Kapitel 14
Nesrin
Nachdem ich mir ihre lange Bitte wegen dem Ausziehen durchgelesen hatte, schrieb ich zurück, dass ich gerne morgen kommen würde und half. Doch jetzt müsste ich erst einmal ausschlafen. „Wer war das?" fragte plötzlich Aaron und ich zuckte zusammen. Kurzzeitig hatte ich ihn vollkommen vergessen. „Ähm... meine Mom. Du weißt doch von der Scheidung... sie brauch Hilfe beim Auszug. Ich fahre morgen hin und bringe ein paar Sachen von A nach B." erläuterte ich ihm. „Ich kann helfen, wenn ihr noch Hilfe benötigt. Eva wäre auch dabei... und ich glaube Luzifer würde alles dafür tun, um noch ein wenig mehr Zeit in deiner Nähe verbringen zu dürfen. Dann ist Abbadon auch nicht weit. Soll ich ihnen schreiben?" bot er mir an. Gerade aus seinem Munde so etwas zu hören verblüffte mich. Aber es schreckte mich schon lange nicht mehr so sehr ab, wie früher... beziehungsweise... bevor ich ihn und Luzifer und Abbadon und Eva getroffen hatte. „Das würdet ihr für mich tun?" fragte ich ihn und bekam große Augen. „Natürlich..." sagte er zu mir und holte sein Handy heraus, wo er alle anschrieb. Sie hatten anscheinend eine Gruppe erstellt, wo ich nicht drin waren. Kurzzeitig bekam ich Angst. Unbegründete Angst. Nein, eigentlich gar nicht unbegründet. Ich merkte, wie mein Körper anfing zu zittern. Erst leicht, dann stärker bis mein Rücken schmerzte. „Nesrin?" fragte Aaron vorsichtig. Mit aller Kraft meiner selbst sorgte ich dafür, dass ich damit aufhörte. „Was?" fragte ich stattdessen und lenkte mich und das Thema somit sofort in eine andere Richtung. „Ich hab ihnen jetzt Bescheid gegeben. Luzifer hatte sofort zugesagt. Ab und Eva haben auch sofort zugesagt... sie sind bloß gerade unterwegs und kommen morgen höchstwahrscheinlich später." erläuterte er mir. Ich schmunzelte. Wieso hatte ich eigentlich gezittert? Sie würden mir nie im Leben dasselbe antun... „Danke. Wirklich! Das wird meine Mutter freuen..." bedankte ich mich sofort und umarmte ihn.
Kurz nachdem er sie erwidert hatte, vibrierte sein Handy. „Oh..." kam es nur aus seinem Mund. „Was ist los?" fragte ich besorgt. „Ich... ähm... muss los..." stammelte er. „Schon gut, ich bin sowieso müde." sagte ich zu ihm verständnisvoll und lächelte. Er lächelte zurück. „Wir sehen uns dann morgen?" fragte er und ich nickte. Daraufhin verabschiedeten wir uns voneinander und ich trank meinen Kaffee aus.
Während den vielen Geschehnissen der letzten Tage, war ich gar nicht dazu gekommen, meine Gedanken zu sortieren. Da war die Sache mit Luzifer und Aaron... dann die Tatsache, dass sie es ja doch nur wegen Psychologie taten... aber irgendetwas ließ mich nicht los. Erstens; die Tatsache, dass sie Dinge von mir wussten, die ich ihnen nie erzählt hatte... jedenfalls nicht persönlich. Zweitens; die Autorin von dem Buch hatte mich gewarnt, dass ich mich nicht für den Teufel entscheiden sollte. Und dann wäre da noch drittens. Mein Bauchgefühl... und ja, ich wusste das das dämlich war. Aber es war trotzdem da. Das Bauchgefühl, welches sich so schnell an alles gewöhnt hatte, jenes, welches Eva einfach so eintreten ließ in meine Wohnung ohne, dass ich wusste wer sie war. Oder der Fakt, dass ich mit zwei mir eigentlich total fremden Typen wegen meines „Bauchgefühls" praktisch nach Meppen flog. Und dann... ja dann war da noch die Sache, war es das wirklich für sie wert? Es war immerhin nur eine verdammte Psychologie Aufgabe gewesen! Wieso dafür also so viel Geld ausgeben, wenn sie mich auch durch kleine Dinge hätten überzeugen können, sie zu wählen?
Ohne weiter darüber nachzudenken, lief ich zu meinem Laptop. Ich erinnerte mich zurück, was für ein Gefühl mir Eva bei der ersten Begegnung gegeben hatte... warm, wohlig und... ja, es klang verrückt, wie zuhause. Und dann, wie gerne ich anfangs Abbadon eine verpassen wollte. Einfach weil er aufgetaucht war. Ergab das irgendwo noch irgendeinen Sinn? Ich denke nicht... mit einer Bewegung klappte ich den Laptop auf und gab das Passwort ein. Beim Startbildschirm klickte ich unten auf Google und schließlich öffnete ich den Blog. Mein Blick überflog alles sofort geschriebene. All die Kommentare dazu, all das durcheinander Gerede, ich hörte förmlich die verwunderten, überraschten und zugleich neugierigen Stimmen in meinem Ohr flüstern. Ich versuchte sie irgendwie zu ignorieren, konzentrierte mich darauf, was ich schreiben wollte. Und dann, begann ich einfach...
Wieso? Erklärt es mir, wieso? Das ist die Frage, die mich schon seit fast einer guten Woche begleitet. Zwei reiche Typen, die sich um mich ... nein, ein Mädchen wie mich scherten, nur wegen einer bescheuerten Aufgabe meines Professors? Entweder werde ich verrückt oder sie. Glück, kann man all das nicht mehr nennen! Vor allem nicht, nachdem ich alles nochmal durchgegangen bin... die Sache mit der Autorin, die mir sagte ich sollte mich nicht für den Teufel entscheiden; der Fakt, dass ich Fremde einfach so in meine Wohnung ließ und mit ihnen redete wie alte Freunde... nein, nicht einmal der Fakt, dass die zwei Typen von meinen Träumen wissen, ist meiner Meinung normal. Bitte. Wieso? Ich glaube irgendwas schon die ganze Zeit geskippt zu haben... wie wenn man zu viel getrunken hat und nicht mehr weiß, was man am Vortag getan hat. Ein Filmriss. So heftig, dass man nicht einmal mehr weiß, dass er da war.
Erst als ich auf absenden drückte, fiel ich auf meine Nase. Die ganze Zeit über, war es direkt vor meinen Augen gewesen... wie konnte ich es nur übersehen? Der Fahrer der aus dem nichts auftauchte und vor einem am anderen Ende der Welt schon auf einen wartete, der Punkt, dass ich nicht einmal ihre Nachnamen kannte... dass Wort Teufel... wie kann man nur so blind sein? Widerwillig zwang ich mich dazu, nur meiner Mutter zu schreiben, dass wir morgen Hilfe bekommen würden. Sie freute sich. Aber in mir tobte dazu gerade ein zu großes Chaos... ein Chaos, in dessen Sturmauge ich mit Luzifer, Evangeline, Abbadon und Aaron stand... mit den Engeln, dem Dämon und dem Teufel. Doch wieso es gerade diese waren und ob es diese waren, müsste ich wann anders herausfinden... denn mein Körper, fiel fast vom Stuhl. Ich brauchte Schlaf.
Doch Schlaf war gar nicht einfach, wenn man mit dem Gedanke an einen richtigen Teufel in der Nähe seiner Mutter denken musste oder der Tatsache, dass ein Dämon ihr beim auspacken von Kartons helfen sollte. Zusätzlich wusste ich nicht, was es mit den Engeln auf sich hatte und all der Stress, den ich durch die gestrichenen Stunden von Psychologie nicht mehr hatte, wurde jetzt doppelt so heftig. Nicht einmal mehr einen schlaflosen Traum hatte ich... kein einziges Mal in der Nacht, hatte ich wirklich geschlafen... ich wünschte mir beinahe, dass ich wieder in Paris aufwachen würde... und wenn ich dann mit dem Teufel und dem Engel reden musste. Es war mir wesentlich lieber, als unausgeschlafen mich vor meiner Mutter zu rechtfertigen, wieso ich so blass aussah.
Und die Tatsache, dass ich sie heute sowieso wieder sah, machte meinen Morgen, den ich diesmal um verdammt 5 Uhr wegen ihnen beginnen durfte, nicht besser. Mies gelaunt schlurfte ich in die Küche und drückte, nachdem ich sie gefühlt hatte mit Kaffeepulver und Wasser, auf den Knopf der Kaffeemaschine. Plötzlich klingelte mein Handy. Ich zuckte dabei richtig heftig zusammen, ehe ich sah, wer es war... Abbadon. Tja. Ich konnte ihn ja leider nicht dafür anschreien, dass ich vielleicht wusste, was er und die anderen waren. Argh... ich hätte das so gerne gemacht. Aber mein Verstand siegte über meine noch nicht ganz so sicheren Gefühle und Vermutungen und so nahm ich einfach an. „Ja?" fragte ich. „Hey, ich wollte dich nicht wecken oder so aber... ich bin gerade in einem super tollen Café. Soll ich uns Donuts mitbringen? Oh... und ich bräuchte noch die Adresse." fragte er mich. Ich atmete kurz tief ein und dann wieder tief aus. Erst danach antwortete ich mit einem knappen „Das wäre schön!" und der Adresse von meinem Elternhaus. Zum Glück wollte Abbadon auch nicht noch weiter reden und legte auf. Ich hatte schon die Befürchtung gehabt, dass er mich ausfragte, wie meine Woche war oder dergleichen. Aber er war ja schließlich meiner Ansicht und Denkweise kein Engel, also fühlte er sich höchstwahrscheinlich gar nicht mal dazu verpflichtet. Ich war ehrlich gesagt immer noch neugierig, was ich in diesem ganzen Himmelskommando zu suchen hatte... aber das finde ich bestimmt schneller raus, als mir lieb ist. Man, ich war echt froh, dass der Kaffee gerade eben fertig geworden ist. So konnte ich wenigstens auch Eva und Luzifer, sowie Aaron die Adresse schicken... ja, ich hatte irgendwie all ihre Nummern. Das komischere war, dass sie nicht wussten wo ich lebte. Ich meine, müssten sie das nicht wissen, wenn sie Engel und ein Teufel sind? Aber anscheinend war das keine Voraussetzung für ihren... „Job". Ja, Job ist glaube ich die beste Bezeichnung dafür erst mal.
Wieso denn gerade ich? Wieso konnten sie sich nicht mit irgendeinem anderen Menschen abgeben? Warf mir mein panisches Gehirn ein. Ich zwang mich dazu, nicht wieder anzufangen zu zittern. Das war das letzte, was ich nun gebrauchen könnte. Aber vor allem bräuchte ich mal einen Tag für mich... oder eher für die Planung, wie ich das Ganze angehen sollte.
Ich meine, wie fragt man jemand, dass er ein Engel ist, ohne das es komisch rüber kommt? Oder stempelt jemanden einfach so als Teufel ab und dann ist er es gar nicht? Ein genervter Seufzer entfuhr mir. Ich studierte Psychologie... nicht Religion oder dergleichen. Und trotzdem landete ich in einem Haufen von Engeln, einem Dämon und dem Teufel persönlich. Mal ernsthaft... wie wahrscheinlich war das? Um nicht völlig auszurasten, beschäftigte ich mich lieber damit, die Sachen zu packen, damit ich los konnte zu Mum. Es war nämlich nicht ganz so einfach... sie lebte weiter weg, als mir lieb war und nun würde sie noch ein Stück mehr von mir wegziehen. Doch ich hatte kein Mitspracherecht und schon gar nicht das Recht dafür, sie zu verurteilen. Ein Blick aus dem Fenster verriet mir, dass die Sonne aufging. Es wurde spät, ich musste los. In einem Zug trank ich meinen zweiten Kaffee aus, nahm meine gepackte Tasche, griff nach meinem Schlüsselbund, ging aus meiner Wohnung raus, schloss sie ab und lief nach unten. Dort wartete verwunderlicher Weise schon ein Auto, was mir leider nur allzu bekannt vor kam. Fahr doch zur Höl- beschimpfte ich ihn schon innerlich, ehe ich resigniert hatte, dass er ja aus der Hölle kam. „Möchtest du mitfahren?" fragte er, wartete allerdings nicht auf eine Antwort und öffnete die Beifahrertür, zu der er dann zeigte. Kurz biss ich mir auf meine Lippen. Immerhin... würde er mir doch nichts tun, oder? Er hatte mir ja auch vorher nichts getan... in all den Momenten, wo ich ihm auf den Zahn gefühlt hatte... gab es da überhaupt einen solchen Moment? Schließlich war er ja der Teufel... müsste er dann nicht mit allen klar-... Ich stoppte mich selber und gab mir einfach einen Ruck, damit ich einstieg. Er wollte helfen. Helfen, nicht töten oder foltern oder mir sonstige Qualen zufügen. Denn wenn, wüsste er bereits wie. Es hatte keinen Sinn, noch weiter mich über ihn aufzuregen. Oder anders formuliert, wusste ich noch nicht einmal, ob ich das durfte... schließlich war er mir über gestellt... richtig? „Deine Mum zieht also aus?" fragte plötzlich Luzifer. Komischerweise war das einer dieser Male, in denen ich nicht bemerkt hatte, dass er neben mir war. Doch sogleich brannte alles wieder. Jetzt könnte ich es wenigstens begründen und zusätzlich, wüsste ich somit mehr über die Unterwelt. Es gibt viel zu viele Geschichten darüber, aber die meisten davon, handeln vom Höllenfeuer. Das war also ein Teil einer Geschichte, der wahr war. Jetzt galt es die Dinge herauszufinden, die es dort unten noch gab und die die nicht existierten. Verdammt sei meine Neugierde...
„Nessie?"
Geschockt sah ich ihn an. Er hatte zum ersten Mal meinen Spitznamen verwendet... und das nicht einmal in einem unschönen Unterton. Irgendwas daran paralysierte mich... ungewollt. Dennoch holte es mich aus meiner vorigen Starre und meinen Gedanken raus. „Hm?" fragte ich also zurück. Ein raues tiefes Lachen ertönte, welches durch all meine Knochen widerhallte. „Ich habe gefragt, ob deine Mutter umzieht..." erwiderte er dann. „Oh... tut mir leid ich... ich war woanders..." sagte ich zu ihm. Ich wusste zwar nicht, ob er merkte wann ich log, aber das war auf jeden Fall die Wahrheit gewesen. „Schon gut..." antwortete er nur und schaute auf die Straße. Als wir wieder über eine Brücke fuhren, dachte ich an meinen Wutausbruch zurück.
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