6. Die des Meeres

Soundtracks: Daniel Licht - Dishonored 2 Trailer aus dem Dishonored 2 OST

Daniel Licht - Karnaca Battle aus dem Dishonored 2 OST

https://youtu.be/E_ZkoVIvowg

und Hans Zimmer - Hello Beastie aus dem POTC: Dead Man's Chest OST.

https://youtu.be/neythmuOngU

Abspielen der Reihenfolge nach, ab Anfang.

~

„Ihr könnt dort nicht hinauf! Geht sofort runter!" Empört versuchte der Kitsune, Izaya am Gürtel zu packen.

Amos' Finger schlossen sich um sein Handgelenk, und der Junge schrumpfte unter seinem Blick zusammen. „Lass ihn gewähren", befahl er freundlich.

Sein Erster Offizier hatte die Theke der Taverne erklommen, zog eine Pistole aus dem Gürtel und schoss in die Luft. Die Gespräche erstarben, als hätte die Kugel jeden einzelnen im Raum getroffen. Alle Blicke wandten sich zu dem Mann auf dem Tresen. 

„Alle raus hier", knurrte Izaya.

Sofort schlichen die ersten zur Tür. Andere blieben zurück, die Hände auf den Waffen, und sahen unschlüssig und misstrauisch zu ihm auf.

Eine Frau mit nur einem Auge und tätowierten Armen, die langen, verfilzten Haarsträhnen zu einem unordentlichen Knoten gebunden, stellte geradezu schicksalsergeben ein Tablett mit leeren Krügen auf dem nächstbesten Tisch ab. „Geht ruhig", seufzte sie.

„Sally", grollte ein Taur am Nebentisch, „das sind..."

„Ich weiß, wer sie sind. Geht." Sie lächelte gezwungen. Der Stiermann zuckte mit den gewaltigen Schultern und zog von dannen.

Der Kitsune in Amos' Hand wand sich. „Lasst mich los!"

Amos sah zu ihm hinab. „Wie ist dein Name?"

Er blinzelte verwirrt. „Ichigo Natsumi. Natsu."

„Ichigo. Du darfst bleiben. Du wirst genau hier stehen bleiben, und dich weder bewegen, noch ein Wort sagen, hast du verstanden?"

„Aber..."

Amos hielt ihm einen seiner Säbel an die Kehle. „Hast du mich verstanden?", wiederholte er schneidend.

Der Kitsune nickte ängstlich und sah zu Boden.

„Lasst ihn gehen, er hat damit nichts zu tun", bat Sally, plötzlich erschöpft.

Amos blickte aus dem Augenwinkel zu ihr. „Mir ist dennoch lieber, dass er bleibt. Ich denke, er sollte sehen, wer du wirklich bist. Sally Bondruart."

Sie verschränkte die Arme. „Was wollt Ihr hier? Wir wollten uns zwei Glasen nach Sonnenuntergang bei den Kapitänsgräbern treffen. Nur wir beide, ohne Euren Bluthund." Sie funkelte zu Izaya auf. „Es ist mitten am Tag, und Ihr steht mitsamt Eurem Offizier in meiner Taverne, werft meine Gäste heraus und bedroht meinen Schankburschen. Was soll das alles?"

Amos nahm den Säbel von der Kehle des Jungen und stützte sich mit den Ellenbogen auf den Tresen. Izaya sprang leichtfüßig zu Boden und zog das Katana. „Ich war, um ehrlich zu sein, nicht verwundert, als ich hörte, dass sich jemand mit mir treffen möchte, um eine Partnerschaft zu beginnen. Nicht, da Akatash Belfiores Kopf auf einer Pike vor dem Gouverneurshaus steckt, und mir nach den Wyrdail und den Erben auch noch vier Knochensammler-Captains und ein weiterer der Wyrdail die Treue geschworen haben, und da auch die Roten Kraken mit mir zu sympathisieren beginnen. Da warst du", er wies mit dem Säbel auf Sally, „nur ein weiterer in einer langen Reihe. Aber du stichst dennoch heraus. Zum einen, weil du nur eine etwas merkwürdige Tavernenwirtin bist, bei der die Huren sich in Sicherheit wissen, und kein bekannter Captain mit einem Schiff und einer Crew. Und auch, weil es sich in deinem Brief mitnichten danach anhörte, als wolltest du mit mir über verringerte Preise für Rum und Bier sprechen."

Izaya war neben Sally zum Stehen gekommen, das Katana locker in der Hand, die Schatten in seinem Fell tiefschwarz. Erste Funken stoben an seiner rechten Hand auf, als erwache ein Wesen aus Glut unter seiner Haut. Sally ignorierte ihn und ließ den Blick auf Amos ruhen. Starr und aufrecht stand sie neben dem Kitsune.

Amos konnte die Göttin aus der Ferne spüren, eine Aura von der Hitze glühender Kohlen und einer Vorahnung von Angst und Tod und schwarzem Wind, und er wollte nicht erfahren, wie es Sally erging. „Und weil wir selbstverständlich mit niemandem zusammenarbeiten, ohne vorher herauszufinden, mit wem wir es zu tun haben, haben wir ein paar Fragen gestellt. Es gab geradezu skandalöse Behauptungen."

Sally hob eine Augenbraue. „Als denn da wären?"

„In deinem Selbstgebrannten ist das Blut jener, die dich beleidigt haben. Du hast mit Rha'Ytun geschlafen und bist die Mutter der Grausamen Schwestern. Du bist der Captain des Geisterschiffs, das unlängst meine Mortis angegriffen hat." Amos zerschnitt mit dem Säbel die Luft. „Und du bist eine Hexe."

„Und das habt Ihr geglaubt?"

„Was davon?"

Sally zuckte mit den Schultern. „Irgendetwas. Das Gerücht, ich sei die Mutter der Schwestern, fand ich seit jeher erfrischend. Hat mir viele Kunden eingebracht, weil sie dachten, sie könnten sie besänftigen, indem sie bei mir einkehren."

„Aye, mir kam es auch in den Sinn, dass du das Gerede vielleicht selbst in die Welt gesetzt hast, um dir Gäste zu fangen, denn Neugier ist stärker als Angst." Amos betrachtete seine Klinge. „Doch dann schickte ich Izaya hierher, um deine Taverne genauer in Augenschein zu nehmen. Ein paar Erkenntniszauber, und er hat alles gesehen, was er sehen musste. Woraufhin wir entschieden, dich zu überraschen, anstatt an einen Ort deiner Wahl zu kommen."

„Was hat er gesehen?" Sally lächelte rätselhaft. Ihr Auge schien dunkel wie das Meer bei Sturm.

Amos verstand, wie auch die gewöhnlichen Piraten, ohne jede Magie, einen Hauch von der Sally unter all den Schleiern erahnen konnten. Ein wenig fragte er sich, ob sie mysteriös tat, um ihren Ruf zu schüren, oder ob sie ihre wahre Natur nicht vollends verbergen konnte. „Er hat deine Trugbilder gesehen. Deine Magie, die unter dieser Taverne brennt, hell wie ein Leuchtfeuer. Spuren, die in den Wald führen, dorthin, wo auch die Gräber sind." Er zog den zweiten Säbel und zeigte mit beiden auf sie. „Und das war der Moment, in dem ich wusste, dass ich keine verdammte Meervettel in meinem Königreich will."

Sally lachte klingend. „Und das glaubt Ihr? Nichts als Seemannsgarn."

Sie schnellte im gleichen Moment auf Izaya zu, in dem er mit dem Katana ausholte. Ihr Messer blitzte auf, sie wirbelte an ihm vorbei, und ein roter Streifen an seinem Bein zeugte von ihrem Erfolg. Er fauchte und schwang seine Waffe.
Funkensprühend klirrten die Klingen aufeinander. Izaya rammte ihr die Faust gegen die Schläfe, sie taumelte, und er nutzte ihre Unsicherheit. Das Katana öffnete eine tiefe Wunde in ihrer Seite. Keuchend stolperte sie zurück, die Hand auf den Schnitt gepresst.

Eine Bewegung in seinem Augenwinkel lenkte Amos' Blick von den Kämpfenden. Neben ihm riss Ichigo eine Pistole hoch und drückte ab.

Der Schuss gellte, Amos spürte, wie die Kugel die Spitzen seines Fells streifte. Mit einem Schritt war er bei ihm, packte den Jungen am Handgelenk und rammte ihm den Säbelknauf gegen die Stirn. Ichigo erschlaffte kurz, seine Lider flatterten. Fahrig versuchte er, zurück zu schlagen. Amos ließ seine Hand los, und er fiel zu Boden.

„Bleib hier. Und versuch das nicht nochmal", schnarrte Amos und sah sich zu seinem Ersten Offizier um.

Izaya wehrte Sallys nächste Attacke mit dem Schwert ab und stieß die andere Hand nach vorn. Ein Donnerschlag ließ die Taverne erzittern, Staub rieselte von der Decke. Die Druckwelle warf Sally in einem Wirbel aus Tischen, Stühlen und Krügen gegen die Wand. Stöhnend kam sie auf dem Boden auf. 

„Nein! Sally!" Ichigo wollte am Tresen vorbei kriechen, doch Amos warf ihm einen Säbel in den Weg. Zitternd blieb die Klinge im Holz eines Pfostens stecken.

„Du sollst hier bleiben", knurrte Amos und winkte sein Schwert zu sich zurück.

Sally erhob sich schwankend, Blut rann unter der Naht ihres linken Auges hervor wie rote Tränen. Ihre Haare hatten sich aus ihrem Knoten gelöst und hingen ihr verfilzt und unordentlich ins Gesicht. Amos meinte, die sich windenden Arme von Tintenfischen zwischen den Strähnen und Ketten aus Muscheln zu erahnen. Stacheln, erinnernd an Korallen, ragten aus ihrem Kopf, Seepocken wuchsen an ihrer Stirn. Wasser tropfte von ihren Haarspitzen, rann über ihre Glieder, nahm die helle Farbe ihrer Haut mit sich und entblößte ein Grau, erinnernd an den Rücken eines Hais, durchkreuzt von den tiefschwarzen Tätowierungen.

Izaya stürmte auf sie zu. Sie fauchte ein Wort in einer fremden Sprache, kalt und dunkel wie die Tiefsee, und der Kitsune prallte an einer unsichtbaren Wand zurück. Die unter die Haut gezeichneten Augen blinzelten, auf ihrer Stirn, unter ihren Augenhöhlen, zusammen mit ihrem echten, und offenbarten glänzende Schwärze darunter. Einzig die Tätowierung über der Narbe blieb.

Die Meervettel krümmte langsam die Finger, die Nägel zu Klauen verwachsen. Das Licht verschwamm zu Zwielicht. Wind fegte durch die Taverne und brachte den Geruch von Salz und Gischt mit sich, von Blut und Meerwasser, von verfaulenden Wasserleichen und trocknendem Seegras.

Angst ergriff Amos wie eine Welle, lähmend und allumfassend. Sein Fell sträubte sich. Ihm war, als reiße ihn etwas in die Tiefen des Ozeans, dort, wo Seeungeheuer und die Götter des Meeres auf ihn warteten. Mit rasendem Herzen taumelte er rückwärts. Etwas stieß gegen ihn, und er schwang den Säbel danach. Krachend schlug der Stahl auf das Holz eines Fasses.

Izaya erhob sich, die Hand um den Griff des Katana gekrallt. Das Zeichen der Banshee auf seinem Handrücken glomm auf, Schatten sammelten sich um ihn, und mit einem Sprung durchbrach er den unsichtbaren Schild der Hexe.

Sally wich seinem Schlag aus. Ihre Krallen zerrissen seine Haut, Blut sprühte auf die zerbrochenen Möbel. Schwärze breitete sich auf seinem Fell aus, faulig glänzend wie Algen. Izaya fauchte schrill, der Schrei einer Göttin in seiner Stimme, und zog ihr das Katana quer über die Brust. Sie schwankte und trat einen Schritt rückwärts, die Hand auf die Wunde gelegt.

Sie wehrte seinen nächsten Hieb mit dem blanken Arm ab. Beinahe trennte er ihr die Hand vom Körper, ein tiefer, schräger Schnitt, durch den blutige Knochen schimmerten. Sie schrie auf und hob die andere Hand von ihrer Wunde. Schwarze Scherben, flackernd und in ständigem Wandel, lösten sich aus ihrer Brust, während sich die Verletzungen langsam schlossen, und schwebten über ihrer Handfläche.

Doch der Bann war gebrochen. Amos warf seinen Säbel, die Klinge streifte Sally am Arm, und ihr Blick flackerte wütend zu ihm.

Izaya rächte ihre Unaufmerksamkeit. Ein Tritt, und sie flog rückwärts gegen die Wand. Wie ein Tier stürzte er sich auf sie, die Zähne gebleckt, die Augen beunruhigend hell. Seine Faust traf ihre Wange, ihr Kopf wurde zur Seite geschleudert. Die Vettel kreischte auf und schlug ihre Klauen in seine Rippen.

Der Kitsune erzitterte. Sein linker Arm gab unter ihm nach, beinahe durchtrennt von dem Hieb, den er zuvor ihr zugefügt hatte. Amos erhaschte einen Blick auf den tiefen Schnitt in seiner Brust, die vielen kleinen Verletzungen, die zuvor Sallys Haihaut durchkreuzt hatten. Blut tropfte auf die Hexe nieder.

Sally warf ihn von sich, doch Izaya rollte sich herum und schlug ihr das Katana ins Bein. Heulend ging sie wieder zu Boden. Seine Wunden schlossen sich, golden glimmend, ein Sonnenstrahl in Gewitterwolken.

Mit einem Sprung war er über ihr und presste sie gegen die Planken. Sie tobte und wand sich unter ihm, ihre Klauen zerschlitzten sein Hemd, doch der Kitsune war stärker. Seine linke Hand schloss sich um ihren Hals, das Zeichen des König Schellen auf dem Handrücken war blass neben glimmenden Symbol der Banshee auf dem rechten. Sein Katana blitzte auf, ein grausamer Streifen Silber.

„Warte!", bellte Amos.

Izayas Schwert schoss nieder und nagelte Sallys Schulter an den Bodendielen fest. Sie schrie vor Schmerz, den Rücken durchgedrückt, ihre Krallen bohrten sich in sein Fleisch, doch er ließ nicht los. 

Amos stieß Ichigo zu Boden und schwang sich über den Tresen, die Säbel in den Händen. „Ich habe Fragen."

„Lass... mich los", keuchte sie undeutlich.

„Wenn du etwas versuchst, was auch nur ein wenig danach aussieht, als würdest du oder dein kleiner Freund hinterm Tresen uns angreifen wollen, scheiße ich auf meine Fragen und bringe euch beide um. Hast du mich verstanden?"

„Aye."

Amos nickte seinem Ersten Offizier zu. „Izaya."

Der Kitsune erhob sich und riss das Schwert aus dem Körper der Vettel. Mit der Waffe in der Hand blickte er auf sie nieder. Das Zeichen der Banshee erlosch.

Sie fauchte heiser und kroch näher an die Wand, die Hand auf die Wunde an ihrer Schulter gepresst. Noch immer lief das Wasser aus ihren Haaren, floss in Bächen über ihre Wangen und vermischte sich mit schwarzem Blut. Die Tintenfischarme in ihren Haaren regten sich. Mühsam setzte sie sich auf. „Was wollt Ihr wissen, Captain Ranshaw?" Ihre Stimme war dunkel und heiser, geradezu fremdartig.

„Zum ersten will ich wissen, wo ich Lucifuge Osfeira finden kann. Sein Name ist aller Munde seit den unheiligen Vorfällen des gestrigen Tages. Angeblich hat er mit den Knochensammlern ausgehandelt, mich zu beseitigen, und sein Name fällt auch den öfteren in Zusammenhang mit dem Euren."

„Wer?", keuchte Sally. Izaya trat ihr mit Wucht gegen die Schulter, und sie heulte auf.

„Lucifuge Osfeira. Tiefling, violette Haut, kleidet sich wie eine billige Hafenhure. Redet zu viel. Versucht, alles und jeden in sein Bett zu bekommen. Hast du noch nie von ihm gehört?" Amos legte den Kopf schief. „Eigenartig, denn Izaya hat gestern gesehen, wie er in diese Taverne ging und mit dir sprach. Es wirkte, als wärt ihr miteinander vertraut." Lucifuge war mit jedem vertraut, fiel Amos ein.

„Natsu", Sally sah zu Ichigo, der ängstlich über die Kante des Tresens lugte, „hat ihn am Strand gefunden und hierher gebracht. Seitdem lasse ich ihn hier wohnen."

„Dann wisst ihr doch sicherlich auch, wo er sich nun aufhält."

„Ich weiß es nicht." Erneut hob Izaya den Fuß, und Sally kroch hastig von ihm fort. „Es ist die Wahrheit! Er ist nicht oft hier, und ich frage nie, wohin er geht."

„Nun, dann hoffe ich, dass er dir nicht zu sehr ans Herz gewachsen ist." Amos ließ einen seiner Säbel in der Hand wirbeln. Zu schön wäre es gewesen, wenn Lucifuge mit seinem Schiff untergegangen wäre. Seinen Tod nun nachzuholen war nicht schwer, ohne eine Crew, die ihn beschützte, und doch ging es Amos nun entsetzlich gegen den Strich. Noch etwas, worum er sich kümmern musste.

„Das ist er nicht", schnaubte Sally. „Er ist geradezu lästig mit seinen Avancen."
Sie behielt Humor, das musste er ihr zugute halten. „Schön, dann wird man ihn wohl kaum vermissen. Doch dies nur nebenbei." Amos lächelte gereizt. Am liebsten hätte er sie an Ort und Stelle umgebracht, einfach, damit er sich um Wichtigeres kümmern konnte, doch sie hatte jenes Wissen, was er noch brauchen konnte. Wenn er sie danach nicht mehr brauchte, konnte er ihr immer noch den Hals durchschneiden. „Du hast geschrieben, dass du wichtige Informationen hast, die für meinen Eroberungsfeldzug sicherlich nicht unerheblich sind. Weswegen also wolltest du dich wirklich mit mir treffen?"

Sally zischte und verzog das Gesicht, die Haut noch immer fahlgrau. „Dieses Geisterschiff. Es sucht nach Euch."

Amos seufzte. „Akatash Belfiore hat mir genau das gleiche gesagt, kurz bevor ich ihn umgebracht habe. Denke dir etwas besseres aus."

„Es ist die Wahrheit!" Sie blickte zu ihm auf, ihre Augen schimmerten. „Der Captain des Geisterschiffes heißt Marius Farraday."

„Wer, bei den Geistern des Meeres, ist Marius Farraday?"

„Ihr seid einst auf einem Schiff der Handelsmarine mit ihm gesegelt. Er wurde Captain, obwohl der Posten Euch zustand. Ihr habt gegen ihn gemeutert und..."

„...seine Frau über Bord geworfen. Ich erinnere mich." An die Wellen, hoch genug, um ein kleineres Schiff als die Goldklirren zu verschlingen. Den Kampf, das Schiff auf Kurs zu halten und zugleich einen Krieg gegen seinen eigenen Captain auszufechten. Die Frau war mutig gewesen, sie hatte ihn aus der Dunkelheit angesprungen, Messer in den Händen, doch er und seine Verbündeten hatten sie überwältigt. Das Meer hatte sich ihrer angenommen, und Marius hatte die Waffen niedergelegt. Vielleicht hätte Amos ihn hinterher werfen sollen. „Mich wundert es, dass er es jemals wieder zum Captain gebracht hat."

„Er findet keine Ruhe. Ihn treibt der Wunsch an, Euch zu töten, um Vergeltung zu üben für seine Frau. In seinen Augen seid Ihr schuld an allem Leid, das ihm nach Eurer Meuterei widerfuhr, und er will sich dafür rächen."

„Ich habe ihn gestern besiegt. Kein Grund zur Sorge."

„Er wird wiederkehren. Seit Monaten sucht er diese und andere Städte heim. Lange wart Ihr sicher, doch nun hat er euch gefunden, und erst, wenn er Euch getötet hat, wird er ruhen."

„Ich kann ihn wieder versenken."

„Er wird lernen, dass er Euch nicht in einem offenen Gefecht besiegen kann. In jenen Momenten, in denen Ihr Euch sicher fühlt, immer, wenn ihr nicht damit rechnet, wird er dort sein, so lange, bis er Euch die Kehle durchschneiden kann."

Amos hob zu einer verächtlichen Antwort an, doch schwieg. Anfangs würde es nur lästig sein. Sie würden damit rechnen, und ein paar Breitseiten später wäre es wieder unter dem Meer verschwunden. Bis es begann, in jenen Augenblicken aufzutauchen, in denen sie verwundbar waren. Nach Schlachten gegen jene, die sie nur mit Mühen besiegen konnten, das Schiff beinahe zerstört, auf der hektischen Suche nach einem sicheren Hafen. Während den Kämpfen, wenn er sich nicht gegen zwei Gegner wehren konnte. Nie wieder würde es einen Moment der Ruhe geben. Seine Crew und er würden in ständiger Angst leben.

Sally schien seine Gedanken zu lesen. „Ich will Euch helfen. Es gibt Wege, die Geister zu überlisten." Ihre Augen blinzelten, alle zugleich. „Die Magie einer Meervettel ist stark, vor allem gegen die wandernden Seelen, die die Grausamen Schwestern uns schicken."

„Was hast du vor?", fragte Amos.

„Ich möchte ihn zur Ruhe legen. Danach ist er fort."

Er verengte die Augen. „Was verlangst du dafür?"

„Nichts. Das Geisterschiff sucht diese Stadt schon viel zu lange heim. Ich will, dass es endlich verschwindet. Seit es erschienen ist, wollte ich es verbannen, doch mir fehlte etwas dafür."

„Als da wäre?"

Sie sah langsam zu ihm auf. „Ihr."

„Ich?"

„Farraday will Euren Tod. Wenn ich ihn vorgaukeln kann, wird das Geisterschiff verschwinden. Dafür brauche ich nur ein paar Tropfen Eures Blutes." Sie krümmte die Klauen. „Blut zu Salzwasser, ein paar Worte, ein Opfer. Und das Schiff wird verschwinden. Es würde weder diese Stadt noch Euch jemals wieder behelligen."

„Lügnerin." Izayas Stimme klang, als verfluchte er sie.

Sally blickte an Amos vorbei zu ihm. „Warum sollte ich..."

Izaya fauchte ein Wort in einer fremden Sprache. „Was willst du wirklich tun?", fragte er.

„Ich..." Sally biss die Zähne zusammen und krümmte die Klauen. „Das Geisterschiff. Ich will es zur Ruhe..."

In einem Schweif aus Schatten schnellte Izaya an Amos vorbei und stürzte sich auf Sally. Metall scharrte gegen Holz, Stahl flammte auf, und das Katana zog eine tiefe Wunde quer über ihre Brust. Sally kreischte auf.

„Was willst du wirklich tun?", wiederholte Izaya barsch.

Sally bäumte sich auf und versuchte, ihn von sich zu stoßen. „Ich will..." Sie kreischte wütend, schien sich gegen mehr zu stemmen als das Gewicht des Kitsune über ihr.

Izaya knurrte finster, das Symbol der Banshee flammte auf. „Die Wahrheit", verlangte er.

Amos schritt zu dem ängstlichen Ichigo hinterm Tresen, packte ihn am Kragen und zwang ihn neben Sally auf die Knie. „Die Wahrheit, Sally. Oder ich schneide deinem kleinen Freund die Kehle durch. Dann kannst du dich im Jenseits bei ihm entschuldigen." Sein Säbel öffnete eine erste rötliche Linie im Fell des Jungen.

Sally fauchte heiser, ihr Blick flackerte an Izaya vorbei zu Ichigo. „Natsu", flüsterte sie.

Sie mochte ihn wirklich, erkannte Amos. Wie einen Sohn, vermutlich. Doch seinem panischen Blick zufolge hatte er nichts von dem, was Amos und Izaya aus ihr heraus geprügelt hatten, gewusst.

Izaya erhob sich, die Spitze seiner Klinge wies auf die Meervettel. „Sprich."
Sally seufzte erschöpft und sah zur Seite, als schämte sie sich für ihre Offenbarung vor Ichigo. „Ich will dieses Geisterschiff für mich. Die Angst vor ihm wird sich auftürmen wie die Wellen bei Sturm, und ich werde die Einzige sein, die Schutz vor ihm verspricht. Jeder, der nicht mein Zeichen trägt, wird von ihm zerschmettert werden. Und diese Stadt wird mein sein."

Das klang eher nach dem Vorhaben einer beinahe machtlosen Meervettel. „Aha. Und wie wolltest du ihn deinem Willen unterwerfen? Denkst du, du sprichst mit ihm und er tut, was du willst?" Amos lockerte die Klinge an Ichigos Hals.

„All die Zeit wusste ich nicht, was das Schiff antreibt", flüsterte Sally rau. „Wenn ich es ihm geben könnte, würde es mir vielleicht gehorchen. Nun, da ich weiß, dass Ihr es seid, werde ich es mit Eurem Blut anlocken und an ein Totem binden können, und dann kann ich ihm befehlen, was immer ich möchte."

„Es auf mich und meine Crews hetzen?"

„Nein." Sie sah zu Amos auf. „Wenn Ihr sterbt, wird es verschwinden. Und ich will dieses Geisterschiff. Mehr als alles andere. Deswegen brauche ich Euch lebend."

Amos legte eine Hand auf die Schulter des Kitsune. „Und es gibt keinen Weg, mein Schicksal von dem dieses Schiffes zu trennen? Dass es verschwindet, selbst, wenn ich am Leben bleibe?" Er lächelte hinterlistig. „Oder gar umgekehrt?"

„Nein." Sallys Blick flackerte von dem Jungen zu Izaya. „Ohne Euch gibt es keinen Grund, zu bleiben. Das Geisterschiff wird nach Eurem Tod diese Welt verlassen."

Amos musterte sie sinnierend, seine Finger klopften auf Ichigos Schulter. Sally sah nun die einmalige Gelegenheit, ihre kümmerliche Macht auszubauen, um gar zur Königin von Hogarth aufzusteigen, begriff er. Alle würden ihr gehorchen, aus Angst vor dem Geisterschiff oder in die Knie gezwungen von ihrer Macht. Jene, die sich gegen sie auflehnten, würden von Farradays Kanonen eines besseren belehrt werden. Wenn sie nach seinem Angriff noch lebten, um zu lernen.

Doch der Thron war sein. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch die wenigen, die sich Amos noch nicht angeschlossen hatten, ihren kümmerlichen Widerstand einstellten. Nur bei einer Bande hatte er Zweifel, doch auch sie waren seinen Argumenten sicherlich nicht abgeneigt. Amos würde seine Krone nicht teilen, am wenigsten mit einer unberechenbaren, machtgierigen Meervettel.

Sie brauchte ihn nur lebendig. Sein Herz musste schlagen. Mit dem Geisterschiff in ihrer Macht wäre sie bald so stark, dass auch Izaya sie nicht mehr in Schach halten konnte, und wenn es so weit war, würde sie Amos gnadenlos zugrunde richten. Das würde er nicht zulassen.

Doch zugleich konnte er nicht der König der Piraten sein, wenn er keine Raubzüge unternehmen konnte, wenn jeder, der ihn auf See begleitete, in Gefahr schwebte. Er wäre zu einem Leben in dieser Stadt verdammt. Nie wieder würde er ein Schiff betreten können. Wenn er Sally einfach tötete, würde Farraday ihn früher oder später finden, wieder und wieder, und Amos ahnte, dass einer dieser Kämpfe, die ständige Angst, schließlich zu seinem Tod führen würden.

„Du willst das Geisterschiff an ein Totem binden", begann er langsam. „Was brauchst du dafür?"

Izaya starrte ihn an. „Was hast du vor?", knurrte er misstrauisch.

„Ich gehe einen Handel ein, mit einer über den Gedanken des Verrats hoffentlich erhabenen Person." Amos blickte wieder zu Sally.

„Sie ist eine Vettel", fauchte Izaya voller Abscheu. „Egal, was du tust, sie wird dich verraten."

„Nicht, wenn ich etwas habe, was ihr lieb und teuer ist", erwiderte Amos und tippte mit der Säbelspitze an die Kehle des Jungen. „Und auch sonst solltest du wissen, Sally, dass du es bereuen wirst, solltest du mich verraten. Was brauchst du?"

„Ein Schiff und eine Crew." Sally setzte sich langsam auf, den Blick auf den vor Zorn schier brennenden Izaya gerichtet. „Farraday wird sich zu Erraxas Zähnen zurückgezogen haben. Die Macht der Meeresgötter schlummert noch dort, so, wie ein Rest von Erraxa auch in ihm lebt. Ich muss dorthin, so schnell wie möglich. Noch ist er geschwächt, doch er wird sich bald wieder erheben. Und ich brauche Euer Blut."

„Nicht mich persönlich?"

„Die Gefahr, dass er Euch tötet, ist zu groß. Eine Phiole reicht."

„Du wirst morgen bei Morgengrauen aufbrechen, mit der Bautista. Izaya wird dich begleiten, und dir mein Blut geben, sobald es wichtig wird." Amos nickte zu seinem Ersten Offizier, der ihn mit seinen Blicken zu erstechen versuchte. „Das Totem wirst du ihm aushändigen."

„Was bekomme ich dafür?", fragte Sally.

Schneid hatte sie, das musste er ihr lassen. „Entweder das, oder ich bringe dich hier und jetzt um, und ich suche mir jemand anders, der einen rachsüchtigen Geist binden kann. Du bist zwar eine gefährliche, aber doch recht bequeme Art, diesen Farraday von mir abzubringen, und sobald du letztere Eigenschaft verlierst, bist du mir im Weg." Amos packte Ichigos Kragen, der noch immer regungslos auf den groben Planken kniete und den Blick nicht von Sally wenden konnte. „Binde Farraday. Bring mir das Totem. Das, oder du und dieser Bursche sterben noch heute."

Sally sah ihm in die Augen, und Amos wusste, dass sie seine Gedanken lesen konnte. „Einverstanden", sagte sie.

„Hervorragend. Izaya." Amos nickte seinem Ersten Offizier zu. „Nimm sie mit."

„Nein", sagte Sally. Izayas Ohren zuckten nach hinten, und sie hob abwehrend die Hände. „Ich kann nicht mit euch kommen. Ich muss mich auf das Ritual vorbereiten. Ich habe nicht viel Zeit dafür, und wenn ich nicht habe, was ich für den Ritus brauche, könnte es uns alle das Leben kosten."

„Nun denn, dann werden wir dafür sorgen, dass ein paar meiner Männer dich begleiten werden, damit dir bei deinen Vorbereitungen auch nichts geschieht. Ihn", Amos zerrte Ichigo auf die Beine, „nehmen wir mit, um uns deiner Zusammenarbeit zu versichern."

Sally schluckte, doch schwieg.

„Sollten wir den Anschein haben, dass unser Handel nicht zustande kommt, werden wir ihn umbringen, und er wird keinen so leichten Tod haben, wie Akatash ihn hatte." Amos nickte ihr freundlich zu. „Bei Morgengrauen wird Izaya dich holen. Einen wundervollen Tag."

Er wandte sich um und stieß den stolpernden Ichigo vor sich her. Izaya folgte ihnen. Amos konnte seinen Zorn förmlich spüren.

Die Nachmittagssonne blendete ihn, als er aus der Taverne trat. Einige der Trinker, die sie zuvor hinausgeworfen hatten, lungerten vor dem Gebäude herum, doch keiner wagte es, sich ihnen in den Weg zu stellen. Seine Männer, die vor der Tür Wache gestanden hatten, sahen sich zu ihm um.

Amos ging zu ihnen. „Ihr bleibt hier. Lasst die Frau nicht aus den Augen. Wenn Lucifuge hier auftaucht, tötet ihn. Danzar, du hältst dich versteckt und folgst Sally, ohne dich zu zeigen. Der Rest ist ihre offizielle Eskorte. Finneas, du gehst zu Lowthian und sagst ihr, dass sie die Bautista zu einer Fahrt zu Erraxas Zähnen bereit machen soll. Idùnn, du bringst ihn", er schüttelte den Kitsune in seiner Hand, „zum Gouverneurshaus. Lass ihn einsperren und bewachen. Wenn er dir entkommt, kannst du dich zu Akatash gesellen."

Die Männer nickten. Finneas erhob sich und schritt in Richtung Strand von dannen. Idùnn nahm ihm den Jungen ab und schlug sich in die Gassen der Stadt. Ichigo sträubte sich halbherzig in ihrem Griff.

Sein Erster Offizier holte zu Amos auf, das Fell seiner Schweife zitterte im leichten Wind. „Denkst du wirklich, dass der Tod dieses Burschen sie davon abhalten wird, uns zu verraten? Sie ist eine Meervettel. Auf See ist sie am mächtigsten. Sie muss nur ein paar Seelen dem Ozean opfern, und schon ist sie uns allen überlegen."

„Auch dir?" Amos lächelte dünn. „Ich weiß, dass sie alles versuchen wird, uns zu überlisten. Deswegen wirst du sie töten, sobald sie Farraday an das Totem gebunden hat."

Izaya nickte beinahe zufrieden, doch beruhigt schien er dennoch nicht. „Unterschätze sie nicht. Sie wird die Zeit nutzen, die wir ihr gegeben haben."

„Dessen bin ich mir vollends bewusst. Und ich werde eine nicht geringe Summe dafür opfern, damit ich etwas gegen sie in der Hand habe."

Izaya blickte überrascht zu ihm hinab.

Amos straffte die Schultern. Es war gefährlich. Captain Seishin Himmelstor von den Schellen und seine Männer hatten einen geradezu legendären Ruf, ihre Namen wurden nur im Flüsterton gesprochen, als fürchte man, sie mit lauten Worten rufen zu können. Weder wusste er, auf wessen Seite Seishin stand, noch, ob er bestechlich war. Falls nicht, fragte Amos sich, ob er das Fort lebendig wieder verlassen würde. „Ich werde dem Königsblut einen Besuch abstatten."

~ ~ ~

Aus Gründen des Writer's Block wird diese Geschichte wahrscheinlich in Bälde pausiert. Sad life.

Hochachtungsvoll

TheFlayingNorthman

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top