen hatte oder mich eher fürchten als auf die Reise freuen sollte. Sobald mir wegen ihm was passiert, konnte ich mich jedoch wehren. Das hatte ich ganz zu Anfang gelernt, als ich nach New York gezogen bin. Ich war nämlich in einem Selbstverteidigungskurs direkt bevor das Studium begonnen hatte. Wenn ich schon nach New York zog, so meine Mutter, musste ich mich auch verteidigen können. Immer noch das diabolische Lächeln auf den Lippen stellte er sein Glas ab, was schon leer war und stand auf. „Das Badezimmer ist die Treppe hoch links die erste Tür und das Schlafzimmer ist rechts die letzte.", sagte er noch, gab mir einen Kuss auf die Wange und verschwand nach draußen. Sofort schnellte meine Hand zu der Stelle, wo er mich geküsst hatte, als ich hörte wie er wegfuhr. Es brannte höllisch doch auf eine gute Art und Weise. Ich machte den Wein dafür Schuld, wie der Kuss auf mich wirkte, aber in Wirklichkeit... wusste ich nicht was ich davon halten sollte. Seufzend nahm ich den letzten Schluck aus meinem Glas und stellte es neben das leere von Luzifer. Dann stand ich auf und lief die Treppen hinauf. Ich wollte einfach nur ins Bett fallen. Also lief ich oben angekommen ins letzte rechte Zimmer.

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